VwGH 2013/07/0268

VwGH2013/07/026826.11.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger sowie die Hofrätin Dr. Hinterwirth und die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenwarter, über die Beschwerde des H K in H, vertreten durch Mag. Dr. Edwin Mächler, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Glacisstraße 67, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 27. September 2013, Zl. ABT13- 30.40-378/2012-2, betreffend Antrag auf Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes gemäß § 138 WRG 1959, zu Recht erkannt:

Normen

VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
WRG 1959 §138 Abs1;
WRG 1959 §32 Abs2 lita;
WRG 1959 §32;
WRG 1959 §40 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer des Grundstücks EZ. 2, KG S., an dessen östlicher Grenze der B.-Bach verläuft, welcher ein Privatgewässer ist.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 27. September 2013 wies die belangte Behörde einen Antrag des Beschwerdeführers auf Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes im Sinne des § 138 Wasserrechtsgesetzes 1959 - WRG 1959 durch Untersagung von indirekten Einleitungen in den B.-Bach, insbesondere über drei Einläufe im Bereich der Grundstücke Nr. 18 und 5/2, KG. H., ab.

In diesem Antrag hatte sich der Beschwerdeführer auf eine (nach einem im Verwaltungsakt erliegenden Schreiben des Bürgermeisters der Gemeinde H. durch dessen Bescheid vom 30. April 2009 der W. GmbH erteilte) Baubewilligung für die Errichtung einer Zufahrtsstraße auf den Grundstücken Nr. 18 und 5/2, KG H., samt einem Entwässerungsprojekt zur Beseitigung der Niederschlagswässer mit einer Einleitung in den B.-Bach bezogen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei unter einer eigenmächtigen Neuerung im Sinne des § 138 WRG 1959 die Errichtung von Anlagen oder das Setzen von Maßnahmen zu verstehen, für die eine wasserrechtliche Bewilligung, sofern sie einer solchen überhaupt zugänglich seien, erforderlich gewesen wäre, aber nicht erwirkt worden sei.

Die erstinstanzliche Behörde (die Bezirkshauptmannschaft L) habe ausführlich geprüft, ob ein konkreter Sachverhalt vorliege, der unter die gesetzlichen Bestimmungen des WRG 1959 zu subsumieren und für den eine wasserrechtliche Bewilligung einzuholen sei. Dazu habe die erstinstanzliche Behörde bei der Baurechtsbehörde jene Unterlagen eingeholt, die der baurechtlichen Bewilligung des Entwässerungsprojektes zugrunde gelegen seien und auf deren Basis die beanstandete Anlage errichtet worden sei. Die Entsorgung von Oberflächenwässern von Bauland unterliege der "Regelungskompetenz des Baurechtes" und die Baubehörde habe somit bereits im Rahmen der Prüfung der Bauplatzeignung gemäß § 5 Stmk. Baugesetz die Frage der Abwasserentsorgung - und so auch jene der Oberflächenentwässerung - zu behandeln. Anlagen zur Beseitigung der Niederschlagswässer seien grundsätzlich Projektsbestandteile des Baurechtsansuchens, weshalb auch die Errichtung von Oberflächenentwässerungsanlagen für ein bestimmtes Gebiet mit Einleitung in einen Vorfluter keiner wasserrechtlichen Bewilligungspflicht, sondern einer baurechtlichen Genehmigung bedürfe.

Für die Errichtung der gegenständlichen Anlage liege somit keine Bewilligungspflicht nach dem WRG 1959 vor, weshalb der gegenständliche Antrag auf Erteilung eines entsprechenden wasserpolizeilichen Auftrages abzuweisen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

2. Die hier interessierenden Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes 1959 - WRG 1959, BGBl. Nr. 215/1959 idF BGBl. I Nr. 98/2013, lauten wie folgt:

"Bewilligungspflichtige Maßnahmen.

§ 32. (1) Einwirkungen auf Gewässer, die unmittelbar oder mittelbar deren Beschaffenheit (§ 30 Abs. 3) beeinträchtigen, sind nur nach wasserrechtlicher Bewilligung zulässig. Bloß geringfügige Einwirkungen, insbesondere der Gemeingebrauch (§ 8) sowie die ordnungsgemäße land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung (Abs. 8), gelten bis zum Beweis des Gegenteils nicht als Beeinträchtigung.

(2) Nach Maßgabe des Abs. 1 bedürfen einer Bewilligung insbesondere

a) die Einbringung von Stoffen in festem, flüssigem oder gasförmigem Zustand in Gewässer (Einbringungen) mit den dafür erforderlichen Anlagen,

(...)

(6) Genehmigungen oder Bewilligungen nach anderen Rechtsvorschriften befreien nicht von der Verpflichtung, die nach diesem Bundesgesetz zur Reinhaltung erforderlichen Vorkehrungen und die von der Wasserrechtsbehörde vorgeschriebenen Maßnahmen durchzuführen.

(...)

Entwässerungsanlagen.

§ 40. (1) Entwässerungsanlagen bedürfen der wasserrechtlichen Bewilligung, sofern es sich um eine zusammenhängende Fläche von mehr als 3 ha handelt oder eine nachteilige Beeinflussung der Grundwasserverhältnisse des Vorfluters oder fremder Rechte zu befürchten ist.

(...)

§ 138. (1) Unabhängig von Bestrafung und Schadenersatzpflicht ist derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten

a) eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen,

(...)

(2) In allen anderen Fällen einer eigenmächtig vorgenommenen Neuerung oder unterlassenen Arbeit hat die Wasserrechtsbehörde eine angemessene Frist zu bestimmen, innerhalb deren entweder um die erforderliche wasserrechtliche Bewilligung nachträglich anzusuchen, die Neuerung zu beseitigen oder die unterlassene Arbeit nachzuholen ist.

(...)"

3. Die Beschwerde bringt unter anderem vor, der Bürgermeister der Gemeinde H. habe im Jahr 2009, ohne zuvor eine wasserrechtliche Bewilligung eingeholt zu haben, die indirekte Einleitung von Oberflächenabwasser in den B.-Bach, der laut rechtskräftigem Bescheid der belangten Behörde vom 11. April 2005 ein Privatgewässer sei und im Miteigentum des Beschwerdeführers stehe, nach dem Baurecht bewilligt und somit Einfluss auf die Rechte des Beschwerdeführers ausgeübt. In der Folge habe die

W. GmbH das nach dem Baurecht bewilligte Oberflächenwasserableitungsprojekt errichtet.

4. Mit diesem Vorbringen gelingt es der Beschwerde im Ergebnis, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun.

4.1. Unter einer eigenmächtigen Neuerung im Sinne des § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 ist die Errichtung von Anlagen oder das Setzen von Maßnahmen zu verstehen, für die eine wasserrechtliche Bewilligung - sofern sie einer solchen überhaupt zugänglich sind - erforderlich gewesen wäre, aber nicht erwirkt worden ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 2015, Zl. Ro 2015/07/0007, mwN).

4.2. Der mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesene Antrag bezog sich auf eine Oberflächenentwässerungsanlage, welche nach Ansicht der belangten Behörde keiner wasserrechtlichen, sondern lediglich einer baurechtlichen Genehmigung (wie sie mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde H. vom 30. April 2009 erteilt worden war) bedurfte.

Diese Annahme erschien zwar durch die frühere Rechtsprechung (vgl. dazu etwa das auf Grundlage des WRG 1934 ergangene hg. Erkenntnis vom 19. März 1959, Zl. 792/55, VwSlg. 4913A, sowie das zum Böhmischen Landeswasserrechtsgesetz 1870 ergangene Erkenntnis des k.k. Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Februar 1905, Zl. 1299, Slg. 3288/A) als gedeckt, kann aber - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat - für die geltende Rechtslage nicht aufrecht erhalten werden.

In seinem Erkenntnis vom 24. Oktober 2013, Zl. 2013/07/0058, hat sich der Verwaltungsgerichthof ausführlich mit den genannten Erkenntnissen auseinandergesetzt und im Wesentlichen ausgeführt, dass die Annahme, Entwässerungsanlagen von Bauobjekten bedürften grundsätzlich keiner wasserrechtlichen Bewilligung, mit den beiden genannten Judikaten nicht überzeugend belegt werden könne.

4.3. Bestimmungen zu "Entwässerungsanlagen" finden sich in § 40 WRG 1959. Nach dessen Abs. 1 bedürfen Entwässerungsanlagen der wasserrechtlichen Bewilligung, sofern es sich um eine zusammenhängende Fläche von mehr als 3 ha handelt oder eine nachteilige Beeinflussung der Grundwasserverhältnisse des Vorfluters oder fremder Rechte zu befürchten ist.

Entwässerungsanlagen nach § 40 Abs. 1 WRG 1959 sind solche Herstellungen, die der Veränderung des bisherigen Wasserhaushaltes eines Gebietes zugunsten der Herabsetzung seines Wassergehaltes zu dienen bestimmt sind. Entwässern im Sinne von § 40 Abs. 1 WRG 1959 bedeutet die künstliche - weil erst durch eine Anlage (etwa eine Drainage) zu bewirkende - Herabsetzung des Wassergehaltes eines wasserreichen Gebietes. Bezeichnend für eine solche Anlage ist somit der Eingriff in den bestehenden Feuchtigkeitshaushalt einer Landschaft (vgl. etwa das erwähnte hg. Erkenntnis zur Zl. 2013/07/0058 unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 14. März 1995, Zl. 92/07/0162).

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis zur Zl. 2013/07/0058 weiters ausgesprochen, dass die Entwässerung von Bauobjekten durch eine Auftriebsbegrenzungsdrainage unter die allgemeine Definition von Entwässerungsanlagen (künstliche Herabsetzung des Wassergehaltes eines wasserreichen Gebietes) und damit unter § 40 Abs. 1 WRG 1959 fällt (was bei Vorliegen einer der in dieser Bestimmung genannten weiteren Voraussetzungen zur wasserrechtlichen Bewilligungspflicht des Vorhabens führt).

In dem erwähnten Erkenntnis zur Zl. 92/07/0162 hat der Gerichtshof wiederum ausgesprochen, dass im Falle der Errichtung von Anlagen oder sonstigen Vorrichtungen zur Ableitung der Oberflächenwässer vom Straßenkörper - soweit hiedurch Rechte Dritter berührt werden - für die genannte Errichtung und für die der Sammlung und Ableitung dienenden Anlagen unbeschadet der straßenbehördlichen Zuständigkeiten auch eine wasserrechtliche Bewilligung nach § 32 WRG 1959 notwendig sei; die Einleitung der anfallenden Straßenoberflächenwässer in einen bestehenden Vorflutkanal, der in Fischteiche führe, stelle eine bewilligungspflichtige Maßnahme nach § 32 Abs. 2 lit. a WRG 1959 dar.

Die Beurteilung einer allfälligen Bewilligungspflicht des gegenständlichen Vorhabens nach einem Tatbestand des WRG 1959 - welche zur Entscheidung über den gegenständlichen, auf Erteilung eines Auftrages nach § 138 Abs. 1 WRG 1959 gerichteten Antrag des Beschwerdeführers unerlässlich ist - setzt eine entsprechende Beschreibung des vorliegenden Projektes voraus, die dem angefochtenen Bescheid allerdings nicht entnommen werden kann.

4.4. Dies hat die belangte Behörde verkannt, indem sie eine wasserrechtliche Bewilligungspflicht für die gegenständliche Oberflächenentwässerung - unter Hinweis auf die Baubewilligung vom 30. April 2009 - von vornherein verneint und sich daher nicht - ausgehend von näheren Feststellungen zu dem gegenständlichen Oberflächenwasserableitungsprojekt - mit den in Frage kommenden Bewilligungstatbeständen des WRG 1959 befasst hat.

5. Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47ff VwGG iVm § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 und der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 26. November 2015

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