VwGH 2012/13/0078

VwGH2012/13/007821.10.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fries, über die Beschwerde des Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 28. Juni 2012, Zl. RV/2217-W/11, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2010 (mitbeteiligte Partei: Mag. T in W), zu Recht erkannt:

Normen

DurchschnittssatzV Werbungskosten 2001 §1 Z9;
EStG §17 Abs6;
DurchschnittssatzV Werbungskosten 2001 §1 Z9;
EStG §17 Abs6;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Mitbeteiligte war im Streitjahr 2010 als Bankangestellter bis einschließlich April bei der A-Bank und danach bei der B-Bank beschäftigt. In seiner Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung beantragte er das sogenannte Vertreterpauschale nach der zu § 17 Abs. 6 EStG 1988 ergangenen Verordnung BGBl. II Nr. 382/2001.

Das Finanzamt hielt ihm eine Definition des Vertreters "im Sinne der Verordnung vom 23.12.1992" (Vorgängerverordnung der für das Streitjahr maßgeblichen) vor und ersuchte ihn "um Vorlage einer entsprechenden Bestätigung Ihres Dienstgebers, aus der hervorgeht, daß die Tätigkeit die genannten Kriterien der Berufsgruppe erfüllt".

In Beantwortung dieses Ergänzungsersuchens legte der Mitbeteiligte gleichlautende Bestätigungen der A-Bank (aus dem Jahr 2007) und der B-Bank (vom 30. September 2010) vor, wonach er "ausschließlich im Vertrieb zum Zwecke der Anbahnung und des Abschlusses von Geschäften sowie zur Kundenbetreuung beschäftigt" sei.

Im Einkommensteuerbescheid 2010 berücksichtigte das Finanzamt das beantragte Pauschale nicht. Begründend legte es dazu dar, dem "nichtselbständigen Versicherungsmakler bzw. Vertriebsmitarbeiter" stehe das Pauschale nicht zu, "da dieser nur Verträge vermittelt und nicht selbst Geschäftsabschlüsse tätigt, wie dies für die Berufsgruppe der 'Vertreter' typisch ist".

Dagegen erhob der Mitbeteiligte Berufung, mit deren ihm vom Finanzamt aufgetragener Ergänzung er u.a. ein eine Tätigkeitsbeschreibung enthaltendes Zeugnis der A-Bank vom 25. August 2010 und einen seine seit Mai 2010 für die B-Bank ausgeübte Tätigkeit beschreibenden Lebenslauf vorlegte.

Das Finanzamt legte die Berufung ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung der belangten Behörde vor, wobei es im Vorlagebericht die Auffassung vertrat, die "Tätigkeit eines Bankangestellten im Außendienst" sei "nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht mit jener eines Vertreters vergleichbar".

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde sowie Erstattung einer durch weitere Schriftsätze ergänzten Gegenschrift durch den Mitbeteiligten erwogen hat:

Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für Werbungskosten von Angehörigen bestimmter Berufsgruppen vom 31. Oktober 2001, BGBl. II Nr. 382/2001, lautet auszugsweise:

"Auf Grund des § 17 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400/1988, wird verordnet:

§ 1. Für nachstehend genannte Gruppen von Steuerpflichtigen werden nach den jeweiligen Erfahrungen der Praxis anstelle des Werbungskostenpauschbetrages gemäß § 16 Abs. 3 EStG 1988 folgende Werbungskosten auf die Dauer des aufrechten Dienstverhältnisses festgelegt:

...

9. Vertreter

5 % der Bemessungsgrundlage, höchstens 2.190 EUR jährlich.

Der Arbeitnehmer muss ausschließlich Vertretertätigkeit ausüben. Zur Vertretertätigkeit gehört sowohl die Tätigkeit im Außendienst als auch die für konkrete Aufträge erforderliche Tätigkeit im Innendienst. Von der Gesamtarbeitszeit muss dabei mehr als die Hälfte im Außendienst verbracht werden."

Vertreter sind Personen, die im Außendienst zum Zwecke der Anbahnung und des Abschlusses von Geschäften und zur Kundenbetreuung tätig sind (vgl. dazu etwa die Erkenntnisse vom 28. Juni 2012, 2008/15/0231, und vom 18. Dezember 2013, 2009/13/0261, jeweils m.w.N.).

Im Erkenntnis vom 24. Februar 2005, 2003/15/0044, VwSlg 8008/F, hat der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf Vorjudikatur klargestellt, dass auch Tätigkeiten der Auftragsdurchführung zur Tätigkeit eines Vertreters gehören können, "solange der Kundenverkehr in Form des Abschlusses von Geschäften im Namen und für Rechnung seines Arbeitgebers (über Verkauf von Waren oder Erbringung von Dienstleistungen) eindeutig im Vordergrund steht". Das Erkenntnis enthielt zweitens die Aussage, das in der Verordnung normierte Erfordernis einer "ausschließlich" ausgeübten Vertretertätigkeit könne auch noch erfüllt sein, wenn "in völlig untergeordnetem Ausmaß" zusätzlich auch eine andere Tätigkeit ausgeübt werde. Hierüber waren in dem mit diesem Erkenntnis entschiedenen Fall des Geschäftsführers einer "nahezu nur aus (ihm) selbst" bestehenden GmbH nicht die erforderlichen Feststellungen getroffen worden. In dem mit dem Erkenntnis vom 28. Juni 2012, 2008/15/0231, entschiedenen Fall eines Geschäftsführers zweier Gesellschaften mit insgesamt 276 Dienstnehmern verneinte der Verwaltungsgerichtshof das Vorliegen einer "völlig untergeordneten Leitungstätigkeit".

Im vorliegenden Fall stellt das beschwerdeführende Finanzamt die Ausübung einer die Voraussetzungen der Verordnung erfüllenden Tätigkeit durch den Mitbeteiligten - anders als noch im erstinstanzlichen Bescheid und im Vorlagebericht - nur mehr unter dem zuletzt genannten Gesichtspunkt einer mangelnden "Ausschließlichkeit" in Frage. Es behauptet einen Widerspruch zwischen der von der A-Bank ausgestellten Bestätigung und dem späteren Zeugnis, verweist in Bezug auf die B-Bank auf die Stellung des Mitbeteiligten als "Geschäftsstellenleiter" einer Wiener Filiale (mit Aufgaben wie "Mitarbeiterführung und - entwicklung" und "Repräsentation der Bank" in der in seinem Lebenslauf enthaltenen Tätigkeitsbeschreibung) und wirft der belangten Behörde vor, mit den in der Begründung des angefochtenen Bescheides verwendeten Formulierungen "vor allem", "hauptsächlich", "vorrangig" und "im Vordergrund" das Kriterium der "Ausschließlichkeit" verkannt zu haben.

Letzteres trifft zu. Die belangte Behörde hat in Reaktion auf die vom Finanzamt im erstinstanzlichen Bescheid und im Vorlagebericht vertretenen Standpunkte im Wesentlichen nur begründet, dass der Mitbeteiligte als Vertreter (mit Geschäftsabschlüssen "im Vordergrund" der Kundenbetreuung) und als solcher "überwiegend im Außendienst tätig" gewesen sei. Als Geschäftsstellenleiter der neu gegründeten Filiale der B-Bank sei ihm "hauptsächlich die Akquisition von Neukunden, die Kundenbetreuung, PR-Tätigkeit und die Repräsentation des Unternehmens nach außen" oblegen, und auf Grund der Aktenlage sei davon auszugehen, dass seine Aufgaben bei beiden Banken "vorrangig auf die Kundenbetreuung und Herbeiführung von Geschäftsabschlüssen (im Außendienst) ausgerichtet" gewesen seien.

Der vorliegende Sachverhalt hätte aber auch ohne darauf abzielendes Vorbringen des Finanzamts im Verwaltungsverfahren die Prüfung der Frage erfordert, ob der Mitbeteiligte nur in "völlig untergeordnetem" oder in einem darüber hinausgehenden, wenn auch nicht "überwiegenden" oder "im Vordergrund stehenden" Ausmaß auch andere als Vertretertätigkeiten ausübte. Dass letztere "vorrangig" gewesen seien oder ihm bei der B-Bank (nur zusammen mit "PR-Tätigkeit und Repräsentation des Unternehmens nach außen") "hauptsächlich" oblegen seien, reicht zur Bejahung des Erfordernisses der Ausschließlichkeit nach den Maßstäben der zitierten Erkenntnisse vom 24. Februar 2005 und vom 28. Juni 2012 nicht aus.

Ausführungen in den Gegenschriften, wonach dieses Erfordernis erfüllt sei, ändern nichts daran, dass es im angefochtenen Bescheid nicht ausreichend beachtet wurde. Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am 21. Oktober 2015

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