Normen
BVergG 1997 §25 impl;
BVergG 2002 §60 Abs2 impl;
BVergG 2006 §24 Abs1;
BVergG 2006 §79 Abs3;
BVergG 2006 §97;
LVergRG Wr 2007 §11 Abs2 Z2;
LVergRG Wr 2007 §23 Abs1;
ÖNORM A 2050 Pkt 4.9.1.;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2014:2012040124.X00
Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Wien hat der Beschwerdeführerin jeweils Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40, sohin insgesamt in der Höhe von EUR 2.652,80, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Ausschreibung:
Den insoweit unstrittigen Feststellungen des erstangefochtenen Bescheides zufolge leitete die mitbeteiligte Auftraggeberin mit der bekämpften Ausschreibung ein Vergabeverfahren (offenes Verfahren im Oberschwellenbereich zur Vergabe eines Rahmenvertrages) zur Durchführung von "Fangsanierungsarbeiten" an den von ihr in allen 23 Wiener Bezirken verwalteten Wohnobjekten ein.
Mit dieser Ausschreibung sollte ein Bauauftrag im Preisaufschlags-/Preisnachverlassverfahren vergeben werden, wobei der Zuschlag auf das Angebot mit dem niedrigsten Preis erfolgen sollte. Die Bekanntmachung des Vergabeverfahrens erfolgte im Amtsblatt der EU vom 22. Februar 2012, 2012/S37-059632, sowie auf der Webseite der mitbeteiligten Auftraggeberin und im Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 9 vom 1. März 2012.
Die Ausschreibungsunterlagen wurden einmal inhaltlich berichtigt; diese Berichtigung (vom 22. März 2012) wurde ordnungsgemäß kundgemacht.
2. Erstangefochtener Bescheid (prot. zur hg. Zl. 2012/04/0124):
Gegen diese Ausschreibung brachte die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde einen Antrag auf Nichtigerklärung dieser Ausschreibung sowie der ersten Berichtigung vom 22. März 2012 sowie mehrere gegen diese Ausschreibung und deren erste Berichtigung gerichtete Eventualanträge ein. Die Beschwerdeführerin begründete die Rechtswidrigkeit der Festlegungen der Ausschreibung unter anderem damit, dass entgegen der hg. Rechtsprechung (Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 22. April 2010, Zl. 2008/04/0077) das Preisaufschlags-/- nachlassverfahren gewählt worden sei, obwohl grundsätzlich gemäß § 24 Abs. 1 BVergG 2006 das Preisangebotsverfahren zu wählen sei. Die Voraussetzungen für das Preisaufschlags-/-nachlassverfahren lägen bei der vorliegenden Ausschreibung nicht vor, da es sich nicht um häufig wiederkehrende, gleichartige Leistungen handle, sondern dieses Verfahren das erste Mal für diesen Leistungsgegenstand gewählt worden sei. Der Antrag richtete sich auch gegen - in der Ausschreibung enthaltene - Festlegungen der WD 314 (Allgemeine Angebots- und Vertragsbestimmungen der S für Leistungen, Erlass der Magistratsdirektion vom 27. Oktober 2011,
MD-X/Y).
Mit dem erstangefochtenen Bescheid wurde - soweit beschwerderelevant - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der Antrag der Beschwerdeführerin auf Nichtigerklärung der Ausschreibung sowie der ersten Berichtigung dieser Ausschreibung abgewiesen (Spruchpunkt 1.).
Weiters wurde mit dem erstangefochtenen Bescheid der Eventualantrag, bloß näher bezeichnete Punkte der Ausschreibung und der ersten Berichtigung für nichtig zu erklären, abgewiesen (Spruchpunkt 2.). Die Beschwerde bekämpft vor dem Verwaltungsgerichtshof lediglich die Abweisung hinsichtlich der Punkte 6 bis 9, 13 bis 19, 22 bis 24 und 26 bis 28.
Diese Spruchpunkte (sowie weitere von der Beschwerdeführerin nicht bekämpfte Spruchpunkte) des erstangefochtenen Bescheides stützte die belangte Behörde undifferenziert auf die §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 11 Abs. 1 und 2, 13, 18, 19, 20, 24 Abs. 4, 25 Abs. 1, 31 WVRG 2007 iVm §§ 2 Z 16 lit. a sublit. aa, 3 Abs. 1 Z 1, 4, 19 Abs. 1, 70 Abs. 1, 71, 72, 74, 75 Abs. 1, 79 Abs. 2, 99 BVergG 2006.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, mit dem gegenständlichen Nichtigerklärungsantrag würden nicht nur die Ausschreibung in ihrer Gesamtheit, sondern vor allem einzelne Festlegungen derselben bekämpft. Der Antrag richte sich gegen eine gesondert anfechtbare Entscheidung und entspreche auch sonst den Bestimmungen des § 23 Abs. 1 WVRG 2007.
Der Auftrag solle nach dem Preisaufschlags-/- nachlassverfahren vergeben werden, wobei die Bieter die Möglichkeit hätten, auf der Ebene von Obergruppen Aufschläge oder Nachlässe zu den der Ausschreibung zu Grunde liegenden Bezugspreisen anzubieten.
Die WD 314 (auf deren Grundlage nach der vorliegenden Ausschreibung die Angebote zu erstellen seien) basierten auf den Abschnitten 5 bis 12 der ÖNORM B 2110 (Allgemeine Vertragsbestimmungen für Bauleistungen, Ausgabe 1. März 2011). Die Abweichungen seien durch Kursivsetzung gekennzeichnet, Auslassungen seien ersichtlich gemacht. Mit Erlass der Magistratsdirektion vom 27. Oktober 2011, MD-X/Y, seien alle Dienststellen, die mit der Vergabe von Aufträgen befasst seien, verpflichtet worden, die WD 314 jedem Vergabeverfahren zu Grunde zu legen. Mit näherer Begründung halte die belangte Behörde die WD 314 für eine geeignete Leitlinie nach § 99 Abs. 2 BVergG 2006. Selbst wenn diese Rechtsansicht nicht teilen wollte, so sei in den WD 314 jedenfalls eine vergaberechtskonforme Abweichung von bestehenden Normen bzw. Leitlinien zu erblicken, zumal keine der von der Beschwerdeführerin angefochtenen Bestimmungen als sittenwidrig zu werten sei. Bereits aus diesen Gründen sei dem Antrag auf Nichtigerklärung der gesamten Ausschreibung sowie der ersten Berichtigung vom 22. März 2012 nicht Folge zu geben.
Sodann folgen Ausführungen zu den einzelnen von der Beschwerdeführerin hilfsweise als vergaberechtswidrig angefochtenen Festlegungen.
So seien zwei Festlegungen aus den WD 314 angefochten worden. Der Punkt 1.1 (Verschwiegenheit) der WD 314 werde seitens der belangten Behörde für durchaus sachgerecht und nicht überschießend gehalten. Der Punkt 1.3 (Verwendungs- und Verwertungsrechte) der WD 314 werde für sachlich gerechtfertigt und vergaberechtlich unbedenklich gehalten, zumal nicht ersichtlich sei, wieso und in welchem Umfang dadurch die Kalkulation eines vergaberechtskonformen Angebots erschwert oder unmöglich gemacht werden könnte.
An anderer Stelle beschäftigt sich die Begründung des angefochtenen Bescheides mit (weiteren) einzelnen von der Beschwerdeführerin angefochtenen Festlegungen in der WD 314 (Meinungsverschiedenheit bei Prüfungen; Anpassung der Leistungsfrist und des Entgelts; Regieleistungen von Lohnempfängern und Gehaltsempfängern; Verzug bei Rechnungslegung; Fälligkeiten; Zahlung; Rechtsfolgen der Übernahme; Schadenersatz allgemein; Konventionalstrafe bei Lohn- und Sozialdumping) und kommt nach näherer Begründung zum Ergebnis, diese seien sachlich gerechtfertigt bzw. nachvollziehbar und sachlich begründet, durch diese sei ein für den Bieter nicht kalkulierbares Risiko nicht gegeben bzw. diese seien nicht geeignet, die Kalkulation eines Angebotes wesentlich zu erschweren.
Die Beschwerdeführerin habe auch näher bezeichnete Positionen im Lang-LV (Leistungsverzeichnis) und im Kurz-LV angefochten, weil es einer Bieterin nicht möglich sei in diesen Positionen durch prozentuelle Aufschläge Kosten zu kalkulieren, da zahlreiche Positionen mit Euro 0,- ausgepreist seien. Auch in diesen Festlegungen erblicke die belangte Behörde keine, die Kalkulation eines Bieters erschwerende Bestimmungen der Ausschreibung. Sie folge der Argumentation der mitbeteiligten Auftraggeberin, welche in ihren Schriftsätzen nachvollziehbar dargestellt habe, warum bei diesen Positionen nicht in die Kalkulationsfreiheit des Bieters eingegriffen werde.
3. Zweitangefochtener Bescheid (prot. zur hg. Zl. 2013/04/0040):
Im erstangefochtenen Bescheid wurde festgehalten, dass die Beschwerdeführerin (unter anderem) ihren (Eventual)Antrag zu Punkt 2 der Ausschreibung (MD-BD - Lang-LV, Kurz-LV - Erstellung der Preise, Preisaufschlags/Nachlassverfahren) im Zuge des Nachprüfungsverfahrens nicht aufrecht erhalten habe.
Die Beschwerdeführerin brachte vor, dieser (Eventual)Antrag, die Festlegungen betreffend das Preisaufschlags-/- nachlassverfahren für nichtig zu erklären, sei aufrechterhalten worden und brachte betreffend diesen Antrag (zur hg. Zl. 2012/04/0125) eine Säumnisbeschwerde ein. Nach Erlassung des zweitangefochtenen Bescheides wurde dieses Verfahren mit hg. Beschluss vom 6. März 2013, Zl. 2012/04/0125-7, eingestellt.
Mit dem zweitangefochtenen Bescheid wurde sodann der Eventualantrag der Beschwerdeführerin, die Festlegungen betreffend das Preisaufschlags-/-nachlassverfahren (im Formular MD-BD, Lang-LV, Kurz-LV) für nichtig zu erklären, abgewiesen, wobei als Rechtsgrundlagen die §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 11 Abs. 1 und 2, 13, 18, 19, 20, 24 Abs. 4, 25 Abs. 1, 31 WVRG 2007 iVm §§ 2 Z 16 lit. a sublit. aa, 3 Abs. 1 Z 1, 4, 19 Abs. 1, 24 Abs. 1, 70 Abs. 1 BVergG 2006 angeführt werden.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, Gegenstand der vorliegenden Ausschreibung sei die Sanierung bzw. Reparatur von Rauchfängen in den von der mitbeteiligten Auftraggeberin verwalteten Wohnobjekten in allen 23 Wiener Gemeindebezirken. Mit dem ausgeschriebenen Rahmenvertrag solle die mitbeteiligte Auftraggeberin die Möglichkeit erhalten, je nach Bedarf und Anfall Abrufe einzelner Leistungen mit jeweils geringen Auftragssummen vorzunehmen. Während der Laufzeit des Rahmenvertrages sei eine Vielzahl von Abrufen zu erwarten. Bei der Vorbereitung und Durchführung der Arbeiten an den Fängen handle es sich in der Regel um die Durchführung nahezu gleichartiger Arbeiten. Im Hinblick auf die Art und Weise dieser ausgeschriebenen Leistungen halte die belangte Behörde die Wahl des Preisaufschlags-/-nachlassverfahrens für zulässig und zweckmäßig. Bei den ausgeschriebenen Arbeiten handle es sich um häufig wiederkehrende, gleichartige Leistungen, wobei die einzelnen Leistungen und die Umstände, unter denen sie erbracht würden, in den einschlägigen Kreisen hinreichend bekannt seien.
Aus diesen Überlegungen halte die belangte Behörde an ihrer Auffassung weiter fest, die sie bereits in zahlreichen Nachprüfungsverfahren vertreten habe, denen auch die Vergabe eines Rahmenvertrages unter Anwendung des Preisaufschlags-/- nachlassverfahrens zu Grunde gelegen seien, dass die Anwendung dieses Verfahrens im Hinblick auf die zahlreichen gleichgelagerten Leistungen verschiedener Gewerke (Baumeister, Fliesenleger, Installateure, Tischler, Fußbodenleger, Maler und Anstreicher etc.) zulässig und zweckmäßig sei (dabei verweist die belangte Behörde auf eine Reihe ihrer Entscheidungen, unter anderem den Bescheid vom 13. März 2008, VKS-21/08).
Im Hinblick auf den Inhalt der ausgeschriebenen, häufig wiederkehrenden Leistungen sowohl was Art und Weise der Durchführung der Arbeiten, als auch Höhe der einzelnen Leistungsabrufe anlange, erachte die belangte Behörde die Wahl des Preisaufschlags-/-nachlassverfahrens für vergaberechtlich unbedenklich und wirtschaftlich geboten.
Damit vermeine sich die belangte Behörde durchaus im Rahmen der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 22. April 2010, Zl. 2008/04/0077) zu halten, weil die dort aufgestellten Voraussetzungen vorliegend gegeben seien, zumal bereits aus dem Leistungsverzeichnis ersichtlich sei, dass es sich bei den ausgeschriebenen Leistungen um häufig wiederkehrende, gleichartige Leistungen handle.
Dass die ausgeschriebenen Fangarbeiten - wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht - bisher noch nicht Gegenstand eines vergleichbaren Vergabeverfahrens der mitbeteiligten Auftraggeberin gewesen seien, sei unbeachtlich. Es komme nämlich nicht darauf an, wie oft diese Leistungen bisher ausgeschrieben worden seien, sondern ob die ausgeschriebenen Leistungen inhaltlich als gleichartig und häufig wiederkehrend beurteilt werden könnten.
Auch aus den einschlägigen ÖNORMEN ergebe sich, dass das Preisaufschlags-/-nachlassverfahren für häufig wiederkehrende, gleichartige Leistungen konzipiert sei.
Auftragsgegenständlich seien Standardleistungen, die bei jedem Rauchfang immer gleich seien, mit einem Einzelauftragswert von in der Regel EUR 2.500,- (90 %) bzw. zwischen EUR 2.500,- bis EUR 5.000,- (ca. 9,5 %).
Die Beschwerdeführerin habe in der mündlichen Verhandlung vom 31. Jänner 2013 geltend gemacht, dass die Gewährung von Preisaufschlägen oder -nachlässen nur auf Obergruppenebene zugelassen sei. Dieser Anfechtungsgrund sei bisher nicht vorgebracht worden. Sowohl im einleitenden Schriftsatz vom 2. April 2012 als auch im Schriftsatz vom 21. Mai 2012 sei lediglich geltend gemacht worden, dass die Voraussetzungen für das gewählte Preisfindungsverfahren nicht vorliegen würden, da dieses Verfahren das erste Mal für diesen Leistungsgegenstand gewählt worden sei. Das erstmalige Vorbringen vom 31. Jänner 2013 sei daher verfristet.
Zusammenfassend sei daher das vorliegend gewählte Preisbindungsverfahren nicht vergaberechtswidrig. Das Preisaufschlags-/-nachlassverfahren sei durchaus geeignet, den Vorgaben des Vergaberechts entsprechend zu vergleichbaren Angeboten zu führen. Auch sei durch die Wahl dieses Verfahrens ein Bieter nicht daran gehindert, sein Angebot ohne Übernahme nicht vertretbarer oder unzumutbarer Risken zu kalkulieren.
4. Beschwerden:
Gegen den erstangefochtenen Bescheid richtet sich die zur hg. Zl. 2012/04/0124 protokollierte Beschwerde.
Gegen den zweitangefochtenen Bescheid richtet sich die zur hg. Zl. 2013/04/0040 protokollierte Beschwerde.
5. Vorverfahren:
Die belangte Behörde legte jeweils die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete jeweils ebenso wie die mitbeteiligte Auftraggeberin eine Gegenschrift.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die Beschwerden aufgrund ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung zu verbinden.
Er hat sodann erwogen:
1. Die Beschwerdeführerin hat sowohl im Nachprüfungsverfahren als auch in den vorliegenden Beschwerden die Zulässigkeit der Wahl des Preisaufschlags-/-nachlassverfahrens in der vorliegenden Ausschreibung bestritten.
2. Gemäß § 24 Abs. 1 Bundesvergabegesetz 2006, BGBl. I Nr. 17 (BVergG 2006), ist der Preis nach dem Preisangebotsverfahren oder nach dem Preisaufschlags- und Preisnachlassverfahren zu erstellen. Grundsätzlich ist nach dem Preisangebotsverfahren auszuschreiben, anzubieten und zuzuschlagen. Das Preisaufschlags- und Preisnachlassverfahren ist nur in zu begründenden Ausnahmefällen zulässig.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Preisaufschlags- und Preisnachlassverfahren im hg. Erkenntnis vom 22. April 2010, Zl. 2008/04/0077, bereits Stellung genommen:
"Das Preisaufschlags- und Preisnachlassverfahren war nach der dargestellten Rechtsentwicklung immer nur ausnahmsweise zulässig. Unter Geltung des BVergG 1997 und der ÖNORM A 2050 in der Fassung vom 1. Jänner 1993 war dieser Ausnahmsfall ausdrücklich geregelt. Das Preisaufschlags- und -nachlassverfahren durfte nur bei häufig wiederkehrenden, gleichartigen Leistungen angewendet werden, sofern diese Leistungen und die Umstände, unter denen sie erbracht werden sollen, hinreichend bekannt sind. Seither besteht lediglich eine Einschränkung auf 'begründete Ausnahmsfälle'. Da keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Gesetzgeber mit dieser Änderung dem Gesetz einen gänzlich anderen Sinn geben wollte, sind unter "begründeten Ausnahmsfällen" nur solche zu verstehen, die mit dem bisher einzig zulässigen Ausnahmsfall (häufig wiederkehrende, gleichartige Leistungen, hinreichende Bekanntheit derselben und der Umstände, unter denen sie erbracht werden sollen) vergleichbar sind (vgl. dazu auch Pachner in Schramm/Aicher/Fruhmann, Thienel, Kommentar zum BVergG 2006, Rz 14 ff zu § 24)."
3. Die Beschwerdeführerin hat sich im Nachprüfungsverfahren vor der belangten Behörde auch dagegen gewandt, dass in der vorliegenden Ausschreibung die Gewährung von Preisaufschlägen oder -nachlässen auf Obergruppenebene zugelassen sei.
Zu dieser Frage hat der Verwaltungsgerichtshof im zitierten hg. Erkenntnis Folgendes ausgeführt:
"Wird dem Bieter nur die Möglichkeit eingeräumt, auf zusammengefasste und unterschiedlich zu kalkulierende Leistungen Aufschläge bzw. Nachlässe anzubieten, so kann das - insbesondere bei Rahmenverträgen mit nicht genau vorhersehbarem Leistungsumfang - für Bieter, deren Kalkulation von der Vorgabekalkulation in einzelnen Punkten stark differiert, bzw. bei Verwendung unrichtiger Lohn- oder Materialansätze in einzelnen Positionen der Vorgabekalkulation den Bieter daran hindern, seine eigene Kalkulation bei Angebotslegung umzusetzen, und dadurch zu einem unkalkulierbaren Risiko führen (vgl. dazu auch Hackl in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Kommentar zum BVergG 2006, Rz 29 zu § 97, wonach ein wichtiges Kriterium für die Trennung bzw. Zusammenfassung von Teilleistungen in Positionen die Kalkulierbarkeit ist, um dem Bieter keine nichtkalkulierbaren Risken aufzubürden).
Dies bedeutet allerdings nicht - wie die belangte Behörde richtig erkannt hat -, dass (die Zulässigkeit des Preisaufschlags- und -nachlassverfahrens vorausgesetzt) die Leistungsgruppen nur so zusammengefasst werden dürfen, dass jedem Bieter die hundertprozentige Umsetzung seiner Kalkulation ermöglicht wird. Die Zusammenfassung heterogener Leistungen darf nur nicht so weit gehen, dass bei einer objektiven Gegebenheiten Rechnung tragenden Durchschnittsbetrachtung das daraus für den Bieter bei der Kalkulation erwachsende Risiko unzumutbar ist (vgl. dazu auch
W. Pesendorfer in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Kommentar zum BVergG 2006, Rz 16 zu § 79)."
4. Die belangte Behörde ging auf das diesbezügliche Vorbringen der Beschwerdeführerin jedoch nicht weiter ein, weil sie die Auffassung vertrat, dieses Vorbringen bzw. - wie die belangte Behörde es auch bezeichnet - dieser Anfechtungsgrund sei verfristet, weil es (bzw. er) durch die Beschwerdeführerin im Nachprüfungsverfahren erst in der mündlichen Verhandlung vom 31. Jänner 2013 vorgebracht worden sei.
5. Die Beschwerde (zur Zl. 2013/04/0040) bringt hiezu vor, die in der mündlichen Verhandlung vom 31. Jänner 2013 vorgebrachten Gründe für die Rechtswidrigkeit der Wahl des Preisaufschlags-/-nachlassverfahrens hätten berücksichtigt werden müssen, zumal der Streitgegenstand im Nachprüfungsverfahrens nicht auch hinsichtlich der Gründe begrenzt würde (Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 27. November 2003, Zl. 2003/04/0069). Die Beschwerdeführerin habe in der mündlichen Verhandlung vom 31. Jänner 2013 darauf hingewiesen, dass in der vorliegenden Ausschreibung inhomogene Leistungen zusammengefasst würden, was (wie an einem Beispiel mit näherer Begründung dargetan werde) die Beschwerdeführerin als ein nicht in Wien ansässiges Unternehmen benachteilige. Gerade bei den hier ausgeschriebenen Leistungen komme es wesentlich auf den Standort des Unternehmens an, die Kostensituation sei bei unterschiedlichen Unternehmen nicht vergleichbar. Die Zusammenfassung inhomogener Leistungen führe daher zu einem unzumutbaren Kalkulationsrisiko für die Beschwerdeführerin.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide auf:
Gemäß § 11 Abs. 2 Z. 2 des Wiener Vergaberechtsschutzgesetz 2007; LGBl. Nr. 65/2006 in der Fassung LGBl. Nr. 10/2012 (WVRG 2007), ist die belangte Behörde zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen des Auftraggebers oder der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller oder von der Antragstellerin innerhalb der Antragsfristen (§ 24) geltend gemachten Beschwerdepunkte zuständig.
Gemäß § 23 Abs. 1 WVRG 2007 muss ein Antrag auf Nichtigerklärung gemäß § 20 leg. cit. jedenfalls die bestimmte Bezeichnung des Rechts, in dem sich der Antragsteller oder die Antragstellerin als verletzt erachtet (Z 5) sowie die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (Z 6), enthalten.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits zur inhaltsgleichen Rechtslage des § 11 Abs. 2 Z 2 WVRG, LGBl. Nr. 25/2003, festgehalten hat, hat die Vergabekontrollbehörde auch auf späteres, neues Vorbringen der Partei Bedacht zu nehmen, wenn sich der genannte Einwand innerhalb des geltend gemachten Beschwerdepunktes bewegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 2011, Zl. 2006/04/0200, mit Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 27. November 2003, Zl. 2003/04/0069).
Daher hätte die belangte Behörde auf das spätere Vorbringen der Beschwerdeführerin zur Zulässigkeit des Preisaufschlags- /Preisnachlassverfahrens mit Aufschlags- bzw. Nachlassmöglichkeit auf Leistungsgruppenebene Bedacht nehmen und - wie im obzitierten Erkenntnis vom 22. April 2010 ausgeführt - entsprechende Ausführungen machen müssen.
6. Im Hinblick auf das letztzitierte Erkenntnis kommt diesem Begründungsmangel Relevanz zu, daher erweist sich zunächst der zweitangefochtene Bescheid als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.
Diese Rechtswidrigkeit belastet aber auch den erstangefochtenen Bescheid, weil sich die Frage der Zulässigkeit des Preisaufschlags-/Preisnachlassverfahrens mit Aufschlags- bzw. Nachlassmöglichkeit auf Leistungsgruppenebene auf die gesamte, bereits mit dem erstangefochtenen Bescheid behandelte Ausschreibung bezieht (und daher auch eine allfällige Streichung der mit dem zweitangefochtenen Bescheid behandelten Festlegung nicht in Frage käme; vgl. zu Fällen der Notwendigkeit der Nichtigerklärung der gesamten Ausschreibung das hg. Erkenntnis vom 6. März 2013, Zlen. 2011/04/0115, 0130 und 0139, mwN).
Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
7. Die Durchführung der (jeweils) beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG unterbleiben, weil die Sache bereits Gegenstand einer Verhandlung bei der belangten Behörde (einem Tribunal im Sinne des Art. 6 EMRK) war (vgl. auch hiezu das zitierte hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 2011).
8. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014 auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 1 derVwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 21. Jänner 2014
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