VwGH 2011/15/0003

VwGH2011/15/000322.5.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerden der C GmbH in L, vertreten durch die GT Grazer Treuhand Steuerberatung GmbH & Partner KG in 8010 Graz, Petersgasse 128 a, gegen die Bescheide des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, 1.) vom 28. September 2010, Zl. RV/0176-G/04, betreffend Kapitalertragsteuer 1997 (hg. Zl. 2011/15/0003), und 2.) vom 28. September 2010, Zl. RV/0175-G/04, betreffend Körperschaftsteuer 1997 (hg. Zl. 2011/15/0004), zu Recht erkannt:

Normen

BAO §115 Abs1;
BAO §167 Abs2;
BAO §21;
BAO §22;
BAO §23 Abs3;
BAO §23;
EStG §93 Abs2 Z1 lita;
GmbHG §18 Abs5;
KStG §8 Abs2;
BAO §115 Abs1;
BAO §167 Abs2;
BAO §21;
BAO §22;
BAO §23 Abs3;
BAO §23;
EStG §93 Abs2 Z1 lita;
GmbHG §18 Abs5;
KStG §8 Abs2;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.936,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren zu Zl. 2011/15/0004 wird abgewiesen.

Begründung

Bei der beschwerdeführenden GmbH, die den Handel mit Kosmetikartikeln betreibt, fand zunächst eine abgabenbehördliche Prüfung der Jahre 1997 bis 1999 und in der Folge eine Prüfung gemäß § 99 Abs. 2 FinStrG der Jahre 1998 bis 2003 statt (siehe dazu auch das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, 2011/15/0094 und 0105). Die beiden Prüfungen führten zu diversen Feststellungen, die zur Erlassung geänderter Sachbescheide Anlass gaben sowie zur Vorschreibung von Kapitalertragsteuer führten.

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid setzte die belangte Behörde die Körperschaftsteuer 1997 im Instanzenzug fest. Sie schloss sich dabei u.a. der Ansicht des Prüfers zum Vorliegen verdeckter Ausschüttungen in Form von auf dem Verrechnungskonto der Alleingesellschafter-Geschäftsführerin verbuchter Abgänge (im Streitjahr 1997 1,356.147,88 S) an.

Die Beschwerdeführerin habe Umlaufbeschlüsse vorgelegt, in denen jeweils der Stand des Verrechnungskontos zum Bilanzstichtag angeführt und gleichzeitig der Rahmen für künftige "Vorschüsse" festgelegt werde. Im Beschluss vom 18. Februar 1998 werde der Stand des Verrechnungskontos mit 925.456 S festgestellt und die Erweiterung des Kreditrahmens auf höchstens 3 Mio. S bewilligt. Die Entnahme für das Jahr 1997 in Höhe von 1,356.147,88 S, mit welcher der Stand des Verrechnungskontos laut Umlaufbeschluss vom 16. April 1999 auf 2,369.798,85 S angewachsen sei, habe allerdings bereits im Jahr 1997, also noch vor dem Beschluss vom 18. Februar 1998 stattgefunden.

Fest stehe somit, dass in diesen nachträglichen Vereinbarungen Insichgeschäfte verbrieft seien. Nach § 18 Abs. 5 GmbHG sei über Rechtsgeschäfte, die der einzige Gesellschafter sowohl im eigenen Namen als auch im Namen der Gesellschaft abschließe, unverzüglich eine Urkunde zu errichten. Dabei sei vorzusorgen, dass nachträgliche Änderungen des Inhaltes und Zweifel über den Zeitpunkt des Abschlusses ausgeschlossen seien. Auch diese Vorsorge sei nicht getroffen worden. Die Umlaufbeschlüsse wiesen einzig die Unterschrift der Alleineigentümerin auf und könnten daher mangels weiterer Hinweise nicht auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Ohne nach außen in Erscheinung tretenden Manifestationsakt seien Insichgeschäfte des Einmann-Gesellschafter-Geschäftsführers unwirksam. Die vorgelegten Umlaufbeschlüsse seien erst nach dem Zufluss der Entnahmen unterfertigt worden. Eine derartige Vereinbarung könne den von Lehre und Rechtsprechung im Zusammenhang mit Insichgeschäften geforderten Manifestationsakt keinesfalls ersetzen.

Auch unter dem Aspekt der Fremdüblichkeit könne die vorliegende Vermögenszuwendung nicht als Darlehen angesehen werden. Die Geldhingabe sei ohne Einräumung von Sicherheiten erfolgt. In den vorgelegten Umlaufbeschlüssen werde zwar eine Liegenschaft zur Besicherung angeboten, doch sei es tatsächlich nicht zur Einräumung einer Hypothek gekommen. Überdies sei die Liegenschaft auch mit einem Veräußerungs- und Belastungsverbot zu Gunsten der Tochter der Gesellschafterin behaftet. Die Bestätigung der Hausbank über die Bonität der Gesellschafterin sei irrelevant, weil es nur darauf ankomme, ob die Beschwerdeführerin einem fremden Dritten ein unbesichertes Darlehen eingeräumt hätte und nicht darauf, ob die Gesellschafterin auch von ihrer Hausbank ein unbesichertes Darlehen erhalten hätte. Im Übrigen könne das Schreiben der Hausbank auch nicht auf seinen Wahrheitsgehalt untersucht werden. Soweit in den Umlaufbeschlüssen festgehalten werde, dass die Alleingesellschafterin mit ihrem persönlichen Vermögen hafte, handle es sich dabei um eine völlig überflüssige Klausel, weil bei einer persönlichen Schuldaufnahme eine persönliche Haftung - wenn diese nicht ausdrücklich ausgeschlossen werde - ohnehin vorliege.

Durch die vorgelegten Umlaufbeschlüsse sei jedenfalls erwiesen, dass zum Zeitpunkt der Entnahmen keine verbindlichen Rückzahlungsvereinbarungen vorgelegen seien. Der Umlaufbeschluss für das Streitjahr 1997 habe vorgesehen, dass der Ausgleich bis spätestens Ende 2003 erfolgen müsse. Dies bedeute, dass es im Belieben der verpflichteten Gesellschafterin gelegen war, wann sie ihr Konto abdecken wolle. Als Zinssatz sei der Zinssatz vereinbart worden, den die Beschwerdeführerin ihrerseits bei Banken durchschnittlich zu entrichten habe. Dieser Zinssatz werde erst durch die Verbuchung auf dem Verrechnungskonto erkennbar. Eine solche Verbuchung sei für die Frage der (tatsächlichen) Rückzahlung irrelevant.

Auch der von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Vergleich mit einem Kontokorrentkredit könne zu keiner anderen Beurteilung als jener einer verdeckten Ausschüttung führen, weil im Beschwerdefall nicht von einer in regelmäßigen Abschnitten stattfindenden Abrechnung gesprochen werden könne. Vielmehr sei der Gesellschafterin ein "Vorschuss" - wohl auf den Gewinnanteil - gewährt worden, den sie bei Bedarf habe abrufen können. Die von der Gesellschafterin entnommene Summe habe bei weitem ihre Geschäftsführerbezüge bzw. ihre Gewinnanteile überstiegen und habe erst durch den Verkauf der Liegenschaft (im Jahr 2002) ausgeglichen werden können.

Im Beschwerdefall seien im Zeitpunkt der Entnahmen keine nachweisbaren Vereinbarungen vorgelegen. Gemeinsam mit dem Umstand, dass die Einräumung eines Kredites durch die Beschwerdeführerin an eine völlig fremde Person in dieser Form nicht erfolgt wäre, ergebe sich, dass die verdeckte Ausschüttung im Zeitpunkt der Entnahme der Geldmittel stattgefunden habe.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde auch die Vorschreibung von Kapitalertragsteuer durch das Finanzamt, weil hinsichtlich der als "Darlehen" verbuchten Geldzuwendungen kein Zweifel an der Zuwendung eines Vorteils bestehen könne.

Gegen die genannten - das Jahr 1997 betreffenden - Bescheide wenden sich die Beschwerden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und über sie nach Aktenvorlage und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde erwogen:

Die Beschwerdeführerin bringt vor, es sei nicht ungewöhnlich, einem sehr erfolgreichen fremden Geschäftsführer Zugeständnisse zu machen, um ihn an die Gesellschaft zu binden. Es sei auch nicht ungewöhnlich, dass die Mittelzuwendungen vorerst formlos erfolgten und erst im Zuge der nächsten Gesellschafterversammlung die vorläufig mündlich vereinbarten Vertragsbedingungen in einem Gesellschafterbeschluss schriftlich festgehalten würden, wie dies im gegenständlichen Fall geschehen sei. Auch die Vertragsbedingungen selbst seien nicht ungewöhnlich. Bei nahezu jeder Kreditvereinbarung werde eine Zinsgleitklausel vereinbart. Damit solle erreicht werden, dass stets ein den Geldmarktverhältnissen entsprechender Zinssatz zur Anwendung komme. Dies stelle auch eine Absicherung für die das Darlehen gewährende Gesellschaft dar, weil damit erreicht werde, dass es zu keiner "Kostenlücke" komme. Auch die nicht fixierte Vertragsdauer sei nicht ungewöhnlich, weil die Gesellschaft gegenüber jedem - auch einem fremden - Geschäftsführer die Möglichkeit habe, den offenen Darlehensrest mit der spätestens bei der Pensionierung fälligen Abfertigung zu verrechnen. Schließlich dürfe auch nicht völlig unbeachtet bleiben, dass das Verrechnungskonto in der Folge tatsächlich ausgeglichen worden sei. Die positive Einschätzung der Rückzahlbarkeit anlässlich der Darlehensgewährung habe sich somit durchaus als richtig erwiesen. Es liege daher entgegen der Ansicht der belangten Behörde keine verdeckte Ausschüttung vor.

Verdeckte Ausschüttungen sind Vorteile, die eine Gesellschaft ihren Gesellschaftern aus ihrem Vermögen in einer nicht als Gewinnausschüttung erkennbaren Form unter welcher Bezeichnung auch immer gewährt, die sie anderen Personen, die nicht ihre Gesellschafter sind, nicht oder nicht unter den gleichen günstigen Bedingungen zugestehen würde. Entscheidendes Merkmal einer verdeckten Ausschüttung ist die Zuwendung von Vermögensvorteilen, die ihrer äußeren Erscheinungsform nach nicht unmittelbar als Einkommensverteilung erkennbar sind und ihre Ursache in den gesellschaftsrechtlichen Beziehungen haben. Diese Ursache wird an Hand eines Fremdvergleiches ermittelt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. Februar 2009, 2008/15/0167, mwN).

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde das Vorliegen verdeckter Ausschüttungen insbesondere darauf gestützt, dass nach § 18 Abs. 5 GmbHG über so genannte Insichgeschäfte unverzüglich eine Urkunde zu errichten sei. Ohne nach außen in Erscheinung getretenen Manifestationsakt seien Insichgeschäfte des Alleingesellschafter-Geschäftsführers unwirksam. Zudem sei der Verzicht auf die Besicherung der Forderung nicht fremdüblich.

Beide Gesichtspunkte bieten keinen ausreichenden Anhaltspunkt dafür, entgegen der bilanziellen Darstellung als Forderung der Beschwerdeführerin von einer verdeckten Zuwendung an die Gesellschafterin auszugehen.

Die besonderen Schwierigkeiten der Feststellung des tatsächlichen Sachverhaltes, die sich aus dem Umstand des Selbstkontrahierens ergeben, haben zur Folge, dass bei der Sachverhaltsfeststellung, um dem Objektivierungserfordernis hinreichend Rechnung zu tragen, der nach außen in Erscheinung tretenden tatsächlichen Abwicklung der Leistungsbeziehung die wesentliche Bedeutung beizumessen ist (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 26. Juli 2000, 2000/14/0061, und vom 21. Dezember 1999, 99/14/0255). Dass das Selbstkontrahieren bei der Einmann-GmbH durch den einzigen Geschäftsführer zivilrechtlich gemäß § 18 Abs. 5 GmbHG nur bei Einhaltung bestimmter Vorschriften wirksam ist, steht der steuerlichen Beachtlichkeit zufolge der Bestimmung des § 23 Abs. 3 BAO nicht entgegen (vgl. schon das hg. Erkenntnis vom 23. April 2001, 2001/14/0054, VwSlg. 7607/F). Demnach sind auch nichtige Rechtsgeschäfte der Erhebung der Abgaben soweit und solange zu Grunde zu legen, als die am Rechtsgeschäft beteiligten Personen dessen wirtschaftliches Ergebnis eintreten und bestehen lassen.

Im Erkenntnis vom 26. April 2006, 2004/14/0066, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass die in seiner Rechtsprechung für die steuerliche Anerkennung von Verträgen zwischen einer GmbH und seinem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer aufgestellten Kriterien ihre Bedeutung im Rahmen der Beweiswürdigung haben und in jenen Fällen zum Tragen kommen, in denen berechtigte Zweifel am wahren wirtschaftlichen Gehalt einer behaupteten vertraglichen Gestaltung bestehen. In diesem Sinne kann selbst einer im Nachhinein gegenüber dem Finanzamt abgegebenen Erklärung, es sei - von vornherein - eine Verbindlichkeit des Gesellschafters vorgelegen, die bis zu einem bestimmten Termin getilgt werden soll, entscheidende Indizwirkung zukommen.

Ob verdeckte Ausschüttungen anzunehmen sind, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor allem von der Ernstlichkeit einer Rückzahlungsabsicht hinsichtlich der von der Gesellschaft empfangenen Beträge ab (vgl. mit weiteren Nachweisen das hg. Erkenntnis vom 6. Juli 2011, 2008/13/0005). Es ist zu prüfen, ob aus den Umständen zu schließen ist, dass die Erfassung auf dem Verrechnungskonto nach Ansicht der Gesellschaft einer tatsächlich aufrechten Verbindlichkeit des Gesellschafters entspricht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. April 2009, 2004/13/0059, VwSlg. 8440/F). Ist dies nicht der Fall, liegen verdeckte Ausschüttungen vor. Ob eine solche Annahme berechtigt ist, hängt von dem Gesamtbild der jeweils im Einzelfall gegebenen Verhältnisse ab.

Dass die Vereinbarung, das 1997 eingeräumte Darlehen längstens bis Ende 2003 zurückzuzahlen, und die vorliegende Zinsvereinbarung (in Höhe der durchschnittlichen Bankzinsen) auf das tatsächliche Fehlen einer ernsthaften Rückzahlungsabsicht der Gesellschafterin schließen ließen, zeigen die angefochtenen Bescheide nicht schlüssig auf. Das Fehlen von Sicherheiten kann geeignet sein, die Ernsthaftigkeit der behaupteten Rückzahlungsabsicht im Zeitpunkt der Entnahmen zu verneinen und die Verbuchung von Forderungen als korrekturbedürftig zu erachten, weil verdeckte Ausschüttungen in der Form von Vermögensverschiebungen zugunsten der Gesellschafterin vorliegen. Dazu hätte es aber einer Auseinandersetzung mit der behaupteten Bonität der Gesellschafterin bedurft (vgl. in diesem Sinne nochmals das hg. Erkenntnis vom 28. April 2009, 2004/13/0059). Vor diesem Hintergrund durfte die belangte Behörde die vorgelegte Bestätigung der Bank wie auch den Umstand der tatsächlichen Rückzahlung innerhalb des in den Umlaufbeschlüssen festgelegten Rückzahlungsrahmens bei der anzustellenden Gesamtbetrachtung nicht gänzlich außer Betracht lassen.

Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostentscheidung gründet sich im Rahmen des zur Zl. 2011/15/0003 gestellten Antrages auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das zur Zl. 2011/15/0004 gestellte Mehrbegehren war abzuweisen, weil der Pauschbetrag für den Schriftsatzaufwand lediglich 1.106,40 EUR beträgt.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am 22. Mai 2014

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