VwGH 2013/17/0044

VwGH2013/17/00445.11.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofräte Dr. Köhler und Dr. Schwarz als Richter, unter Beiziehung der Schriftführerin Mag. Fries, über die Beschwerden der Bundesministerin für Finanzen in 1010 Wien, Johannesgasse 5, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 1.) 17. Dezember 2012, Zl. VwSen-301087/14/MB/ER,

2.) 17. Dezember 2012, Zl. VwSen-301092/14/MB/ER, betreffend Übertretung des GSpG (mitbeteiligte Partei: M S in S), zu Recht erkannt:

Normen

GSpG 1989 §52 Abs1 Z1;
GSpG 1989 §52 Abs2;
StGB §168;
StPO §190;
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1;
GSpG 1989 §52 Abs2;
StGB §168;
StPO §190;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden jeweils wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1. Mit Straferkenntnissen der Bundespolizeidirektion Linz jeweils vom 6. September 2011 wurde der Mitbeteiligte als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der M GmbH der Übertretung des "§ 52 Abs. 1 Z 1 (4. Tatbild)" des Glücksspielgesetzes (GSpG) für schuldig erkannt und über ihn jeweils Geldstrafen von EUR 4.000,-- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 8 Tage) verhängt.

Mit den angefochtenen Bescheiden gab die belangte Behörde den Berufungen des Mitbeteiligten Folge, behob die Straferkenntnisse und stellte die Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG ein.

In der Begründung führte die belangte Behörde jeweils aus, sie habe gegen den Mitbeteiligten des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens mit Schreiben vom 16. Juli 2012 der zuständigen Staatsanwaltschaft Anzeige "wegen Verdachts einer gemäß § 168 StGB gerichtlich strafbaren Handlung erstattet". Mit Schreiben vom 4. September 2012 sei die belangte Behörde von der Staatsanwaltschaft davon benachrichtigt worden, dass die Ermittlungsverfahren gegen den Mitbeteiligten gemäß § 190 Z 1 StPO eingestellt worden seien. Im Ergebnis komme der verfahrensgegenständlichen staatsanwaltlichen Einstellung aufgrund der mittlerweile eingetretenen Verjährung der Taten jedenfalls die Bedeutung eines Freispruches im Sinne des Art 4 7. ZPEMRK zu, der eine weitere Verfolgung oder Bestrafung des Mitbeteiligten ausschließe. Im Übrigen führe aber auch eine von der belangten Behörde selbstständig vorgenommene Beurteilung zum Vorliegen eines gerichtlich zu ahndenden Tatbestandes. Und zwar liege "aufgrund der - im Verwaltungsakt eindeutig belegten - Ausgestaltung sämtlicher Geräte mit Automatik-Start-Tasten" der "strafbare Versuch einer gemäß § 168 StGB iVm § 15 StGB mit gerichtlicher Strafe bedrohten Glücksspielveranstaltung vor". Infolge dieser Subsidiarität habe somit eine Verfolgung nach dem subsidiären Verwaltungsstraftatbestand zu unterbleiben.

Gegen diese Entscheidungen richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde mit dem Antrag, die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde. Der Mitbeteiligte hat sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht geäußert.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass nach einer Verfahrenseinstellung oder einem freisprechenden Urteil durch die Gerichte die Verwaltungsbehörde die Frage, ob ein vom Gericht zu ahndender Tatbestand vorlag, selbstständig zu beurteilen habe (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 22. März 1999, Zl. 98/17/0134, und vom 9. September 2013, Zl. 2012/17/0576). Aus der Einstellung ergibt sich nicht, dass die Staatsanwaltschaft vom Vorliegen gerichtlich strafbarer Tatbestände ausgegangen wäre, sodass hier - der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechend - die belangte Behörde die Frage, ob ein vom Gericht zu ahndender Tatbestand vorlag, selbstständig zu beurteilen hatte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. August 2013, Zl. 2012/17/0533). Dabei gleichen die vorliegenden Beschwerdefälle vom entscheidungswesentlichen Sachverhalt und von der maßgeblichen Rechtslage her demjenigen, den der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 7. Oktober 2013, Zl. 2013/17/0210, entschieden hat. Auch in den gegenständlichen Fällen wurden keine Feststellungen zur genauen Funktionsweise der "Automatik-Start-Taste" und ob die Rahmenbedingungen einen Spieler dazu verleiten, dass die Summe der von ihm im Verlaufe einer ganzen Spielveranstaltung eingesetzten Vermögenswerte nicht mehr gering ist bzw. ob Spieler vorsätzlich zu "Serienspielen" veranlasst werden sollten, getroffen. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen. Aus den dort näher dargelegten Gründen waren auch die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 5. November 2013

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