VwGH 2013/03/0029

VwGH2013/03/002919.3.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des F M in I, vertreten durch Prof. Dipl. Ing. Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 34, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Steiermark vom 4. Dezember 2012, Zl E1/3029/2012, betreffend Entziehung einer Waffenbesitzkarte, zu Recht erkannt:

Normen

WaffG 1996 §8 Abs1 Z1;
WaffG 1996 §8 Abs1 Z2;
WaffG 1996 §8 Abs1 Z3;
WaffG 1996 §8 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2013:2013030029.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

A. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid entzog die belangte Behörde dem Beschwerdeführer gemäß § 25 Abs 3 iVm § 8 Abs 1 des Waffengesetzes 1996, BGBl I Nr 12/1997 (WaffG), die ihm am 26. Februar 2002 ausgestellte Waffenbesitzkarte mit der Nr. A-0.

Begründend wurde im Wesentlichen folgendes ausgeführt: Laut Bericht der Polizeiinspektion I vom 4. Mai 2012 habe der Beschwerdeführer am 2. Mai dJ zwischen ca 21.15 Uhr und 21.30 Uhr in seinem Schlafzimmer seinen mit vier Patronen geladenen Revolver (5-Schuss-Trommelkammer) aus dem Waffenschrank geholt, um den Revolver zu reinigen. Zu diesem Zweck habe der Beschwerdeführer die Trommel ausbauen müssen. Dabei habe er beim Ausbau einen Sicherungshebel zurückschieben, eine Schraube aufdrehen und den Hahn teilweise spannen müssen. Dabei dürfte dem Beschwerdeführer der Hahn aus den ölverschmierten Fingern gerutscht sein, in der Folge habe sich ein Schuss gelöst, das Projektil habe seine linke Hand durchbohrt und sei in einer Stereobox steckengeblieben. Der Beschwerdeführer habe um seine blutende Wunde ein T-Shirt gewickelt und vorerst den Vorfall vertuschen wollen, um waffenrechtliche Konsequenzen zu vermeiden. Erst eine halbe Stunde später habe er einen Freund herbeigerufen, dessen Begleiter (ein Rettungssanitäter) beim verletzten Beschwerdeführer einen professionellen Druckverband angelegt habe. Mit der danach verständigten Rettung sei der Beschwerdeführer in ein Krankenhaus eingeliefert und danach in häusliche Pflege entlassen worden. Im Rahmen des Parteiengehörs habe er darauf hingewiesen, dass lediglich ein einmaliger auf besonders unglückliche Umstände zurückführender Vorfall mit geringen Folgen vorliege, bei welchem andere Personen denkmöglich nicht haben gefährdet werden können, weshalb seine waffenrechtliche Verlässlichkeit jedenfalls gegeben erscheine.

Es stehe aber fest, dass sich der Beschwerdeführer auf Grund eines nicht sachgemäßen Umgangs mit einer Schusswaffe eine Verletzung an der Hand zugefügt habe. Zudem habe der Beschwerdeführer laut Bericht der Polizeiinspektion I beim Eintreffen der Beamten aus dem Mund nach Alkohol gerochen und einen geschockten Eindruck gemacht. Im Zuge der Erhebungen seien im Bereich der Schlafzimmertür, der der Schlafzimmerwand zugewandten Bettkanteneckseite sowie am Teppichboden und dem Bettüberzug Blutspuren in der Form von Blutstropfen vorgefunden worden, zwischen der linken Bettkante und der Holzkommode sei das mit Blut getränkte weiße T-Shirt gelegen. Auf dem Fußboden neben der Bettseite sei eine leere Patronenhülse aufgefunden worden, welche zum gegenständlichen Revolver gehört haben dürfte. Der vom Beschwerdeführer verwendete Revolver sei auf der Holzkommode gelegen und habe einige kleine Blutflecken aufgewiesen. Die dazugehörige Revolvertrommel habe im offenstehenden Waffenschrank auf der obersten Ablage gelegen, in der Trommel habe sich keine Munition befunden. Die weiteren im Besitz des Beschwerdeführers befindlichen Waffen seien ordnungsgemäß im Waffenschrank verwahrt gewesen, die dazugehörige Munition sei im separaten und versperrbaren Munitionsfach deponiert gewesen. Beim Beschwerdeführer sei am 2. Mai 2012 um 23.24 Uhr mittels Alkomat ein Alkotest durchgeführt worden, der positiv verlaufen sei (0,66 mg/l). Bei der niederschriftlichen Einvernahme habe der Beschwerdeführer angegeben, er hätte vor dem Unfall an diesem Tag am Vormittag 0,3 l Bier und am Nachmittag 0,3 l Bier getrunken. Da er nach dem Unfall etwas benommen und geschockt gewesen sei, habe er in der Küche den Rest einer Kräuterschnapsflasche, vermutlich 0,7 l, in mindestens 3 kräftigen Schlucken ausgetrunken. Er habe sich damit lediglich beruhigen und seine Schmerzen dämpfen wollen.

Der Beschwerdeführer habe den Unfall vertuschen wollen, weil bei der Erstbehörde bereits waffenrechtliche Verfahren aufliegen würden. Deshalb habe er auch nicht die Rettung verständigt. Fest stehe, dass er beim Eintreffen der Beamten nach alkoholischen Getränken gerochen und er den Alkoholkonsum vor und nach dem Vorfall bestätigt habe. Schon allein die örtliche und zeitliche Nahebeziehung zu seiner Waffe, als er sich (vor wie auch nach dem gegenständlichen Vorfall) in einem alkoholisierten Zustand befunden habe, sei als Tatsache zu werten, die die waffenrechtliche Verlässlichkeit des Beschwerdeführers in Zweifel ziehe. Außerdem lasse das Hantieren mit einer Waffe mit ölverschmierten Fingern den Schluss zu, dass sich der Beschwerdeführer des sorgsamen Umgangs mit Schusswaffen nicht bewusst sei, weshalb es auch zu diesem Unfall gekommen sei. Ferner stelle der Abgabe eines Schusses durch unsachgemäßes Hantieren mit einer Schusswaffe, wobei die eigene Hand getroffen worden sei, eine Tatsache dar, die im Widerspruch mit dem Erfordernis stehe, mit Waffen vorsichtig und sachgemäß umzugehen, auch wenn es zu keiner Gefährdung fremder Personen gekommen sei.

 

B. Über die dagegen gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Die vorliegend maßgeblichen Bestimmungen des WaffG lauten:

"Verläßlichkeit

§ 8. (1) Ein Mensch ist verläßlich, wenn er voraussichtlich mit Waffen sachgemäß umgehen wird und keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß er

  1. 1. Waffen mißbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird;
  2. 2. mit Waffen unvorsichtig umgehen oder diese nicht sorgfältig verwahren wird;

    3. Waffen Menschen überlassen wird, die zum Besitz solcher Waffen nicht berechtigt sind.

    …"

    "Überprüfung der Verläßlichkeit

§ 25. (1) Die Behörde hat die Verläßlichkeit des Inhabers eines Waffenpasses oder einer Waffenbesitzkarte zu überprüfen, wenn seit der Ausstellung der Urkunde oder der letzten Überprüfung fünf Jahre vergangen sind.

(2) Die Behörde hat außerdem die Verläßlichkeit des Inhabers einer waffenrechtlichen Urkunde zu überprüfen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Berechtigte nicht mehr verläßlich ist. Sofern sich diese Anhaltspunkte auf einen der in § 8 Abs. 2 genannten Gründe oder darauf beziehen, daß der Betroffene dazu neigen könnte, insbesondere unter psychischer Belastung mit Waffen unvorsichtig umzugehen oder sie leichtfertig zu verwenden, ist die Behörde zu einem entsprechenden Vorgehen gemäß § 8 Abs. 7 ermächtigt.

(3) Ergibt sich, daß der Berechtigte nicht mehr verläßlich ist, so hat die Behörde waffenrechtliche Urkunden zu entziehen."

2. § 8 Abs 1 WaffG definiert in Form einer Generalklausel die waffenrechtliche Verlässlichkeit im Sinne einer Prognosebeurteilung (vgl VwGH 22. Oktober 2012, 2012/03/0092, mwH). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist angesichts des mit dem Waffenbesitz von Privatpersonen verbundenen Sicherheitsbedürfnisses nach dem Sinn und Zweck der Regelungen des WaffG bei der Prüfung der Verlässlichkeit iSd § 8 Abs 1 WaffG ein strenger Maßstab anzulegen. Mit Entziehung der waffenrechtlichen Urkunden ist auch dann vorzugehen, wenn im Einzelfall ein nur einmal gesetztes Verhalten den Umständen nach die Folgerung rechtfertigt, der Urkundeninhaber gewährleiste nicht mehr das Zutreffen der in § 8 Abs 1 WaffG genannten Voraussetzungen. Die nach § 8 Abs 1 WaffG vorzunehmende Verhaltensprognose kann bereits auf der Grundlage eines einzigen Vorfalls einen Schluss im Sinne der Z 1 bis 3 rechtfertigen, ferner sind die "Tatsachen" im Sinne des § 8 Abs 1 WaffG als Ausgangspunkt der Prognoseentscheidung nicht eingeschränkt; vielmehr kommt jede Verhaltensweise, jede Charaktereigenschaft der zu beurteilenden Person in Betracht, die nach den Denkgesetzen und der Erfahrung einen Schluss auf ihr zukünftiges Verhalten im Sinne des § 8 Abs 1 Z 1 bis 3 WaffG zulässt, also erwarten lässt, der Betreffende werde Waffen missbräuchlich oder leichtfertig verwenden, damit unvorsichtig umgehen oder sie nicht sorgfältig verwahren oder sie Menschen überlassen, die zu deren Besitz nicht berechtigt sind.

Gemäß § 8 Abs 1 Z 2 WaffG stellt ein unvorsichtiger oder unsachgemäßer Umgang mit Waffen durch den Berechtigten selbst eine gegen die Annahme der Verlässlichkeit sprechende Tatsache dar (vgl dazu - insofern einschlägig - VwGH vom 20. Mai 1992, 92/01/0485). Ein unvorsichtiger Umgang mit einer Waffe iSd § 8 Abs 1 Z 2 (erster Fall) WaffG liegt jedenfalls dann vor, wenn jemand durch sein Hantieren mit der Waffe zum Zwecke ihrer Reinigung einen Schuss daraus auslöst, (vgl dazu - diesbezüglich relevant - VwGH vom 17. September 1986, 85/01/0085, und VwGH vom 21. September 2000, 98/20/0391, denen ein Selbstverletzen durch einen gelösten Schuss beim Reinigen der Waffe zugrunde lag).

3. Ausgehend von dieser Rechtslage erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Unstrittig ist, dass sich beim Reinigen der Waffe ein Schuss löste, der den Beschwerdeführer an der linken Hand verletzte. Entgegen der Beschwerde hat die belangte Behörde (unter Hinweis darauf, dass dieser Sachverhalt schon von der Erstbehörde festgestellt worden sei) den näheren Ablauf dieses Vorganges im angefochtenen Bescheid (wie dessen Wiedergabe oben zeigt) im Einzelnen festgehalten. Sie hat zudem ausgeführt, dass dieser auf das unsachgemäße Hantieren des Beschwerdeführers mit seiner Waffe gründet. Der gegenläufige Hinweis des Beschwerdeführers, das Auslösen des Schusses könnte auch auf einen technischen Defekt rückführbar sein, deswegen die waffenrechtliche Verlässlichkeit nicht verneint werden dürfe, geht schon deshalb fehl, weil die Beschwerde nicht näher aufzeigt, um welchen technischen Defekt es sich gehandelt haben könnte. Zudem ist nicht ersichtlich, warum dem Beschwerdeführer ein allfälliger Defekt nicht auffiel und er sich nicht diesem angepasst verhielt, zumal ein vorsichtiger und sachgemäßer Umgang mit Waffen auch den entsprechenden Umgang mit defekten Waffen einschließt. Wenn die Beschwerde der Darstellung des Verlaufs im angefochtenen Bescheid eine "innere Sicherung" der Waffe entgegenhält, die (was auch in Wikipedia dargestellt würde) verhindere, dass sich ohne Betätigung des Abzugs ein Schuss löse und es gerade beim Loslösen eines teilweise gespannten Hahnes oder beim Herausrutschen des teilweise gespannten Hahnes zu keiner Schussabgabe komme, wird im Übrigen nicht dargetan, dass der Beschwerdeführer beim Hantieren mit seiner Waffe nicht tatsächlich auch den Abzug betätigte. Selbst wenn daher die Behörde diesen Ablauf nicht umfassend dargestellt haben sollte, ist angesichts des unstrittig beim Hantieren des Beschwerdeführers mit seiner Waffe erfolgten Durchschusses seiner linken Hand durch einen aus der Waffe losgelösten Schuss für den Beschwerdeführer mit seinem Einwand nichts zu gewinnen. Wer derart handelt, lässt die angesichts der den Schusswaffen anhaftenden besonderen Gefahren erforderliche Sorgfalt und Vorsicht beim Umgang mit Schusswaffen vermissen. Bei dieser Sachlage ist es entbehrlich, auf das gegen die Ausführungen der Behörde betreffend den Umgang mit einer Waffe im alkoholisierten Zustand gerichtete Beschwerdevorbringen einzugehen.

Vor diesem Hintergrund erweist sich die Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe den angefochtenen Bescheid nicht ausreichend begründet, als nicht zielführend. Wenn die Beschwerde in diesem Zusammenhang (offenbar zutreffend) auch darauf hinweist, dass in der Begründung des angefochtenen Bescheides (entgegen dem dortigen Hinweis auf dessen - in der Ausfertigung aber fehlenden - Seiten 2a bis 2d) die Berufungsschrift des Beschwerdeführers nicht wiedergegeben wird, ist für die Beschwerde nichts zu gewinnen, weil im vorliegenden Fall eine derartige Wiedergabe der Berufung nicht erforderlich war, um den in § 60 AVG normierten Anforderungen für die Bescheidbegründung Genüge zu tun.

4. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 19. März 2013

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