VwGH 2011/16/0245

VwGH2011/16/024529.8.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger, Mag. Dr. Köller und Dr. Thoma sowie die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde der L GmbH in B, vertreten durch die Doralt Seist Csoklich Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1090 Wien, Währinger Straße 2-4, gegen die Bescheide des unabhängigen Finanzsenates jeweils vom 24. Oktober 2011, 1.) ZRV/0044- Z3K/10, miterledigt ZRV/0045-Z3K/10, (hg. Zl. 2011/16/0245),

2.) ZRV/0046-Z3K/10, miterledigt ZRV/0047-Z3K/10, (hg. Zl. 2011/16/0246), 3.) ZRV/0016-Z3K/10, (hg. Zl. 2011/16/0247), 4.) ZRV/0014- Z3K/10, (hg. Zl. 2011/16/0248), 5.) ZRV/0012- Z3K/10, (hg. Zl. 2011/16/0249), 6.) ZRV/0010- Z3K/10, (hg. Zl. 2011/16/0250), 7.) ZRV/0008- Z3K/10, (hg. Zl. 2011/16/0251), 8.) ZRV/0006- Z3K/10, (hg. Zl. 2011/16/0252), 9.) ZRV/0040- Z3K/10, (hg. Zl. 2011/16/0253), 10.) ZRV/0038- Z3K/10, (hg. Zl. 2011/16/0254), 11.) ZRV/0036- Z3K/10, (hg. Zl. 2011/16/0255), und 12.) ZRV/0042- Z3K/10, miterledigt ZRV/0043-Z3K-10, (hg. Zl. 2013/16/0256) betreffend ua Eingangsabgaben, zu Recht erkannt:

Normen

12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
31987R2658 Kombinierte Nomenklatur Anh1 Kap17;
32001R0306 Nov-31987R2658;
32006R0227 Nov-31987R2658;
62002CJ0130 Krings VORAB;
MRK Art6;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §28 Abs1 Z5;
VwGG §39 Abs2 Z6;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2013:2011160245.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 725,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Gesellschaft mbH (Beschwerdeführerin), eine Spedition, meldete als indirekte Vertreterin des jeweiligen Empfängers in 12 Fällen im Informatikverfahren Waren zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr an. Sie vermerkte dabei als das Feld 31 des Einheitspapiers betreffende Angabe in zehn Anmeldungen vom 31. Jänner, 5. Februar, 9. Februar und 14. Februar 2008 "andere Instant Green tea mix" und in zwei Anmeldungen vom 11. Februar 2008 die Bezeichnung "andere Instant Black tea mix". Als das Feld 33 des Einheitspapiers betreffende Angabe führte sie jeweils die Warennummer 2101209280 an.

Die angemeldeten Waren wurden in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt. Dafür wurden Einfuhrabgaben (Zoll) buchmäßig erfasst, deren Berechnung der im Feld 33 jeweils angegebene KN Code zu Grunde gelegt wurde.

Mit zwölf Bescheiden vom 23. April, 30. April, 27. Mai und 18. Juni 2009 teilte das Zollamt Eisenstadt Flughaften Wien der Beschwerdeführerin mit, dass für sie die Zollschuld für die angeführten Waren nach Art. 201 Abs. 1 Buchstabe a Zollkodex in jeweils angeführter Höhe bei der Überführung dieser Waren in den zollrechtlich freien Verkehr entstanden sei, jedoch nur ein geringerer Betrag buchmäßig erfasst worden sei. Der jeweils näher angeführte Differenzbetrag werde weiterhin gesetzlich geschuldet und sei gemäß Art. 220 Abs. 1 des Zollkodex nach zu erheben. Als Folge dieser Nacherhebung sei gemäß § 108 Abs. 1 ZollR-DG eine Abgabenerhöhung in jeweils näher angeführter Höhe zu entrichten.

Zur Begründung führte das Zollamt jeweils an, im Zuge einer Überprüfung der jeweiligen Anmeldung habe sich ergeben, dass die angemeldeten Waren nicht unter die angegebene Warennummer 2101209280, sondern in die Warennummer 1701910000 "Zucker (Saccharose mit Zusatz von Aromastoffen)" einzureihen seien.

Die Beschwerdeführerin berief dagegen mit drei Schriftsätzen vom 19. Mai 2009 (gegen die Bescheide vom 23. und 30. April 2009), vom 15. Juni 2009 (gegen den Bescheid vom 27. Mai 2009) und vom 29. Juni 2009 (gegen die Bescheide vom 18. Juni 2009) mit der Begründung, die Zollbehörde habe mangels Warenmuster nicht nachweisen können, welche Zusammensetzung die Waren tatsächlich gehabt hätten und dass die Waren deshalb unter die Zolltarifnummer 1701910000 einzureihen gewesen wären.

Mit Berufungsvorentscheidungen vom 17. und 18. November und vom 3., 14. und 15. Dezember 2009 wies das Zollamt die Berufungen jeweils ab. Bei den jeweiligen Zollabfertigungen seien als Verzollungsunterlagen ua. eine Rechnung und eine "Produktspezifikation" vorgelegt worden. Diese Produktspezifikation, welche auch Grundlage der Untersuchung durch die TUA (Technische Untersuchungsanstalt) gewesen sei, laute (in zehn Fällen):

"2,5% maltodextrin

0,025% ascorbic acid

0,2% extract green tea from different tea sorts

97,275% whyte crystal sugar".

In den zwei Berufungsvorentscheidungen betreffend die Anmeldungen vom 11. Februar 2008 scheint statt "0,2 % extract green tea" der Ausdruck "0,2 % extract black tea" auf.

Die Beschwerdeführerin erhob dagegen mit Schriftsätzen vom 18. Dezember 2009 (gegen die Berufungsvorentscheidungen vom 17. und 18. November und vom 3. Dezember 2009) und vom 21. Dezember 2009 (gegen die Berufungsvorentscheidungen vom 14. und 15. Dezember 2009) jeweils eine (Administrativ‑)Beschwerde. Sie bemängelte, dass keine sachgerechte Probeentnahme stattgefunden habe, weshalb kein zuverlässiger Rückschluss auf die tatsächliche Zusammensetzung des der Warenanmeldung zu Grunde liegenden "Instant green tea mix" oder "Instant black tea mix" erfolgen könne. Daher sei das Untersuchungsergebnis der TUA nicht maßgeblich. Weiters hätte die für die Zolltarifierung zuständige Dienststelle des Bundesministeriums für Finanzen telephonisch, später schriftlich bestätigt, dass dieses Produkt unter die "Zolltarifnummer 2101290280" falle. Weiters habe im damaligen Zeitraum (Jänner bis März 2008) eine von den österreichischen Zollbehörden an einen der Auftraggeber der Beschwerdeführerin ausgestellte verbindliche Zolltarifauskunft bestanden, welche die Richtigkeit der Tarifierung unter die Zolltarifnummer 2101209280 bestätige. Die nachträgliche Abgabenvorschreibung sei nach Art. 220 Abs. 2 Zollkodex unzulässig, selbst wenn die in Rede stehenden Waren unter die Position 1701 fielen, weil der diesfalls gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag nur auf Grund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden sei. Der Irrtum ergebe sich aus der Auskunft der Zollbehörden über die Einreihung des Produktes ("telefonisch; Mail vom 18.3.2008"), sowie aus der mehrmonatigen (von Jänner bis Ende März) ständig geübten Abfertigungspraxis.

Die Beschwerden enden mit dem Satz "für den Fall, dass der Beschwerde nicht ohnedies vollinhaltlich stattgegeben wird, wird die Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung beantragt".

Mit den angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die (Administrativ‑)Beschwerden als unbegründet ab.

Nach Wiedergabe des Verfahrensganges und rechtlichen Ausführungen führte die belangte Behörde im Wesentlichen wortgleich aus, in die Position 2101 der Kombinierten Nomenklatur fielen Auszüge, Essenzen und Konzentrate aus Tee und Zubereitungen auf der Grundlage von Tee oder auf der Grundlage dieser Auszüge, Essenzen oder Konzentrate. Der Tee, der Auszug, die Essenz oder das Konzentrat aus Tee müssten als wesentlicher Bestandteil bei der Herstellung der Lebensmittelzubereitung verwendet werden und dieser ihren eigenständigen Charakter verleihen. Dem gegenüber sei Rohr- und Rübenzucker auch dann in die Position 1701 einzureihen, wenn dieser Aroma- oder Farbstoffe enthalte. Mit der Verordnung (EG) Nr. 227/2006 der Kommission vom 9. Februar 2006 sei festgelegt worden, dass eine Ware, bestehend aus 97% Weißzucker und 3% Lakritzeextrakt in die Unterposition 1701 9100 einzureihen sei, weil Rohr- und Rübenzucker Zusätze von Aroma- oder Farbstoffen enthalten könne. Diese Verordnung bestimme somit, dass Zucker mit Zusatz von Extrakten in die Position 1701 der KN einzureihen sei. Der Begriff Aroma umfasse demnach auch Extrakte.

Die in Rede stehenden Waren seien in der der jeweiligen Zollanmeldung zu Grunde liegenden Rechnung als Instant Black Tea mix oder Instant Green Tea mix bezeichnet worden. Laut der vorgelegten Produktspezifikation handle es sich bei dieser Ware um ein Halbfertigprodukt für die Lebensmittelindustrie ("halfproduct for food industry") mit einem fein kristallinen, leicht braun gefärbten Erscheinungsbild mit folgender Zusammensetzung:

2,5% Maltodextrin, 0,025 % Ascorinsäure, 0,2% Tee-Extrakt und 97,275% weißer Kristallzucker. Da ein Anteil von lediglich 0,2% Tee-Extrakt aufzuweisen sei, handle es sich auf Grund des geringen Anteils an Tee-Extrakt nicht um eine "auf der Grundlage eines Tee-Extrakts" hergestellte Lebensmittelzubereitung. Bei einem derart geringen Anteil stelle der Tee-Extrakt keinen wesentlichen Bestandteil bei der Herstellung einer Lebensmittelzubereitung dar, welche dieser ihren eigenständigen Charakter verleihe. Vielmehr stelle das Erzeugnis Zucker dar, dem unter anderem ein geringer Anteil an Teeextrakt beigemengt worden sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich die Beschwerdeführerin im Recht auf rechtliches Gehör, insbesondere in ihrem Recht auf Abhaltung und Teilnahme an einer mündlichen Beschwerdeverhandlung, im Recht auf Durchführung eines gesetzeskonformen Verfahrens, im Recht auf gesetzeskonforme, insbesondere schlüssige und alle Beweisergebnisse berücksichtigende Beweiswürdigung, im Recht auf richtige Tarifierung der den Zollanmeldungen jeweils zu Grunde liegenden Waren, insbesondere auf Einreihung dieser Waren unter die Zolltarifnummer 2101209280, im Recht auf Abstandnahme von einer nachträglichen buchmäßigen Erfassung nach Art. 220 Abs. 2 Buchstabe b ZK und im Recht auf Einholung einer Vorabentscheidung beim EuGH über die richtige Tarifierung verletzt erachtet.

Die belangte Behörde reichte eine Gegenschrift ein und legte zu den zu Grunde liegenden zwölf angefochtenen Bescheiden in drei getrennten Vorlagen die Akten des jeweiligen Verwaltungsverfahrens vor.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG hat die Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof die bestimmte Bezeichnung des Rechtes zu enthalten, in dem der Beschwerdeführer verletzt zu sein behauptet (Beschwerdepunkte).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird durch den Beschwerdepunkt der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides gebunden ist. Wird der Beschwerdepunkt unmissverständlich ausgeführt, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang einer Beschwerde nicht zugänglich (vgl. für viele etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 2013, 2013/16/0112 und 0113 mwN).

Soweit die Beschwerdeführerin ein Recht auf Durchführung eines gesetzeskonformen Verfahrens, ein Recht auf gesetzeskonforme, insbesondere schlüssige und alle Beweisergebnisse berücksichtigende Beweiswürdigung, anführt bezeichnet sie kein aus einer Rechtsnorm ableitbares subjektives Recht, weil die damit geltend gemachte Verletzung von Verfahrensvorschriften als solche keinen Beschwerdepunkt darstellt, sondern zu den Beschwerdegründen zählt (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 20. November 2012, 2012/13/0075 sowie das hg. Erkenntnis vom 27. September 2012, 2012/16/0132).

In den somit als taugliche Beschwerdepunkte verbleibenden sonst geltend gemachten Rechten wurde die Beschwerdeführerin durch die angefochtenen Bescheide, soweit sie über die Abgabenerhöhung nach § 108 Abs. 1 ZollR-DG absprechen, nicht verletzt.

Gemäß § 85c Abs. 8 des Zollrechts-Durchführungsgesetzes (ZollR-DG) gelten für die Einbringung der Beschwerde, das Verfahren des unabhängigen Finanzsenates sowie dessen Entscheidungen, und für die Aussetzung der Vollziehung die diesbezüglichen Regelungen der BAO, soweit die im ZollR-DG enthaltenen Regelungen nicht entgegen stehen, sinngemäß.

Gemäß § 284 Abs. 1 Z 1 der Bundesabgabenordnung (BAO) hat über die Berufung eine mündliche Verhandlung stattzufinden, wenn es in der Berufung, im Vorlageantrag oder in der Beitrittserklärung beantragt wird.

Die Beschwerdeführerin trägt vor, sie habe in der jeweiligen (Administrativ‑)Beschwerde eine mündliche Verhandlung vor der belangten Behörde beantragt. Dazu genügt es, gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Gründe des von der belangten Behörde zutreffend zitierten hg. Erkenntnisses vom 24. April 2003, 2002/07/0157, zu verweisen. Da weder das ZollR-DG noch die BAO bedingte Verhandlungsanträge vorsehen, war der Antrag der Beschwerdeführerin somit unwirksam.

Die Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltariflich und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif, ABlEG Nr. L 256 vom 7. September 1987 in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1214/2007 der Kommission vom 20. September 2007, ABlEU Nr. L 286 vom 31. Oktober 2007, sieht in ihrem Anhang I (Kombinierte Nomenklatur - KN) das Kapitel 17 "Zucker und Zuckerwaren" und das Kapitel 21 "Verschiedene Lebensmittelzubereitungen" vor.

Im Kapitel 17 der KN fallen in die Position 1701 "Rohr- und Rübenzucker und chemische reine Saccharose, fest" unter den KN Code 1701 9100 "andere (als Rohzucker) mit Zusatz von Aroma- oder Farbstoffen".

Im Kapitel 21 der KN fallen in die Position 2101 "Auszüge, Essenzen und Konzentrate aus Kaffee, Tee oder Mate und Zubereitungen auf der Grundlage dieser Waren oder auf der Grundlage von Kaffee, Tee oder Mate; geröstete Zichorien und andere geröstete Kaffeemittel, Auszüge, Essenzen und Konzentrate hieraus" unter den KN Code 2101 2092 "Zubereitungen auf der Grundlage von Auszügen, Essenzen und Konzentraten aus Tee oder Mate".

Mit der Verordnung (EG) Nr. 306/2001 der Kommission vom 12. Februar 2001 zur Einreihung von bestimmten Waren in die Kombinierte Nomenklatur, ABlEG Nr. L 44 vom 15. Februar 2001, hat die Kommission ein Erzeugnis in Pulverform mit der Bezeichnung "Zitronentee" zur Zubereitung von Tee mit einer Zusammensetzung von 90,1% Zucker und 2,5% Teeauszug sowie von einer kleinen Menge an Maltedextrin, Zitronensäure, Zitronenaroma und Trennmittel, welches nach Verdünnen mit Wasser als Getränk verwendet wird, in den KN Code 2101 2092 eingereiht.

Der EuGH hat im Urteil vom 4. März 2004 in der Rs. C-130/02 (Krings GmbH), Rn 29, zu Mischungen aus 64% Kristallzucker, 1,9% Teeauszug und Wasser, wobei einer der Mischungen 0,8% Zitronensäure hinzugesetzt war, ausgeführt, die Position 2101 der KN betreffe ihrem Wortlaut nach Zubereitungen auf der Grundlage von Auszügen, Essenzen und Konzentraten aus Tee. Ein Mindestteegehalt werde nicht vorgeschrieben. Tee müsse nicht die Hauptzutat solcher Zubereitungen sein, es genüge, dass der Auszug oder das Konzentrat aus Tee als wesentlicher Bestandteil bei der Herstellung der Lebensmittelzubereitung verwendet werde und ihnen ihren eigenständigen Charakter verleihe. Zum Tarifierungskriterium des Verwendungszweckes des Erzeugnisses führte der EuGH an, es handle sich um Erzeugnisse, die nach einfachem Verdünnen eines Auszuges oder Konzentrates aus Tee mit Wasser zum Verzehr als Getränk auf der Grundlage von Tee bestimmt seien. Die Begründung der erwähnten Verordnung (EG) Nr. 306/2001 der Kommission lasse sich auf die im Ausgangsverfahren vor dem EuGH fraglichen Erzeugnisse, die zu 64% aus Kristallzucker und zu 1,9% aus Teeauszug bestehen, übertragen, weshalb die Ware unter die Unterposition 2101 2092 der KN einzureihen sei.

Mit der Verordnung (EG) Nr. 227/2006 der Kommission vom 9. Februar 2006 zur Einreihung von bestimmten Waren in die Kombinierte Nomenklatur, ABlEU Nr. L 39 vom 10. Februar 2006, reihte die Kommission eine Zubereitung aus 90% Saccharose und 10% Kakaobutter (ein helles, gelbstichiges, sehr süßes, grobes Pulver mit Kakaobuttergeschmack) und eine Zubereitung aus 95% Saccharose und 5% Kakaobutter (eine Zubereitung aus weißen, süßen, klebrigen Kristallen mit einem leichten Kakaogeschmack) in den KN Code 2106 9098 ein.

Demgegenüber reihte sie eine Ware aus 97,5% Saccharose und 2,5% Kakaobutter (ein weißes, süßes, kristallines Pulver, das aussieht wie handelsüblicher Weißzucker) in den KN Code 1701 9990 ein. Zur Begründung führte die Kommission an, die Ware sei als Zucker in diese KN Unterposition einzureihen, weil die Menge an Kakaobutter nicht ausreiche, um ihre Eigenschaften eines Zuckers zu ändern.

Weiters reihte sie eine Ware aus 97 % Weißzucker und 3 % Lakritzeextrakt (eine Ware in Form von granuliertem Zucker für den Einzelverkauf aufgemacht) in den KN Code 1701 9100 ein. Zur Begründung führte die Kommission an, das Vorliegen einer geringen Menge an Lakritzeextrakt ändere nicht die Eigenschaften der Ware als Zucker des Kapitels 17 der KN.

Die im vorliegenden Beschwerdefall in Rede stehenden Waren aus 97,275% Saccharose und 0,2% Teeextrakt wurden von der belangten Behörde als Zucker mit Zusatz von Aromastoffen unter den KN Code 1701 9100 eingereiht. Der Teeanteil der in Rede stehenden Waren ist mit 0,2 % deutlich geringer als der Anteil der Zusatzstoffe (2,5 % Kakaobutter oder 3% Lakritzeextrakt), den die Kommission in der erwähnten Verordnung (EG) Nr. 227/2006 als zu gering angesehen hat, um die Eigenschaft der Ware als Zucker im Sinn des Kapitels 17 der KN zu ändern. Weiters ist bei den in Rede stehenden Waren der Zuckeranteil höher als der jener Waren, welche mit den Verordnungen der Kommission (EG) Nr. 306/2001 und (EG) Nr. 227/2006 in die Positionen 2106 eingereiht worden sind. Einen Widerspruch zum zitierten Urteil des EuGH vom 4. März 2004 ist nicht zu erblicken, zumal es sich bei den im Beschwerdefall vorliegenden Waren um ein Halbfertigprodukt für die Lebensmittelindustrie handelt, während das dem erwähnten Urteil des EuGH zu Grunde liegende Erzeugnis den objektiven Verwendungszweck als Getränk nach einfacher Verdünnung auf der Grundlage von Tee hatte.

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes bleiben keine Zweifel im Sinn der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 6. Oktober 1982 in der Rs. C-283/81 (CILFIT)) und wurde die Beschwerdeführerin im geltend gemachten Recht auf Einreihung der Waren in die Position 2101 der KN nicht verletzt.

Gemäß Art. 220 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABlEG Nr. L 302 vom 19. Oktober 1992, (Zollkodex-ZK), hat die buchmäßige Erfassung eines nachzuerhebenden Restbetrages, wenn der einer Zollschuld entsprechende Abgabenbetrag mit einem geringeren als den gesetzlich geschuldeten Betrag buchmäßig erfasst worden ist, innerhalb von zwei Tagen nach dem Tag zu erfolgen, an dem die Zollbehörden diesen Umstand feststellen und in der Lage sind, den gesetzlich geschuldeten Betrag zu berechnen sowie den Zollschuldner zu bestimmen (nachträgliche buchmäßige Erfassung).

Gemäß Art. 220 Abs. 2 Buchstabe b ZK erfolgt keine nachträgliche buchmäßige Erfassung, wenn der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag auf Grund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vom Zollschuldner vernünftigerweise nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten hat.

Die Beschwerdeführerin trägt vor, der Irrtum der Zollbehörden liege darin, dass diese die Auskunft der unrichtigen Tarifierung erteilt hätten. Sie verweist dabei auf eine mit E-Mail erteilte Auskunft vom 18. März 2008, vernachlässigt dabei jedoch, dass diese Auskunft erteilt wurde, nachdem die in Rede stehenden Waren angemeldet und in zollrechtlich freien Verkehr überlassen worden waren, weshalb der damit geltend gemachte Irrtum im Beschwerdefall nicht kausal sein konnte. Soweit die Beschwerdeführerin auf telephonische Auskünfte verweist, hat sie im Verwaltungsverfahren nicht dargelegt, wann diese erfolgt sein sollen. Die Zeitangabe "Jänner 2008" in der Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof stellt damit eine unzulässige Neuerung (§ 41 Abs. 1 VwGG) dar.

Im Übrigen ist den vorgelegten Verwaltungsakten zufolge ein "Beschauvermerk" über "Bemusterung dieser Ware bereits erfolgt und weitergeleitet", woraus die Beschwerdeführerin keinen Irrtum der Zollbehörden ableiten konnte (vgl. auch Alexander in Witte, Zollkodex5, Art. 220 Rz 16).

Im geltend gemachten Recht auf Abstandnahme von einer nachträglichen buchmäßigen Erfassung wurde die Beschwerdeführerin deshalb nicht verletzt.

Die Beschwerde war daher insgesamt gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG Abstand genommen werden. Im Beschwerdefall, der zwar nicht in den Anwendungsbereich des in § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG erwähnten Art. 6 EMRK fällt, in welchem aber der sich aus Art. 6 EMRK ergebende Schutz durch die Bestimmung des Art. 47 Abs. 2 der Grundrechte-Charta (GRC) gewährleistet wird, kann auf dem Boden der Rechtsprechung zu § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG von der beantragten Verhandlung auch abgesehen werden, wenn der Verwaltungsgerichtshof nach einem Verfahren vor dem unabhängigen Finanzsenat - zweifelsfrei einem Gericht iSd Art. 47 GRC - angerufen wurde und die anwaltlich vertretene beschwerdeführende Partei vor dem unabhängigen Finanzsenat (auch wenn sie in den (Administrativ‑)Beschwerden dazu nach dem Wirksamwerden der GRC mit 1. Dezember 2009 Gelegenheit gehabt hätte) vor dem unabhängigen Finanzsenat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht (wirksam) verlangt hat (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2012, 2012/03/0038, mwN).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Vorlageaufwand war für die für mehrere angefochtene Bescheide zusammengefasste Vorlage der

 

Verwaltungsakten nur einmal je Vorlage, im Beschwerdefall sohin dreifach zuzusprechen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. März 2012, 2009/16/0272, ua.).

Wien, am 29. August 2013

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