VwGH 2012/18/0032

VwGH2012/18/00326.9.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des BV in L, vertreten durch Maga. Irene Oberschlick, Rechtsanwältin in 1040 Wien, Gußhausstraße 14 Top 7, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 2. Dezember 2011, Zl. Senat-AB-11-0047, betreffend Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

FrÄG 2011;
FrPolG 2005 §125 Abs16 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §53 Abs2 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §60;
FrPolG 2005 §62;
FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §65b idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §67 Abs1 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §67 Abs2 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §67 Abs3 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §67 Abs4 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §67 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §69 Abs2 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §86;
FrPolG 2005 §87;
MRK Art8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
FrÄG 2011;
FrPolG 2005 §125 Abs16 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §53 Abs2 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §60;
FrPolG 2005 §62;
FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §65b idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §67 Abs1 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §67 Abs2 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §67 Abs3 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §67 Abs4 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §67 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §69 Abs2 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §86;
FrPolG 2005 §87;
MRK Art8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.306,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des aus dem Kosovo stammenden Beschwerdeführers, das gegen ihn bestehende Aufenthaltsverbot aufzuheben, ab, und sprach unter einem aus, dass dieses Aufenthaltsverbot "als Rückkehrentscheidung bzw. Einreiseverbot i. S.d. §§ 52 und 53 FPG i.d.g.F. d. BGBl. I Nr. 38/2011 zu gelten" habe.

Nach wörtlicher Wiedergabe des Inhaltes diverser den Beschwerdeführer im Aufenthaltsverbotsverfahren und im gegenständlichen Verfahren betreffende Entscheidungen und des Inhaltes von ihm eingebrachter Schriftsätze sowie der Berufung führte die belangte Behörde in ihren Feststellungen aus, der Beschwerdeführer sei im November 2002 unrechtmäßig in Österreich eingereist und habe sodann einen Asylantrag gestellt. Diesem Begehren sei im Instanzenzug letztlich mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 10. Juni 2003 keine Folge gegeben worden. Der Verwaltungsgerichtshof habe die Behandlung einer dagegen gerichteten Beschwerde mit Beschluss vom 5. Oktober 2003 abgelehnt.

Im Weiteren stellte die belangte Behörde - nach Wiedergabe des Vorbringens des Beschwerdeführers im Asylverfahren - fest, der Beschwerdeführer habe am 25. Juni 2004 in R die österreichische Staatsbürgerin T geheiratet. Daraufhin habe er - nach dem damals geltenden Fremdengesetz 1997 - bei der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen gestützt auf diese Ehe die Erteilung eines Aufenthaltstitels beantragt, der ihm auch mit Gültigkeit vom 3. August 2004 bis 2. August 2005 erteilt worden sei.

Am 3. Mai 2005 habe T im Rahmen einer Vernehmung gegenüber der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen zugestanden, dass es sich bei der gegenständlichen Ehe um eine Aufenthaltsehe gehandelt habe. Sie habe angegeben, sie wäre, weil der Beschwerdeführer infolge Beendigung seines Asylverfahrens nicht länger in Österreich hätte bleiben dürfen, von dessen Schwager ersucht worden, den Beschwerdeführer zu heiraten. Dieses Ersuchen wäre auch mit Drohungen verbunden gewesen. Schließlich hätte T der Eheschließung zugestimmt. Es hätte aber keine Hochzeitsfeier und keinen gemeinsamen Haushalt gegeben; die Ehe wäre auch nicht vollzogen worden. Einen Monat nach der Hochzeit hätte sie wieder die Beziehung mit ihrem früheren Freund H aufgenommen. Der Beschwerdeführer und sein Schwager hätten T für die Eheschließung insgesamt EUR 7.000,-- versprochen. Sie hätte jedoch dieses Geld nie erhalten.

Diese Aussage habe - so die belangte Behörde weiter - T im Rahmen einer weiteren Vernehmung bestätigt und darüber hinaus ausgeführt, sie hätte sich deswegen auf die Aufenthaltsehe eingelassen, um dem Beschwerdeführer den Aufenthalt in Österreich zu ermöglichen.

Die Ehe des Beschwerdeführers mit T sei vom Bezirksgericht Neunkirchen mit Urteil vom 13. Dezember 2005 gemäß § 23 Abs. 1 Ehegesetz für nichtig erklärt worden. Auch in diesem Urteil sei ausgeführt worden, dass T und der Beschwerdeführer nie angestrebt hätten, eine eheliche Gemeinschaft einzugehen, und die Ehe ausschließlich zu dem Zweck geschlossen worden sei, dem Beschwerdeführer trotz des negativen Ausgangs seines Asylverfahrens den legalen Aufenthalt und eine Beschäftigung in Österreich zu ermöglichen. Die Berufung gegen das in erster Instanz gefällte Urteil sei vom Landesgericht Wiener Neustadt mit Urteil vom 12. Juli 2006 abgewiesen worden. Die dagegen eingebrachte außerordentliche Revision habe der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 29. November 2006 zurückgewiesen. Sohin sei die Nichtigerklärung der Ehe des Beschwerdeführers mit T in Rechtskraft erwachsen.

Sodann wird im angefochtenen Bescheid - nach Wiedergabe von Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) idF des FrÄG 2011 (BGBl. I Nr. 38) - im Rahmen der rechtlichen Beurteilung ausgeführt, im vorliegenden Fall sei der "dem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung (vormals 'Aufenthaltsverbotes') zugrunde liegende Sachverhalt" durch die Ergebnisse des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens sowie durch die nach der Aktenlage getroffenen Tatsachenfeststellungen als zweifelsfrei erwiesen anzusehen.

Bei der Beurteilung des Antrages auf Aufhebung des damals rechtskräftig verhängten Aufenthaltsverbotes habe sich die Behörde damit zu befassen, welche Zeitspanne seit der rechtskräftigen Nichtigerklärung der in Rede stehenden Aufenthaltsehe verstrichen sei und wie sich das Gesamtverhalten, welches zum Eingehen einer solchen Aufenthaltsehe geführt habe, darstelle. Liege neben der rechtsmissbräuchlichen Eheschließung ein weiteres fremdenrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden vor, so könne bei der Beurteilung der allfälligen Aufhebbarkeit des Aufenthaltsverbotes nicht nur dieses Fehlverhalten, sondern auch die mehr als fünf Jahre zurückliegende rechtsmissbräuchliche Eheschließung herangezogen werden.

Gerade das planvolle Vorgehen bei der Anbahnung der Aufenthaltsehe, das Herstellen der zu deren Glaubhaftmachung dienenden Beweismittel und die weitgehende Ausnutzung der durch die nichtige Ehe erlangten Vorteile in aufenthalts- und arbeitsmarktrechtlicher Hinsicht zeigten, dass durch einen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt immer noch "schwer gefährdet" werde. Es müsse die Gefährdungsprognose somit zum Nachteil des Beschwerdeführers vorgenommen werden. Es sei die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes als nunmehrige Rückkehrentscheidung und darauf basierendes Einreiseverbot unter Zugrundelegung der gesetzlichen Bestimmungen zulässig und geradezu geboten.

Ein berücksichtigungswürdiges Privat- oder Familienleben im Inland könne nicht erkannt werden, weil der Beschwerdeführer seit 6. Juli 2007 mit der österreichischen Staatsbürgerin K verheiratet sei und beide Personen dauerhaft in der Schweiz niedergelassen seien.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 27. Februar 2012, B 59/12-3, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - im Verfahren ergänzte - Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Der angefochtene Bescheid erweist sich in mehrfacher Hinsicht als rechtswidrig.

Zunächst ist festzuhalten, dass - soweit im Folgenden nicht auf andere Bestimmungen abgestellt wird - im gegenständlichen Fall das FPG in der Fassung des FrÄG 2011, BGBl. I Nr. 38, Anwendung findet.

Einleitend ist zur Vorgeschichte auf das den Beschwerdeführer betreffende, die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zum Gegenstand habende hg. Erkenntnis vom 22. Mai 2007, Zl. 2007/21/0154, zu verweisen. Gegen ihn wurde im Instanzenzug mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 20. März 2007 ein auf - den im Zeitpunkt dieser damaligen Entscheidung geltenden - § 86 Abs. 1 FPG gestütztes Aufenthaltsverbot, welches auf die Dauer von zehn Jahren befristet wurde, erlassen. Der letztinstanzliche Bescheid wurde dem Akteninhalt zufolge dem rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers am 4. April 2007 zugestellt, weshalb nach dem damals zu dieser Zeit geltenden § 63 Abs. 2 letzter Satz FPG (in der Stammfassung BGBl. I Nr. 100/2005) die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes mit diesem Tag zu laufen begann. Demnach endet die Gültigkeit des gegen den Beschwerdeführer bestehenden Aufenthaltsverbotes am 4. April 2017. Dies erfuhr auch durch das FrÄG 2011 keine Änderung, weil gemäß § 125 Abs. 16 FPG vor In-Kraft-Treten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 (des FrÄG 2011) erlassene Aufenthaltsverbote gemäß § 60 FPG oder Rückkehrverbote gemäß § 62 FPG bis zum festgesetzten Zeitpunkt weiterhin gültig bleiben. Diese Anordnung bezieht sich aber auch auf vor dem FrÄG 2011 nach § 86 Abs. 1 FPG (allenfalls iVm § 87 FPG) rechtskräftig erlassene Aufenthaltsverbote (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. März 2012, Zl. 2011/21/0298).

Im Ergebnis zutreffend - obgleich sie durch bloße Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides, ohne insoweit im Hinblick auf die nunmehr zur Anwendung zu bringenden Vorschriften des FPG (hier insbesondere: § 69 Abs. 2 FPG) eine sog. "Maßgabeentscheidung" vorzunehmen, als Rechtsgrundlage § 65 FPG idF vor dem FrÄG 2011 heranzog - ging die belangte Behörde davon aus, dass das gegenständliche noch vor dem FrÄG 2011 erlassene Aufenthaltsverbot auch nach den Bestimmungen des FPG idF des FrÄG 2011 einer Aufhebung zugänglich sei (vgl. dazu die dies bejahenden hg. Erkenntnisse vom 24. Jänner 2012, Zl. 2011/18/0267, vom 20. März 2012, Zl. 2011/21/0298, und vom 28. August 2012, Zl. 2012/21/0159).

Angesichts dessen, dass der (derzeit in der Schweiz lebende) Beschwerdeführer (seit 2007 wieder) mit einer (ebenfalls in der Schweiz lebenden) österreichischen Staatsbürgerin verheiratet ist, wäre - was die belangte Behörde verkannt hat - die Zulässigkeit der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes jedenfalls (vgl. § 65b FPG) daran zu messen gewesen, ob die in § 67 Abs. 1 FPG enthaltenen Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. März 2012, Zl. 2011/21/0298).

Schon aus diesem Grund war die belangte Behörde keinesfalls befugt festzulegen, dass das gegen den Beschwerdeführer bestehende - und als solches weitergeltende (vgl. § 125 Abs. 16 FPG sowie die dazu ergangenen bereits erwähnten hg. Erkenntnisse Zl. 2011/21/0298 und Zl. 2012/21/0159) - Aufenthaltsverbot als Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot nach den nunmehrigen Bestimmungen des FPG zu gelten habe. Der angefochtene Bescheid erweist sich daher schon deshalb als inhaltlich rechtswidrig.

Klarstellend sei dazu aber bemerkt, dass ein solcher Ausspruch auch dann nicht zulässig wäre, wenn auf den Beschwerdeführer § 67 FPG keine Anwendung fände (vgl. ausführlich zur Frage der Weitergeltung noch vor dem FrÄG 2011 erlassener Aufenthaltsverbote das hg. Erkenntnis vom 28. August 2012, Zl. 2012/21/0159).

Darüber hinaus sind der belangten Behörde aber auch Fehler bei der inhaltlichen Prüfung der Zulässigkeit der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes unterlaufen. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits zur Anwendung des nunmehrigen § 69 Abs. 2 FPG ausgesprochen, dass diese Bestimmung ihrem Inhalt nach mit dem zuvor geltenden § 65 Abs. 1 FPG gleich ist und sohin auch die zu dem früher geltenden § 65 Abs. 1 FPG ergangene Rechtsprechung im Wesentlichen auf die Beurteilung, ob Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbots geführt haben, weggefallen sind, übertragbar ist. Nach der dazu ergangenen Rechtsprechung kann ein Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung der Maßnahme eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Weiters kann bei der Entscheidung über die Aufhebung einer solchen Maßnahme die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem diese Maßnahme erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden. Maßgebliche Änderungen der Rechtslage sind hingegen für die Beurteilung, ob ein Aufenthaltsverbot aufrechterhalten werden darf, beachtlich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 2012, Zl. 2011/18/0267).

Mit den seit Erlassung des Aufenthaltsverbots geänderten Umständen hat sich die belangte Behörde aber überhaupt nicht befasst. In ihren Feststellungen nimmt sie lediglich Bezug auf jene Ereignisse, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt haben. Lediglich im Rahmen der nach Art. 8 EMRK gebotenen Interessenabwägung weist die belangte Behörde kursorisch darauf hin, dass der Beschwerdeführer seit 6. Juli 2007 mit der österreichischen Staatsbürgerin K verheiratet sei und beide in der Schweiz niedergelassen seien. Hingegen hat sich die belangte Behörde mit dem - auch im angefochtenen Bescheid wörtlich wiedergegebenen - Vorbringen des Beschwerdeführers weder beschäftigt noch hat sie zu den seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes mittlerweile geänderten Sachverhaltselementen (der Beschwerdeführer brachte etwa unter anderem im Verwaltungsverfahren vor, dass das Bestehen des Familienlebens mit seiner nunmehrigen Ehefrau in der Schweiz geprüft und bejaht, sein ihm aus den Regelungen der Assoziierung der Schweiz und der EU zustehendes Recht auf Freizügigkeit in der Schweiz anerkannt und seitens der Schweiz keine von ihm ausgehende Gefährdung erkannt worden sei, sowie dass sein Recht auf Freizügigkeit, obwohl Österreich bei der Prüfung denselben Maßstab anzuwenden habe wie die Schweiz, ungerechtfertigt eingeschränkt werde und damit Besuche von in Österreich lebenden Verwandten seiner Ehefrau verunmöglicht werde, weiters etwa dass er unbescholten sei und sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes wohlverhalten habe) Feststellungen getroffen. Demgemäß hat sie die geänderten Verhältnisse auch keiner inhaltlichen Beurteilung unterzogen, sondern in rechtswidriger Weise ausschließlich auf das bis zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes gesetzte Verhalten des Beschwerdeführers abgestellt.

In diesem Zusammenhang greifen aber auch die bloß pauschalen behördlichen Ausführungen, bezogen auf Österreich könne ein berücksichtigungswürdiges Privat- und Familienleben nicht erkannt werden, weil sowohl der Beschwerdeführer als auch seine Ehefrau derzeit in der Schweiz niedergelassen seien, zu kurz. Der Beschwerdeführer hat nämlich nicht nur im Rahmen der gegenständlichen, sondern auch schon anlässlich einer früheren Antragstellung darauf hingewiesen, dass er gemeinsam mit seiner österreichischen Ehefrau nach Österreich reisen wolle, um hier die Verwandten seiner Ehefrau besuchen und an Zusammenkünften aufgrund besonderer Anlässe, wie etwa in Österreich stattfindenden Feierlichkeiten, teilnehmen zu können. Feststellungen dazu enthält der angefochtene Bescheid ebenso wenig wie eine darauf Bezug nehmende rechtliche Beurteilung.

Der Verwaltungsgerichtshof erachtet es im Hinblick auf den bisherigen Verfahrensgang allerdings geboten, für das fortzusetzende Verfahren Folgendes anzumerken:

Wie bereits oben ausgeführt, sind bei der Prüfung der Zulässigkeit der Aufrechterhaltung eines Aufenthaltsverbotes maßgebliche Änderungen der Rechtslage beachtlich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 2012, Zl. 2011/18/0267). Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot nach § 67 Abs. 1 FPG für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. In § 67 Abs. 3 FPG sind beispielsweise Fälle genannt, in denen das Aufenthaltsverbot nach § 67 Abs. 1 FPG auch auf unbestimmte Zeit ("unbefristet") erlassen werden kann. Demnach enthält § 67 FPG keine Einschränkung hinsichtlich bestimmter Verhaltensweisen, die eine höchstzulässige Befristung eines nach dieser Bestimmung erlassenen Aufenthaltsverbotes mit (bloß) fünf Jahren rechtfertigen würden. Allerdings legt eine solche § 53 Abs. 2 FPG hinsichtlich der Dauer eines Einreiseverbotes fest. Unter anderem sieht - fallbezogen von besonderem Interesse - § 53 Abs. 2 Z 8 FPG vor, dass im Fall einer Aufenthaltsehe im Sinn dieser Bestimmung das Einreiseverbot mit höchstens fünf Jahren befristet werden darf.

Angesichts dessen, dass es nach § 53 Abs. 2 FPG für die Zulässigkeit der Erlassung eines Einreiseverbotes für die Dauer von bis zu fünf Jahren hinreichend ist zu berücksichtigen, ob der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft, hingegen nach § 67 Abs. 1 FPG die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nur zulässig ist, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des betroffenen Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist, wobei das persönliche Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen muss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, würde es zu einem dem Gesetzgeber nicht zusinnbaren Wertungswiderspruch und zu verfassungsrechtlichen Bedenken führen, wenn in den Fällen des § 67 Abs. 1 FPG ein auf das Fehlverhalten durch Eingehen einer Aufenthaltsehe gestütztes Aufenthaltsverbot mit einer Dauer von mehr als fünf Jahren befristet erlassen werden dürfte. Sohin ist davon auszugehen, dass bei der Prüfung nach § 67 Abs. 2 iVm Abs. 4 FPG darauf Bedacht zu nehmen ist, dass in den in § 53 Abs. 2 FPG genannten Fällen auch ein Aufenthaltsverbot nach § 67 Abs. 1 FPG jedenfalls mit keiner höheren Dauer als fünf Jahre befristet werden darf.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage wird die belangte Behörde im fortzusetzenden Verfahren zu beachten haben, dass die Gültigkeitsdauer des verfahrensgegenständlichen Aufenthaltsverbotes mittlerweile (mit Ablauf des 4. April 2012) fünf Jahre überschritten hat. Für solche Konstellationen hat der Verwaltungsgerichtshof bereits festgehalten, dass die Behörde das Aufenthaltsverbot nach Ablauf der nunmehr nach dem FPG idF des FrÄG 2011 höchst zulässigen Gültigkeitsdauer jedenfalls von Amts wegen oder auch auf Antrag des Beschwerdeführers aufzuheben hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 2012, Zl. 2011/18/0267).

Nach dem Gesagten erweist sich der angefochtene Bescheid als mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet, weshalb er aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am 6. September 2012

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte