Normen
AlVG 1977 §1 Abs1 lita;
AlVG 1977 §1 Abs4;
AlVG 1977 §12 Abs3 lita;
AlVG 1977 §12 Abs6 lita;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;
AVG §38;
B-VG Art130 Abs2;
AlVG 1977 §1 Abs1 lita;
AlVG 1977 §1 Abs4;
AlVG 1977 §12 Abs3 lita;
AlVG 1977 §12 Abs6 lita;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;
AVG §38;
B-VG Art130 Abs2;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 5. April 2012 wurde ausgesprochen, dass der Notstandshilfebezug des Beschwerdeführers für den Zeitraum vom 4. Juni 2007 bis 30. September 2010 widerrufen werde; gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe in Höhe von EUR 29.291,90 verpflichtet. Begründend führte die regionale Geschäftsstelle aus, der Beschwerdeführer habe die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung für den Zeitraum vom 4. Juni 2007 bis 30. September 2010 zu Unrecht bezogen, weil er beim Dienstgeber Steuerberater B beschäftigt gewesen sei. Ein Betrag von EUR 416,02 sei bereits einbehalten worden.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Der Bescheid sei nicht gerechtfertigt, da nicht nur die Grundlage hiezu fehle, "sondern auch, dass weder der Zeitraum noch die Höhe korrekt" seien. Die Bescheidbegründung sei nicht korrekt und stelle "keinen ausreichenden Nachweis für den genannten Bescheid" dar. Durch die Rückforderung sei seine Existenz gefährdet; dies stelle eine soziale Härte dar. Er beantrage daher, den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos aufzuheben und ihm auch für diesen Zeitraum Notstandshilfe auszubezahlen.
Mit dem angefochtenen Bescheid setzte die belangte Behörde das Berufungsverfahren aus.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei vom 4. Juni 2007 bis 30. September 2010 mit kurzfristigen Unterbrechungen im Bezug von Notstandshilfe mit unterschiedlicher Tagsatzhöhe gestanden. Mit Bescheid der Gebietskrankenkasse vom 13. April 2012 sei festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Tätigkeit für Steuerberater B im Zeitraum vom 4. Juni 2007 bis 30. September 2010 als dessen Dienstnehmer der Sozialversicherungspflicht nach dem ASVG und der Arbeitslosenversicherungspflicht nach dem AlVG unterlegen sei. Gegen diesen Bescheid habe der Beschwerdeführer einen Einspruch eingebracht, sodass das Verfahren zur Feststellung bzw. Nichtfeststellung der Pflichtversicherung auf Grund des Beschäftigungsverhältnisses bei B im Zeitraum vom 4. Juni 2007 bis 30. September 2010 noch nicht rechtskräftig entschieden sei.
Der Beschwerdeführer habe während des laufenden Leistungsbezuges nicht gemeldet, dass er in diesem Zeitraum bei B beschäftigt gewesen sei.
Gemäß § 38 AVG sei die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie könne aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bilde oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht werde.
Gemäß § 45 Abs. 1 AlVG seien Streitigkeiten über die Arbeitslosenversicherungspflicht oder über Beiträge zur Arbeitslosenversicherung in dem für die gesetzliche Krankenversicherung geltenden Verfahren zu entscheiden; das Arbeitsmarktservice sei insofern an die Entscheidung der Gebietskrankenkasse über die Feststellung der Arbeitslosenversicherungspflicht gebunden. Auf Grund des § 45 Abs. 1 AlVG sei das Arbeitsmarktservice weder berechtigt noch verpflichtet, ein Verfahren zur Feststellung der Arbeitslosenversicherungspflicht des Dienstverhältnisses zu führen.
Das Berufungsverfahren werde daher gemäß § 38 AVG ausgesetzt, bis das entsprechende Verfahren bei der Gebietskrankenkasse rechtskräftig abgeschlossen sei und das Arbeitsmarktservice auf der Grundlage dieser rechtskräftigen Entscheidung gemäß § 45 Abs. 1 AlVG in diesem Berufungsverfahren entscheiden könne.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer macht geltend, die belangte Behörde habe die Sache des Berufungsverfahrens überschritten. Er habe zu keinem Zeitpunkt die Aussetzung des Berufungsverfahrens beantragt; die belangte Behörde hätte dem Berufungsantrag des Beschwerdeführers entsprechend den Bescheid der regionalen Geschäftsstelle ersatzlos aufheben müssen. Es wäre Aufgabe der belangten Behörde gewesen, im Rahmen ihrer Befugnis in der Sache selbst zu entscheiden und nicht auf das anhängige Verfahren der Gebietskrankenkasse zu verweisen. Der Beschwerdeführer habe überdies im Hinblick auf seine triste finanzielle Situation beantragt, die Rückzahlung des Betrages nachzusehen.
2. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer (u.a.) der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht.
Nach § 7 Abs. 2 AlVG steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf und arbeitsfähig, arbeitswillig und arbeitslos ist.
Gemäß § 12 Abs. 1 AlVG ist arbeitslos, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat. Nach § 12 Abs. 1 AlVG in der ab 1. Jänner 2009 geltenden Fassung (BGBl. I Nr. 104/2007, vgl. § 79 Abs. 94 AlVG:
gilt erst für nach dem Ablauf des 31. Dezember 2008 geltend gemachte Ansprüche) ist arbeitslos, wer eine (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) beendet hat (Z 1), nicht mehr der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegt oder dieser ausschließlich auf Grund des Weiterbestehens der Pflichtversicherung für den Zeitraum, für den Kündigungsentschädigung gebührt oder eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt oder eine Urlaubsabfindung gewährt wird, unterliegt (Z 2) und keine neue oder weitere (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) ausübt (Z 3).
Nach § 12 Abs. 3 AlVG gilt als arbeitslos insbesondere nicht, wer in einem Dienstverhältnis steht (lit. a) oder wer selbständig erwerbstätig ist (lit. b).
Gemäß § 12 Abs. 6 AlVG gilt jedoch als arbeitslos, wer aus einer oder mehreren Beschäftigungen ein Entgelt erzielt, das die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt (lit. a) oder wer auf andere Art selbständig erwerbstätig ist bzw. selbständig arbeitet und daraus ein Einkommen gemäß § 36a erzielt oder im Zeitraum der selbständigen Erwerbstätigkeit bzw. der selbständigen Arbeit einen Umsatz gemäß § 36b erzielt, wenn weder das Einkommen zuzüglich Sozialversicherungsbeiträge, die als Werbungskosten geltend gemacht wurden, noch 11,1 vH des Umsatzes die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge übersteigt (lit. c).
Gemäß § 24 Abs. 2 AlVG ist die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes zu widerrufen, wenn die Zuerkennung gesetzlich nicht begründet war.
Nach § 25 Abs. 1 AlVG ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.
Gemäß § 38 AlVG sind diese Bestimmungen sinngemäß auf die Notstandshilfe anzuwenden.
Gemäß § 38 AVG ist, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch ein Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.
3. Mit dem erstinstanzlichen Bescheid wurde der Bezug der Notstandshilfe für den Zeitraum vom 4. Juni 2007 bis 30. September 2010 widerrufen und der Beschwerdeführer zum Rückersatz der im Widerrufszeitraum unberechtigt empfangenen Notstandshilfe verpflichtet. Begründet wurde dies damit, dass der Beschwerdeführer in diesem Zeitraum beim Steuerberater B beschäftigt gewesen sei.
Ungeachtet dessen, dass § 12 Abs. 3 lit. a AlVG nicht auf das Bestehen der Vollversicherungspflicht, sondern auf das Bestehen eines Dienstverhältnisses abstellt, ist zufolge der Bestimmung des § 12 Abs. 6 lit. a AlVG der Begriff des nicht geringfügig entlohnten Dienstverhältnisses, der sich aus den genannten Bestimmungen des § 12 AlVG in ihrem Zusammenhang ergibt, ident mit dem des versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses iSd § 4 Abs. 2 ASVG, an welches § 1 Abs. 1 lit. a iVm Abs. 4 AlVG für die Arbeitslosenversicherungspflicht (u.a.) anknüpft (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1998, Zl. 98/08/0129, mwN).
Aufgrund der Anknüpfung des § 12 Abs. 3 lit. a AlVG an das Dienstverhältnis (das ist ein die Vollversicherungspflicht begründendes Beschäftigungsverhältnis iSd § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG) ist es rechtlich ausgeschlossen, dass für einen bestimmten Zeitraum sowohl das Vorliegen einer solchen Versicherungspflicht, gleichzeitig aber auch das Vorliegen von Arbeitslosigkeit bejaht werden kann, zumal die maßgebenden Kriterien einer entsprechend entlohnten abhängigen Beschäftigung in beiden Fällen ident sind. Wer in einem nicht geringfügig entlohnten vollversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis tätig ist, kann schon aus diesem Grunde nicht arbeitslos sein (vgl. neuerlich das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1998).
Bei Vorliegen eines rechtskräftigen, die Versicherungspflicht feststellenden Bescheides ist dieser vom Arbeitsmarktservice der Beurteilung zugrunde zu legen und das Vorliegen von Arbeitslosigkeit für den gleichen Zeitraum schon deswegen zu verneinen. Der Bescheid über die Versicherungspflicht ist insoweit als Entscheidung einer Vorfrage gemäß § 38 AVG zu werten (vgl. neuerlich das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1998).
Im hier zu beurteilenden Fall liegt allerdings noch kein rechtskräftiger Bescheid betreffend die Versicherungspflicht vor. Ein Verfahren hiezu ist aber bereits anhängig, gegen den Bescheid der Gebietskrankenkasse, mit dem die Pflichtversicherung festgestellt wurde, wurde vom Beschwerdeführer Einspruch erhoben.
Es liegt daher im Ermessen der belangten Behörde, gemäß § 38 AVG die Vorfrage (das Vorliegen einer Beschäftigung) selbst zu beurteilen oder das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage (über die Pflichtversicherung) auszusetzen.
§ 38 AVG regelt nicht im Einzelnen, unter welchen Voraussetzungen die Behörde die Vorfrage selbst zu beurteilen hat oder von der Möglichkeit der Aussetzung des Verfahrens Gebrauch machen kann. Sie ist aber deswegen nicht völlig ungebunden. Ihre Entscheidung kann nämlich in der Richtung hin auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden, ob sie diese Entscheidung im Sinne des Gesetzes getroffen hat. Die Überlegungen, von denen sie sich dabei leiten lassen muss, werden vornehmlich solche der Verfahrensökonomie sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Mai 1990, Zl. 89/08/0040, mwN; vgl. auch die bei Hengstschläger/Leeb, AVG, § 38 Rz 59 ff geschilderten weiteren Kriterien der möglichsten Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis, der Erzielung möglichst richtiger und einheitlicher Entscheidungen samt Vermeidung von Wiederaufnahmen; dem gegenüber das Postulat der möglichst raschen Beendigung des Verfahrens).
Gemäß Artikel 130 Abs. 2 B-VG liegt Rechtswidrigkeit nicht vor, soweit die Gesetzgebung von einer bindenden Regelung des Verhaltens der Verwaltungsbehörde absieht und die Bestimmung dieses Verhaltens der Behörde selbst überlässt, die Behörde aber von diesem freien Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat.
In der Beschwerde wird nicht geltend gemacht, dass ein Ermessensfehler (Ermessensüberschreitung oder Ermessensmissbrauch) vorliegt.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet in §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 19. Dezember 2012
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