Normen
AVG §67d Abs1;
AVG §67d Abs3;
VStG §51e Abs3 Z1;
VStG §51e Abs3 Z2;
VStG §51e Abs3 Z3;
VStG §51e Abs3 Z4;
VStG §51e Abs3;
VStG §51e;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
AVG §67d Abs1;
AVG §67d Abs3;
VStG §51e Abs3 Z1;
VStG §51e Abs3 Z2;
VStG §51e Abs3 Z3;
VStG §51e Abs3 Z4;
VStG §51e Abs3;
VStG §51e;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 13. Oktober 2010 wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er sei "als ständiger Vertreter des Eigentümers und Bewirtschafters der bepflanzten Weingartengrundstücke Grst. 375 und 377/2, beide KG B, somit der Firma C AG mit Sitz in W" dafür verantwortlich, dass bei einer am 21. Oktober 2009 durchgeführten Weingartenbegehung festgestellt worden sei, dass auf diesen Grundstücken zusätzlich zu den Weinstöcken ein starker Baum- und Strauchbewuchs vorhanden sei, der Weingarten offensichtlich seit mehreren Jahren nicht mehr bewirtschaftet werde, der Verwendungszweck als Weingarten daher weggefallen und dieser Weingarten nicht vollständig gerodet gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch § 15 Abs. 2 des NÖ Weinbaugesetzes 2002 übertreten, weshalb über ihn gemäß § 15 Abs. 2 Z. 4 leg. cit. eine Geldstrafe von EUR 1.088,70, für den Fall der Nichteinbringung eine Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Stunden, verhängt werde. Weiters habe der Beschwerdeführer gemäß § 64 Abs. 2 VStG einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von EUR 108,87 zu leisten.
In seiner dagegen gerichteten Berufung brachte der anwaltlich nicht vertretene Beschwerdeführer vor, der der Bestrafung zugrunde liegende Sachverhalt sei der Behörde seit spätestens 7. Mai 2009 bekannt, es sei daher Verjährung eingetreten. Weiters sei dem Rodungsauftrag der Behörde nach gewährter Fristverlängerung in kürzest möglicher Zeit entsprochen worden. Es habe sich - auch nach Auffassung der erstinstanzlichen Behörde - um eine äußerst geringe Anzahl vereinzelter, nicht ordnungsgemäß gerodeter Weinstöcke, die wieder ausgetrieben hätten, gehandelt. Auch die Behörde gehe davon aus, dass ein nachträgliches Austreiben nach einer Rodung möglich sei; sie habe daher der Grundstückseigentümerin zuletzt eine zusätzliche Beobachtung und Nachrodung im kommenden Jahr vorgeschrieben. Das erstinstanzliche Straferkenntnis enthalte weiters keine Berechnung hinsichtlich der Strafhöhe, es hätte zumindest angegeben werden müssen, auf welcher Basis im Hinblick auf die Grundstücksgröße die Strafe bemessen worden sei.
Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde hat der Beschwerdeführer nicht beantragt.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers - ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung - gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge und bestätigte "vollinhaltlich" den erstinstanzlichen Bescheid. Weiters sprach sie aus, dass der Beschwerdeführer gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von EUR 217,74 zu leisten habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 51e VStG hat - auszugsweise - folgenden Wortlaut:
"§ 51e. (1) Der unabhängige Verwaltungssenat hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
…
(3) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn
1. in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder
- 2. sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder
- 3. im angefochtenen Bescheid eine 500 EUR nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde oder
4. sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet
und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Der Berufungswerber hat die Durchführung einer Verhandlung in der Berufung zu beantragen. Etwaigen Berufungsgegnern ist Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
…
(5) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
…"
Keine der alternativen Voraussetzungen des § 51e Abs. 3 Z. 1 bis Z. 4 VStG für das Absehen von einer Berufungsverhandlung ist vorliegend erfüllt. Die Berufung richtet sich gegen ein Straferkenntnis, mit dem eine EUR 500,-- übersteigende Geldstrafe verhängt worden ist, sie richtet sich nicht nur gegen die Strafhöhe und macht nicht nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung geltend. Bereits deshalb wäre die belangte Behörde zur Durchführung einer Berufungsverhandlung verpflichtet gewesen.
Darüber hinaus ist auch das - kumulativ zu erfüllende - Tatbestandsmerkmal gemäß § 51e Abs. 3 VStG, dass "keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat", nicht erfüllt. Die Unterlassung eines Antrages auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird vom Gesetzgeber zwar als (schlüssiger) Verzicht auf eine solche gewertet, vom Vorliegen eines schlüssigen Verzichts kann aber insbesondere dann nicht ausgegangen werden, wenn eine unvertretene Partei weder über die Möglichkeit einer Antragstellung belehrt wurde, noch Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie von dieser Möglichkeit hätte wissen müssen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 13. Mai 2011, Zl. 2010/10/0242, vom 29. September 2010, Zl. 2010/10/0168, und vom 26. April 2010, Zl. 2004/10/0024).
Nach der Aktenlage wurde der Beschwerdeführer nicht (weder mit der Rechtsmittelbelehrung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses, noch durch die belangte Behörde, etwa im Zuge der mit Bescheid vom 10. Jänner 2011 erfolgten Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers) über die Möglichkeit der Antragstellung belehrt. Dafür, dass er sonst von dieser Möglichkeit hätte wissen müssen, ergeben sich keine Anhaltspunkte.
Die belangte Behörde hat daher zu Unrecht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen. Sie hat dadurch ihr Verfahren mit einem wesentlichen Mangel belastet, was schon für sich gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides zu führen hatte. Auf das weitere Beschwerdevorbringen - u.a. wird geltend gemacht, der Beschwerdeführer sei als (zu ergänzen: gemäß § 254 Abs. 2 Aktiengesetz bestellter) ständiger Vertreter (der inländischen Zweigniederlassung der C, einer Aktiengesellschaft nach schweizerischem Recht mit Sitz in Zürich) nicht das satzungsmäßig zur Vertretung nach außen berufene Organ und hätte daher gemäß § 9 Abs. 1 VStG nicht in Anspruch genommen werden dürfen - war daher hier nicht mehr einzugehen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 14. Juni 2012
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