VwGH 2010/17/0187

VwGH2010/17/018728.3.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Dr. Zehetner und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde der G und des Dr. OT, beide in G und vertreten durch Dr. Johannes Dörner und Dr. Alexander Singer, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Brockmanngasse 91/I, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 11. August 2010, Zl. A8/2 - 12-2-1352/2010-38, betreffend Kanalbenützungsgebühr für das Jahr 2010, zu Recht erkannt:

Normen

11997E086 EG Art86;
11997E175 EG Art175;
12010E106 AEUV Art106;
32000L0060 Wasserrahmen-RL Art9;
32000L0060 Wasserrahmen-RL;
32006L0012 Abfall-RL;
32006L0111 Transparenz-RL;
61980CJ0188 Frankreich, Italien und Vereinigtes Königreich / Kommission;
61997CJ0076 Tögel VORAB;
61997CJ0374 Feyrer VORAB;
62008CJ0254 Futura Immobiliare VORAB;
EURallg;
KanalabgabenO Graz 2005;
11997E086 EG Art86;
11997E175 EG Art175;
12010E106 AEUV Art106;
32000L0060 Wasserrahmen-RL Art9;
32000L0060 Wasserrahmen-RL;
32006L0012 Abfall-RL;
32006L0111 Transparenz-RL;
61980CJ0188 Frankreich, Italien und Vereinigtes Königreich / Kommission;
61997CJ0076 Tögel VORAB;
61997CJ0374 Feyrer VORAB;
62008CJ0254 Futura Immobiliare VORAB;
EURallg;
KanalabgabenO Graz 2005;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1. Aus der Beschwerde, den mit ihr vorgelegten Urkunden sowie dem in Kopie angeschlossenen angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Mit Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz vom 12. Jänner 2010 wurde den Beschwerdeführern Kanalbenützungsgebühr für eine näher genannte Liegenschaft für das Jahr 2010 in der Höhe von (brutto) EUR 538,56 vorgeschrieben.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachten die Beschwerdeführer vor, dass ihrerseits lediglich ein Wasserverbrauch von 170 m3 zu versteuern wäre, während die Vorschreibung - ausgehend ausschließlich von der Anzahl der Toiletten - auf einem Wasserverbrauch von 360 m3 Wasser/Jahr beruhe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.

Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und Anführung der nach Ansicht der belangten Behörde maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen führte die belangte Behörde zur Begründung aus, dass die Beschwerdeführer mit den verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die anzuwendenden Rechtsvorschriften seit Jahren die österreichischen Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts bemühten. Unter Hinweis auf verschiedene Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes wird die Auffassung vertreten, dass sich diese den Bedenken gegen die Grazer Kanalabgabenordnung nicht angeschlossen hätten.

Die Beschwerdeführer machten nunmehr auch europarechtliche Bedenken geltend. Sie wendeten sich gegen die Grazer Kanalabgabenordnung unter dem Gesichtspunkt der Verursachungsgerechtigkeit nach der Wasserrahmenrichtlinie und verwiesen auf ein zum europäischen Abfallrecht ergangenes Urteil des Europäischen Gerichtshofes.

Nach dem mit "Deckung der Kosten der Wasserdienstleistungen" überschriebenen Art. 9 Abs. 1 erster Satz der Wasserrahmenrichtlinie, Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik, berücksichtigten die Mitgliedstaaten unter Einbeziehung der wirtschaftlichen Analyse gemäß Anhang III und insbesondere unter Zugrundelegung des Verursacherprinzips den Grundsatz der Deckung der Kosten der Wasserdienstleistungen einschließlich umwelt- und ressourcenbezogener Kosten. Die genannte Richtlinie normiere - ebenso wie der im Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH vom 16. Juli 2009, Rs C-254/08 , maßgebliche Art. 15 der Richtlinie 2006/12/EG über Abfälle - eine verursachungsgerechte Verteilung der mit der Abwasserentsorgung verbundenen Kosten auf die Nutzer und Nutzerinnen.

Ungeachtet des Umstandes, dass die von den Beschwerdeführern ins Treffen geführte Entscheidung des EuGH zum Abfallrecht ergangen sei, seien darin doch Aussagen zum Verursachungsprinzip enthalten, die jedoch nach Auffassung der belangten Behörde das Rechtsmittelvorbringen nicht zu stützen vermöchten.

So sei aus dem Urteil unmissverständlich zu erschließen, dass eine Vergebührung nach der tatsächlich erzeugten Menge an Abfall (auf den Kanalbereich umgelegt: nach der tatsächlich in den öffentlichen Kanal abgegebenen Abwassermenge) gerade nicht notwendig sei, um dem gemeinschaftsrechtlichen Verursachungsprinzip gerecht zu werden, sondern vielmehr ein weites Ermessen in Bezug auf die Festlegung der Modalitäten für die Berechnung einer (Benützungs‑)Abgabe bestehe.

Diese Haltung des EuGH entspringe unzweifelhaft auch der Erkenntnis, dass die verursachungsgerechte Umlegung von (Abfall‑)Kosten letztlich immer auch davon auszugehen habe, dass die gewählten Parameter der (Kosten‑)Umlegung verwaltungsökonomisch (und damit letztlich für die Nutzer/innen kostenschonend) handhabbar seien. Die belangte Behörde habe in den von den Beschwerdeführern für vor dem Jahr 2010 liegende Abgabenzeiträume angestrengten Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof dargetan, dass die konkrete Auswahl der für die Umlegung von Kosten gewählten Gebührenparameter immer - und so auch im Bereich der Kanalbenützungsgebühren - ein Kompromiss sei, der sich im Spannungsbereich zwischen (absoluter) Verursachungsgerechtigkeit und vernünftigem Vollziehungsaufwand bewege. Gerade der auch vom EuGH zugestandene Ermessensspielraum mache es in Fällen mit (wie in Graz) mehr als 30.000 Abgabenpflichtigen überhaupt erst möglich, Verrechnungsparamter zu wählen und damit einen Abgabenvollzug zu gewährleisten, die auch den verfassungsrechtlichen Vorgaben der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit gerecht würden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Verletzung im Recht, die Kanalbenützungsgebühr für 2010 für drei WC's nicht in der vorgeschriebenen, sondern in einer geringeren Höhe zahlen zu müssen, hilfsweise (im Recht), die Kanalbenützungsgebühr für 2010 nicht für drei, sondern für weniger als drei WC's zahlen zu müssen, geltend gemacht wird. Darüber hinaus werden Verfahrensmängel geltend gemacht.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Soweit in der Beschwerde neuerlich Bedenken gegen die Sachlichkeit der Berechnungsmethode der Kanalbenützungsgebühr nach der Grazer Kanalabgabenordnung 2005 in der Fassung der Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 11. Dezember 2008, mit der die Grazer Kanalabgabenordnung 2005 geändert wird, Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz Nr. 14 vom 29. Dezember 2008, geltend gemacht werden, ist gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das auch von den Beschwerdeführern genannte hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2010, Zl. 2009/17/0268, betreffend die Vorschreibung der Kanalbenützungsgebühr für das Jahr 2009 zu verweisen.

2.2. Wenn die Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Slg. 16.456/2002 betreffend die Kriterien für die Bemessung einer Bereitstellungsgebühr hinweisen, sind sie auf die nach diesem Erkenntnis ergangenen Erledigungen des Verfassungsgerichtshofes ihrer Beschwerden an diesen Gerichtshof, insbesondere auf den im Verfahren betreffend die Kanalbenützungsgebühr für das Jahr 2009 ergangenen Beschluss vom 7. Oktober 2009, B 1114/09-3, zu verweisen. In diesem Beschluss hat der Verfassungsgerichtshof u.a. festgehalten, dass es sich bei der Gebühr, die in § 3 der Verordnung des Gemeinderats der Landeshauptstadt Graz vom 1. Dezember 2005, mit der die Kanalabgabenordnung neu gefasst wird - KanAbgO 2005, in der damals maßgeblichen Fassung der Verordnung vom 18. Jänner 2007, mit der die Grazer Kanalabgabenordnung 2005 berichtigt wird, geregelt wird, "um eine verfassungsrechtlich unbedenkliche, verbrauchsunabhängige Mindestgebühr" handle.

2.3. Soweit die Beschwerdeführer auf das hg. Erkenntnis vom 7. Oktober 2005, Zl. 2003/17/0210, zur Frage der (Nicht‑)Einbeziehung nicht ausgebauter Dachgeschoße in die Berechnung der Kanalbenützungsgebühr (nach dem Nö. Kanalgesetz 1977) verweisen, ist darauf hinzuweisen, dass die Kanalbenützungsgebühr nach der niederösterreichischen Rechtslage nach Geschoßflächen (angeschlossener Geschoße) zu berechnen war. Die Rechtslage in Niederösterreich ist daher mit jener nach der Grazer Kanalabgabenordnung 2005 nicht unmittelbar vergleichbar. Darüber hinaus spricht der in diesem Erkenntnis zum Ausdruck kommende Gedanke gegen die Überlegungen der Beschwerdeführer, weil darin zwar eine Auslegung gewählt wurde, die dem Gedanken der Berücksichtigung der Belastung der Kanalanlage möglichst zum Durchbruch verhilft, dabei aber letztlich ebenfalls nur ein schematischer Maßstab angelegt wird, soweit aus dem Erkenntnis ableitbar ist, dass dann, wenn bzw. soweit ein Dachgeschoß ausgebaut ist, die ausgebaute Fläche ebenfalls herangezogen werden muss, ungeachtet des Umstandes, wie viele Personen tatsächlich in dem betreffenden Gebäude wohnen. Auch der in dem erwähnten Erkenntnis anzuwendenden niederösterreichischen Rechtslage liegt insofern eine typisierende Betrachtungsweise zu Grunde, wobei indirekt ebenfalls die Anzahl der WC-Anlagen von Bedeutung ist, da der im Erkenntnis angesprochene "Ausbau" eines Dachgeschoßes allein noch nicht zur Abgabepflicht führte, sondern nur im Falle eines "Anschlusses" des Geschoßes an die Abwasseranlage, was etwa bei Installation eines WC der Fall ist.

2.4. Wenn die Beschwerdeführer darauf hinweisen, dass "zur Zeit generell (mindestens) zwei Klosetts zum üblichen Baustandard eines Einfamilienhauses sowie auch zur entsprechenden Wohnqualität gehören", vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, inwiefern damit eine Unsachlichkeit einer Norm, die die Anzahl der WC-Anlagen zum Gegenstand der Bestimmung der Aufteilung der für die Abwasserentsorgung anfallenden Kosten macht, aufgezeigt würde.

2.5. Auch die nicht näher ausgeführte Überlegung, dass die behauptete Unsachlichkeit der Regelung zu einer Kompetenzwidrigkeit führen solle, ist nicht geeignet, Bedenken gegen die anzuwendenden Vorschriften hervorzurufen (vgl. in diesem Zusammenhang vor allem die Überlegungen bei Frank, Gemeindeabgaben auf Grund freien Beschlussrechts, 313f. und - offenbar mit Bezug auf die hinter den Beschwerdeüberlegungen stehenden Ausführungen in der Literatur - a.a.O., 307 ff, insbesondere FN 406 und bei FN 411).

2.6. Bei dem Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 10. Juni 2002, Zl. 2002/17/0002, übergehen die Beschwerdeführer den Umstand, dass es in diesem Erkenntnis nicht um die Berechnung der Gebühr nach Anzahl der Klosetts schlechthin, sondern um eine undifferenzierte Berücksichtigung von Klosetts, die an den Kanal angeschlossen sind, und solchen, die an eine Senkgrube angeschlossen sind, ging.

2.7. Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung, auf die die Beschwerdeführer weitwendig Bezug nehmen, eine typisierende Betrachtungsweise bei der Bestimmung der Inanspruchnahme einer Gemeindeeinrichtung, für die die Gebühr zu entrichten ist, für zulässig erachtet (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 10. Oktober 2001, Slg. 16.319, zum NÖ KanalG, nach dem es auf die angeschlossenen Geschoßflächen ankam, wodurch - wie schon ausgeführt - indirekt genau wie nach der Steiermärkischen Rechtslage auf die Anzahl der WC-Anlagen abgestellt wird, da ein Stockwerk, in dem sonst kein Wasseranschluss vorhanden ist, nach dieser Regelung nur in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen ist, wenn ein WC vorhanden ist). Der Verfassungsgerichtshof hat auch im oben erwähnten Ablehnungsbeschluss vom 7. Oktober 2009 die Bedenken der Beschwerdeführer, wie insbesondere auch jene hinsichtlich der Einbeziehung der Kosten für die Entsorgung der Oberflächenwässer, nicht geteilt.

Das Beschwerdevorbringen ist insofern nicht geeignet, verfassungsrechtliche Bedenken gegen die anzuwendenden Rechtsgrundlagen hervorzurufen.

2.8. Zu den unionsrechtlichen Ausführungen ist auf Folgendes hinzuweisen:

2.8.1. Artikel 9 der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (im Folgenden: Wasserrahmenrichtlinie - WRRL) lautet:

"Artikel 9

Deckung der Kosten der Wasserdienstleistungen

(1) Die Mitgliedstaaten berücksichtigen unter Einbeziehung der wirtschaftlichen Analyse gemäß Anhang III und insbesondere unter Zugrundelegung des Verursacherprinzips den Grundsatz der Deckung der Kosten der Wasserdienstleistungen einschließlich umwelt- und ressourcenbezogener Kosten.

Die Mitgliedstaaten sorgen bis zum Jahr 2010 dafür,

(2) Die Mitgliedstaaten berichten in ihren Bewirtschaftungsplänen für die Einzugsgebiete die geplanten Schritte zur Durchführung von Absatz 1, die zur Verwirklichung der Umweltziele dieser Richtlinie beitragen werden, sowie über den Beitrag der verschiedenen Wassernutzungen zur Deckung der Kosten der Wasserdienstleistungen.

(3) Dieser Artikel steht der Finanzierung besonderer Vorbeuge- oder Abhilfemaßnahmen zur Verwirklichung der Ziele dieser Richtlinie in keiner Weise entgegen.

(4) Die Mitgliedstaaten verstoßen nicht gegen diese Richtlinie, wenn sie beschließen, in Übereinstimmung mit eingeführten Praktiken die Bestimmungen von Absatz 1 Unterabsatz 2 und damit zusammenhängend die einschlägigen Bestimmungen von Absatz 2 auf eine bestimmte Wassernutzung nicht anzuwenden, sofern dadurch die Zwecke dieser Richtlinie und die Verwirklichung ihrer Ziele nicht in Frage gestellt werden. Die Mitgliedstaaten stellen in den Bewirtschaftungsplänen für die Einzugsgebiete dar, aus welchen Gründen sie Absatz 1 Unterabsatz 2 nicht in vollem Umfang anwenden."

2.8.2. Der EuGH hat in dem von den Beschwerdeführer genannten Urteil vom 16. Juli 2009, Rs C-254/08 , eine Differenzierung der Beitragsleistung je nach der jeweiligen Kapazität, Siedlungsabfälle zu erzeugen, als mit dem Verursacherprinzip vereinbar erklärt. Daraus kann nicht abgeleitet werden, welche Differenzierungen der EuGH umgekehrt für geboten erachtet bzw. bei welchen typisierenden Regelungen der EuGH einen Verstoß gegen das Verursacherprinzip annehmen würde. Die Beschwerdeführer weisen auch selbst darauf hin, dass zwischen der in jenem Urteil des EuGH zu beurteilenden Richtlinie und der Wasserrahmenrichtlinie Unterschiede bestehen. Es kann dem genannten Urteil daher weder etwas über die Auslegung der Wasserrahmenrichtlinie an sich noch für die hier primär interessierende Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit der Richtlinie entnommen werden.

2.8.3. Zu prüfen ist nicht primär, ob die Grazer Kanalgebührenordnung 2005 den von den Beschwerdeführern zitierten Regelungen der Wasserrahmenrichtlinie, die die Schaffung von Anreizen für einen sparsamen Umgang mit Wasser auch in den Gebührenordnungen für Wasserdienstleistungen und eine Differenzierung zwischen verschiedenen Verursachergruppen verlangen, entspricht, sondern, welche Rechtsfolgen allfällige Mängel der anzuwendenden Grundlagen der Abgabenbemessung im Hinblick auf die Anforderungen der genannten Richtlinie im Einzelfall haben, somit ob die Vorschriften unmittelbare Wirkung entfalten.

2.8.4. Soweit die Beschwerdeführer Anreize zum sparsamen Umgang mit Wasser durch die konkrete Ausgestaltung der anzuwendenden Gebührenregelung in Graz vermissen, ist Folgendes auszuführen:

2.8.4.1. Die EU-Wasserrahmenrichtlinie wurde im Jahre 2000 gestützt auf Art. 175 Abs. 1 EG erlassen.

Gemäß Art. 175 Abs. 2 EG (nunmehr Art. 192 Abs. 2 lit. a AEUV) gilt für "Vorschriften überwiegend steuerlicher Art" ein von Art. 175 Abs. 1 EG (nunmehr: Art. 192 Abs. 1 AEUV) abweichendes besonderes Gesetzgebungsverfahren. Unter Vorschriften "überwiegend steuerlicher Art" werden jedoch in der Literatur überwiegend ausschließlich Steuern, nicht jedoch Gebühren und Abgaben verstanden (vgl. die Nachweise bei Käller in:

Schwarze, EU-Kommentar2, Art. 175 EG Rn 19; aA allerdings Piska in: Mayer, EUV-EGV, Kommentar, Art. 175 EG Rn 10, unter Hinweis auf die englische und französische Fassung, in der von "provisions primarily of a fiscal nature" bzw. "disposition essentiellement de nature fiscale" die Rede sei, sodass auch Abgaben darunter fielen). Vorschriften über Gestaltung der Tarife von Gebühren (wie sie Art. 9 WRRL enthält) können daher im Mitentscheidungsverfahren erlassen werden (vgl. zum Erfordernis des Vorliegens objektiver, nachprüfbarer Umstände für die Wahl der Rechtsgrundlage eines gemeinschaftlichen Rechtsakts Käller a.a.O. Art. 175 EG Rn 5 und 18). Art. 9 WRRL wurde somit nicht auf einer verfehlten Rechtsgrundlage erlassen.

Es bestehen daher unter dem Gesichtspunkt seines Zustandekommens entsprechend den Vorschriften im gemeinschaftsrechtlichen Primärrecht keine Bedenken gegen Art. 9 WRRL.

2.8.4.2. Zu prüfen ist jedoch, inwieweit Art. 9 WRRL unmittelbar anwendbar ist bzw. den Beziehern von Wasserdienstleistungen die Möglichkeit eröffnet, sich auf sie zu "berufen" (so die Terminologie des EuGH etwa im Zusammenhang mit der in einer Richtlinie vorgesehenen Möglichkeit der Mitgliedstaaten, kostendeckende Tarife für die im öffentlichen Interesse durchzuführenden Fleischuntersuchungen einzuführen, im Urteil vom 9. September 1999, Rs. C-374/97 , Feyrer, Rn 23). Es sei daher hier zunächst dahin gestellt, ob und inwieweit die unmittelbare Wirkung einer nicht korrekt umgesetzten Richtlinie (auch) voraussetzt, dass die Richtlinie dem Einzelnen Rechte verleiht (Desens, Wasserpreisgestaltung nach Artikel 9 EG-Wasserrahmenrichtlinie, 345, bei FN 433, geht unter Berufung auf Jarass/Beljin und Ruffert davon aus, dass dies nicht der Fall sein müsse; die diesbezügliche Diskussion erscheint jedoch im Hinblick auf die Praxis des EuGH (etwa im hier genannten Urteil in der Rs Feyrer), lediglich auf ein "Sich auf die Richtlinie Berufen Können" abzustellen, ohnehin müßig).

Dabei ist im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH vor allem ins Kalkül zu ziehen, dass die Wasserrahmenrichtlinie im Wesentlichen nur Ziele vorgibt, die die Mitgliedstaaten anstreben sollen, lediglich eine "Berücksichtigung" der "Deckung der Kosten einschließlich umwelt- und ressourcenbezogener Kosten" vorschreibt (vgl. Desens, a.a.O., 191, und Hattenberger, Wasserversorgung - Abwasserentsorgung, in: Holoubek/Potacs (Hrsg.), Handbuch des öffentlichen Wirtschaftsrechts, Band 12, 1358 (1368)) und auch nur angibt, welche (Verursacher‑)Gruppen "zumindest" zu berücksichtigen seien. Der Inhalt der Richtlinie ist daher keineswegs hinreichend bestimmt, um im Sinne der Rechtsprechung des EuGH unmittelbare Wirkung zu entfalten.

Auch das Gebot, durch die Gebührenpolitik angemessene Anreize für die effiziente Wassernutzung zu schaffen, ist an die Mitgliedstaaten gerichtet und eröffnet diesen mehrere Möglichkeiten bei der Gebührengestaltung.

Die Mittel und Wege, die zur Erreichung der von der Richtlinie vorgegebenen Ziele eingeschlagen bzw. angewendet werden können, sind vielfältig. Artikel 9 der Richtlinie ist daher nicht inhaltlich unbedingt und so präzise und ausreichend bestimmt im Sinne der ständigen Rechtsprechung des EuGH, dass der Einzelne konkrete Rechte daraus ableiten könnte (vgl. beispielsweise die Urteile vom 24. September 1998, Rs C-76/97 , Tögel, Rn 42, oder vom 9. September 1999, Rs. C-374/97 , Feyrer, Rn 21).

2.8.4.3. Aber selbst wenn man die Rechtslage ungeachtet der offensichtlichen Unterschiede in den mit der Richtlinie verfolgten rechtspolitischen Intentionen bzw. des im vorliegenden Zusammenhang wesentlich unbestimmter (nämlich nur im Sinne einer "Berücksichtigung") als bei den Fleischuntersuchungsgebühren positivierten Kostendeckungsprinzips (vgl. dazu Desens, a.a.O, 191) die Rechtslage als jener vergleichbar ansehen wollte, die die Grundlage für die Urteile des EuGH auf dem Gebiet der Fleischuntersuchungsgebühren bildete, ergäbe sich allenfalls in Übernahme der dort entwickelten Rechtsprechung des EuGH (vgl. das bereits genannte Urteil vom 9. September 1999, Rs C-374/97 , Feyrer), dass sich der Einzelne der Vorschreibung einer Gebühr dann widersetzen könnte, wenn die Gebühr jenen Betrag überschreitet, der sich bei Anwendung des Kostendeckungsprinzips "einschließlich umwelt- und ressourcenbezogener Kosten" ergäbe. Die Bezugnahme auf umwelt- und ressourcenbezogene Kosten macht die Vorschrift in hohem Grade unbestimmt und würde etwa in Österreich auch zu finanz-verfassungsrechtlichen Problemen führen, da die damit angesprochene volkswirtschaftliche Perspektive von den Gemeinden bei der Festsetzung der Wasser- und Abwassergebühren nicht in dem Sinne berücksichtigt werden dürfte, wie sich dies die unionsrechtlichen Gesetzgeber offenbar vorstellten (vgl. Desens, a.a.O., 155).

2.8.4.4. Es kann mangels entsprechender Einwände im Hinblick auf eine Überschreitung der der Stadt Graz entstehenden Kosten und im Hinblick darauf, dass es nur die Belastung der Benützer der Einrichtung verringert, wenn man die umwelt- und ressourcenbezogenen Kosten als nicht maßgeblich ausklammert, hier vorerst dahingestellt bleiben, ob auf Grund der dargestellten innerstaatlichen Rechtslage bei der Prüfung der Einhaltung der unionsrechtlich zulässigen Höhe der Gebühr im Fall von Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen die reine Kostendeckung (ohne umwelt- und ressourcenbezogene Kosten) zu berücksichtigen wäre.

2.8.4.5. Die Beschwerdeführer stützen ihren Standpunkt auch hauptsächlich auf das der Richtlinie zu entnehmende Gebot, Anreize für eine effiziente Wassernutzung zu schaffen.

Dieses von den Beschwerdeführern primär ins Auge gefasste Gebot zur Schaffung von Anreizen zu einem effizienten Verbrauch ist aber ebenfalls unbestimmt. Vor allem lässt sich der Richtlinie nicht entnehmen, dass nur ein bestimmtes Gebührensystem zulässig wäre. Wenn jedoch verschiedene Möglichkeiten bestehen, der Richtlinie zu entsprechen, könnte sich der einzelne Benützer der Gemeindeeinrichtung (hier: der Kanalanlage) schon grundsätzlich nicht darauf berufen, dass er bei Verwendung einer bestimmten anderen Berechnungsart weniger zu zahlen hätte (sofern es auch andere Möglichkeiten der Anreizschaffung gäbe). So hat der EuGH im oben genannten Urteil in der Rechtssache Feyrer das Bestehen eines Ermessens der Mitgliedstaaten offensichtlich als Grund für seine Annahme, dass die Richtlinie nicht unmittelbar anwendbar sei, herangezogen. Eine Übertragung des vom EuGH in jenem Urteil entwickelten Gedankens, dass man sich als Einzelner aber jedenfalls einer zu hohen Gebühr widersetzen könne, auf den vorliegenden Fall scheitert aber an der Mehrzahl an rechtspolitischen Möglichkeiten zur Schaffung von Anreizsystemen.

2.8.4.6. Aus diesen Gründen kann nicht angenommen werden, dass die Empfänger von Wasserdienstleistungen sich konkret auf die Wasserrahmenrichtlinie berufen könnten und sich gegen die Vorschreibung von Wasser- oder Abwassergebühren unter Hinweis auf eine konkret gebotene andere Berechnungsart wenden könnten.

Unabhängig davon, ob die Kanalabgabenordnung 2005 mit der Wasserrahmenrichtlinie vereinbar ist oder nicht, kommt ihr somit eine unmittelbare Wirkung nicht zu, sodass die Richtlinie bei der Prüfung der vorliegenden Abgabenvorschreibung nicht ins Kalkül zu ziehen ist.

Gleiches gilt für die in der Beschwerde genannte, auf Grund Art. 86 Abs. 3 EG (nunmehr: Artikel 106 Abs. 3 AEUV) erlassene sog. Transparenz-Richtlinie, Richtlinie 2006/111/EG der Kommission vom 16. November 2006 über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen sowie über die finanzielle Transparenz innerhalb bestimmter Unternehmen. Nach herrschender Auffassung (vgl. die Nachweise bei Lewisch in Mayer (Hrsg.), Kommentar zu EUund EG-Vertrag, Art. 86 EG Rn 69) ist Art. 106 Abs. 1 AEUV (ex Art. 86 EG) unmittelbar anwendbar, soweit die in ihm verwiesenen Bestimmungen unmittelbar anwendbar sind; auch Art. 106 Abs. 2 Satz 1 AEUV ist unmittelbar anwendbar (Lewisch, a.a.O., Rn 79). Insofern kann auch der Transparenz-Richtlinie - abgesehen von der oben dargestellten grundsätzlichen Problematik der unmittelbaren Wirkung von Richtlinienbestimmungen - nur in diesem Rahmen eine derartige mittelbare unmittelbare Wirkung zukommen. Einen Zusammenhang mit unmittelbar wirkenden Vorschriften des Gemeinschaftsrechts zeigt die Beschwerde jedoch nicht auf, auch der Verwaltungsgerichtshof vermag einen solchen nicht zu erkennen. Art. 106 AEUV dient der möglichst weitgehenden Anwendung des Unionsrechts, vor allem des Wettbewerbsrechts, auch auf öffentliche Unternehmen und Unternehmen mit besonderen oder ausschließlichen Rechten (vgl. schon das Urteil des EuGH vom 6. Juli 1982, Rs 188 bis 190/80, Frankreich, Italien und Vereinigtes Königreich/Kommission, Rn 12), die Regelungen der Transparenz-Richtlinie sollen die Überprüfbarkeit der Einhaltung der Vorschriften des Unionsrechts sicherstellen (vgl. Kahl, Öffentliche Unternehmen, in: Holoubek/Potacs (Hrsg.), Öffentliches Wirtschaftsrecht2, Band 2, 347 (363)); auch soweit Art. 106 AEUV unternehmensgerichtete Verbote enthält (vgl. Lewisch, a.a.O., Rn 45 ff und 79, und Potacs, Öffentliche Unternehmen unter dem Einfluss des Gemeinschaftsrechts, in: Aicher/Holoubek/Korinek (Hrsg.), Gemeinschaftsrecht und Wirtschaftsrecht, 2000, 263 (269 und 291)), ist nicht ersichtlich, inwieweit und in welcher Eigenschaft die Beschwerdeführer sich - soweit man der Transparenz-Richtlinie überhaupt auch einen diesbezüglich relevanten Inhalt zusprechen kann - auf allfällige Verstöße gegen die Anforderungen der Richtlinie berufen können sollten.

Auch das Beschwerdevorbringen zum Unionsrecht ist daher nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

2.8.4.7. Abgesehen von der fehlenden unmittelbaren Wirkung der Richtlinie ist zu der von den Beschwerdeführern angesprochenen Differenzierung zwischen den einzelnen Verursachergruppen zu beachten, dass die Beschwerdeführer nicht auf die Frage der Vorreinigung der betrieblichen Abwässer eingehen. In dieser Hinsicht ist der Hinweis der belangten Behörde auf die vergleichbaren Kosten für die Gebietskörperschaft für die Entsorgung der Abwässer aus Privathaushalten und aus Betrieben, deren Abwässer vorgereinigt sind, von entscheidender Bedeutung (zur Internalisierung von Kosten bereits bei den Verursachern durch Vorreinigungsverpflichtungen für Indirekt-Einleiter vgl. auch Schwer, Österreichischer Bericht zu Artikel 9 der EU Wasserrahmenrichtlinie (im Auftrag des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft), 2009, 31 f). Das Beschwerdevorbringen zeigt in seiner allgemeinen Art insoweit auch keinen inhaltlichen Verstoß gegen die Grundsätze der Gebührenbemessung gemäß Art. 9 Abs. 1 zweiter Satz, zweiter Spiegelstrich der Wasserrahmenrichtlinie, 2000/60/EG, auf.

2.9. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, dass die von den Beschwerdeführern behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 28. März 2011

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