VwGH 2009/11/0019

VwGH2009/11/001929.3.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des M W in E, vertreten durch Winkler - Heinzle Rechtsanwaltspartnerschaft in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom 21. Jänner 2009, Zl. 11.1/736-2008, betreffend Ladung in einer Angelegenheit des Führerscheingesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §19 Abs2;
AVG §19 Abs4;
AVG §19;
FSG 1997 §24 Abs4;
FSG 1997 §8;
SMG 1997 §27;
AVG §19 Abs2;
AVG §19 Abs4;
AVG §19;
FSG 1997 §24 Abs4;
FSG 1997 §8;
SMG 1997 §27;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 16. Oktober 2008 übermittelte die Bezirkshauptmannschaft Voitsberg der belangten Behörde eine Anzeige der Polizeiinspektion Söding über einen vom Beschwerdeführer verursachten Verkehrsunfall mit Sachschaden. Danach sei der Beschwerdeführer am 11. Oktober 2008 mit seinem PKW von der Fahrbahn abgekommen, habe dabei zwei Straßenleitpflöcke beschädigt und Fahrerflucht begangen. Mit weiterem Schreiben vom 29. Dezember 2008 wurden der belangten Behörde von der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg die Kopien einer Strafverfügung vom 20. Oktober 2008 und eines Straferkenntnisses vom 17. November 2008 übersandt, in denen der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit dem Unfall vom 11. Oktober 2008 zweier Verwaltungsübertretungen (§ 4 Abs. 1 lit. a iVm § 99 Abs. 2 lit. a sowie § 31 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 2 lit. e StVO 1960) für schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe verhängt wurde. Einerseits sei er "mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden" und habe sein Fahrzeug nicht sofort angehalten, andererseits habe er "Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs bei einem Verkehrsunfall beschädigt" und nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle oder den Straßenerhalter unter Bekanntgabe seiner Identität verständigt.

Mit dem angefochtenen Ladungsbescheid vom 21. Jänner 2009 wurde der Beschwerdeführer für den 17. Februar 2009 vorgeladen. Als zu bearbeitende Angelegenheit, an der der Beschwerdeführer "als PARTEI" mitzuwirken ersucht wurde, ist auf dem Bescheidformular "Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nach dem FSG" angegeben. Es wurde ihm mitgeteilt, dass er persönlich kommen solle und ihm für den Fall der Nichtbeachtung der Ladung eine Zwangsstrafe von EUR 150,-- angedroht.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift. Darin verwies sie unter Bezugnahme auf die vorgelegten Akten auf vier zwischen 2000 und 2008 durch den Beschwerdeführer begangene Übertretungen des § 27 Suchtmittelgesetz (SMG) im Zusammenhang mit Cannabiskonsum. Der Beschwerdeführer habe sich in diesem Zeitraum mehrmals amtsärztlichen Untersuchungen unterzogen, die jeweils seine Eignung zum Lenken ergeben hätten. Aufgrund der amtsbekannten Übertretungen des SMG in Verbindung mit der Anzeige sei es "hinsichtlich seines Gesundheitszustandes und hinsichtlich eines amtsbekannten unklaren Vorfalles (Sachschadenunfall mit Fahrerflucht) nötig" gewesen, dass der Beschwerdeführer "persönlich zur Klärung offener Fragen beiträgt". Fraglich im Zusammenhang mit dem Führerscheingesetz (FSG) sei nicht nur "die Verkehrszuverlässigkeit des Fahrzeuglenkers gemäß § 7 FSG" sondern auch dessen gesundheitliche Eignung nach § 8 FSG gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. § 19 AVG lautet (auszugsweise):

"§ 19. (1) Die Behörde ist berechtigt, Personen, die in ihrem Amtsbereich ihren Aufenthalt (Sitz) haben und deren Erscheinen nötig ist, vorzuladen. ...

(2) In der Ladung ist außer Ort und Zeit der Amtshandlung auch anzugeben, was den Gegenstand der Amtshandlung bildet, in welcher Eigenschaft der Geladene vor der Behörde erscheinen soll (als Beteiligter, Zeuge usw.) und welche Behelfe und Beweismittel mitzubringen sind. In der Ladung ist ferner bekanntzugeben, ob der Geladene persönlich zu erscheinen hat oder ob die Entsendung eines Vertreters genügt und welche Folgen an ein Ausbleiben geknüpft sind.

(3) Wer nicht durch Krankheit, Gebrechlichkeit oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, hat die Verpflichtung, der Ladung Folge zu leisten und kann zur Erfüllung dieser Pflicht durch Zwangsstrafen verhalten oder vorgeführt werden. Die Anwendung dieser Zwangsmittel ist nur zulässig, wenn sie in der Ladung angedroht waren und die Ladung zu eigenen Handen

zugestellt war; ... .

(4) Gegen die Ladung oder die Vorführung ist kein Rechtsmittel zulässig."

2. Im Hinblick auf die in der angefochtenen Erledigung enthaltene Androhung einer Zwangsstrafe für den Fall des Nichterscheinens vor der Behörde zum angegebenen Zeitpunkt besteht kein Zweifel, dass es sich um einen Ladungsbescheid im Sinne des § 19 AVG handelt. Gemäß § 19 Abs. 4 AVG war dagegen kein Rechtsmittel zulässig, weshalb die vorliegende Beschwerde zulässig ist.

Soweit die Beschwerde rügt, der Gegenstand der Ladung sei nicht klar bezeichnet, ist sie damit im Recht.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Gegenstand der Amtshandlung kurz und deutlich in einer Weise zu bezeichnen, die es dem Geladenen ermöglicht, sich darauf vorzubereiten (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 26. Februar 1991, Zl. 90/04/0309, vom 28. Juni 2001, Zl. 2001/11/0134, und vom 23. Oktober 2001, Zl. 2000/11/0342). Davon kann bei dem mit "Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nach dem FSG" äußerst unpräzise umschriebenen Zweck der Ladung schon angesichts der Vielzahl möglicher Verfahrensgegenstände "nach dem FSG" nicht die Rede sein. Zwar konnte der Beschwerdeführer - wie dies auch der Beschwerde zu entnehmen ist - vermuten, dass die Ladung im Zusammenhang mit dem Unfall vom 11. August 2008 stand. Um sich auf den Termin bei der Behörde vorbereiten zu können, ist es jedoch erforderlich, dass der Geladene Gewissheit über das zu behandelnde Thema hat. Im vorliegenden Fall hätte die belangte Behörde daher nicht erst in ihrer Gegenschrift, sondern bereits im angefochtenen Ladungsbescheid zum Ausdruck bringen müssen, dass sie eine persönliche Kontaktaufnahme mit dem Beschwerdeführer im Hinblick auf ein allfälliges Entziehungsverfahren nach dem FSG wegen des Vorfalls vom 11. August 2008 für notwendig hielt.

Zu den in der Gegenschrift geäußerten Zweifeln an der gesundheitlichen Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen bleibt schließlich Folgendes anzumerken: Sollten in dieser Hinsicht begründete Bedenken gerechtfertigt sein (zu den diesbezüglichen Voraussetzungen im Zusammenhang mit Suchtmittelkonsum siehe insbesondere das Erkenntnis vom 25. Mai 2004, Zl. 2003/11/0310, mwN), so hätte die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 4 FSG mit Bescheid aufzufordern, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen; bestehen aber keine Bedenken, so ist es unzulässig, den Besitzer einer Lenkberechtigung mittels Ladungsbescheid zur Klärung seiner gesundheitlichen Eignung zur Behörde zu laden (vgl. die Erkenntnisse vom 23. Mai 2000, Zl. 99/11/0340, vom 27. November 2001, Zl. 2001/11/0307, mwN, und vom 20. April 2004, Zl. 2004/11/0015).

Der angefochtene Bescheid war somit - ungeachtet der weiteren in den Beschwerden aufgeworfenen Frage nach der Erforderlichkeit des persönlichen Erscheinens des Beschwerdeführers vor der Behörde - schon mangels ausreichend konkreter Bezeichnung seines Gegenstandes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 29. März 2011

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