VwGH 2001/11/0307

VwGH2001/11/030727.11.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des K in L, vertreten durch Winkler-Heinzle, Rechtsanwaltspartnerschaft in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 10. September 2001, Zl. III-5171-500/2001, betreffend Ladung in einer Angelegenheit nach dem Führerscheingesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §19 Abs1;
AVG §19 Abs3;
FSG 1997 §26 Abs5;
KFG 1967 §75 Abs1;
KFG 1967 §75 Abs2;
AVG §19 Abs1;
AVG §19 Abs3;
FSG 1997 §26 Abs5;
KFG 1967 §75 Abs1;
KFG 1967 §75 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 27. August 2001 langte bei der Bezirkshauptmannschaft Bregenz eine "Verwaltungsanzeige" des Amts der Landeshauptstadt Bregenz ein, derzufolge der Beschwerdeführer am 26. August 2001 seinen Pkw in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Nach neun Fehlversuchen beim Alkomattest sei eine Blutabnahme beim Beschwerdeführer veranlasst worden, dieser habe jedoch letztlich die Blutabnahme verweigert.

Die örtlich zuständige Bezirkshauptmannschaft Dornbirn erließ darauf einen mit 10. September 2001 datierten Ladungsbescheid. Als zu bearbeitende Angelegenheit, an der der Beschwerdeführer beteiligt sei, wurde "Ihre Verkehrszuverlässigkeit bzw. Ihre gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen" angeführt.

Sodann heißt es:

"Bitte kommen Sie persönlich

binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Bescheides

in unser Amt (1. Stock/Zimmer-Nr. 111) oder entsenden Sie an

Ihrer Stelle einen Bevollmächtigten. Sie können auch gemeinsam mit Ihrem Bevollmächtigten zu uns kommen."

Nach weiteren Ausführungen, wer als Bevollmächtigter in Frage käme, und was bei der Erteilung einer Vollmacht zu beachten wäre, findet sich im Ladungsbescheid folgender Satz:

"Wenn Sie dieser Ladung ohne wichtigen Grund - z.B. Krankheit, Gebrechlichkeit, zwingende berufliche Behinderung, nicht verschiebbare Urlaubsreise - nicht Folge leisten, müssen Sie damit rechnen, dass Ihre zwangsweise Vorführung veranlasst wird."

Darüber hinaus wird ausgeführt, der Beschwerdeführer möge seinen Führerschein mitbringen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 19 AVG lautet (auszugsweise):

"§ 19. (1) Die Behörde ist berechtigt, Personen, die in ihrem Amtsbereich ihren Aufenthalt (Sitz) haben und deren Erscheinen nötig ist, vorzuladen. ...

(2) In der Ladung ist außer Ort und Zeit der Amtshandlung auch anzugeben, was den Gegenstand der Amtshandlung bildet, in welcher Eigenschaft der Geladene vor der Behörde erscheinen soll (als Beteiligter, Zeuge usw.) und welche Behelfe und Beweismittel mitzubringen sind. In der Ladung ist ferner bekannt zu geben, ob der Geladene persönlich zu erscheinen hat oder ob die Entsendung eines Vertreters genügt und welche Folgen an ein Ausbleiben geknüpft sind.

(3) Wenn nicht durch Krankheit, Gebrechlichkeit oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, hat die Verpflichtung, der Ladung Folge zu leisten und kann zur Erfüllung dieser Pflicht durch Zwangsstrafen verhalten oder vorgeführt werden. Die Anwendung dieser Zwangsmittel ist nur zulässig, wenn sie in der Ladung angedroht waren und die Ladung zu eigenen Handen

zugestellt war; ... .

(4) Gegen die Ladung oder die Vorführung ist kein Rechtsmittel zulässig."

Aus § 56 AVG ergibt sich, dass die Ladung auch in Bescheidform ergehen kann.

Nach der oben wiedergegebenen Formulierung des Ladungsbescheides hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer die Entsendung eines informierten Vertreters freigestellt. Gleichzeitig hat sie dem Beschwerdeführer für den Fall, dass er die Ladung nicht befolge, die zwangsweise Vorführung angedroht. Die im § 19 Abs. 3 AVG im Zusammenhang mit einem Ladungsbescheid vorgesehenen Zwangsmittel (Verhängung von Zwangsstrafen oder Vorführung) sind freilich nur dann zulässig, wenn die Behörde nicht die Entsendung eines Vertreters freigestellt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. September 1982, VwSlg. 10.819/A, sowie den hg. Beschluss vom 29. November 1994, Zl. 94/05/0246). Der angefochtene Bescheid ist schon aus diesem Grund mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes behaftet.

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift geäußerte Ansicht, die vom Beschwerdeführer vertretene Auffassung, § 26 Abs. 5 des Führerscheingesetzes (FSG) stelle eine lex specialis zu § 19 AVG dar, sei "rechtlich nicht haltbar", ihrerseits mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht im Einklang steht. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 30. Jänner 1996, Zl. 95/11/0363, näher darlegte, wurde durch das Rechtsinstitut der bescheidmäßigen Aufforderung mit der Sanktion der Entziehung der Lenkerberechtigung im § 75 Abs. 2 KFG 1967 eine lex specialis zu § 19 derart geschaffen, dass es rechtswidrig sei, den Besitzer einer Lenkerberechtigung mit der Sanktion der zwangsweisen Vorführung bescheidmäßig zu laden, um seine geistige oder körperliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen festzustellen. Diese Judikatur ist auf Grund der im Wesentlichen gleichen Formulierung des § 26 Abs. 5 FSG auf die Rechtslage nach dem FSG zu übertragen.

Soweit die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift den Ladungsbescheid schließlich damit rechtfertigt, dass neben der Entziehung der Lenkberechtigung durch Begehung einer Tathandlung ua. nach § 99 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit § 5 Abs. 6 StVO 1960 zwingend begleitende Maßnahmen (Nachschulung, amtsärztliches Gutachten, Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle) anzuordnen seien und das Erklären dieser Maßnahmen, die Übergabe eines entsprechenden Merkblattes, die Übergabe eines Zahlscheines für die Bezahlung der Kosten für die amtsärztliche Untersuchung sowie die Übergabe eines Anmeldeformulars für die Nachschulung ihrer Auffassung nach "am zweckmäßigsten" und im Interesse des Beteiligten anlässlich einer persönlichen Vorsprache desselben bei der Behörde geschehe, ist ihr entgegenzuhalten, dass aus der behaupteten Verwaltungsökonomie nicht die Erforderlichkeit des persönlichen Erscheinens des Betreffenden im Sinne des § 19 Abs. 1 AVG (vgl. hiezu z.B. das hg. Erkenntnis vom 11. April 2000, Zl. 98/11/0273 mwN) abgeleitet werden kann.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. November 2001

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