VwGH 2009/07/0098

VwGH2009/07/009826.1.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. Sulzbacher und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde des Ing. N M in W, vertreten durch DDDr. Franz Langmayr, Rechtsanwalt in 1150 Wien, Langmaisgasse 7/3, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 23. April 2009, Zl. UW.4.1.6/0288-I/5/2008, betreffend Wiederverleihung einer wasserrechtlichen Bewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §6 Abs1;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs4 Z1;
AVG §68 Abs4;
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §56;
AVG §6 Abs1;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs4 Z1;
AVG §68 Abs4;
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom 25. November 2002 beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung für eine biologische Kleinkläranlage auf den Grundstücken Nrn. .32/2 (Bfl.) und 553/1 KG J. In Folge einer Stellungnahme der Baubezirksleitung F vom 20. Jänner 2003 wurde am 20. Jänner 2004 ein abgeänderter Antrag auf Bewilligung einer biologischen Kleinkläranlage eingebracht.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft F (BH) vom 12. August 2004 wurde dem Beschwerdeführer die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb einer Pflanzenkläranlage auf Gst. Nr. 553/1 mit einer Belastungsgröße von max. 5 EW und Einleitung der geklärten Abwässer in den Vorfluter (Gst. Nr. 2383/4) befristet bis zur Anschlussmöglichkeit an die öffentliche Kanalisation der Marktgemeinde A, jedoch längstens 10 Jahre, d.i. bis zum 30. Dezember 2014, unter Auflagen erteilt.

Mit Bescheid vom 17. Jänner 2005 stellte die BH schließlich die Übereinstimmung der Anlage mit der erteilten Genehmigung gemäß § 121 WRG 1959 fest.

Am 19. Juli 2005 brachte der Beschwerdeführer ein "Ansuchen um Verlängerung der wasserrechtlichen Bewilligung" der Pflanzenkläranlage ein und verwies dabei auf § 21 WRG. Dieser Antrag wurde von der BH mit Bescheid vom 15. September 2005 wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs 1 AVG zurückgewiesen.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer am 4. Oktober 2005 Berufung, wobei er sein Begehren wiederum auf § 21 WRG 1959 und die darin vorgesehene Möglichkeit der Wiederverleihung eines Wasserrechts stützte. Der Landeshauptmann von Steiermark (LH) behob mit Bescheid vom 15. November 2005 (der BH laut Datumsstempel zugestellt am 22. oder 23. November 2005) den Bescheid der BH vom 15. September 2005 nach § 66 Abs. 2 AVG "ersatzlos" und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Erstinstanz, wobei der BH die Prüfung nach § 21 WRG 1959 aufgetragen wurde.

In einem im Akt mit 23. Juni 2006 datierten Schreiben stellte der Beschwerdeführer beim LH einen Devolutionsantrag in Bezug auf seinen Antrag vom 19. Juli 2005. Für dieses Schreiben findet sich im Akt keine Eingangsbestätigung; laut einem nicht unterzeichneten handschriftlichen Vermerk in den Unterlagen der belangten Behörde wurde es mit E-Mail am 23. Juni 2006 eingebracht. Eine Kopie des Schreibens wurde mit Schreiben vom 4. Juli 2006 vom LH an die BH übermittelt.

Zwischenzeitig hatte die BH mit Bescheid vom 27. Juni 2006 über den Sachantrag neuerlich entschieden und dem Beschwerdeführer eine Bewilligung nach § 21 WRG, befristet bis zum 30. Juli 2007, erteilt. Dem im Akt erliegenden Zustellvermerk nach erfolgte die Zustellung dieses Bescheides durch Hinterlegung, der erste Tag der Abholfrist war der 5. Juli 2006.

Gegen den Bescheid der BH vom 27. Juni 2006 erhob der Beschwerdeführer Berufung, die am 13. Juli 2006 bei der BH einlangte. Die BH legte dem LH mit einem am 14. Juli 2006 eingelangten Schreiben den Gesamtakt vor, eine "zu erwartende Berufung" werde noch nachgesendet werden. Die Berufung wurde - einer E-Mail zufolge - noch am 13. Juli 2006 weitergeleitet.

Mit Bescheid vom 28. November 2006 entschied der LH unter anderem unter Bezugnahme auf § 73 Abs. 1 und 2 AVG inhaltlich über den Antrag auf Wiederverleihung. Ein solches Recht wurde dem Beschwerdeführer bis zum möglichen Anschluss an die Kanalisation der Marktgemeinde A, längstens jedoch bis 31. Dezember 2016, erteilt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 18. Dezember 2006 Berufung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 23. April 2009 wurde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde unter anderem ausgeführt, dass sich eine von Amts wegen erforderliche Nichtigerklärung (wohl des Bescheides der BH vom 27. Juni 2006) erübrige, da die Erteilung der Bewilligung durch die BH mit Bescheid vom 27. Juni 2006 bis zum 30. Juni 2007 befristet gewesen sei. Diese Frist sei bereits verstrichen, weshalb der Bescheid auch nicht mehr dem Rechtsbestand angehöre.

Gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 23. April 2009 richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der LH entschied über den verfahrensgegenständlichen Antrag gemäß § 73 AVG auf Grundlage des Devolutionsantrages vom 23. Juni 2006; mit dem angefochtenen Bescheid wurde die dagegen erhobene Berufung abgewiesen.

Die Frage, ob der Devolutionsantrag tatsächlich den Übergang der Entscheidungspflicht von der BH auf den LH bewirkte und der LH daher im Zeitpunkt seiner Entscheidung recte als erstinstanzliche Behörde über den Sachantrag entscheiden konnte, ist daher auch für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides von entscheidender Bedeutung.

§ 73 AVG lautet:

"§ 73. (1) Die Behörden sind verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Sofern sich in verbundenen Verfahren (§ 39 Abs. 2a) aus den anzuwendenden Rechtsvorschriften unterschiedliche Entscheidungsfristen ergeben, ist die zuletzt ablaufende maßgeblich.

(2) Wird der Bescheid nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen, so geht auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen den Bescheid Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat erhoben werden könnte, auf diesen über (Devolutionsantrag). Der Devolutionsantrag ist bei der Oberbehörde (beim unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen. Er ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

(3) Für die Oberbehörde (den unabhängigen Verwaltungssenat) beginnt die Entscheidungsfrist mit dem Tag des Einlangens des Devolutionsantrages zu laufen."

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geht dann, wenn die Voraussetzungen für einen Devolutionsantrag vorliegen, also der Bescheid nicht innerhalb der gesetzlichen Frist erlassen worden ist, mit dem Einlangen des Antrages bei der Oberbehörde die Zuständigkeit zur Entscheidung über den zugrundeliegenden Antrag auf diese Behörde über; ein nach diesem Zeitpunkt durch die Unterbehörde erlassener Bescheid ist infolge Unzuständigkeit dieser Behörde, unabhängig davon, ob sie tatsächlich schuldhaft säumig im Sinne des § 73 Abs. 2 letzter Satz AVG war, rechtswidrig, es sei denn, der Devolutionsantrag wäre nach dieser Gesetzesstelle bereits vor der Bescheiderlassung rechtskräftig abgewiesen worden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. November 2008, 2005/07/0168, m.w.N.).

Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich, dass der Devolutionsantrag des Beschwerdeführers mit 23. Juni 2006 datiert ist. Es ist zwar nur einer handschriftlichen und unsignierten Notiz in den Unterlagen der belangten Behörde zu entnehmen, dass der Antrag "mit E-Mail am 23. Juni 06 eingebracht" worden war. Jedenfalls aber kann man anhand des Schreibens des LH vom 4. Juli 2006 erkennen, dass der Devolutionsantrag des Beschwerdeführers spätestens zu diesem Zeitpunkt beim LH eingelangt gewesen sein musste, da dieser ansonsten keine Kenntnis vom Devolutionsantrag gehabt und in Folge naturgemäß auch keine Benachrichtigung darüber an die BH schicken hätte können. Es ist daher davon auszugehen, dass der Devolutionsantrag spätestens am 4. Juli 2006 bei der zuständigen Oberbehörde, dem LH, einlangte.

Der Bescheid der BH vom 27. Juni 2005 hingegen wurde durch Hinterlegung zugestellt; der erste Tag der Abholfrist war laut Zustellvermerk der 5. Juli 2006. Nach § 17 Abs. 3 ZustellG galt die hinterlegte Sendung mit diesem Tag als zugestellt.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist ein schriftlicher Bescheid mit seiner Zustellung an die Partei erlassen und erst ab diesem Zeitpunkt rechtswirksam (siehe u. a. das hg. Erkenntnis vom 30. September 2010, 2007/07/0053, m. w.N.). Im vorliegenden Fall wurde der Bescheid der BH vom 27. Juni 2005 somit mindestens einen Tag, nachdem der Devolutionsantrag bei der Oberbehörde eingelangt und somit die Zuständigkeit ex lege auf diese übergegangen war, zugestellt.

Die BH war zu diesem Zeitpunkt daher mangels Zuständigkeit nicht mehr befugt, über den Antrag auf Wiederverleihung zu entscheiden; der Bescheid der BH vom 27. Juni 2006 erweist sich daher als rechtswidrig. Dieser Bescheid wurde durch den Beschwerdeführer in Berufung gezogen.

Dem LH lag daher nun zum einen eine Berufung gegen den unzuständigerweise ergangenen Bescheid der BH vom 27. Juni 2006 und zum anderen - in derselben Angelegenheit - ein Devolutionsantrag vor.

Macht nun eine Partei den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung an die sachlich zuständige Oberbehörde nach § 73 Abs. 2 AVG geltend und erlässt anschließend die Unterbehörde unzuständigerweise den von ihr versäumten Bescheid und wird dieser Bescheid durch ein Rechtsmittel angefochten, so erwächst der Oberbehörde vorerst die Pflicht zur Entscheidung über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung. Einer Erledigung des bei ihm eingelangten Devolutionsantrages steht der von der Unterbehörde erlassene, mit Berufung bekämpfte Bescheid (hier: Bescheid der BH vom 27. Juni 2006) hindernd entgegen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 22. April 1999, 98/07/0107, 0108 m.w.N.). Auf Grund der Berufung wäre der unterinstanzliche Bescheid wegen Unzuständigkeit aufzuheben (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 25. April 2002, 2001/07/0040, und vom 28. September 1982, 82/05/0089).

Auf den LH war daher die Zuständigkeit zur Entscheidung über den verfahrensgegenständlichen Antrag zwar spätestens am 4. Juli 2006 übergangen, durch die Erlassung des Bescheides der BH wurde der Entscheidungspflicht über den verfahrensgegenständlichen Antrag aber - wenn auch durch eine unzuständige Behörde - entsprochen; damit war die dem LH mit dem Zeitpunkt des Einlangens des Devolutionsantrages erwachsene Entscheidungspflicht wieder weggefallen und konnte solange nicht wieder aufleben, als der mit Berufung bekämpfte Bescheid dem Rechtsbestand angehörte. Wegen dieses Entscheidungshindernisses war der LH nicht befugt, auf Grundlage des § 73 AVG eine Sachentscheidung über den Antrag auf Wiederverleihung des Wasserrechts zu treffen.

Der Bescheid des LH vom 28. November 2006, mit dem dieser - ungeachtet der bereits in dieser Sache getroffenen Entscheidung durch die BH - das Wasserrecht wieder verlieh, war daher rechtswidrig.

Ergänzend wird bemerkt, dass auch die in der Formulierung, "eine Nichtigerklärung des Bescheides der BH vom 27. Juni 2006 (gemeint wohl: gemäß § 68 Abs. 4 Z. 1 AVG) erübrige sich, da die Bewilligungsfrist schon verstrichen sei und deshalb der Bescheid auch nicht mehr dem Rechtsbestand angehöre", zum Ausdruck kommende Ansicht der belangten Behörde, eine Beseitigung dieses Bescheides erübrige sich, aus mehreren Gründen unzutreffend ist. Zum einen wurde gegen diesen Bescheid Berufung erhoben, er erwuchs daher nicht in Rechtskraft. Die Nichtigerklärung setzt aber die formelle Rechtskräftigkeit des Bescheides voraus (vgl. dazu Walter/Thienel, MSA Verwaltungsverfahrensgesetze 17 (2008), § 68 AVG Anm. 2). Zum anderen scheidet ein Bescheid durch bloßen Zeitablauf einer Befristung nicht aus dem Rechtsbestand aus, sondern kann weiterhin Rechtswirkungen entfalten. Insbesondere ergibt sich aus einem solchen Bescheid die Rechtmäßigkeit der im vergangenen Zeitraum ausgeübten Bewilligung; dieser Umstand kann aber auch später von Bedeutung sein.

Der angefochtene Bescheid war aus den aufgezeigten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 26. Jänner 2011

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