VwGH 2007/17/0174

VwGH2007/17/017428.6.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Dr. Zehetner und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde des Mag. PH in H, vertreten durch Mag. Wolfgang Lichtenwagner, Rechtsanwalt in 4150 Rohrbach, Haslacher Straße 17, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 9. August 2007, Zl. BMLFUW-LE.4.1.10/0816-I/7/2007, betreffend Bestandsprämien für Rinder 2004, zu Recht erkannt:

Normen

32001R2419 Integriertes Verwaltungssystem BeihilferegelungenDV Art36 Abs4;
62005CJ0045 Maatschap Schonewille-Prins VORAB;
AVG §66 Abs4;
MOG 2007 §19 Abs2;
32001R2419 Integriertes Verwaltungssystem BeihilferegelungenDV Art36 Abs4;
62005CJ0045 Maatschap Schonewille-Prins VORAB;
AVG §66 Abs4;
MOG 2007 §19 Abs2;

 

Spruch:

Die Spruchpunkte 1. und 3. des angefochtenen Bescheids werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides setzte die belangte Behörde im Instanzenzug die Bestandsprämien für Rinder 2004 für den Betrieb des Beschwerdeführers mit EUR 0,-- (neu) fest und verpflichtete den Beschwerdeführer zur Rückzahlung von EUR 5.967,00 (die dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Vorstands des Geschäftsbereichs II der AMA vom 23. Februar 2005 als Bestandsprämien für Rinder 2004 zuerkannt und auch ausbezahlt worden waren).

Unter Spruchpunkt 3. des angefochtenen Bescheids wurde die Berufung gegen die mit Bescheid des Vorstands für den Geschäftsbereich II der AMA vom 30. Dezember 2005 erfolgte Abweisung eines Antrags auf Schlachtprämie für das Jahr 2004 abgewiesen.

Mit Spruchpunkt 2. stellte die belangte Behörde das Außerkrafttreten einer über die Berufung ergangenen Berufungsvorentscheidung gemäß § 64a Abs. 3 AVG mit der Einbringung des Vorlageantrags durch den Beschwerdeführer fest.

1.2. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe mit Antrag vom 2. Jänner 2004 die Mutterkuhprämie für 4 Kühe und 6 Kalbinnen und die Extensivierungsprämie für Milchkühe im Bergbaugebiet für insgesamt 14 Stück beantragt. Weiters habe der Beschwerdeführer mit Antrag vom 15. März 2004 die Mutterkuhprämie für 8 Kalbinnen sowie mit Antrag vom 5. November 2004 die Sonderprämie für 1 Stück beantragt.

Am 12. April 2005 habe eine Vorortkontrolle auf dem Betrieb stattgefunden. Dabei sei festgestellt worden, dass bei den 8 Kalbinnen des Antrags vom 15. März 2004 und bei dem männlichen Rind des Antrags vom 5. November 2004 im Bestandsverzeichnis die Angabe der Rasse fehlte. Diese sei im Zuge der Vorortkontrolle vom Beschwerdeführer eingetragen worden. Es seien auch noch 47 Rinder mit Ohrmarkennummer angegeben gewesen, bei denen ebenfalls die Rassenangabe gefehlt hätte. Darin seien auch drei im Antrag vom 2. Jänner 2004 angegebene Kalbinnen enthalten gewesen, die übrigen Tiere seien nicht aufgeschienen. Bei 7 weiteren mit Ohrmarkennummer angegebenen männlichen Rindern habe die Kategorie Stier gefehlt. Der Beschwerdeführer habe darauf hingewiesen, dass die Rasse aus dem Zuchtbuch des Landesverbandes für Leistungsprüfungen hervorgehe.

Mit (Abänderungs‑)Bescheid vom 28. Juni 2005 seien dem Beschwerdeführer Rinderprämien in der Höhe von insgesamt 2.454,00 EUR bewilligt worden. Eine Extensivierungsprämie sei im Hinblick darauf, dass der Besatzdichtefaktor über 1,4 GVE/ha liege, nicht gewährt bzw. zurückgefordert worden. (Gegen diesen Abänderungsbescheid hatte sich die Berufung des Beschwerdeführers gerichtet, über die auch eine Berufungsvorentscheidung ergangen war).

1.3. Nach Wiedergabe der einschlägigen Rechtsvorschriften des Gemeinschaftsrechts, insbesondere des Art. 11 der Verordnung (EG) Nr. 1254/1999 und des Art. 25 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 sowie des Art. 36 Abs. 3 und des Art. 38 Abs. 1 bis 3 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 und der Ausführungsbestimmungen der Rinderkennzeichnungs-Verordnung 1998, BGBl. II Nr. 408/1997 in der Fassung BGBl. II Nr. 471/2002, führte die belangte Behörde zu den Bestandsprämien aus, dass nach dem Gemeinschaftsrecht die Rinderprämien unter anderem nur dann vollständig gewährt werden könnten, wenn die Umsetzungen der kontrollierten Rinder an die Rinderdatenbank gemeldet würden und die Rinder ordnungsgemäß im Bestandsverzeichnis eingetragen seien. Es sei somit nicht nur notwendig, dass das Tier vorhanden sei, sondern dass es auch vollständig ins Bestandsverzeichnis eingetragen sei.

Hinsichtlich der 8 Kalbinnen des Antrags vom 15. März 2004 und des männlichen Rinds des Antrags vom 5. November 2004 habe jeweils die Eintragung der Rasse im Bestandsverzeichnis gefehlt, weiters habe auch bei 3 Kalbinnen des Antrags vom Jänner 2004 die Eintragung der Rasse in das Bestandsverzeichnis gefehlt.

Nach Art. 2 Buchstabe s) der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 gelte ein Tier nur dann als ermittelt, wenn es alle in den Vorschriften über die Beihilfengewährung festgelegten Voraussetzungen erfülle. Gemäß den zitierten Rechtsvorschriften führten "fehlende" Angaben im Register (Bestandsverzeichnis) dazu, dass das Tier als "nicht ermittelt" gelte und es kämen die Sanktionsvorschriften des Gemeinschaftsrechts zur Anwendung. Die diesbezüglich in Art. 36 Abs. 4 Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 enthaltenen Ausnahmen kämen im Beschwerdefall nicht in Betracht.

Bei den festgestellten unvollständigen Eintragungen handle es sich nicht um fehlerhafte Eintragungen. Ein sofortiges Nachschreiben aufgrund der Feststellungen der Vorortkontrolle könne den beanstandeten Mangel nicht heilen.

Die oben genannten 12 Rinder seien daher nicht als ermittelt anzusehen. Für diese sei somit die Prämie nicht zu gewähren und es sei überdies die Sanktionsbestimmung der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 anzuwenden. Da der Prozentsatz der nicht als ermittelt geltenden Rinder mehr als 20 % sei, könne keine Beihilfe gewährt werden. Dies betreffe alle Rinderprämien, also auch die Schlachtprämie.

Bei diesem Ergebnis sei nicht mehr auf die Frage der Ermittlung der Futterfläche einzugehen gewesen.

1.4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

1.5. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1254/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch (in der Folge: Verordnung (EG) Nr. 1254/1999 ) konnten Erzeuger, die in ihrem Betrieb männliche Rinder hielten, auf Antrag eine Sonderprämie erhalten.

Ein Erzeuger, der in seinem Betrieb Rinder hielt, konnte nach Art. 11 der Verordnung (EG) Nr. 1254/1999 auf Antrag für die Gewährung einer Schlachtprämie in Betracht kommen.

Der achtzehnte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1254/1999 sieht vor:

"Die direkten Zahlungen sollten davon abhängig gemacht werden, dass die Halter der betreffenden Tiere die Gemeinschaftsvorschriften über die Kennzeichnung und Registrierung von Rindern einhalten. …"

Gemäß Art. 21 dieser Verordnung (in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 ) wurden die Direktzahlungen nur für Tiere gewährt, die entsprechend der Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 gekennzeichnet und registriert waren.

Jeder Mitgliedstaat hatte nach Art. 1 Abs. 1 Buchstabe b erster Anstrich der Verordnung (EWG) Nr. 3508/92 des Rates vom 27. November 1992 zur Einführung eines integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen für bestimmte Prämienregelungen zu Gunsten der Rindfleischerzeuger ein integriertes Verwaltungs- und Kontrollsystem einzurichten.

Titel I der Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juli 2000 zur Einführung eines Systems zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern und über die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 820/97 des Rates enthielt Regelungen über die Kennzeichnung und Registrierung von Rindern. Diese Verordnung ersetzte die zuvor für die Kennzeichnung maßgebliche Verordnung (EG) Nr. 820/97 des Rates.

Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1760/2000 lautete:

"Tierhalter - mit Ausnahme der Transporteure - müssen folgende Anforderungen erfüllen:

2.2. In Bezug auf die Beihilferegelungen für Rinder umfassten die Vor-Ort-Kontrollen nach Art. 25 Abs. 2 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 insbesondere

"a) Ein Rind, das eine der beiden Ohrmarken verloren

hat, gilt dennoch als ermittelt, wenn es durch die übrigen

Elemente des Systems zur Kennzeichnung und Registrierung von

Rindern eindeutig identifiziert werden kann.

b) Handelt es sich bei den festgestellten

Unregelmäßigkeiten um fehlerhafte Eintragungen in das Register oder die Tierpässe, so gilt das betreffende Tier erst dann als nicht ermittelt, wenn derartige Fehler bei mindestens zwei Kontrollen innerhalb von 24 Monaten festgestellt werden. In allen anderen Fällen gelten die betreffenden Tiere bereits nach der ersten Feststellung als nicht ermittelt."

Nach Art. 2 Buchstabe s der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 war ein ermitteltes Tier ein Tier, das alle in den Vorschriften für die Beihilfegewährung festgelegten Voraussetzungen erfüllte.

Art. 38 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 lautete:

"Artikel 38

Kürzungen und Ausschlüsse in Bezug auf Rinder, für die Beihilfe beantragt wurde

(1) Wird in Bezug auf Beihilfeanträge im Rahmen der Beihilferegelungen für Rinder eine Differenz zwischen der angegebenen Zahl der Rinder und der gemäß Artikel 36 Absatz 3 ermittelten festgestellt, so ist der Gesamtbetrag, auf den der Betriebsinhaber im Rahmen dieser Beihilferegelungen für den betreffenden Prämienzeitraum Anspruch hat, um den gemäß Absatz 3 festzusetzenden Prozentsatz zu kürzen, wenn bei höchstens drei Tieren Unregelmäßigkeiten festgestellt werden.

(2) Werden bei mehr als drei Tieren Unregelmäßigkeiten festgestellt, so ist der Gesamtbetrag, auf den der Betriebsinhaber im Rahmen dieser Regelungen für den betreffenden Prämienzeitraum Anspruch hat, wie folgt zu kürzen:

a) um den gemäß Absatz 3 festzusetzenden Prozentsatz, wenn dieser nicht mehr als 10 % beträgt;

b) um das Doppelte des gemäß Absatz 3 festzusetzenden Prozentsatz, wenn dieser mehr als 10 %, aber nicht mehr als 20 % beträgt.

Beträgt der nach Absatz 3 festgesetzte Prozentsatz mehr als 20 %, so wird für den betreffenden Prämienzeitraum keine Beihilfe im Rahmen dieser Regelungen, auf die der Betriebsinhaber gemäß

Artikel 36 Absatz 3 Anspruch gehabt hätte, gewährt.

Beträgt der nach Absatz 3 festgesetzte Prozentsatz mehr als 50 %, so ist der Betriebsinhaber darüber hinaus ein weiteres Mal bis zur Höhe des nach Unterabsatz 1 abzulehnenden Betrages auszuschließen. Dieser Betrag wird mit den Beihilfezahlungen verrechnet, auf die der Betriebsinhaber während der auf das betreffende Kalenderjahr folgenden drei Kalenderjahre im Rahmen der Beihilferegelungen für Rinder Anspruch hat.

(3) Zur Festsetzung der in den Absätzen 1 und 2 genannten Prozentsätze wird die Gesamtzahl der in dem betreffenden Prämienzeitraum im Rahmen der Beihilferegelungen für Rinder beantragten Rinder, bei denen Unregelmäßigkeiten festgestellt wurden, durch die Gesamtzahl der für diesen Prämienzeitraum ermittelten Rinder dividiert.

(4) Sind die Differenzen zwischen der angegebenen Zahl der Tiere und der gemäß Artikel 36 Absatz 3 ermittelten das Ergebnis vorsätzlich begangener Unregelmäßigkeiten, so wird für den betreffenden Prämienzeitraum keine Beihilfe im Rahmen der betreffenden Beihilferegelung bzw. Beihilferegelungen für Rinder, auf die der Betriebsinhaber gemäß Artikel 36 Absatz 3 Anspruch gehabt hätte, gewährt.

Beläuft sich die gemäß Absatz 3 festgestellte Differenz auf mehr als 20 %, so ist der Betriebsinhaber ein weiteres Mal bis zur Höhe des nach Unterabsatz 1 abzulehnenden Betrages auszuschließen. Dieser Betrag wird mit den Beihilfezahlungen verrechnet, auf die der Betriebsinhaber während der auf das betreffende Kalenderjahr folgenden drei Kalenderjahre im Rahmen der Beihilferegelungen für Rinder Anspruch hat."

2.3. Der Beschwerdeführer wendet sich insbesondere gegen die Auffassung der belangten Behörde, dass die Eintragungen in das im Rahmen der Mitgliedschaft zu einem Zuchtverband geführte Verzeichnis (die sogenannte Betriebsdatenzusammenfassung) die Eintragungen in das Bestandsverzeichnis nicht ersetzen können bzw. nicht ergänzend im Fall des Fehlens von Eintragungen in das Bestandsverzeichnis herangezogen werden können. Er verweist dazu auf das Verlautbarungsblatt der AMA vom 29. Dezember 2006, Nr. 13, betreffend gemäß Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 genehmigte Bestandsverzeichnisse, wonach als Bestandsverzeichnis anerkannt gälte:

"Ein sonstiges, sorgfältig (gegebenenfalls mittels EDV) geführtes Verzeichnis, sofern dieses zumindest die im Punkt I angeführten Angaben beinhaltet und chronologisch (in zeitlicher Reihenfolge) geführt wird."

Da die Betriebsdatenzusammenfassung des Landesverbandes für Leistungsprüfungen OÖ diese Anforderungen erfülle und zum Zeitpunkt der Prüfung auch vorgelegen sei, habe die Prüfung auch anhand dieses Verzeichnisses erfolgen können.

Darüber hinaus werden gegen die Festsetzung der Bestandsprämien mit dem angefochtenen Bescheid als Berufungsbescheid verfahrensrechtliche Einwände erhoben.

2.4. Zunächst ist zu den verfahrensrechtlichen Beschwerdeausführungen (die sich mit der Frage beschäftigen, ob ein Wiederaufnahmsgrund im Sinne des § 69 AVG vorgelegen sei) auf Folgendes zu verweisen:

2.4.1. Der Änderungsbescheid vom 28. Juni 2005 (bezüglich des rechtskräftigen Bescheides vom 23. Februar 2005) wurde von der Behörde erster Instanz auf § 103 Abs. 1 MOG 1985 gestützt, der eine verfahrensrechtliche Regelung betreffend die Durchbrechung der Rechtskraft für die Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen trifft. Die Rechtmäßigkeit der Erlassung eines solchen Bescheides ist allein auf Grund des § 103 Abs. 1 MOG 1985 zu beurteilen. Auf das Vorliegen eines Wiederaufnahmsgrundes nach § 69 AVG kommt es daher nicht an.

§ 103 MOG 1985, BGBl. Nr. 210, lautete:

"§ 103. (1) Bescheide können von Amts wegen von der Behörde,

die den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des

Aufsichtsrechts vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft,

Umwelt und Wasserwirtschaft aufgehoben oder abgeändert werden,

1. wenn der dem Bescheid zugrunde liegende Sachverhalt

in einem wesentlichen Punkt unrichtig festgestellt oder

aktenwidrig angenommen wurde,

2. wenn Verfahrensvorschriften außer acht gelassen

wurden, bei deren Einhaltung ein anders lautender Bescheid hätte

erlassen werden können, oder

3. wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts.

Soweit es zur Durchführung von Regelungen im Sinne des § 94 Abs. 2 erforderlich und notwendig ist, können in Verordnungen nach den §§ 99 und 101 auch Dritte, die Marktordnungswaren erzeugen, gewinnen, be- oder verarbeiten, verbringen, ein- oder ausführen, besitzen oder besessen haben oder unmittelbar oder mittelbar am Geschäftsverkehr mit solchen Waren teilnehmen oder teilgenommen haben, zur Rückzahlung von Vorteilen aus zu Unrecht gewährten Vergünstigungen im Sinne dieses Abschnitts verpflichtet werden."

Im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde (Zustellung am 16. August 2007) galt bereits das MOG 2007, BGBl. I Nr. 55. Gemäß § 19 Abs. 1 MOG 2007 war ebenfalls im Verwaltungsverfahren im Bereich der gemeinschaftlichen Marktordnungen das AVG anzuwenden.

§ 19 Abs. 2 und 3 MOG 2007 lauten:

"(2) Bescheide zu den in §§ 7, 8 und 10 angeführten Maßnahmen können von Amts wegen von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechts vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zusätzlich zu den in § 68 AVG angeführten Gründen auch bei Verstoß gegen gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen einschließlich dazu erlassener Durchführungsbestimmungen aufgehoben oder abgeändert werden.

(3) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft kann als Berufungsbehörde in den zu erlassenden Bescheiden die genaue Berechnung des Auszahlungsbetrags vorgeben."

Die Aufhebung oder Abänderung von Bescheiden, die gegen gemeinschaftsrechtliche Vorschriften verstoßen, war somit auch nach der im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde geltenden Rechtslage im nationalen Verfahrensrecht vorgesehen. Es stellt sich daher nicht die Frage, ob - wofür einiges spräche - der Bereich der gemeinsamen Marktordnung im Allgemeinen bzw. der hier vorliegenden Bestandsprämien und Schlachtprämien nach den genannten Verordnungen der Gemeinschaft im Besonderen zu jenen zählt, auf die die grundsätzliche Linie der jüngeren Rechtsprechung des EuGH zur Frage der Durchbrechung der Rechtskraft, nämlich dass eine solche nur nach Maßgabe des nationalen Verfahrensrechts erfolgen müsse, nicht anwendbar ist (und daher zur Herstellung des dem Gemeinschaftsrecht entsprechenden Zustands gegebenenfalls auch nationales Verfahrensrecht unangewendet zu bleiben hätte; vgl. zur Durchbrechung der Rechtskraft grundsätzlich die Urteile des EuGH vom 13. Jänner 2004, Rs C-453/00 , Kühne & Heitz, vom 19. September 2006, C-392/04 und C-422/04 , i 21- Germany und Arcor, vom 16. März 2006, C-234/04 , Kapferer, undvom 12. Februar 2008, C-2/06 , Kempter, zu den Ausnahmen im Beihilfenrecht das Urteil des EuGH vom 7. Juli 2007, Rs C- 119/05 , Lucchini).

Dem Beschwerdeführer war auf dem Boden der Annahme, dass die Voraussetzungen für die Gewährung der Förderung für die von ihm beantragten Rinder vorlägen, die Bestandsprämie und die Schlachtprämie zunächst zuerkannt worden. Auf Grund der Vorortkontrolle wurde jedoch festgestellt, dass der Sachverhalt insofern in einem wesentlichen Punkt unrichtig festgestellt wurde, als diese Voraussetzungen tatsächlich nicht vollständig vorlagen. Auf Grund der oben wieder gegebenen, unmittelbar anwendbaren gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften betreffend die Rechtsfolgen des Auseinanderfallens von beantragten Rindern und tatsächlich als festgestellt geltenden Rindern wären die Verwaltungsbehörden bei Vorliegen des entsprechenden Sachverhalts im Zusammenhalt mit § 103 Abs. 1 MOG 1985 und § 19 Abs. 2 MOG 2007 berechtigt und verpflichtet, die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen (dazu unten Punkt 2.5.).

2.4.2. Da der Beschwerdeführer gegen den Bescheid vom 28. Juni 2005 Berufung erhob, war einerseits die Behörde erster Instanz gemäß § 64a Abs. 1 AVG berechtigt, eine Berufungsvorentscheidung zu erlassen und dabei den Bescheid in jeder Richtung (im Rahmen der Sache der erstinstanzlichen Entscheidung) abzuändern, und andererseits nach der Einbringung des Vorlageantrags die belangte Behörde berechtigt und verpflichtet, über die Berufung zu entscheiden. Auch die belangte Behörde war dabei gemäß § 66 Abs. 4 AVG berechtigt, den mit Berufung bekämpften Bescheid in jeder Richtung abzuändern. Das Inkrafttreten des MOG 2007 hat nach den vorstehenden Ausführungen hinsichtlich der grundsätzlichen Möglichkeit, die Festsetzung ungeachtet einer rechtskräftigen Entscheidung in derselben Angelegenheit vorzunehmen, nichts geändert.

2.5. Der belangten Behörde ist zuzugestehen, dass das Gemeinschaftsrecht zwischen fehlenden Angaben und fehlerhaften Angaben unterscheidet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. April 2011, Zl. 2007/17/0035). Es trifft daher zu, dass die Ausnahmeregelung des Art. 36 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 nicht zur Anwendung kommt, sofern etwa die Angabe der Rasse im Bestandsverzeichnis fehlt (vgl. zu den Rechtsfolgen der Nichteinhaltung der Vorschriften über die Kennzeichnung und Registrierung etwa das Urteil des EuGH vom 24. Mai 2007, Rs C- 45/05 , Maatschap Schonewille-Prins, Rn 48).

Die belangte Behörde ist aber weder im angefochtenen Bescheid noch in der Gegenschrift auf die Frage eingegangen, weshalb das vom Beschwerdeführer unbestritten geführte Verzeichnis beim Zuchtverband (die Betriebsdatenzusammenfassung), das bei der Vorortkontrolle auch vorgelegt wurde und somit zur Verfügung stand, nicht als derartiges Bestandsverzeichnis gelten könne. Es ist nicht ohne weiteres ersichtlich, inwieweit dieses Verzeichnis nicht den Anforderungen des § 4 Abs. 2 Rinderkennzeichnungs-Verordnung oder Art. 7 Abs. 1 und 4 der Verordnung Nr. 1760/2000

bzw. den Anforderungen an Bestandverzeichnisse der Kundmachung

über die gemäß Verordnung (EG) Nr. 820/97 genehmigten Bestandverzeichnisse (Kundmachung der AMA, Verlautbarungsblatt 1998, Nr. 142) entsprochen hätte, oder aus einem sonstigen Grund nicht als Erfüllung der Verpflichtung zur Führung des Bestandsverzeichnisses anerkannt werden kann (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 9. Juni 2010, Zl. 2006/17/0072).

Die Kundmachung Nr. 142/1998 enthielt eine der vom Beschwerdeführer aus der 2006 ergangenen Kundmachung vergleichbare Regelung, derzufolge "ein sonstiges, sorgfältig (ggf. mittels EDV) geführtes Verzeichnis, sofern dieses zumindest die im Punkt 1 angeführten Angaben beinhaltet und chronologisch (in zeitlicher Reihenfolge) geführt wird" ebenfalls als anerkannt galt.

Ohne nähere Feststellungen, was das vom Beschwerdeführer genannte Register enthielt bzw. welche Angaben es nicht enthalten hätte, die aber nach den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften bzw. der Umsetzungsregelung der Rinderkennzeichnungsverordnung hätten vorhanden sein müssen, oder einer Begründung, weshalb dieses Verzeichnis ungeachtet der nach der vom Beschwerdeführer zitierten Verlautbarung der AMA über die zulässigen Bestandsverzeichnisse nicht als ein solches gelten konnte, konnte die belangte Behörde nicht davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer die Verpflichtung zur Führung eines vollständigen Bestandsverzeichnisses nicht erfüllt hätte. Die in der Gegenschrift enthaltene Aussage, "das System zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern baut nämlich neben den Ohrmarken und Tierpässen (für den innergemeinschaftlichen Handel) auf den Bestandsverzeichnissen und der elektronischen Datenbank auf" übergeht den Umstand, dass die oben genannten Kundmachungen der AMA keine Beschränkung, wie sie die belangte Behörde nun andeutet, enthielten.

Dass der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme im Berufungsverfahren lediglich die Rechtsauffassung vertreten hat, die Angaben im Bestandsverzeichnis wären nur "fehlerhaft", nicht aber "fehlend" im Sinne der einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften gewesen, enthebt die belangte Behörde nicht der Aufgabe, ihren Bescheid ausreichend zu begründen. Ein Außerstreitstellen von bestimmten Rechtsauffassungen ist dem AVG fremd, sodass auch nicht zu interpretieren ist, ob die Stellungnahme des Beschwerdeführers tatsächlich bedeute, dass er die von ihm in erster Instanz vertretene Auffassung nicht mehr verfolge. Der Beschwerdeführer hat sich gegen die Nichtanerkennung der von der Behörde erster Instanz nicht berücksichtigten Tiere gewandt. Eine Beschränkung der Prüfung auf die vom Berufungswerber angegebenen Gründe für seine Rechtsauffassung ist nach dem AVG nicht gegeben (vgl. den Wortlaut des § 66 Abs. 4 AVG, "sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen", ohne dass das Gesetz eine Einschränkung etwa in der Weise, dass nur "im Rahmen der geltend gemachten Berufungsgründe" zu prüfen sei, enthielte; vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, § 66 AVG E 181, und Thienel/Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht5, 271).

Der angefochtene Bescheid leidet insoweit an einem Feststellungs- und Begründungsmangel, der den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheides hindert. Der Mangel ist auch wesentlich, da die belangte Behörde bei seiner Vermeidung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

2.6. Hinsichtlich des Spruchpunktes 3. des angefochtenen Bescheides (bezüglich der Schlachtprämien und der Ergänzungsbeträge für Kalbinnen) hat die belangte Behörde lediglich auf die Begründung zu den Bestandsprämien verwiesen. Der angefochtene Bescheid leidet daher auch insoweit an einem wesentlichen Feststellungs- und Begründungsmangel.

2.7. Die mit Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides vorgenommene Feststellung der Rechtsfolge des § 64a Abs. 3 AVG war überflüssig und eine Rechtfertigung zur Erlassung dieses Feststellungsbescheides ist nicht ersichtlich (vgl. auch § 64a Abs. 3 AVG zweiter Satz ); sie verletzt den Beschwerdeführer jedoch nicht in seinen Rechten, weil die genannte Berufungsvorentscheidung tatsächlich bereits mit der unbestrittenen Einbringung des Vorlageantrags außer Kraft getreten ist und die vorliegende Feststellung insofern keinerlei Veränderung der Rechtslage für den Beschwerdeführer bringt.

2.8. Der angefochtene Bescheid war daher hinsichtlich der Spruchpunkte 1. und 3. gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

2.9. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am 28. Juni 2011

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