VwGH 2008/01/0768

VwGH2008/01/076815.3.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde des B Y in F, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 12/I, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 4. Mai 2007, Zl. 1W-PERS-9384/8-2007, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §293 Abs1;
StbG 1985 §10 Abs1 Z7 idF 2006/I/037;
StbG 1985 §10 Abs5 idF 2006/I/037;
ASVG §293 Abs1;
StbG 1985 §10 Abs1 Z7 idF 2006/I/037;
StbG 1985 §10 Abs5 idF 2006/I/037;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.211,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, vom 30. November 2005 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7 in Verbindung mit Abs. 5 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311 in der Fassung der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006 (StbG), ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei verheiratet und Vater von vier minderjährigen Kindern; seine Familie lebe in der Türkei.

Die Richtsätze nach § 293 ASVG für Ehepaare hätten im Jahr 2004 EUR 1.015,--, im Jahr 2005 EUR 1.030,23 und im Jahr 2006 EUR 1.055,99 betragen. Diese Richtsätze seien für jedes Kind im Jahr 2004 um EUR 69,52, im Jahr 2005 um EUR 70,56 und im Jahr 2006 um EUR 72,32 zu erhöhen; das erforderliche monatliche Einkommen habe daher im Jahr 2004 EUR 1.293,08, im Jahr 2005 EUR 1.312,47 und im Jahr 2006 EUR 1.395,50 betragen. Diese Richtsätze erreiche das Einkommen des Beschwerdeführers nicht; er habe nur ein monatliches Einkommen für das Jahr 2004 in Höhe von EUR 846,50, für das Jahr 2005 in Höhe von EUR 683,-- und für das Jahr 2006 in Höhe von EUR 1.254,-- nachgewiesen. Daher sei der Lebensunterhalt nicht hinreichend gesichert und es liege das Verleihungshindernis nach § 10 Abs. 1 Z. 7 StbG vor.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 22. September 2008, B 907/07-9, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Danach ergänzte der Beschwerdeführer die abgetretene Beschwerde mit einem Schriftsatz vom 22. Dezember 2008.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7 StbG darf die Staatsbürgerschaft einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist.

Gemäß § 10 Abs. 5 StbG ist der Lebensunterhalt (Abs. 1 Z. 7) dann hinreichend gesichert, wenn feste und regelmäßige eigene Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen zum Entscheidungszeitpunkt für die letzten drei Jahre nachgewiesen werden, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten dessen pfändungsfreies Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, nicht zu berücksichtigen.

Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid davon aus, dass im vorliegenden Fall Richtsätze für Ehegatten mit vier minderjährigen Kindern heranzuziehen seien.

Der Beschwerdeführer macht dagegen geltend, sein nachgewiesenes Einkommen sei hinreichend, weil Richtsätze für eine Einzelperson zur Anwendung kämen. Er habe allein für sich um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft angesucht. Seine Ehegattin und die gemeinsamen vier Kinder würden nicht in Österreich sondern in der Türkei leben.

Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten leben die Ehegattin des Beschwerdeführers und die vier Kinder (unstrittig) nicht in Österreich sondern in der Türkei.

Bei einem gemeinsamen Haushalt ist unter Berücksichtigung der zu versorgenden Personen zu prüfen, ob das Haushaltseinkommen den "Haushaltsrichtsatz" nach § 293 Abs. 1 ASVG erreicht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 28. Oktober 2009, Zl. 2007/01/0944, vom 16. Dezember 2009, Zl. 2007/01/1276, und vom 21. Jänner 2010, Zl. 2007/01/1136).

Ehegatten und minderjährige Kinder, die Unterhaltsansprüche gegen einen Verleihungswerber haben, sind bei Ermittlung des hinreichend gesicherten Lebensunterhalts zu berücksichtigen, wenn sie mit ihm im gemeinsamen Haushalt leben.

Da im Beschwerdefall die Ehegattin und die Kinder des Beschwerdeführers im Ausland leben, sind diese Personen bei den (für die Ermittlung des hinreichend gesicherten Lebensunterhalts) heranzuziehenden Richtsätze nach § 293 ASVG nicht zu berücksichtigen.

Die belangte Behörde hätte daher Richtsätze nach § 293 ASVG (für eine Person) für das Jahr 2004 in der Höhe von EUR 653,19, für das Jahr 2005 in Höhe von EUR 662,99 und für das Jahr 2006 in Höhe von EUR 690,-- heranziehen müssen.

Davon ausgehend kann nicht gesagt werden, der Beschwerdeführer habe in diesen Jahren nicht ein Einkommen in der gesetzlich geforderten Höhe bezogen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 15. März 2010

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