VwGH 2007/06/0199

VwGH2007/06/019928.2.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Waldstätten und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, in der Beschwerdesache des Mag. H B (Anschrift nicht angegeben), vertreten durch Dr. Romana Zeh-Gindl, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5/10, gegen den Bescheid der Vollzugskammer beim Oberlandesgericht Wien vom 23. Februar 2007, 1 Vk 36/07 und 1 Vk 37/07, betreffend Angelegenheiten nach dem Strafvollzugsgesetz, den Beschluss gefasst:

Normen

AHG 1949 §1;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
StPO 1975 §186 Abs5 idF 1993/799;
VwGG §33 Abs1;
VwRallg;
AHG 1949 §1;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
StPO 1975 §186 Abs5 idF 1993/799;
VwGG §33 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als gegenstandlos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Kostenersatz findet nicht statt.

Der Eventualantrag, dieses Beschwerdeverfahren dem Verfassungsgerichtshof zu überweisen, wird zurückgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer befand sich in Haft (zunächst seit 10. April 2006 in Untersuchungshaft in der Justizanstalt Wien-Josefstadt und sodann in Strafhaft) und wurde am 10. August 2007 aus der Strafhaft entlassen.

In seiner Beschwerde an die Vollzugskammer vom 12. Jänner 2007 machte der (damals in Untersuchungshaft befindliche) Beschwerdeführer geltend, dass er im Zusammenhang mit einem Ordnungsstrafverfahren gegen einen Mithäftling in der Justizanstalt Wien-Josefstadt als Hausarbeiter abgelöst worden sei. Dieser Mithäftling, der ebenfalls als Hausarbeiter tätig gewesen sei, sei, wie der Anstaltsleitung bekannt gewesen sei, an Hepatitis-C erkrankt, habe aber (dennoch) die Essensausgabe vorgenommen. Dadurch, dass dieser Mithäftling mit dem Beschwerdeführer die Zelle geteilt habe, sei grob fahrlässig eine Gefährdung der Gesundheit des Beschwerdeführers gebilligt worden.

Der Anstaltsleiter führte in seiner Stellungnahme an die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer in der Zeit vom 23. Juli 2006 bis 2. Jänner 2007 mit jenem Häftling in einer Zelle untergebracht und vom 27. April 2006 bis zum 10. Jänner 2007 als Hausarbeiter beschäftigt gewesen sei. Nach einem tätlichen Angriff dieses Mithäftlings auf den Beschwerdeführer am 2. Jänner 2007, der ohne Folge geblieben sei, sei der Mithäftling in einen anderen Haftraum verlegt worden. Im Zuge des gegen den Mithäftling eingeleiteten Ordnungsstrafverfahrens seien dessen Angaben dem Beschwerdeführer am 20. Jänner 2007 zur Kenntnis gebracht und gleichzeitig sei vom Anstaltsleiter die Ablöse des Beschwerdeführers als Hausarbeiter verfügt worden, weil das für die Arbeit als Hausarbeiter nötige Vertrauen nicht mehr gegeben gewesen sei.

Am 29. Jänner 2007 sei die Anstaltsleitung von der Staatsanwaltschaft Wien darüber informiert worden, dass gegen den Beschwerdeführer der Antrag auf Einleitung der Voruntersuchung wegen des Verdachtes nach § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB (gefährliche Drohung) gestellt worden sei. Dazu sei die Mitteilung ergangen, dass die weitere Tätigkeit des Beschwerdeführers als Hausarbeiter zu unterbinden sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung heißt es nach Darstellung des Inhaltes der Beschwerde an die belangte Behörde und der zuvor wiedergegebenen Äußerung des Anstaltsleiters zusammengefasst, weder den Strafgefangenen noch den Untersuchungshäftlingen sei ein subjektiv-öffentliches Recht auf Arbeit eingeräumt. Dies hindere jedoch nicht, dass ein Untersuchungshäftling freiwillig arbeite. Insoweit sei der Anstaltsleitung aber keine Pflicht auferlegt, den Untersuchungshäftlingen eine bestimmte Art von Tätigkeit zuzuweisen.

Hinsichtlich des weiteren Beschwerdepunktes (gemeint: Erkrankung des Mithäftlings) sei ein subjektiv-öffentliches Recht auf Absonderung eines Mithäftlings im Sinne des § 66 Abs. 2 StVG schon deshalb nicht gegeben, weil die Übertragung der durch das Hepatitis-C Virus verursachten Infektionskrankheit parenteral über Blut erfolge (Hinweis auf Wikipedia, Art. Heptatitis-C, und auf Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 260. Auflage) und solche Übertragungsmöglichkeiten im Vollzugsalltag nicht planmäßig gegeben seien.

Darüber hinaus bestehe kein Anhaltspunkt dafür, dass bezüglich der Frage des gemeinsamen Haftraumes eine Entscheidung des Anstaltsleiters vorliege.

Die Beschwerde sei daher zurückzuweisen gewesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende, am 30. Juli 2007 eingebrachte Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Im Hinblick darauf, dass dem Verwaltungsgerichtshof im Zuge des Beschwerdeverfahrens die Haftentlassung des Beschwerdeführers zur Kenntnis gelangte, wurde er mit Verfügung vom 12. Februar 2008 aufgefordert, zur Frage einer möglichen Gegenstandslosigkeit der Beschwerde Stellung zu nehmen.

In einer (persönlich erstatteten) Äußerung vom 14. Februar 2008 brachte der Beschwerdeführer (nebst ausfälligen Äußerungen gegen verschiedene Richter) seine Auffassung zum Ausdruck, dass durch die Haftentlassung die Beschwer nicht weggefallen sei, und verwies dabei auf das hg. Erkenntnis vom 25. September 2007, Zlen. 2006/06/0331, 0332, das, wie er vorbringt, bei einem vergleichbaren Sachverhalt die Beschwer bejaht habe.

Gemäß § 183 Abs. 1 StPO (in der bis Ende 2007 geltenden Fassung) sind auf die Anhaltung in Untersuchungshaft die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes über den Vollzug von Freiheitsstrafen, deren Strafzeit achtzehn Monate nicht übersteigt, anzuwenden, es sei denn, dass in der StPO etwas Besonderes bestimmt sei.

Nach § 186 Abs. 5 StPO (in jener Fassung) sind Untersuchungshäftlinge zur Arbeit nicht verpflichtet; ein arbeitsfähiger Untersuchungshäftling kann jedoch unter den für Strafgefangenen geltenden Bedingungen arbeiten, wenn er sich dazu bereit erklärt und Nachteile für das Strafverfahren nicht zu besorgen sind.

Im Beschwerdefall ist weiters das Strafvollzugsgesetz, BGBl. Nr. 144/1969 (StVG), in der Fassung BGBl. II Nr. 256/2006 anzuwenden.

Die §§ 44, 47, 66, 120 und 121 StVG lauten auszugsweise:

"(§ 44) (1) Jeder arbeitsfähige Strafgefangene ist verpflichtet, Arbeit zu leisten.

(2) Zur Arbeit verpflichtete Strafgefangene haben die Arbeiten zu verrichten, die ihnen zugewiesen werden. Zu Arbeiten, die für die Strafgefangenen mit einer Lebensgefahr oder Gefahr schweren Schadens an ihrer Gesundheit verbunden sind, dürfen sie nicht herangezogen werden.

(§ 47) (2) Zu Hausarbeiten sind Strafgefangene heranzuziehen, die sich gut führen und von denen ein Missbrauch dieser Stellung nicht zu befürchten ist.

(§ 66) (2) Die von ansteckenden Krankheiten betroffenen und von Ungeziefer befallenen Strafgefangenen sind abzusondern. Gegenstände, die von ihnen benützt worden sind, sind zu entseuchen oder zu entwesen; ist das nicht möglich oder nicht tunlich, so sind diese Gegenstände ohne Rücksicht darauf, wem sie gehören, zu vernichten. Räume, in denen sich solche Strafgefangene aufgehalten haben oder die von Ungeziefer befallen sind, sind zu entseuchen oder zu entwesen.

(§ 120) (1) Die Strafgefangenen können sich gegen jede ihre Rechte betreffende Entscheidung oder Anordnung und über jedes ihrer Rechte betreffende Verhalten der Strafvollzugsbediensteten beschweren. Über die Art der ärztlichen Behandlung können sich die Strafgefangenen jedoch nur nach § 122 beschweren. Die Beschwerde hat die angefochtene Entscheidung, Anordnung oder das Verhalten zu bezeichnen und die Gründe für die Erhebung der Beschwerde, soweit sie nicht offenkundig sind, darzulegen.

(§ 121) (1) Über Beschwerden gegen Strafvollzugsbedienstete oder deren Anordnungen hat der Anstaltsleiter zu entscheiden. Richtet sich die Beschwerde gegen den Anstaltsleiter oder gegen eine von ihm getroffene Entscheidung oder Anordnung und hilft er der Beschwerde nicht selbst ab, so steht die Entscheidung der Vollzugskammer zu."

Der Beschwerdeführer hat sich in seiner Beschwerde an die Vollzugskammer dagegen zur Wehr gesetzt, dass er von seiner Tätigkeit als Hausarbeiter enthoben wurde. Ein subjektivöffentliches Recht eines Untersuchungshäftlings, als Hausarbeiter beschäftigt zu werden oder von dieser Tätigkeit nicht enthoben zu werden, ist aus § 186 Abs. 5 StPO nicht abzuleiten. Auch sonst ist nicht ersichtlich, dass die Frage dieser Enthebung über die Dauer der Untersuchungshaft und über die Haftentlassung hinaus noch von einer mehr als abstrakt-theoretisch, also von "fortwirkender" Bedeutung sein sollte.

Der zweite Punkt der Beschwerde war, dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit einem an Hepatitis-C erkrankten Häftling in einer gemeinsamen Zelle untergebracht gewesen sei. Obwohl die "Anstaltsleitung" von dieser Erkrankung gewusst habe, sei dieser Mithäftling nicht abgesondert und auch zur Essensausgabe verwendet worden. Damit habe die "Anstaltsleitung" fahrlässig eine Gesundheitsgefährdung des Beschwerdeführers gebilligt.

Dass es zu diesem Beschwerdepunkt eine Entscheidung des Anstaltsleiters (über entsprechende Vorstellungen des Beschwerdeführers) gäbe, hat der Beschwerdeführer nicht behauptet. Vielmehr wendet er sich dagegen, dass die "Anstaltsleitung" in Kenntnis der Erkrankung des Mithäftlings diesen nicht abgesondert habe. Eine unmittelbare Beschwerde an die belangte Behörde wäre daher nach § 121 Abs. 1 StVG nur zulässig, wenn die behauptete Unterlassung unmittelbar dem Anstaltsleiter zuzurechnen wäre (nicht etwa einem Strafvollzugsbediensteten, und sie wäre auch dann nicht zulässig, wenn es hier um die ärztliche Behandlung des Mithäftlings im Sinne des § 120 Abs. 1 2. Satz StVG ginge). Auch hier ist nicht ersichtlich, dass der Klärung des Fragenkomplexes im Zusammenhang mit dieser behaupteten Gefährdung durch Unterlassung über das Ende der Haft hinaus mehr als abstrakttheoretische Bedeutung zukäme.

Der Beschwerdeführer übersieht in seinem Schriftsatz vom 14. Februar 2008 insbesondere, dass der Verwaltungsgerichtshof in dem von ihm genannten hg. Erkenntnis vom 25. September 2007, Zlen. 2006/06/0331, 0332, auf Grund des Parteienvorbringens und der Aktenlage von der Annahme ausging, die Haft dauere noch an (die Haftentlassung war nämlich nicht bekannt) und im Übrigen auch das Erkenntnis inhaltlich zur Frage, ob dem Beschwerdeführer die (in jenem Verfahren) angestrebten Tischbesuche zu gewähren gewesen wären oder nicht, keine Aussage enthält.

Ein Interesse an einer grundsätzlichen Klärung der Rechtssache, so aus wirtschaftlichen Gründen, etwa auch um Schadenersatz im Wege der Amtshaftung geltend zu machen, vermöchte nichts am Fehlen der Möglichkeit, durch den angefochtenen Bescheid fortdauernd in den Rechten verletzt zu sein, etwas zu ändern (siehe dazu beispielsweise schon den hg. Beschluss vom 29. Oktober 1998, Zl. 96/20/0726). Die gesetzlichen Bestimmungen über die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gewähren einer Partei auch keinen Anspruch auf eine verwaltungsgerichtliche Feststellung der Gesetzmäßigkeit von Bescheiden an sich, sondern nur einen Ausspruch auf Aufhebung gesetzwidriger Bescheide, die in die Rechtssphäre der Partei eingreifen (siehe dazu den hg. Beschluss vom 16. Oktober 2006, Zl. 2003/10/0140).

Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist eine Beschwerde mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Beschwerdeführer klaglosgestellt wurde.

Bei einer Bescheidbeschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG ist unter einer "Klaglosstellung" nach § 33 Abs. 1 VwGG nur eine solche zu verstehen, die durch eine formelle Aufhebung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides - im Besonderen durch die belangte Behörde oder die allenfalls in Betracht kommende Oberbehörde oder durch den Verfassungsgerichtshofeingetreten ist (vgl. den Beschluss eines verstärkten Senates vom 9. April 1980, Slg. Nr. 10092/A).

§ 33 Abs. 1 VwGG ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall liegt, wie der Verwaltungsgerichtshof im genannten Beschluss vom 9. April 1980 darlegte, beispielsweise auch dann vor, wenn ein rechtliches Interesse des Beschwerdeführers an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes zu verneinen ist. Diese Voraussetzungen liegen nach dem zuvor Gesagten vor.

Die Beschwerde war daher gemäß § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen (das entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Strafvollzugsgesetz aber auch in anderen Rechtsgebieten - siehe dazu die hg. Beschlüsse vom 18. Februar 1999, Zl. 97/20/0239, zum StVG, vom 1. Juli 1998, Zl. 97/09/0095, zum Disziplinarrecht, vom 13. Juni 2002, Zl. 2002/06/0073, in einer Auslieferungssache; vgl. auch den hg. Beschluss vom 23. September 2004, Zl. 99/21/0012, zum Fremdenrecht).

Mangels einer formellen Klaglosstellung liegt die Voraussetzung für einen Kostenzuspruch gemäß § 56 VwGG nicht vor. Vielmehr kommt § 58 Abs. 2 VwGG zur Anwendung, wonach der nachträgliche Wegfall des Rechtsschutzinteresses bei der Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu berücksichtigen ist. Da im vorliegenden Fall die Entscheidung über die Kosten einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde, ist über die Kosten unter Heranziehung des im § 58 Abs. 1 VwGG verankerten Grundsatzes zu entscheiden, nach welchem, soweit die §§ 47 bis 56 VwGG nichts anderes bestimmen, jede Partei der ihr im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erwachsenden Aufwand selbst zu tragen hat.

Der Eventualantrag, das Verfahren dem Verfassungsgerichtshof zu überweisen, war zurückzuweisen, weil eine solche Überweisung gesetzlich nicht vorgesehen ist.

Wien, am 28. Februar 2008

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