VwGH 2002/13/0156

VwGH2002/13/015628.6.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Keidel LL.M, über die Beschwerde der BAG in W, vertreten durch KPMG Alpen-Treuhand GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1090 Wien, Kolingasse 19, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat XI, vom 4. Juni 2002, GZ. RV/218- 11/11/97, betreffend Körperschaftsteuer für die Jahre 1992 bis 1995, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §6;
ABGB §7;
ABGB §8;
EStG §2;
KStG §17 Abs3;
KStG §7;
VwRallg;
ABGB §6;
ABGB §7;
ABGB §8;
EStG §2;
KStG §17 Abs3;
KStG §7;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seiner Anfechtung, somit hinsichtlich Körperschaftsteuer 1992 und 1993, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.171,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Aktiengesellschaft betreibt seit ihrer Gründung im Jahr 1983 sowohl das Lebensversicherungsgeschäft als auch das Schaden- und Unfallversicherungsgeschäft.

Den Gegenstand des Beschwerdefalles bildet alleine die Frage, ob die Mindestbesteuerung für Versicherungsunternehmen gemäß § 17 Abs. 3 KStG 1988 in der für die Streitjahre 1992 und 1993 geltenden Stammfassung für jede Versicherungssparte gesondert zu berechnen ist.

Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung stellte die Prüferin fest, dass die beschwerdeführende Aktiengesellschaft die Bestimmung des § 17 Abs. 3 leg. cit. über die Mindestbesteuerung von Versicherungsunternehmen in der Form angewandt habe, dass die Gewinne der Sparten Schaden-Unfall und Leben zusammengerechnet worden seien. Diese Vorgangsweise widerspräche der herrschenden Literaturmeinung, wonach die "grammatikalisch anders lautende Textierung" des § 17 Abs. 3 KStG 1988 im Vergleich zur Vorgängerregelung des § 14 KStG 1966 nicht dazu führen könne, von der bisherigen Übung abzugehen, für die einzelnen Versicherungsbereiche getrennte Gewinnermittlungen durchzuführen. Für diese Ansicht spreche auch, dass der Gesetzgeber die Bestimmung des § 17 Abs. 3 KStG 1988 durch das Steuerreformgesetz 1993 "klarstellend" neu gefasst habe. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage werde ausgeführt, dass im Zusammenhang mit der aus dem KStG 1966 übernommenen und im KStG 1988 erweiterten Mindestbesteuerungsregelung die Berechnung des Mindestgewinnes für jeden der in der Neufassung angeführten vier Teilbereiche gesondert zu erfolgen habe.

Der Zuschlag zur Mindestbesteuerung gemäß § 17 Abs. 3 KStG errechne sich in den Jahren 1992 und 1993 daher wie folgt:

1992

Leben

Schaden-Unfall

Einkünfte aus Gewerbebetrieb

-717.869 S

3,109.652 S

Zuschlag zur Mindeststeuer laut Betriebsprüfung

2,846.082 S

 

Einkünfte aus Gewerbebetrieb gem. § 7 KStG

2,128.213 S

3,109.652 S

   

Mindestbesteuerung gemäß § 17 Abs. 3 KStG

  

Steuerlicher Gewinn

-717.869 S

 

Dotierung Rückstellung für Gewinnbeteiligung

22,000.000 S

 
 

21,282.131 S

 

Davon 10 %

2,128.213 S

 

Differenz

2,846.082 S

 

1993

Leben

Schaden- Unfall

Einkünfte aus Gewerbebetrieb gem. § 7 KStG

- 5,787.824 S

- 24,580.998 S

Zuschlag zur Mindeststeuer laut Betriebsprüfung

7,409.041 S

 
 

1,621.217 S

- 24,580.998 S

   

Steuerlicher Gewinn

- 5,787.824 S

 

Dotierung Rückstellung für Gewinnbeteiligung

22,000.000 S

 
 

16,212.176 S

 

Davon 10 %

1,621.218 S

 

Differenz

7,409.041 S

 

Das Finanzamt schloss sich der Rechtsansicht der Prüferin an und erließ u.a. entsprechend geänderte Körperschaftsteuerbescheide 1992 und 1993.

In der dagegen erhobenen Berufung setzte die Beschwerdeführerin dieser Auffassung entgegen, dass für eine gesonderte abteilungsweise Erfassung der insoweit klare Gesetzestext ab dem Jahre 1989 keine Handhabe biete, zumal auch die amtlichen Erläuterungen hiezu lediglich ausführten, dass sich "die Vorschrift des Abs. 3 über die Mindestbesteuerung ... gegenüber § 14 Abs. 3 KStG 1966 auf sämtliche Versicherungssparten (erstreckt)", ohne sonst irgendeinen Anhaltspunkt für eine gesonderte Berechnung der einzelnen Teilbereiche zu geben.

Diese Beurteilung werde durch die Neufassung des § 17 Abs. 3 KStG 1988 durch das Steuerreformgesetz 1993 erhärtet. Seither sei gesetzlich verankert, dass die Berechnung der Mindestbesteuerung für jeden der in der Neufassung angeführten vier Teilbereiche gesondert zu erfolgen habe. Durch Art. III Z. 9 Steuerreformgesetz 1993 werde somit materiell neues Recht geschaffen, sodass den in eine andere Richtung weisenden Gesetzesmaterialien, in der von einer bloßen "Klarstellung" die Rede sei, keine Bedeutung zukomme. Somit sei für die berufungsgegenständlichen Jahre 1992 und 1993 eine unternehmensbezogene Berechnung der Mindestbesteuerung gemäß § 17 Abs. 3 KStG 1988 vorzunehmen.

Im angefochtenen Bescheid teilte die belangte Behörde diese Auffassung der Beschwerdeführerin mit der Begründung nicht, dass die Gesetzesauslegung nicht alleine nach dem Wortlaut erfolgen dürfe. Vielmehr seien auch andere Auslegungsmethoden heranzuziehen. Es sei zu berücksichtigen, dass die steuerrechtlichen Vorschriften des § 17 KStG 1988 an die versicherungsaufsichtsrechtlichen Regelungen (§ 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen vom 4. Dezember 1978 über die Rechnungslegung von Unternehmen der Vertragsversicherung, BGBl. Nr. 655/1978, in der Fassung BGBl. Nr. 684/1986) anknüpften und diese eine gesonderte Gewinn- und Verlustrechnung für jede Abteilung (Lebens-, Kranken- sowie Schaden- und Unfallversicherung) vorsehen. Wenn für die Berechnung gemäß § 17 Abs. 3 KStG 1988 in der für die Streitjahre anzuwendenden Fassung daher von einem steuerlichen Gewinn vor der Zuführung zur Rückstellung auszugehen sei, dann knüpfe das Gesetz erkennbar an den Überschuss der Gewinn- und Verlustrechnungen der einzelnen Abteilungen an.

In den Gesetzesmaterialien zum KStG 1988 werde ausgeführt, dass sich die Vorschrift des § 17 Abs. 3 über die Mindestbesteuerung auf sämtliche Versicherungssparten erstreckt, um zu gewährleisten, dass auch in der Schaden-Unfallversicherung in Jahren, in denen die Rückstellung für Prämienrückerstattung dotiert wird, ein Teil des Überschusses versteuert werden müsse. Die weiteren Ausführungen in den Gesetzesmaterialien, die sich nur auf die "Schaden-Unfallversicherung" bezögen, ließen erkennen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers ein Teil des Überschusses, der aus dem steuerlichen Gewinn und der Dotierung der Rückstellung für Prämienrückerstattungen dieser Versicherungssparte bestehe, zu versteuern sei. Diesem Willen des Gesetzgebers könne nur dadurch entsprochen werden, dass der Mindestgewinn abteilungsweise berechnet werde. Die Erläuterungen in der Regierungsvorlage zum Steuerreformgesetz 1993 bestätigten dieses Auslegungsergebnis, weil darin festgehalten werde, dass die Neufassung lediglich "klarstellend" sei.

Zudem stoße die Auslegung der Beschwerdeführerin auf Bedenken hinsichtlich der steuerlichen Gleichbehandlung aller Versicherungsunternehmen, weil ein Versicherungsunternehmen, das nur in einer Versicherungssparte tätig sei, nicht die Möglichkeit habe, Gewinne der einen Versicherungssparte mit Verlusten einer anderen Versicherungssparte auszugleichen.

Schließlich habe der Gesetzgeber mit der Bestimmung des § 17 Abs. 3 KStG 1988 auch angestrebt, einen Teil der Kapitalerträge, die an die Versicherungsnehmer weitergeleitet werden, steuerhängig zu halten. Eine Auslegung, die diesen Zweck der Bestimmung mitberücksichtige, führe ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Mindestgewinnermittlung in den Berufungsjahren 1992 und 1993 für das Lebensversicherungsgeschäft gesondert vorzunehmen sei und erst danach die steuerlichen Gewinne der anderen Versicherungssparten hinzuzurechnen bzw. die steuerlichen Verluste auszugleichen seien.

Bei Bedachtnahme auf alle Auslegungsmethoden gelange die belangte Behörde zur Überzeugung, dass die Berechnung des Mindestgewinnes auch in der Stammfassung des § 17 Abs. 3 KStG 1988 für jede Versicherungssparte gesondert durchzuführen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

Nach dem Beschwerdepunkt und dem Inhalt der Beschwerde erachtet sich die beschwerdeführende Aktiengesellschaft in ihrem Recht auf Anerkennung der unternehmensbezogenen Berechnung der Mindestbesteuerung gemäß § 17 Abs. 3 KStG 1988 in der Fassung vor dem Steuerreformgesetz 1993 verletzt. Damit wird der Umfang der Anfechtung - ungeachtet des Antrages, den angefochtenen Bescheid "zur Gänze" aufzuheben - mit der Körperschaftsteuer der Jahre 1992 und 1993 umschrieben.

Nach § 7 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) 1988 ist der Körperschaftsteuer das Einkommen zugrunde zu legen, das der unbeschränkt Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat.

§ 7 Abs. 2 KStG 1988 in seiner Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 201/1996 definiert das Einkommen als den Gesamtbetrag der Einkünfte aus den im § 2 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes 1988 aufgezählten Einkunftsarten nach Ausgleich mit Verlusten, die sich aus den einzelnen Einkunftsarten ergeben, und nach Abzug der Sonderausgaben (§ 8 Abs. 4), der Sanierungsgewinne (§ 23 Z. 1) sowie des Freibetrages für begünstigte Zwecke (§ 23 Z. 2). Wie das Einkommen zu ermitteln ist, bestimmt sich nach dem Einkommensteuergesetz 1988 und nach diesem Bundesgesetz.

Der sechste Abschnitt des zweiten Teils des KStG 1988 ist mit "Sondervorschriften für Versicherungsunternehmen" überschrieben und handelt in § 15 leg. cit. von versicherungstechnischen Rückstellungen und in § 17 leg. cit. von Prämienrückerstattungen (Gewinnbeteiligungen).

Nach § 17 Abs. 1 Z. 1 KStG 1988 sind Prämienrückerstattungen (Gewinnbeteiligungen) im Lebens-, Kranken- oder Unfallversicherungsgeschäft mit Prämienrückgewähr abzugsfähig.

§ 17 Abs. 1 Z. 2 KStG 1988 regelt die eingeschränkte Abzugsfähigkeit von Prämienrückerstattungen (Gewinnbeteiligungen) in anderen Versicherungszweigen.

Die Bestimmung des § 17 Abs. 2 KStG 1988 handelt von Rückstellungen für Prämienrückerstattungen (Gewinnbeteiligungen) und regelt die Voraussetzungen, unter denen Zuführungen zu solchen Rückstellungen abziehbar sind.

§ 17 Abs. 3 KStG 1988 nach der im Beschwerdefall zur Anwendung kommenden Stammfassung lautete:

"Versicherungsunternehmen haben mindestens 10 % des nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes 1988 und dieses Bundesgesetzes ermittelten Gewinnes zu versteuern, von dem der für die Versicherten bestimmte Anteil noch nicht abgezogen ist."

Mit dem Steuerreformgesetz 1993, BGBl. Nr. 818/1993, erfuhr Abs. 3 des § 17 KStG 1988 - anzuwenden erstmalig ab der Veranlagung für das Kalenderjahr 1994 - folgende Neufassung:

"Versicherungsunternehmen haben mindestens 10 % des nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes 1988 und dieses Bundesgesetzes jeweils ermittelten Gewinnes

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte