Normen
AVG §71 Abs1 Z1
BAO §198
BAO §235
BAO §235 Abs1
BAO §236
BAO §236 Abs1
BAO §255
BAO §308 Abs1
BAO §308 Abs3
BAO §4
BAO §92
BAO §92 Abs1
B-VG Art18 Abs1
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2005:2003140005.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 330,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der H‑GmbH. Die H‑GmbH, die E‑GmbH und die E‑KG gehören zu einer Unternehmensgruppe. AH war Geschäftsführer dieser Gesellschaften.
Aufgrund einer bei der H‑GmbH durchgeführten Lohnsteuerprüfung für den Zeitraum 1. Jänner 1995 bis 31. Dezember 1998 (abgeschlossen am 14. September 1999) ergingen für den genannten Zeitraum am 17. September 1999 Haftungs‑ und Abgabenbescheide. Die H‑GmbH brachte gegen die Haftungs‑ und Abgabenbescheide mit Eingabe vom 20. Oktober 1999 Berufung ein. Mit Eingabe vom 27. Februar 2001 ergänzte sie die Berufung. Das Finanzamt gab der Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 31. Mai 2001 (nur) teilweise Folge. Mit Eingabe vom 26. Juni 2001 beantragte die H‑GmbH die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Mit Bescheiden vom 17. September 1999 wurden gegenüber der E‑KG die "Verfahren betreffend der Haftungs‑ und Abgabenbescheide" für die Prüfungszeiträume 1. Jänner 1990 bis 31. Dezember 1992 und 1. Jänner 1993 bis 31. Dezember 1994 wieder aufgenommen. Mit Eingabe vom 22. Oktober 1999 brachte die E‑KG Berufung ein. Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 1. Juni 2001 ab. Mit Eingabe vom 22. Juni 2001 beantragte die E‑KG die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Bei der H‑GmbH führte das Finanzamt im Zeitraum Juni 1998 bis November 2000 gemäß § 99 Abs 2 FinStrG eine abgabenbehördliche Prüfung hinsichtlich Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer 1994 bis 1999 durch. Die Schlussbesprechung fand am 13. November 2000 statt. Am 28. November 2000 erklärte der Geschäftsführer der H‑GmbH für diese niederschriftlich einen Rechtsmittelverzicht hinsichtlich Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer 1995 bis 1997. In der Niederschrift über den Rechtsmittelverzicht wurden die Grundlagen für die Abgabenfestsetzung, die Höhe der zu erwartenden Abgabenschuld sowie die Abweichungen von den bisherigen Festsetzungen (2,484.944 S) festgehalten.
In der Folge nahm das Finanzamt mit Bescheiden vom 12. Dezember 2000 gegenüber der H‑GmbH die Verfahren betreffend Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer 1995 bis 1998 wieder auf und setzte die Abgaben neu fest. Weiters erließ das Finanzamt einen Haftungsbescheid hinsichtlich Kapitalertragsteuer 1995 bis 1997.
Bei der E‑GmbH führte das Finanzamt im Zeitraum Juni 1998 bis November 2000 gemäß § 99 Abs 2 FinStrG eine abgabenbehördliche Prüfung u.a. hinsichtlich Körperschaftsteuer 1991 bis 1995 und Gewerbesteuer 1991 bis 1993 durch. Die Schlussbesprechung fand am 13. November 2000 statt. Am 28. November 2000 erklärte der Geschäftsführer der E‑GmbH für diese niederschriftlich einen Rechtsmittelverzicht hinsichtlich Körperschaftsteuer 1991, 1992 und 1994 sowie Gewerbesteuer 1992 und 1993. In der Niederschrift über den Rechtsmittelverzicht wurden die Grundlagen für die Abgabenfestsetzung, die Höhe der zu erwartenden Abgabenschuld sowie die Abweichungen von den bisherigen Festsetzungen festgehalten (309.788 S).
In der Folge nahm das Finanzamt mit Bescheiden vom 12. Dezember 2000 gegenüber der E‑GmbH die Verfahren betreffend Körperschaftsteuer 1991 bis 1994 und Gewerbesteuer 1991 bis 1993 wieder auf und setzte die Abgaben neu fest.
Bei der E‑KG führte das Finanzamt im Zeitraum Juni 1998 bis November 2000 gemäß § 99 Abs 2 FinStrG eine abgabenbehördliche Prüfung u.a. hinsichtlich Umsatzsteuer 1991 bis 1995 und Gewerbesteuer 1991 bis 1993. Die Schlussbesprechung fand am 13. November 2000 statt. Am 28. November 2000 erklärte der Geschäftsführer der E‑KG für diese niederschriftlich einen Rechtsmittelverzicht hinsichtlich Umsatzsteuer 1991 bis 1995 und Gewerbesteuer 1991 und 1992. In der Niederschrift über den Rechtsmittelverzicht wurden die Grundlagen für die Abgabenfestsetzung, die Höhe der zu erwartenden Abgabenschuld sowie die Abweichungen von den bisherigen Festsetzungen festgehalten (1,041.527 S).
In der Folge nahm das Finanzamt mit Bescheiden vom 28. Februar 2001 gegenüber der E‑KG die Verfahren betreffend Umsatzsteuer und Gewerbesteuer 1991 bis 1994 wieder auf und setzte die Abgaben neu fest. Weiters nahm das Finanzamt die Verfahren betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften 1991 bis 1995 wieder auf und erließ entsprechende Sachbescheide.
Mit Eingabe vom 3. September 2001 widerrief die H‑GmbH ihren Rechtsmittelverzicht. Bei der Schlussbesprechung habe das Finanzamt erhebliche Forderungen "reklamiert". Die zuständigen Sachbearbeiter des Finanzamtes hätten darauf gedrängt, dass der Geschäftsführer der H‑GmbH, E‑GmbH und E‑KG mit dem Finanzamt eine endgültige Vereinbarung treffe. Für den Fall, dass keine Vereinbarung geschlossen würde, habe das Finanzamt angedeutet, dass die Gesamtverpflichtungen sämtlicher Unternehmen der Gruppe, die einer Steuerprüfung unterzogen worden seien, 12 Mio S betragen würden. Im Hinblick auf die Unerfüllbarkeit dieser Verpflichtungen seien mit dem Finanzamt bzw mit den zuständigen Sachbearbeitern "Vergleichsgespräche" geführt worden. Für die H‑GmbH sei Grundlage der Vergleichsgespräche immer die Gesamtbereinigung sämtlicher Forderungen gewesen. Die Beamten des Finanzamtes hätten zu erkennen gegeben, dass sie für den Fall der Vergleichsbereitschaft der H‑GmbH (und E‑GmbH sowie E‑KG) wesentlich von ihren Gesamtforderungen abweichen würden. Es sei sodann ein "Vergleich" mit einer Nachforderung von 5,3 Mio S geschlossen worden; wesentlicher Bestandteil sei die Erklärung der befassten Beamten gewesen, dass damit sämtliche Forderungen des Finanzamtes umfasst seien. Das Finanzamt habe erklärt, dass es noch Zeit benötige, den Betrag von 5,3 Mio S aufzuschlüsseln, der Geschäftsführer der H‑GmbH solle nach Vorliegen der Aufschlüsselung eine "Generalrechtsmittelverzichtserklärung" abgeben.
Nachdem das Finanzamt die interne Aufschlüsselung vorgenommen habe, habe der Geschäftsführer der H‑GmbH den Rechtsmittelverzicht allumfassend unterfertigt. Auf seinen Einwand, nur für ein bestimmtes Unternehmen einen Rechtsmittelverzicht abgeben zu wollen, habe der zuständige Sachbearbeiter erklärt, dass der Rechtsmittelverzicht allumfassend sein müsse, ein Teilverzicht nicht in Frage käme. Nur um Schaden von allen Unternehmen abzuwenden, habe der Geschäftsführer der H‑GmbH sodann – unter erheblichem Druck – den allumfassenden Rechtsmittelverzicht für die Gesellschaften unterfertigt. Bei der Unterfertigung sei nochmals versichert worden, das mit der Bezahlung von 5,3 Mio S sämtliche Forderungen des Finanzamtes aus dem Prüfungszeitraum bereinigt seien. Dem Geschäftsführer der H‑GmbH sei in diesem Zusammenhang auch erklärt worden, dass dafür auch die Unterfertigung des Rechtsmittelverzichtes für seine Ehefrau notwendig sei, weil damit sämtliche tatsächlichen Forderungen des Finanzamtes umfassend bereinigt würden. Er habe daraufhin auch für seine Frau einen Rechtsmittelverzicht unterfertigt.
Drei Monate nach dem umfassenden Rechtsmittelverzicht sei nun überraschend eine Berufungsvorentscheidung betreffend die im Jahr 1999 bei der H‑GmbH durchgeführte Lohnsteuerprüfung ergangen. Über die sofortige Reaktion der H‑GmbH, dass der Betrag wegen der Gesamtvereinbarung zu Unrecht gefordert werde, sei von Seiten des Finanzamtes erklärt worden, dass dies nicht der Fall sei. Die H‑GmbH sei der Ansicht, dass die Forderungen aus dem Titel der Lohnsteuer vom Gesamtbetrag umfasst und verglichen worden seien. Sollte dies nicht der Fall sein, wäre die H‑GmbH von den mit der Sache befassten Beamten des Finanzamtes "in den Irrtum geführt" worden. Hätte das Finanzamt seinerzeit erklärt, dass nicht alles erledigt sei, wäre die Vereinbarung nicht geschlossen worden. Die H‑GmbH sei daher berechtigt, die Vereinbarung wegen des von der Behörde veranlassten Irrtums zu widerrufen. Zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses und des Rechtsmittelverzichts sei dem Finanzamt bekannt gewesen, dass ein Berufungsverfahren betreffend Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag anhängig gewesen sei und im Betriebsprüfungsverfahren auch diese Forderungen des Finanzamtes "Gegenstand von Behandlungen und Forderungen" gewesen seien. Das Finanzamt stütze die Lohnsteuerforderungen zudem auf Ergebnisse aus der Betriebsprüfung. Es werde betont, dass das Finanzamt zu keiner Zeit erklärt habe, dass Lohnsteuerforderungen "von der Betriebsprüfung bzw der allgemein umfassenden Vereinbarung und des daraus fließenden Rechtsmittelverzichts nicht umfassend sind". Da die Rechtsmittelverzichtserklärung vom Finanzamt verfasst worden sei und diese äußerst undeutlich sei, gingen sämtliche Undeutlichkeiten zu Lasten des Finanzamtes.
Mit derselben Eingabe vom 3. September 2001 beantragte die H‑GmbH die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 308 BAO hinsichtlich der Berufungsfristen betreffend Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer 1995 bis 1998 sowie Haftung für Kapitalertragsteuer 1995 bis 1997 (Bescheide vom 12. Dezember 2000) und brachte entsprechende Berufungen ein. Am 6. Juni 2001 seien die Berufungsvorentscheidungen (vom 31. Mai 2001) betreffend die Berufungen gegen die in Zusammenhang mit der Lohnsteuerprüfung ergangenen Haftungs‑ und Abgabenbescheide zugestellt worden. Wie in der Begründung zum Widerruf des Rechtsmittelverzichts dargelegt, sei die H‑GmbH bislang der Ansicht gewesen, dass mit dem "Vergleich" alle Forderungen des Finanzamtes abgedeckt seien. Mit der negativen Berufungsvorentscheidung verstärke sich der Eindruck, dass die H‑GmbH getäuscht worden sei.
Das Finanzamt wies den Wiedereinsetzungsantrag ab. In der Begründung wird u.a. darauf verwiesen, dass der Antrag nicht fristgerecht eingebracht worden sei.
In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde vorgebracht, erst mit der Berufungsvorentscheidung vom 31. Mai 2001 betreffend Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag sei klar geworden, dass der "allumfassende Vergleich" vom 13. November 2000 vom Finanzamt "gekippt" worden sei. Durch den Widerruf des Rechtsmittelverzichts am 3. September 2001 sei die dreimonatige Frist des § 308 BAO gewahrt.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Ein Irrtum über den Inhalt und die Folgen einer der Abgabenbehörde gegenüber abgegebenen Erklärung sei unter bestimmten Voraussetzungen ein Wiedereinsetzungsgrund. Die belangte Behörde habe aber festgestellt, dass AA, ein Gruppenleiter der Betriebsprüfungsabteilung des Finanzamtes, dem Vertreter der H‑GmbH gegenüber im Februar 2001 in mehreren Telefonaten "klargestellt" habe, dass die Rechtsmittelverzichte keine Auswirkungen auf die anhängigen Berufungsverfahren betreffend Lohnabgaben hätten.
Es stehe somit fest, dass der Vertreter der H‑GmbH bereits im Februar 2001 Kenntnis davon gehabt habe, dass die Organe des Finanzamtes keinen Zusammenhang zwischen dem Rechtsmittelverzicht im Betriebsprüfungsverfahren einerseits und dem anhängigen Berufungsverfahren betreffend Lohnabgaben anderseits sähen. Sofern der Vertreter der H‑GmbH über diesen Umstand im Irrtum gewesen sein sollte, sei dieser Irrtum im Zuge der Telefonate des AA mit dem Vertreter der H‑GmbH ausgeräumt worden, zumal AA unmissverständlich dargelegt habe, dass die Abteilung für Lohnsteuerprüfung die Vorschreibung der Lohnabgaben vorsehe. Dass der Vertreter der H‑GmbH trotz dieser unmissverständlichen Klarlegung auf den Bestand des angeblich geschlossenen "Vergleiches" gehofft habe, sei als Rechtfertigung für die Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages nicht nachvollziehbar.
Spätestens im Zuge der Telefonate des Vertreters der H‑GmbH mit AA im Februar 2001 sei der "vermeintliche Irrtum" und damit der Wiedereinsetzungsgrund für den Vertreter der H‑GmbH erkennbar gewesen. Somit sei der Wiedereinsetzungsantrag jedenfalls außerhalb der Frist des § 308 Abs 3 BAO und damit verspätet eingebracht worden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zunächst sei darauf verwiesen, dass Entstehung, Inhalt und Erlöschen der Abgabenschuld einschließlich des diesbezüglichen Verfahrens und der diesbezüglichen Rechtsformen hoheitlichen Handelns ‑ entsprechend dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Abgabenverwaltung ‑ ausschließlich durch das Gesetz geregelt sind. Das Gesetz sieht nicht vor, dass die Abgabenschuld ungeachtet der Verwirklichung des Abgabentatbestandes im Fall einer gegenteiligen vertraglichen Vereinbarung zwischen Abgabenschuldner und Abgabengläubiger nicht entstünde oder zum Wegfall gelangte (vgl das hg Erkenntnis vom 28. September 2004, 2002/14/0035).
In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27. Juli 1994, 92/13/0058, zu einem Beschwerdevorbringen betreffend einen vom Finanzamt angenommenen Vergleichsvorschlag ausgesprochen, eine solche Abmachung zwischen den Organwaltern des Abgabengläubigers und dem Abgabenschuldner über den Inhalt der Abgabenschuld sei ohne jede abgabenrechtliche Bedeutung. Abmachungen über den Inhalt einer Abgabenschuld stünden ‑ soweit sie nicht im Gesetz ausdrücklich zugelassen seien ‑ im Widerspruch zu dem aus Art. 18 B‑VG abzuleitenden Erfordernis der Gesetzmäßigkeit der Vollziehung der Abgabenvorschriften (Hinweis auf Mayer, Der öffentlich‑rechtliche Vertrag im österreichischen Abgabenrecht, JBl. 1976, 632 ff, insbesondere 636).
Solcherart ist auch im gegenständlichen Fall nicht von einem "Vergleich" im Sinne eines (öffentlich‑rechtlichen) Vertrages auszugehen.
Ein Abgabenbescheid, der Abgaben ‑ im Gefolge einer Besprechung zwischen Steuerpflichtigem und Organwaltern niedriger ‑ festsetzt, hat hingegen (wegen der ihm zukommenden Bescheidwirkungen) normative Bedeutung.
Gegenstand des angefochtenen Bescheides ist der Antrag der H‑GmbH auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 308 BAO. Es trifft zu, dass auch ein Irrtum ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis sein kann, durch welches eine Partei verhindert war, eine Frist einzuhalten (vgl Stoll, BAO‑Kommentar, 2982). Es trifft auch zu, dass ein von der Behörde veranlasster wesentlicher Irrtum des Steuerpflichtigen die Rechtswirksamkeit eines von ihm abgegebenen Rechtsmittelverzichtes iSd § 255 BAO ausschließt (vgl die bei Ritz, BAO‑Kommentar2, § 255 Tz 8, zitierte hg Rechtsprechung).
In der Beschwerde wird vorgebracht, am 28. November 2000 habe die H‑GmbH (wie die E‑GmbH und die E‑KG) durch ihren Vertreter AH einen Rechtsmittelverzicht unterfertigt und sei dabei davon ausgegangen, dass nicht nur die im jeweiligen Rechtsmittelverzicht genannten Abgaben betroffen seien, sondern mit dem Finanzamt eine "Vereinbarung" getroffen worden sei, wonach die im Zuge der Lohnsteuerprüfung mit (am 17. September 1999 ergangenen) Bescheid geltend gemachten Haftungen bzw vorgeschriebenen Abgaben (Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag) in Wegfall kämen.
Hinsichtlich Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer 1998 hat die H‑GmbH keinen Rechtmittelverzicht abgegeben. Für dieses Jahr erweist sich daher die Begründung des Wiedereinsetzungsantrages von vornherein als untauglich. Die Beschwerde vermag aber auch hinsichtlich der anderen Jahre keine Verletzung subjektiver Rechte der H‑GmbH aufzuzeigen:
Im angefochtenen Bescheid wird keine konkrete Sachverhaltsfeststellung zu den Willensmängeln der H‑GmbH bei Unterfertigung des Rechtsmittelverzichtes getroffen. Der angefochtene Bescheid versagt im Instanzenzug die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand deshalb, weil der Antrag erst nach Ablauf der in § 308 Abs 3 BAO normierten Frist von drei Monaten gestellt worden sei.
Besteht das unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis iSd § 308 Abs 1 BAO in einem Irrtum über das einzubringende Rechtsmittel, so fällt dieses Hindernis weg, sobald die Partei diesen Irrtum als solchen erkennen konnte und musste (vgl. in diesem Zusammenhang auch das zur ähnlichen Bestimmung des § 229 Abs. 3 NÖ AO 1977 ergangene hg Erkenntnis vom 18. Oktober 2004, 2004/17/0152, und Ritz, BAO‑Kommentar2, § 308 Tz 22). Für den Lauf der Wiedereinsetzungsfrist kommt es somit auf den Zeitpunkt der zumutbaren Erkennbarkeit des Irrtums an.
Die belangte Behörde hat auf Grund der Einvernahme eines Gruppenleiters der Betriebsprüfungsabteilung des Finanzamtes die Feststellung getroffen, dass dieser den Vertreter der H‑GmbH im Februar 2001 telefonisch davon in Kenntnis gesetzt, dass das anhängige Verfahren betreffend Lohnabgaben ein völlig getrenntes Verfahren sei, der Rechtsmittelverzicht also keine Auswirkungen auf das anhängige Berufungsverfahren betreffend Lohnabgaben habe. Die Festsetzung der Lohnabgaben sei ca ein Jahr vor Abschluss der Betriebsprüfung erfolgt. Nachdem der genannte Gruppenleiter der H‑GmbH diese Mitteilung gemacht habe, habe sie in Reaktion darauf im Berufungsverfahren betreffend die Lohnabgaben die Eingabe vom 27. Februar 2001 eingebracht.
Nachdem der H‑GmbH das Ermittlungsergebnis vorgehalten worden war, bestätigte diese mit Eingabe vom 1. Oktober 2002 die Darstellung des Gruppenleiters der Betriebsprüfungsabteilung und brachte ergänzend vor, in der Niederschrift über die Schlussbesprechung der Betriebsprüfung betreffend Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer 1994 bis 1999 sei festgehalten, dass ausschließlich der Lohnaufwand der Jahre 1998 und 1999 durch die Lohnsteuerprüfung nachzuversteuern sei. Dadurch komme zum Ausdruck, dass der ‑ später geschlossene ‑ "allumfassende Vergleich" auch die anhängigen Lohnsteuerverfahren inkludiere und "lediglich nur mehr die Lohnsteuer für die Jahre 1998 und 1999 außerhalb des allumfassenden Vergleiches vorgeschrieben wird". Durch die Telefonate des Gruppenleiters der Betriebsprüfungsabteilung sei die H‑GmbH darauf hingewiesen worden, dass die Abteilung für Lohnsteuerprüfung nichts vom "Vergleich" wisse und die Vorschreibung der Lohnabgaben vorsehe. Die H‑GmbH hätte (vor dem Ergehen der Berufungsvorentscheidung vom 31. Mai 2001) nicht damit gerechnet, dass der Berufung (betreffend Lohnabgaben) nicht stattgegeben werde.
Im Berufungsverfahren betreffend die Lohnabgaben brachte die H‑GmbH in der Eingabe vom 27. Februar 2001 vor, es sei ein "allumfassender Vergleich" mit dem Finanzamt geschlossen worden, welcher auch die Lohnabgaben erfasse. Nur die Lohnsteuer für 1998 und 1999 könne außerhalb des "allumfassenden Vergleichs" vorgeschrieben werden. Die Behörde könne nicht davon ausgehen, dass die Lohnabgaben nicht Gegenstand des "Vergleiches" gewesen wären. Die Behörde sei der Ansicht, dass die Lohnabgaben Gegenstand eines anhängigen Berufungsverfahren seien, in welches nicht eingegriffen werden könne. Hier widerspreche sich die Behörde sachlich und tatsächlich, zumal das Berufungsverfahren betreffend die Lohnabgaben (1995 bis 1998) auch das Jahr 1998 umfasse, welches aber (zusammen mit dem Jahr 1999) in Punkt 6 der Niederschrift über die Schlussbesprechung betreffend Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer 1994 bis 1998 angesprochen sei.
Bei der gegebenen Sachlage kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgegangen ist, dass der H‑GmbH (bzw ihrem Vertreter) ein allfälliger Irrtum (betreffend die Nichterhebung von Lohnabgaben) bereits im Februar 2001 hätte auffallen müssen. Abgesehen davon, dass die sich aus den Rechtsmittelverzichten betreffend H‑GmbH, E‑GmbH und E‑KG ergebenden Nachforderungen in Summe ohnedies weniger betragen als die von der H‑GmbH in ihrer Berufung genannten Gesamtsumme von 5,3 Mio S, ist darauf zu verweisen, dass die H‑GmbH aufgrund der Mitteilungen des Gruppenleiters der Betriebsprüfungsabteilung Überlegungen hätte anstellen müssen, ob tatsächlich Lohnabgaben, die im Rechtsmittelverzicht nicht angeführt sind, Gegenstand der Absprache mit dem Finanzamt gewesen sind, und auf welcher rechtlichen Grundlage das Finanzamt ein Berufungsverfahren betreffend die Lohnabgaben stattgebend erledigen sollte. In der Vorhaltsbeantwortung vom 1. Oktober 2002 räumt die H‑GmbH bereits ‑ entgegen ihrem Berufungsvorbringen ‑ ein dass die Lohnsteuer für 1998 und 1999 zusätzlich zum "allumfassenden Vergleich" von 5,3 Mio S vorzuschreiben sei. Dabei nimmt die H‑GmbH Bezug auf die Niederschrift zur Schlussbesprechung über die Betriebsprüfung betreffend Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer 1994 bis 1999, in welcher sich der Vermerk findet, dass bestimmte Lohnaufwendungen bei Berechnung des Gewinnes gewinnmindernd anerkannt wurden (nach Ansicht der Prüfer sei ein Teil der als "Fremdleistungen" an selbständige ungarische Unternehmer geltend gemachten Betriebsausgaben fingiert, ein anderer Teil auf Personen entfallend, die als Dienstnehmer zu qualifizieren seien) und die anerkannten Lohnaufwendungen 1998 und 1999 durch die Lohnsteuerprüfung nachzuversteuern seien. Von diesem Vermerk in der Niederschrift über die Schlussbesprechung abzuleiten, dass das Finanzamt auf Lohnabgabe für andere Jahre habe verzichten wollen, ist aber nicht nachvollziehbar, zumal die mit Berufung bekämpfte Lohnsteuernachforderung auch aus völlig anderen Umständen resultierende Nachforderungen enthält, wie etwa die in den Jahren 1995 bis 1997 drei Service‑Technikern gewährten und bislang lohnsteuerlich nicht erfassten Sachbezüge (Pkw‑Überlassung).
Soweit in der Beschwerde vorgebracht wird, die Aussagen des Gruppenleiters der Betriebsprüfungsabteilung (vom Februar 2001) seien nicht dem Finanzamt zuzurechnen und jedenfalls nicht verbindlich, wird verkannt, dass es im gegenständlichen Fall nicht darum geht, ob der Gruppenleiter in der Lage war, normative, das Finanzamt bindende Akte zu setzen. Entscheidend ist ausschließlich, dass der genannte Beamte die H‑GmbH informiert hat. Aufgrund dieser Information ist der H‑GmbH ein allfälliger Irrtum aufgefallen oder hätte ihr ein solcher auffallen müssen, wodurch jedenfalls die Frist für die Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages in Lauf gesetzt wurde.
Unzutreffend ist das (ohnedies in einem nicht nachvollziehbaren Zusammenhang zum Beschwerdefall stehende) Beschwerdevorbringen, das Finanzamt sei bei Erlassung der Berufungsvorentscheidung für die Finanzlandesdirektion tätig. Aus § 276 Abs 1 BAO ergibt sich, dass die Abgabenbehörde erster Instanz berechtigt ist, über die Berufung mit Berufungsvorentscheidung abzusprechen.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II 333/2003. Der angesprochene Vorlageaufwand war nicht zuzuerkennen, weil die Aktenvorlage nicht in diesem Verfahren, sondern im hg Verfahren Zl 2003/14/0010 erfolgte.
Wien, am 16. März 2005
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