VwGH 2001/19/0089

VwGH2001/19/008922.10.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des am 20. Juni 1973 geborenen HM in W, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2. August 2001, Zl. 112.854/3-III/11/01, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs3 idF 1998/I/158;
FrG 1997 §14 Abs2;
VwRallg;
AVG §13 Abs3 idF 1998/I/158;
FrG 1997 §14 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 2. August 2001 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 26. September 2000 auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 14 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei im Jahr 1991 in das Bundesgebiet eingereist und habe einen Antrag auf Gewährung von Asyl eingebracht. Diesen Antrag habe er am 4. November 1993 wiederum zurückgezogen. Anträge auf Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen vom 16. Dezember 1993 und vom 25. Mai 1994 seien mit in Rechtskraft erwachsenen Bescheiden abgewiesen worden.

Der Beschwerdeführer sei noch nie im Besitz eines Sichtvermerkes oder einer Aufenthaltsbewilligung gewesen. Sein Antrag vom 26. September 2000 sei daher als solcher auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung zu werten gewesen, für welchen § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 maßgeblich sei. Demnach hätte der Beschwerdeführer diesen Antrag vor seiner Einreise nach Österreich vom Ausland aus stellen müssen. Diese Voraussetzung habe der Beschwerdeführer nicht erfüllt, weil er sich seit seiner Antragstellung durchgehend im Bundesgebiet aufhalte. § 14 Abs. 2 FrG 1997 entspreche im Wesentlichen dem § 6 Abs. 2 AufG. Zu der letztgenannten Bestimmung habe der Verwaltungsgerichtshof judiziert, dass die Antragstellung vor der Einreise auch für ehemalige Asylwerber - trotz eventueller Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz - von wesentlicher Bedeutung sei und eine nicht dem Gesetz entsprechende Antragstellung zur Abweisung des Antrages führe. Der Gesetzgeber habe bereits bei Erlassung dieser Bestimmung auf die persönlichen Verhältnisse der Antragsteller Rücksicht genommen und die Regelung eines geordneten Zuwanderungswesens über die persönlichen Verhältnisse gestellt. Da dem Gesetzgeber des FrG 1997 - Gegenteiliges ergebe sich auch nicht aus den Materialien - nicht zu unterstellen sei, dass die Beweggründe zur Erlassung des § 14 Abs. 2 FrG 1997 einen anderen Hintergrund hätten als die, die zur Erlassung des § 6 Abs. 2 AufG geführt hätten, könne davon ausgegangen werden, dass ein weiteres Eingehen auf die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers auch im Hinblick auf Art. 8 MRK entbehrlich sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer erachtet sich erkennbar in seinem Recht auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung verletzt.

Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 14 Abs. 2, § 23 Abs. 1 und 5 und § 28 Abs. 5 FrG 1997 lauten (auszugsweise):

"§ 14. ...

(2) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels sind vor der Einreise vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag kann im Inland gestellt werden, wenn der Antragsteller bereits niedergelassen ist, und entweder bisher für die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes keinen Aufenthaltstitel benötigte oder bereits über einen Aufenthaltstitel verfügt hat; ...

...

§ 23. (1) Fremden, die nach Ablauf der Gültigkeitsdauer ihrer Niederlassungsbewilligung auf Dauer niedergelassen bleiben, ist - sofern die Voraussetzungen des 2. Abschnittes weiterhin gesichert scheinen - auf Antrag eine weitere Niederlassungsbewilligung mit demselben Zweckumfang zu erteilen. ...

...

(5) Eine weitere Niederlassungsbewilligung ist auch solchen Fremden auf Antrag zu erteilen, die auf Dauer niedergelassen bleiben, für die Niederlassung aber bisher keiner Niederlassungsbewilligung bedurften, weil sie auf Grund des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997, zum dauernden Aufenthalt berechtigt waren oder weil sie Niederlassungsfreiheit genossen; die Abs. 2 und 4 gelten.

...

§ 28. ...

...

(5) Fremde, denen in Österreich Asyl gewährt wird, genießen Sichtvermerksfreiheit. Fremde, die sonst auf Grund der Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind, benötigen hiefür keinen Einreise- oder Aufenthaltstitel."

§ 13 Abs. 3 AVG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 lautet:

"§ 13. ...

...

(3) Mängel schriftlicher Anbringen ermächtigen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden, angemessenen Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht."

In der Fassung des § 13 Abs. 3 AVG vor dieser Novellierung bezogen sich die Anordnungen des § 13 Abs. 3 AVG lediglich auf "Formgebrechen" schriftlicher Anbringen.

In den Materialien zur Novellierung des § 13 Abs. 3 AVG, AB 1167 BlgNR 20. GP, 23 ff, heißt es zu § 13 (auszugsweise):

"Nach der geltenden Fassung des § 13 Abs. 3 AVG ist ein Mängelbehebungsauftrag nur im Fall eines Formgebrechens zulässig. Diese Beschränkung hat zur Folge, dass die Behörde Anträge, die an inhaltlichen Mängeln (Fehlen eines Antrages oder einer Begründung, Fehlen der Bezeichnung des bekämpften Bescheides u. dgl.) leiden, zurückzuweisen hat, was die von der Partei begehrte Sachentscheidung entweder verzögert oder ihr auf Dauer entgegensteht. In der Lehre wurde ferner darauf hingewiesen, dass die Unterscheidung zwischen formellen und materiellen Mängeln im Einzelnen schwierig ist (vgl. Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht6 (1995), Rz. 160). Ein Vergleich mit anderen Verfahrenssystemen (ZPO, BAO, VfGG, VwGG) zeigt schließlich, dass diese zwar durchwegs dasselbe Begriffspaar verwenden, die Grenzziehung zwischen - verbesserungsfähigen - formellen und - nicht verbesserungsfähigen - inhaltlichen Mängeln jedoch nicht selten in einer vom AVG abweichenden Weise erfolgt (vgl. zB § 18 VfGG, wo die allgemeinen Antragserfordernisse des § 15 VfGG ausdrücklich als Formerfordernisse bezeichnet werden).

Vor diesem Hintergrund soll die Differenzierung zwischen formellen und materiellen Mängeln aufgegeben werden und jeder prinzipiell verbesserungsfähige Mangel eines Anbringens einer Verbesserung zugänglich sein. Dadurch soll insbesondere für die nicht durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter vertretenen rechtsunkundigen Parteien der Zugang zum Recht verbessert werden. In diesem Zusammenhang erscheint bemerkenswert, dass eine entsprechende Erweiterung der Verbesserungsmöglichkeiten im Zivilprozess bereits im Jahr 1983 durch die Zivilverfahrens-Novelle 1983 vorgenommen worden ist; dies obwohl der Zivilprozess im Gegensatz zum Verwaltungsverfahren vom Dispositionsgrundsatz beherrscht ist und obwohl darin in der Regel Anwaltspflicht besteht.

'Mängel', die das Anbringen nicht unzulässig machen, sondern nur seine Erfolgsaussichten beeinträchtigen, werden durch die Neuformulierung des Abs. 3 nicht erfasst. Die Behörde trifft daher auch keine Verpflichtung, die Partei anzuleiten, ihren Antrag so zu formulieren, dass ihm allenfalls stattgegeben werden kann. Ob eine bestimmte 'Mangelhaftigkeit' eines Anbringens dessen Zurückweisung oder Abweisung zur Folge hat (mit anderen Worten: ob ein bestimmter 'Mangel' einem Mängelbehebungsverfahren zugänglich ist oder nicht), ergibt sich nicht aus Abs. 3, sondern aus jenen Rechtsvorschriften, die an das Vorliegen dieses 'Mangels' bestimmte Rechtsfolgen knüpfen."

Der Beschwerdeführer behauptet, er sei während der Dauer seines Asylverfahrens nach asylrechtlichen Bestimmungen (vorläufig) zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt gewesen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 4. Februar 2000, Zl. 98/19/0317, mit näherer Begründung, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, darlegte, eröffnet der Umstand, dass ein Fremder während der Dauer seines Asylverfahrens zum vorläufigen Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist, nicht die Möglichkeit der Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung gemäß § 23 Abs. 5 FrG 1997. Da der Beschwerdeführer auch nicht behauptet, über eine sonstige Berechtigung zum Aufenthalt in Österreich verfügt zu haben, wertete die belangte Behörde seinen Antrag vom 26. September 2000 zutreffend als solchen auf Erteilung eine Erstniederlassungsbewilligung, für welchen § 14 Abs. 2 FrG 1997 maßgeblich war.

Der Beschwerdeführer meint nun, in seinem Fall sei § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 nicht anwendbar, habe er doch gemäß § 28 Abs. 5 zweiter Satz FrG 1997 bis zur Zurückziehung seines Asylantrages zum Aufenthalt keinen Aufenthaltstitel benötigt, sodass die Ausnahmebestimmung des zweiten Satzes des § 14 Abs. 2 FrG 1997 zum Tragen komme.

Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:

Wie der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls in seinem Erkenntnis vom 4. Februar 2000, Zl. 98/19/0317, ausführte, handelt es sich bei Fremden, die nach dem Asylgesetz 1991 oder 1997 vorläufig aufenthaltsberechtigt waren (und hiefür im Verständnis des § 28 Abs. 5 zweiter Satz FrG 1997 keinen Einreise- oder Aufenthaltstitel benötigten), im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers nicht um solche, die im Sinne des § 14 Abs. 2 zweiter Satz FrG 1997 bereits niedergelassen sind und bisher für die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes keinen Aufenthaltstitel benötigten. Auch auf die diesbezüglichen Entscheidungsgründe des zitierten Erkenntnisses, welche auch auf eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1968 zutreffen, wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Demnach war für den Beschwerdeführer § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 maßgebend. Diese Anordnung gilt nämlich auch für Fremde, die vor ihrer Antragstellung auf Erteilung einer Bewilligung während der Dauer eines Asylverfahrens vorläufig aufenthaltsberechtigt waren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Juni 2001, Zl. 2001/19/0001).

Der Beschwerdeführer vertritt weiters die Auffassung, bei der in dieser Gesetzesbestimmung umschriebenen Voraussetzung handle es sich um eine "formale Voraussetzung" für den Erhalt einer Erstniederlassungsbewilligung. Jedenfalls stelle eine Antragstellung vom Inland aus einen "Mangel" des Antrages im Verständnis des § 13 Abs. 3 AVG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 dar. Die belangte Behörde wäre daher auch im Berufungsverfahren verpflichtet gewesen, den Beschwerdeführer zur Behebung dieses "Mangels" gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufzufordern.

Diese Auffassung ist unzutreffend:

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 23. März 1999, Zl. 98/19/0269, mit näherer Begründung, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausführte, ist § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 als Anordnung an die entscheidende Behörde aufzufassen, die beantragte Rechtsgestaltung durch Erteilung eines Aufenthaltstitels nur dann vorzunehmen, wenn der Antrag vor der Einreise des Antragstellers in das Bundesgebiet vom Ausland aus gestellt wurde, wobei die Erledigung grundsätzlich vom Ausland aus abzuwarten ist. § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 umschreibt auf diese Weise ein Verhalten des Fremden, welches eine Erfolgsvoraussetzung für den Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung darstellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgesprochen, dass das Fehlen der vergleichbaren Erfolgsvoraussetzung des § 6 Abs. 2 erster Satz AufG keinen gemäß § 13 Abs. 3 AVG in seiner Fassung vor Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 verbesserungsfähigen "Formmangel" darstellt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 28. August 1998, Zl. 96/19/3207).

Im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers ergibt sich aber auch für die Rechtslage nach der Novellierung des § 13 Abs. 3 AVG durch das BGBl. I Nr. 158/1998 nichts Anderes:

Wie aus den oben wiedergegebenen Erläuterungen zu dieser Gesetzesbestimmung unzweifelhaft hervorgeht, stellt das zur meritorischen Erledigung des Antrages durch seine Abweisung führende Fehlen einer Erfolgsvoraussetzung keinen "Mangel eines schriftlichen Anbringens" im Verständnis des § 13 Abs. 3 AVG in seiner novellierten Fassung dar.

Ob es sich bei einer im Gesetz umschriebenen Voraussetzung aber um einen (zur Zurückweisung des Antrages führenden) "Mangel", oder aber um das (zur Antragsabweisung führende) Fehlen einer Erfolgsvoraussetzung handelt, ist - wie diese Materialien zeigen - nicht durch Auslegung des § 13 Abs. 3 AVG, sondern durch die Auslegung der jeweiligen Bestimmung des Materiengesetzes zu ermitteln. § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 konstituiert aber - wie sich aus der zitierten Vorjudikatur ergibt - keinen Zurück-, sondern einen Abweisungsgrund. Die Novellierung des § 13 Abs. 3 AVG durch das BGBl. I Nr. 158/1998 hat daran nichts geändert.

Daraus folgt aber, dass die Niederlassungsbehörden vorliegendenfalls nicht gehalten waren, den Beschwerdeführer etwa aufzufordern, vor Antragstellung das Bundesgebiet zu verlassen und den Erfolg seines Antrages im Ausland abzuwarten.

Schließlich rügt der Beschwerdeführer, die belangte Behörde habe es entgegen § 45 Abs. 3 AVG verabsäumt, ihm Parteiengehör einzuräumen. Der Beschwerdeführer legt allerdings die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dar, weil er - mit Ausnahme der oben wiedergegebenen, zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung führenden Beschwerdebehauptungen - kein weiteres Tatsachenvorbringen vor dem Verwaltungsgerichtshof erstattet.

Da schon der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch des Berichters über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 22. Oktober 2001

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