VwGH 93/07/0078

VwGH93/07/007827.9.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde der U in G, vertreten durch Mag. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 7. Juni 1993, Zl. 512.028/01-I5/93, betreffend Zurückweisung eines Antrags auf Übergang der Entscheidungspflicht (mitbeteiligte Parteien: E und P, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in G), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4;
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
AVG §8;
B-VG Art132;
VwGG §27;
WRG 1959 §117 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
AVG §8;
B-VG Art132;
VwGG §27;
WRG 1959 §117 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und den mitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid vom 30. November 1988 setzte der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft im Wege der Devolution für die Wasserversorgungsanlage der Beschwerdeführerin in G. ein engeres und ein erweitertes Schutzgebiet gemäß § 34 Abs. 1 WRG 1959 fest. Unter Spruchpunkt II dieses Bescheides wurde unter anderem darüber abgesprochen, daß das Verfahren über die den mP "dafür allenfalls gebührende Entschädigung nach § 38 AVG 1950 ausgesetzt wird und der Abspruch darüber gemäß § 117 Abs. 2 WRG 1959 einem eigenen erstinstanzlichen Nachtragsverfahren vorbehalten bleibt".

2. Die von den mP gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ist mit Beschluß vom 29. April 1989, Zlen. 89/07/0017, 0018, infolge Fehlens der Möglichkeit der Verletzung der vom Beschwerdepunkt umfaßten subjektiven Rechte der Beschwerdeführerin als unzulässig zurückgewiesen worden.

3. Mit Datum 15. März 1990 erließ die Bezirkshauptmannschaft von Deutschlandsberg (kurz: BH D.), gestützt auf § 34 Abs. 1 und 4, § 98 und § 102 Abs. 2 lit. b und Abs. 3 WRG 1959, einen Bescheid, mit dem sie den Antrag der mP vom 9. Juli 1989 auf Einleitung eines Nachtragverfahrens gemäß § 117 Abs. 2 und § 34 Abs. 4 WRG 1959 und die Zuerkennung einer Sachentschädigung in Form der Schaffung eines Weges über das Grundstück 524, KG G., durch die Beschwerdeführerin, die zum Ersatz des den mP zugefügten Schadens verpflichtet sei, als unzulässig zurückwies. Begründet wurde die Entscheidung damit, daß den mP keine Parteistellung (als Servitutberechtigte) zukomme.

4. Der dagegen von den mP erhobenen Berufung gab der Landeshauptmann von Steiermark mit Bescheid vom 2. Juli 1990 gemäß § 66 Abs. 4 AVG Folge und behob den erstinstanzlichen Bescheid.

5. Auf Grund einer von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 10. Dezember 1991, Zl. 90/07/0116, den Bescheid des Landeshauptmannes wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf.

6. Mit Eingabe vom 24. April 1992 begehrte die Beschwerdeführerin gemäß § 63 VwGG vom Landeshauptmann von Steiermark die Erlassung eines Ersatzbescheides.

7. Mit Schriftsatz vom 11. August 1992 stellte die Beschwerdeführerin einen Devolutionsantrag und verwies auf die ihrer Meinung nach auch ihr gegenüber bestehende Entscheidungspflicht nach § 63 VwGG und § 73 AVG.

8. Am 16. Februar 1993 erhob die Beschwerdeführerin Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

9. Hierauf erließ die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid innerhalb der vom Gerichtshof gesetzen Frist, sodaß das zu hg. Zl. 93/07/0025 protokollierte Verfahren wegen Verletzung der Entscheidungspflicht mit Beschluß vom 22. Juni 1993 gemäß § 36 Abs. 2 VwGG einzustellen war. Die belangte Behörde wies mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag der Beschwerdeführerin auf Übergang der Entscheidungspflicht "mangels Parteistellung" zurück. Im wesentlichen begründete sie diese Entscheidung nach Wiedergabe der maßgeblichen Bestimmungen des § 73 AVG damit, daß unbestritten sei, daß der Beschwerdeführerin im "Verfahren auf Entschädigungsfestlegung an sich Parteistellung" zukomme. Nach Ansicht der belangten Behörde reiche jedoch diese (Parteistellung) im Verwaltungsverfahren nicht soweit, daß daraus ein Anspruch auf Entscheidung über eine "seitens des Rechtsgegners eingebrachte Berufung" abgeleitet werden könne. Aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 73 Abs. 2 AVG sei nach Ansicht der belangten Behörde ableitbar, daß eine Person, "die nicht Antragstellerin und nicht Berufungsgegnerin" sei, keine Verletzung der Entscheidungspflicht geltend machen könne. Da die Beschwerdeführerin weder "Entschädigungswerberin" noch "Rechtsmittelgegnerin" sei, könne diese auch nicht die Entscheidungspflicht geltend machen. Ferner gehe aus den Verwaltungsakten hervor, daß der Bescheid der BH D. (offenbar gemeint: der Bescheid vom 15. März 1990), mit dem der Antrag der mP "auf Zuerkennung einer Sachentschädigung" aufgrund mangelnder Parteistellung zurückgewiesen worden sei, lediglich von dieser mittels Berufung bekämpft worden sei, sodaß die Beschwerdeführerin auch nicht als Berufungswerberin anzusehen sei. Ein "Eingriff in die Rechtssphäre der Beschwerdeführerin" liege daher nicht vor, weil über die "beantragte Entschädigung" und über (offenbar gemeint: damit zusammenhängende) Einwendungen nicht abgesprochen worden sei; dies wäre nur dann möglich, wenn den mP "rechtskräftig Parteistellung zuerkannt" worden wäre.

10. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem "gesetzlich gewährleisteten Recht gemäß § 73 AVG und § 63 VwGG auf Erlassung eines Ersatzbescheides in Gefolge des (hg.) Erkenntnisses vom 10. Dezember 1991, Zl. 90/07/0116" verletzt. Im Zusammenhang mit dem übrigen Beschwerdevorbringen ergibt sich jedoch, daß sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht, als Partei in dem von der belangten Behörde auf Grund des erwähnten hg. Erkenntnisses vom 10. Dezember 1991 fortzusetzenden Verfahrens anerkannt zu werden, verletzt erachtet und daraus in weiterer Folge einen Rechtsanspruch auf eine Sachentscheidung durch den Ersatzbescheid für ihre Person ableitet.

11. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift und die mP eine "Gegenäußerung" erstattet, worin sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 8 AVG 1991 sind Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht, Beteiligte und, soweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruchs oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, Parteien. Im vorliegenden Fall steht auf Grund des erwähnten hg. Erkenntnisses vom 10. Dezember 1991 eine Entscheidung über den Berufungsantrag der mP gegen die Entscheidung der BH D. vom 15. März 1990 noch aus, wodurch die Parteistellung der mP im gemäß § 117 Abs. 2 WRG 1959 vorbehaltenen Entschädigungsverfahren endgültig geklärt werden sollte.

Obwohl die belangte Behörde im Spruch des angefochtenen Bescheides den Antrag der Beschwerdeführerin "mangels Parteistellung" zurückwies, zeigt sich im Zusammenhang mit wesentlichen Teilen der Bescheidbegründung, daß die belangte Behörde nicht die Parteistellung der Beschwerdeführerin in Frage stellen wollte. Sie bringt dies insbesondere mit der Feststellung, "daß der Devolutionswerberin im Verfahren auf Entschädigung an sich Parteistellung zukommt", zum Ausdruck. Durch den Hinweis der belangten Behörde, daß die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 73 Abs. 2 AVG "eine Auslegung, der zufolge eine Person, die nicht Antragstellerin und nicht Berufungswerberin ist, die Verletzung der Entscheidungspflicht geltend machen könnte", nicht zulasse, zeigt, daß die belangte Behörde in Wahrheit nicht über die Parteistellung der Beschwerdeführerin schlechthin, sondern deren Antragslegitimation im Verfahren nach § 73 AVG im Spruch des angefochtenen Bescheides absprechen wollte. Aus dieser Verwechslung der Begriffe wurde jedoch nicht in subjektive Rechte der Beschwerdeführerin eingegriffen, da der Spruch des angefochtenen Bescheides dahingehend auszulegen ist, daß die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin mangels Antragslegitimation im Verfahren nach § 73 AVG zurückgewiesen hat. Der Hinweis auf die mangelnde Parteistellung im Spruch des angefochtenen Bescheides ist daher ohne weitere Bedeutung und hat keinen Einfluß auf die Parteistellung der Beschwerdeführerin im Entschädigungsverfahren. Es erübrigt sich daher auch ein weiteres Eingehen auf die zur Untermauerung ihrer Parteistellung von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argumente.

2. Die Beschwerdeführerin behauptet, daß ein zulässiger Devolutionsantrag von jeder Partei des Verfahrens gestellt werden könne, die im Verfahren einen Erledigungsanspruch habe. Im Mehrparteienverfahren bestehe auch ein Anspruch, daß über die Berufung "einer anderen Partei" entschieden werde. Dieser Anspruch sei jedenfalls immer dann anzunehmen, wenn die antragstellende Partei durch die Säumnis der Berufungsbehörde in ihren rechtlichen Interessen betroffen sei. Es gehöre zur ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß der Berufungsgegner ein Recht zur Stellung eines Berufungsantrages habe.

Die Beschwerdeführerin übersieht bei ihren Ausführungen, daß es im beschwerdegegenständlichen Verfahren nicht um die Frage einer allfälligen Entschädigung, sondern um die Frage der Parteistellung der mP in einem Entschädigungsverfahren geht. Die mP stellten zunächst den Antrag auf Entschädigung und brachten in der Folge auch die Berufung gegen die Entscheidung der BH D. vom 15. März 1990 ein. Bei dieser Konstellation kommt aber einer Partei, die im Verwaltungsverfahren weder Antragsteller noch Rechtsmittelwerber ist, eine Geltendmachung der Entscheidungspflicht nicht zu; die Rechtstellung jener Partei, gegen welche sich ein Antrag richtet, bleibt nämlich solange unberührt, als ein dem Begehren des Antragstellers stattgebender und die Einwendungen des Antragsgegners verwerfender behördlicher Abspruch noch nicht ergangen ist (vgl. unter anderem das hg. Erkenntnis vom 20. April 1993, Zlen. 91/07/0148, 92/07/0218 mit weiteren Judikaturhinweisen). Die belangte Behörde kommt daher im Ergebnis zutreffend zu dem Schluß, daß die Beschwerdeführerin zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht über die allfällige Parteistellung der mP nach § 73 AVG nicht berechtigt und daher ihr Antrag zurückzuweisen war.

3. Die Beschwerdeführerin rügt zu Recht, daß die belangte Behörde in weiterer Folge ihre Entscheidung auch mit dem Argument begründet, die Beschwerdeführerin sei keine Rechtsmittelgegnerin, obwohl sie selbst die Parteistellung der Beschwerdeführerin in ihrer Begründung zutreffend bejahte. Da die belangte Behörde auch bei Vermeidung dieser, unter dem Gesichtspunkt der Aktenwidrigkeit und eines wesentlichen Begründungsmangels vorgebrachten Verfahrensrüge nicht zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können (vgl. die im vorstehenden Punkt angeführte hg. Judikatur), vermag die Beschwerdeführerin nicht die Wesentlichkeit der aufgezeigten Verletzung von Verfahrensvorschriften darzutun.

4. Schließlich ist zum Einwand der Unzuständigkeit der belangten Behörde wegen möglicher verspäteter Erlassung des angefochtenen Bescheides im Zuge der beim Verwaltungsgerichtshof unter Zl. 93/07/0025 anhängig gewesenen Säumnisbeschwerde zu bemerken, daß die vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 36 Abs. 2 VwGG aufgetragene dreimonatige Frist am 12. Juni 1993 endete, der angefochtene Bescheid jedoch noch rechtzeitig, nämlich am 11. Juni 1993, durch Zustellung an die Beschwerdeführerin erlassen wurde. Die in eventu gerügte Unzuständigkeit der belangten Behörde liegt daher nicht vor.

5. Aus den dargelegten Erwägungen war daher die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 und Abs. 3 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

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