VwGH 89/17/0151

VwGH89/17/015127.2.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde des N in H, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 29. März 1989, Zl. Fin-133/26/88, betreffend Fremdenverkehrsabgabe, zu Recht erkannt:

Normen

FremdenverkehrsabgabeG Krnt 1970 §4 Abs3;
FremdenverkehrsabgabeG Krnt 1976 §3;
FremdenverkehrsabgabeG Krnt 1976 §4 Abs1 idF 1986/002;
FremdenverkehrsabgabeG Krnt 1976 §4 Abs1;
FremdenverkehrsabgabeG Krnt 1976 §4 Abs2 idF 1986/002;
FremdenverkehrsabgabeG Krnt 1976 §4;
FremdenverkehrsabgabeG Krnt 1976 §8;
FremdenverkehrsabgabeG Krnt 1976 §9 Abs3;
FremdenverkehrsabgabeG Krnt 1976 Anl GrpG;
LAO Krnt 1983 §89;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1992:1989170151.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde vom 4. Oktober 1988 wurde der Beschwerdeführer "gem. § 9 in Verbindung mit §§ 3 und 4 des Fremdenverkehrsabgabengesetzes LGBl. Nr. 100/1976 in der derzeit geltenden Fassung für das Jahr 1988 aufgrund der selbständigen Erwerbstätigkeit und der Einkünfte aus/als Land- und Forstwirtschaft für die Betriebsstätte(n) in der o.a. Gemeinde in der Abgabengruppe G eingestuft" und ihm für dieses Jahr eine Fremdenverkehrsabgabe in Höhe von S 366,-- vorgeschrieben.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die Kärntner Landesregierung die Berufung als unbegründet ab. Sie führte hiezu nach Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Juni 1973, B 17, 18/73-10 (VfSlg. 7082/1973), im wesentlichen aus, die Rechtsvermutung des § 4 leg. cit. gelte auch für die in die Abgabegruppe G einzuordnenden land- und forstwirtschaftlichen Betriebe, was sich auch aus der Bestimmung des § 8 leg. cit. ergebe. Die dem Betroffenen zukommenden wirtschaftlichen Vorteile aus dem Fremdenverkehr könnten sowohl unmittelbar, wenn nämlich die Fremden direkt mit der betreffenden Person in wirtschaftliche Beziehungen träten, als auch mittelbar erwachsen, wenn durch die Fremden in einem Bereich ein Hebung der wirtschaftlichen Lage eintrete, die wieder auf andere Geschäftszweige belebend wirke. So sei - im Sinne eines näher genannten höchstgerichtlichen Erkenntnisses - anzunehmen, daß der gesteigerte Fremdenverkehr zweifellos eine gesteigerte Bautätigkeit bewirke, die wiederum eine erhöhte Inanspruchnahme von Sägewerken zur Folge habe. Es sei der Schluß zulässig, daß der Forstbetrieb des Beschwerdeführers im Ausmaß von 604 Hektar "z.B. das Sägewerk und dieses den Baumeister beliefert, der seinerseits direkt bei Bauten an Hotels, Gasthäusern, Geschäften, ja auch bei Privaten beschäftigt ist, die ihrerseits ihren Erwerb direkt aus dem Fremdenverkehr beziehen, denn ohne Fremdenverkehr könnte keiner der Genannten den Baumeister und damit auch den Forstbetrieb beschäftigen". Der Nutzen aus der mittelbaren Beziehung des Beschwerdeführers zu den Fremden sei daher konkret auf den Fremdenverkehr zurückführbar, womit auch die Abgabepflicht begründet sei. Abschließend müsse festgestellt werden, daß es sich im gegenständlichen Fall keineswegs um eine atypische Erscheinung im Sinne des oben zitierten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes handle und die Behauptung des Beschwerdeführers, es läge konkret eine solche Ausnahme vor, nicht habe verifiziert werden können.

Diesen Bescheid bekämpfte der Beschwerdeführer zunächst vor dem Verfassungsgerichtshof, der jedoch mit Beschluß vom 21. Juni 1989, B 550/89-4, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach dem Inhalt seines Vorbringens in seinem Recht verletzt, zur Entrichtung von Fremdenverkehrsabgabe nicht herangezogen zu werden. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 3 Abs. 1 erster Satz des Kärntner Fremdenverkehrsabgabegesetzes 1976, LGBl. Nr. 100 (FrVAG), haben die selbständig Erwerbstätigen (natürliche und juristische Personen, Personengemeinschaften), die aus dem Fremdenverkehr Nutzen ziehen und Einkünfte gemäß § 2 Abs. 3 Z. 1, 2 und 3 des Einkommensteuergesetzes 1972 erzielen, eine jährliche Fremdenverkehrsabgabe zu leisten. Die Unterhaltung einer Betriebsstätte (§§ 27 und 28 der Landesabgabenordnung 1983) gilt gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle als selbständige Erwerbstätigkeit.

Gemäß § 4 Abs. 1 FrVAG idF. LGBl. Nr. 2/1986 besteht dann, wenn von einem Abgabepflichtigen eine der in den Abgabegruppen der Anlage aufgezählten oder eine ähnliche Tätigkeit ausgeübt wird, die Vermutung, daß er Nutzen aus dem Fremdenverkehr zieht. Zieht ein Abgabepflichtiger, der eine der in der Anlage aufgestellten (gemeint offenbar: aufgezählten) Tätigkeiten oder eine ähnliche Tätigkeit ausübt, aus dem Fremdenverkehr keinen Nutzen, so hat er dies gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle glaubhaft zu machen.

Gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. in der genannten Fassung hat der Bürgermeister alljährlich die Abgabepflichtigen in der Gemeinde aufzufordern, über den im zweitvorangegangenen Jahr erzielten abgabepflichtigen Umsatz bis spätestens Ende März eine Abgabenerklärung abzugeben. Der Fremdenverkehrsabgabenerklärung sind über Verlangen des Bürgermeisters Unterlagen anzuschließen, auf Grund derer die in der Abgabenerklärung enthaltenen Angaben überprüft werden können.

Nach Abs. 3 dieser Gesetzesstelle kann der Abgabepflichtige zusammen mit der Abgabenerklärung nach § 4 Abs. 2 glaubhaft machen, daß er aus dem Fremdenverkehr keinen Nutzen zieht.

Gemäß § 9 Abs. 3 leg. cit. sind Abgabepflichtige, für deren Tätigkeit sich eine Ähnlichkeit zu einer der in der Anlage aufgezählten Tätigkeiten nicht finden läßt, in die Abgabegruppe G einzustufen.

Nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Juni 1969, VfSlg. 5995/69, sowie das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 1988, Zl. 86/17/0117, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung) zieht ein Abgabepflichtiger nur dann aus dem Fremdenverkehr Nutzen, wenn das Erträgnis einer Erwerbstätigkeit in einer KONKRET MESZBAREN Weise auf den Fremdenverkehr zurückzuführen ist. Der Gesetzgeber stellt also bei Umschreibung der Abgabepflicht (und bei der Einstufung der Abgabepflichtigen) auf den speziellen Fremdenverkehrsnutzen dieser Personen ab. Allerdings muß der Fremdenverkehrsnutzen nicht auf einer unmittelbaren Beziehung des Erwerbstätigen zu den Fremden beruhen, sondern kann auch auf eine mittelbare Beziehung zurückzuführen sein, insofern das Erträgnis der Tätigkeit konkret auf den Fremdenverkehr zurückgeführt werden kann.

Auszugehen ist davon, daß der Beschwerdeführer unbestrittenermaßen in die Abgabegruppe G einzustufen ist. Dies setzt voraus, daß sich für seine Tätigkeit eine Ähnlichkeit zu einer der in der Anlage aufgezählten Tätigkeiten NICHT finden läßt (§ 9 Abs. 3 FrVAG). Daraus folgt aber, daß die Rechtsvermutung des § 4 leg. cit. im Beschwerdefall - entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Auffassung - nicht zum Tragen kommt, weil diese Rechtsvermutung nach Abs. 1 der zuletzt genannten Gesetzesstelle nur dann besteht, wenn von einem Abgabepflichtigen eine der in den Abgabegruppen der Anlage aufgezählten oder eine ähnliche Tätigkeit ausgeübt wird. Weiters ist es dem Beschwerdeführer auch nicht auferlegt, im Sinne des § 4 Abs. 2 leg. cit. eine solche Rechtsvermutung von Tatsachen durch Glaubhaftmachung eines anderen Sachverhaltes zu entkräften. Vielmehr gelten in einem so gelagerten Fall uneingeschränkt die Grundsätze der amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit und der Gewährung des Parteiengehörs nach § 89 der Kärntner Landesabgabenordnung 1983, LGBl. Nr. 36 (vgl. hiezu das Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 88/17/0036).

An diesem Ergebnis vermögen auch die weiteren von der belangten Behörde herangezogenen Argumente nichts zu ändern. Insbesondere kann das von der belangten Behörde gewünschte Ergebnis entgegen ihrer Auffassung nicht aus § 8 leg. cit. hergeleitet werden. § 8 leg. cit. enthält lediglich Verfahrensvorschriften, die nichts darüber aussagen, für wen die Vermutung des § 4 leg. cit. gilt. Darüber hinaus ist zu beachten, daß sich das FrVAG insofern einer unklaren und widersprüchlichen Terminologie bedient, als es im § 3 (nur) jene selbständig Erwerbstätigen als abgabepflichtig bezeichnet, die aus dem Fremdenverkehr (tatsächlich) Nutzen ziehen; im Widerspruch dazu handelt § 4 von einem "Abgabepflichtigen", von dem (lediglich) die widerlegliche VERMUTUNG besteht, er ziehe Nutzen aus dem Fremdenverkehr. Zum Abgabepflichtigen im Sinne des § 3 Abs. 1 wird er aber in Wahrheit erst dann, wenn es ihm nicht gelingt, die Rechtsvermutung des § 4 zu widerlegen. Richtig müßte es daher in § 4 anstatt "Abgabepflichtigen" bzw. "Abgabepflichtiger" offenbar "selbständig Erwerbstätigen(r)" heißen. Dasselbe muß auch für die Bestimmung des § 8 sowie jene des § 9 Abs. 3 gelten. Auch aus diesem Grund kann aus § 8 leg. cit. nicht geschlossen werden, daß die Bestimmung des § 4 auch für Abgabepflichtige bzw. selbständig Erwerbstätige gilt, die in Gruppe G einzustufen sind.

Die belangte Behörde kann auch nicht mit Erfolg das von ihr auch in der Gegenschrift herangezogene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Juni 1973, VfSlg. 7082, ins Treffen führen. Dieses Erkenntnis erging zum Kärntner Fremdenverkehrsabgabgesetz LGBl. Nr. 114/1970 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 4/1972, dessen § 4 Abs. 3 inhaltlich dem § 9 Abs. 3 FrVAG 1976 entsprach. Der Verfassungsgerichtshof nahm dort Bezug auf einen damals nicht angefochtenen Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 10. März 1972, in dem es hieß:

"Zwar stellt der Gesetzgeber durch die Bestimmungen des § 4 Abs. 3 des Fremdenverkehrsabgabegesetzes eine praesumtio iuris

in Bezug auf den Nutzen aus dem Fremdenverkehr ... auf, doch

ist der Partei der Gegenbeweis nicht verwehrt".

Im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde hat jedoch der Verfassungsgerichtshof diese Ausführungen nicht "bestätigt", sondern deren Richtigkeit offen gelassen. Davon abgesehen übersieht jedoch die belangte Behörde, daß das Kärntner Fremdenverkehrsabgabegesetz 1970 in der damals anzuwendenden Fassung eine dem § 4 FrVAG 1976 entsprechende Bestimmung noch nicht kannte, mochte auch die Kärntner Landesregierung in den erwähnten Bescheid vom 10. März 1972 eine solche Regelung implicite aus dem § 4 Abs. 3 des Fremdenverkehrsabgabegesetzes 1970 ableiten. Keinesfalls kann daher aus dem Umstand der Übereinstimmung des § 4 Abs. 3 FrVAG 1970 mit § 9 Abs. 3 FrVAG 1976 abgeleitet werden, § 4 des zuletzt genannten Gesetzes gelte auch für die Abgabepflichtigen der Abgabegruppe G.

Zutreffend macht der Beschwerdeführer geltend, daß im vorliegenden Fall jegliches Ermittlungsverfahren und jegliche Feststellungen über ein ihm zurechenbares, in konkret meßbarer Weise auf den Fremdenverkehr zurückzuführendes Erträgnis seiner Erwerbstätigkeit unterblieben sind. Ebenso wie im Fall des Erkenntnisses vom heutigen Tage, Zl. 88/17/0036, hat sich die belangte Behörde auch hier mit bloßen Vermutungen begnügt, was insbesondere auch die oben wiedergegebenen Ausführungen der belangten Behörde betreffend die Inanspruchnahme von Sägewerken betrifft. Wenn sich die belangte Behörde in diesem Zusammenhang

auf ein Erkenntnis des "Verfassungsgerichtshofes ... vom

26. 4. 1969, Zl. 23/59/7", beruft, so ist hiezu - ganz abgesehen von dem in mehrfacher Hinsicht unrichtigen Zitat (richtig: Erkenntnis des VERWALTUNGSgerichtshofes vom 26. April 1963, Zl. 23/59) - zu sagen, daß dieses Erkenntnis einen Fall nach dem OBERÖSTERREICHISCHEN Fremdenverkehrsgesetz 1951 und eine Beschwerdeführerin betraf, die (selbst) ein Sägewerk betrieb. Im Beschwerdefall steht im übrigen nicht einmal fest, daß der Beschwerdeführer ein Sägewerk belieferte oder ob überhaupt ein solches im Gebiet der Gemeinde existiert.

Da sich die Unterlassung jeglicher Ermittlungstätigkeit seitens der belangten Behörde im Beschwerdefall auf eine unrichtige Auslegung des Gesetzes gründet, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Stempelgebühren waren gemäß § 48 Abs. 1 Z. 1 VwGG nur insoweit zuzusprechen, als sie im Verfahren vor dem VERWALTUNGSGERICHTSHOF zu entrichten waren.

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