VwGH 88/01/0199

VwGH88/01/01991.2.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Herberth, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hadaier, über die Beschwerde des Dipl. Ing. WP in B, vertreten durch Dr. Georg Pammesberger, Rechtsanwalt in Gmunden, Kirchengasse 2, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 3. März 1988, Zl. 902.636/1- III 6/88, betreffend Auskunftserteilung, zu Recht erkannt:

Normen

AuskunftspflichtG 1987 §1 Abs1;
AuskunftspflichtG 1987 §1;
B-VG Art87;
JN §23;
JN §24;
StPO 1975 §74;
StPO 1975 §82;
ZPO §219;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1989:1988010199.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz vom 3. Februar 1988 keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Mit diesem hatte der Präsident des Oberlandesgerichtes Linz den Antrag des Beschwerdeführers vom 2. Februar 1988 auf Erteilung einer Auskunft in den Verfahren Jv 147-17a/85 und Jv 3212-17a/87 des Kreisgerichtes Wels (betreffend einerseits die Ablehnung von Richtern wegen Befangenheit und andererseits eine Änderung der Geschäftsordnung durch den Personalsenat), der ausdrücklich auf das Auskunftspflichtgesetz gestützt war und einen Bescheid gemäß § 4 dieses Gesetzes verlangte, zurückgewiesen. Dies mit der Begründung, das Oberlandesgericht Linz könne keine Auskunftspflicht betreffend Verfahren des Kreisgerichtes Wels treffen und sei darüber hinaus für die begehrte Auskunft das Auskunftspflichtgesetz überhaupt nicht anwendbar, weil Ablehnungs- und Befangenheitsachen als Akte der Rechtsprechung "davon" ausgenommen seien. Dies gelte auch für die damit zusammenhängende Entscheidung des Personalsenates. Inwiefern Akteneinsicht nach anderen Bestimmungen zu gewähren sei, hätten der Präsident des Kreisgerichtes Wels bzw. der zuständige Richter zu entscheiden; es handle sich auch dabei um Fragen der Rechtsprechung.

Die belangte Behörde selbst begründete ihren bestätigenden Berufungsbescheid damit, daß Entscheidungen des Personalsenates über Änderungen der Geschäftsverteilung im Einzelfall gemäß Art. 87 Abs. 2 B-VG Akte in Ausübung des richterlichen Amtes seien, ebenso wie Entscheidungen über Ablehnungsanträge. Es handle sich in beiden Verfahren, hinsichtlich derer Auskunft begehrt werde, unbeschadet ihrer kanzleimäßigen Registrierung unter "Jv" nicht um Angelegenheiten der formellen Justizverwaltung, sondern um solche der Rechtsprechung. Das Bundesgesetz vom 15. Mai 1987, BGBl. Nr. 287, finde auf Tätigkeiten in Ausübung des richterlichen Amtes keine Anwendung. Auch die Frage der Einsichtnahme in die obgenannten Akten betreffe gerichtliche Verfahren und sei daher die vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz ausgesprochene Zurückweisung zu Recht erfolgt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Auskunftserteilung, Akteneinsicht und Herstellung von Aktenabschriften gemäß § 4 Auskunftspflichtgesetz, § 170 GeO und § 17 AVG 1950 verletzt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 15. Mai 1987, BGBl. Nr. 287, über die Auskunftspflicht der Verwaltung des Bundes und eine Änderung des Bundesministeriengesetzes 1986 (Auskunftspflichtgesetz) haben die Organe des Bundes sowie die Organe der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht.

Gemäß Art. 87 Abs. 1 B-VG sind die Richter in Ausübung ihres richterlichen Amtes unabhängig.

Art. 87 Abs. 2 B-VG besagt, daß sich ein Richter in Ausübung seines richterlichen Amtes bei Besorgung aller ihm nach dem Gesetz und der Geschäftsverteilung zustehenden gerichtlichen Geschäfte, mit Ausschluß der Justizverwaltungssachen, die nicht nach Vorschrift des Gesetzes durch Senate oder Kommissionen zu erledigen sind, befindet.

Abs. 3 const. cit. normiert, daß die Geschäfte unter die Richter eines Gerichtes für die in der Gerichtsverfassung bestimmte Zeit im voraus zu verteilen sind. Eine nach dieser Einteilung einem Richter zufallende Sache darf ihm durch Verfügung der Justizverwaltung nur im Fall seiner Behinderung abgenommen werden.

Gemäß § 36 Abs. 1 RDG ist bei jedem Gerichtshof ein Personalsenat zu bilden.

§ 4 des Bundesgesetzes vom 14. Juli 1921, BGBl. Nr. 422 (Gerichtsverfassungs-Novelle), bestimmt auszugsweise:

"(1) Die Geschäftsverteilung bei den Bezirksgerichten wird durch den Personalsenat des übergeordneten Gerichtshofes erster Instanz festgesetzt. ...

(2) Die Geschäftsverteilung bei den Gerichtshöfen erster und zweiter Instanz wird durch deren Personalsenat festgesetzt. ..."

§ 23 JN lautet:

"Über die Ablehnung entscheidet, falls der abgelehnte Richter einem Bezirksgerichte angehört, der Vorsteher des Bezirksgerichtes und, wenn dieser selbst, allein oder mit anderen Richtern des Bezirksgerichtes, abgelehnt wird, das vorgesetzte Kreis-, Landes- oder Handelsgericht, falls der abgelehnte Richter einem Gerichtshofe angehört, dieser Gerichtshof und, wenn dieser durch das Ausscheiden des abgelehnten Richters beschlußunfähig werden sollte, der zunächst übergeordnete Gerichtshof."

§ 24 leg. cit. lautet:

"(1) Über die Ablehnung wird ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß entschieden, doch können vor der Beschlußfassung alle zur Aufklärung nötig erscheinenden Erhebungen und Einvernehmungen angeordnet werden.

(2) Gegen die Stattgebung der Ablehnung findet kein Rechtsmittel, gegen die Zurückweisung der Rekurs an das zunächst übergeordnete Gericht statt."

§ 74 StPO bestimmt:

"(1) Über die Zulässigkeit der Ablehnung einer Gerichtsperson entscheidet in der Regel der Vorsteher des Gerichtes, dem sie angehört.

(2) Wird der Vorsteher eines Bezirksgerichtes abgelehnt, so entscheidet die Ratskammer des Gerichtshofes erster Instanz; wenn ein ganzes Gericht erster Instanz oder dessen Vorsteher abgelehnt wird, entscheidet der Gerichtshof zweiter Instanz; wenn ein Gerichtshof zweiter Instanz oder dessen Präsident abgelehnt wird, entscheidet der Oberste Gerichtshof.

(3) Gegen diese Entscheidungen ist kein Rechtsmittel zulässig. Der Vorsteher oder der Gerichtshof, der über die Ablehnung entscheidet, hat zugleich, falls ihr stattgegeben wird, den Richter oder das Gericht zu bezeichnen, dem die Sache zu übertragen ist."

§ 219 ZPO normiert:

"(1) Die Parteien können von sämtlichen ihre Rechtssache betreffenden, bei Gericht befindlichen Akten (Prozeßakten), mit Ausnahme der Entwürfe zu Urteilen und Beschlüssen, der Protokolle über Beratungen und Abstimmungen des Gerichtes und solcher Schriftstücke, welche Disziplinarverfügungen enthalten, Einsicht nehmen und sich davon auf ihre Kosten Abschriften und Auszüge erteilen lassen.

(2) Mit Zustimmung beider Parteien können auch dritte Personen von den Prozeßakten Einsicht nehmen und Abschriften erheben. Fehlt eine solche Zustimmung, so kann einem Dritten, insoweit er rechtliches Interesse glaubhaft macht, eine solche Einsicht- und Abschriftnahme vom Vorsteher des Gerichtes gestattet werden.

(3) Die von einer Partei dem Gerichte übergebenen Schriftstücke sind dieser Partei auf ihr Begehren wieder auszufolgen, wenn der Zweck der Aufbewahrung entfallen ist."

Gemäß § 82 StPO ist es der Beurteilung der Gerichte überlassen, ob es zulässig erscheine, einer Partei oder ihrem ausgewiesenen Vertreter auch außer den in dieser Strafprozeßordnung insbesondere bezeichneten Fällen die Einsicht in strafgerichtliche Akten oder die Ausfolgung von Abschriften aus solchen zu bewilligen, sofern diese Personen glaubwürdig dartun, daß sie ihnen zur Ausführung eines Entschädigungsanspruches oder zum Zweck des Begehrens um Wiederaufnahme oder aus anderen Gründen notwendig sei.

Der Beschwerdeführer, der selbst einleitend völlig richtig die Meinung vertritt, daß das Auskunftspflichtgesetz nur die Verwaltung betrifft, macht im wesentlichen geltend, auch Entscheidungen eines Personalsenates über die Abänderung der Geschäftsverteilung seien Akte der Justizverwaltung und nicht Akte der Rechtsprechung; damit sei auf sie das Auskunftspflichtgesetz anwendbar.

Dem ist entgegenzuhalten, daß nach herrschender Lehre und Judikatur auf Grund des Art. 87 Abs. 2 B-VG Richter auch dann im Rahmen der Ausübung ihres richterlichen Amtes und damit im Rahmen der Justiz tätig sind, wenn sie jene Justizverwaltungsangelegenheiten erledigen, die nach den Vorschriften des Gesetzes in Senaten oder Kommissionen zu behandeln sind (vgl. dazu z.B. Walter, Verfassung und Gerichtsbarkeit 21, 24, 25; Malaniuk, Justizverwaltung beim Gerichtshof, JBl 1954, 529 ff). Derartige Kollegien sind daher unabhängige Gerichte (vgl. die bei Klecatsky-Morscher, Österreichisches Bundesverfassungsrecht MGA3 dargestellte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Art. 87 Abs. 2 B-VG, und zwar die E 8 = VfSlg. 5090, 6838 und die E 13 = VfSlg. 7753; ferner Heller-Kocian-Schubert, MGA, Das österreichische Justizverwaltungsrecht 186, sowie Spehar-Jesionek, Richterdienstgesetz Anm. 1 zu § 26 RDG). Aus diesem Grund vermag der Verwaltungsgerichtshof die vom Beschwerdeführer behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu erkennen.

Auch das Verfahren betreffend die Ablehnung von Richtern (worauf sich das zweite Auskunftsbegehren des Beschwerdeführers bezogen hat) ist seit der Aufhebung des § 28 GOG und der darauf Bezug habenden Worte des § 22 Abs. 3 GOG sowie der §§ 11 Abs. 1 Z. 17 und 83 Abs. 3 GeO durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 13. März 1959, VfSlg. 3511, nicht mehr Gegenstand der Verwaltung, sondern ein Akt der Rechtsprechung (vgl. Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen I, 209). Es unterliegt demnach nicht dem Auskunftspflichtgesetz. Schließlich handelt es sich auch beim Verfahren zum Zwecke der Erlangung von Akteneinsicht um Agenden der Gerichtsbarkeit (vgl. Fasching, a. a.O., II, 1011, sowie Kodek-Germ, Strafprozeßordnung 1975, Anm. 1 zu § 82 StPO). Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 1. Februar 1989

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