VwGH 87/17/0396

VwGH87/17/03969.6.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer und Dr. Puck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hadaier, über die Beschwerde des PR in B, vertreten durch Dr. Karl Wampl, Rechtsanwalt in Oberndorf, Färberstraße 2, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 5. Oktober 1987, Zl. 5/03- 5221/16-1987, betreffend Übertretung des Preisgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
VwGG §63 Abs1;
VwRallg;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
VwGG §63 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.230,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Vorgeschichte dieses Beschwerdefalles ist dem hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1987, Zl. 86/17/0111, zu entnehmen. Mit diesem Erkenntnis wurde der Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 11. April 1986, mit dem der Beschwerdeführer im Instanzenzug einer Verwaltungsübertretung nach § 15 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 und 3 (dritte Rechtsregel) des Preisgesetzes 1976 schuldig erkannt worden war, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben; dies deshalb, weil die Feststellung der belangten Behörde, der inkriminierte Preis sei für die Bedarfsleistung "ein Paar Frankfurter Würstel mit Senf und Brot" anstatt "ein Paar Frankfurter Würstel mit Kren, Senf und Brot" ersichtlich gemacht worden sei, auf einem mangelhaften Verfahren beruhte.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis vom 23. September 1985, womit der Beschwerdeführer schuldig erkannt worden war, er habe am 18. Juli 1985 in seinem Gastgewerbebetrieb "G" für ein Paar Frankfurter Würstel mit Senf und Brot den Preis von S 25,-- ersichtlich gemacht, obwohl der ortsübliche Preis S 23,-- betrage, wodurch der Beschuldigte den ortsüblichen Preis um 8,6 % überschritten habe, abermals keine Folge. In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, zur Klärung der Frage, ob zum Tatzeitpunkt auf der Speisekarte Frankfurter mit Senf und Brot oder mit Senf, Kren und Brot angeboten worden seien, seien im fortgesetzten Verfahren die vom Beschwerdeführer namhaft gemachten Zeugen Dr. HM und AF vernommen worden. Beide hätten übereinstimmend erklärt, daß im Gasthaus des Beschwerdeführers immer Speisekarten verwendet worden seien, auf denen Würstel mit der Zusatzleistung Kren angeboten worden seien. Als Beweis sei eine Ablichtung der Speisekarte vom 1. August 1984 vorgelegt worden. Ob allerdings zum Tatzeitpunkt am 18. Juli 1985 auf der Speisekarte diese Zusatzleistung ausgezeichnet gewesen sei, könnten die Zeugen nicht mit letzter Sicherheit behaupten. Es sei auf Grund des vorgegebenen Textes hierauf jedoch zu schließen. Der Zeuge F habe erklärt, daß der Beschwerdeführer seine Speisekarten selber schreibe. Das als Zeuge einvernommene Preiskontrollorgan JH habe ausgesagt, daß bei der "Preisaufnahme" am 18. Juli 1985 die Leistung Frankfurter Würstel nur mit Senf und Brot (also ohne Kren) ausgezeichnet worden sei. Der Beschwerdeführer habe die dies beweisende Eintragung auf der Niederschrift vom 18. Juli 1985 mit seiner Unterschrift bestätigt. Auch im Verlauf einer weiteren Vorsprache am 24. Juli 1985, bei der eine Preisreduzierung auf das ortsübliche Niveau empfohlen worden sei, habe der Beschwerdeführer keinen Einspruch dagegen erhoben, daß Frankfurter Würstel ohne Kren verabreicht würden.

Weiters führte die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides aus, sie schenke angesichts der soeben dargelegten Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens der Zeugenaussage des Preiskontrollorganes mehr Glauben. Zudem beweise die Aussage des Zeugen F, daß der Beschwerdeführer die Speisekarten selbst schreibe, also in der Lage sei, jederzeit kurzfristig Änderungen vorzunehmen. Somit könne die "Äußerung", aus der Speisekarte vom 1. August 1984 könne geschlossen werden, daß auch auf der Speisekarte am 18. Juli 1985 die Zusatzleistung Kren ausgezeichnet worden sei, nicht als schlüssig angesehen werden. Es sei daher von der Tatsache auszugehen, daß der Preis von S 25,-- für ein Paar Frankfurter mit Senf und Brot am 18. Juli 1985 auf der Speisekarte des Beschwerdeführers ersichtlich gemacht worden sei, sodaß der ortsübliche Preis von S 23,-- erheblich (um rund 8,6 %) überschritten worden sei. Dieser ortsübliche Preis sei durch den Vergleich von insgesamt sieben gleichartigen Betrieben ermittelt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach dem gesamten Inhalt seines Vorbringens erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht verletzt, wegen der genannten Verwaltungsübertretung nicht bestraft zu werden. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 14 Abs. 1 erster Satz des Preisgesetzes, BGBl. Nr. 260/1967, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 288/1980, macht sich einer Preistreiberei schuldig, wer für Sachgüter und Leistungen, die unmittelbar oder mittelbar der Befriedigung lebenswichtiger Bedürfnisse dienen (im folgenden kurz Bedarfsgegenstand und Bedarfsleistung genannt), ein offenbar übermäßiges Entgelt ersichtlich macht, fordert, annimmt oder sich versprechen läßt. Nach der sogenannten dritten Rechtsregel des § 14 Abs. 3 leg. cit. idF der Novelle BGBl. Nr. 271/1978 gilt als ein offenbar übermäßiges Entgelt im Sinne des § 14 Abs. 1 unter anderem ein Entgelt, das den für Bedarfsgegenstände oder Bedarfsleistungen der gleichen Art und Beschaffenheit am Orte des Verkaufes oder der Erbringung der Bedarfsleistung durch gleichartige Betriebe im ordentlichen Geschäftsverkehr jeweils üblichen Preis erheblich überschreitet.

Der Beschwerdeführer wendet sich auch im zweiten Rechtsgang abermals nur gegen die Feststellung der belangten Behörde, der inkriminierte Preis sei für die Bedarfsleistung "ein Paar Frankfurter Würstel mit Senf und Brot" anstatt "ein Paar Frankfurter Würstel mit Kren, Senf und Brot" ersichtlich gemacht worden. Er macht insbesondere geltend, ihm sei das Parteiengehör nicht in hinreichendem Maße gewährt worden. Mit dieser Rüge ist der Beschwerdeführer in Recht.

Gemäß § 45 Abs. 3 AVG 1950 ist den Parteien Gelegenheit zu geben, von dem Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Diese Bestimmung ist gemäß § 24 VStG 1950 auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muß das Parteiengehör von der Behörde in förmlicher Weise gewährt werden; es genügt nicht, wenn der Partei der maßgebliche Sachverhalt in irgendeiner Weise bekannt wird (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 7. September 1979, Zl. 1085/78, vom 17. März 1980, Zl. 475/79, vom 2. Mai 1980, Zl. 1118/79, und vom 15. März 1989, Zl. 87/01/0177).

Zutreffend bringt der Beschwerdeführer vor, ihm sei die (im ersten Rechtsgang ergangene) Zeugenaussage des JH vom 10. Jänner 1986 nicht im Sinne der genannten Vorschriften zur Kenntnis gebracht worden. Im Zuge dieser Zeugeneinvernahme hatte JH insbesondere deponiert, der Beschwerdeführer habe nach genauer Ansicht der Erhebungsliste die Eintragungen mit seiner Unterschrift bestätigt und auch im Verlauf einer weiteren Vorsprache am 24. Juli 1985, bei der eine Preisreduzierung auf das ortsübliche Niveau empfohlen worden sei, keinen Hinweis in der erwähnten Richtung gemacht.

In ihrer Gegenschrift versucht die belangte Behörde den gegenständlichen Vorwurf des Beschwerdeführers dadurch zu entkräften, daß sie auf die im ersten Rechtsgang erstattete Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 8. Oktober 1986 zu der damaligen Gegenschrift vom 30. Juli 1986 verweist; in dieser Stellungnahme werde nämlich die Zeugenaussage des H vom 10. Jänner 1986 erwähnt. Aus der erwähnten Stellungnahme ergibt sich jedoch (was die belangte Behörde übersieht), daß der Beschwerdeführer von der Zeugenaussage des H vom 10. Jänner 1986 nur aus der Gegenschrift vom 30. Juli 1986 wußte. Der entsprechende Passus der Gegenschrift vom 30. Juli 1986 hat folgenden Wortlaut:

"Die zeugenschaftliche Vernehmung des Kontrollorganes am 10. 1. 1986 jedoch bestätigte, daß am 18. 7. 1986," (richtig: 1985) "wie bei der Aufnahme des Preises von der Speisekarte festgestellt, ein Paar Frankfurter Würstl mit den Zusatzleistungen Senf und Brot, jedoch ohne Kren angeboten worden war."

Die weitergehenden, oben dargestellten Aussagen des H vom 10. Jänner 1986 waren jedoch in der Gegenschrift vom 30. Juli 1986 nicht als solche wiedergegeben worden. Die genannte Gegenschrift vermochte daher die förmliche Gewährung des Parteiengehörs zur genannten Zeugenaussage im Sinne des § 45 Abs. 3 AVG 1950 keinesfalls zu ersetzen.

Dem Aufgreifen dieses Verfahrensmangels steht auch nicht die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Wege, wonach keine Vorschrift besteht, nach der eine belangte Behörde, deren Bescheid der Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof verfallen war, vor der neuerlichen Bescheiderlassung auf jeden Fall der Partei Parteiengehör gewähren müßte (Erkenntnis vom 7. September 1988, Zl. 88/18/0032). Eine solche Pflicht besteht insbesondere dann, wenn im zweiten Rechtsgang neue Tatsachen ins Ermittlungsverfahren eingeführt worden sind. Sie muß aber auch dann bestehen, wenn es sich um Beweisergebnisse aus dem ersten Rechtsgang handelt, die der Partei bisher noch nicht vorgehalten wurden.

Der Beschwerdeführer legt auch im hinreichenden Maße dar, weshalb dieser Verfahrensmangel wesentlich sei; er bringt nämlich vor, er hätte durch weitere Zeugen die Aussage des Zeugen H widerlegen können. Es ist daher nicht auszuschließen, daß die belangte Behörde bei Vermeidung des Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich darüber hinaus veranlaßt, folgende, vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachte, dem angefochtenen Bescheid anhaftende Verfahrens-(Begründungs-)mängel aufzugreifen:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliegt es ihm unter anderem auch, die Beweiswürdigung der belangten Behörde auf ihre Schlüssigkeit zu überprüfen. Die belangte Behörde stützt ihre Beweiswürdigung, wonach sie dem Zeugen H höheren Glauben beimaß als den Aussagen der Zeugen Dr. M und F sowie des Beschwerdeführers, auf zwei Momente: Zum ersten darauf, der Beschwerdeführer habe auf der Niederschrift vom 18. April (richtig: Juli) 1985 bestätigt, daß Frankfurter ohne Kren zu einem Preis von S 25,-- ersichtlich gemacht worden seien; zum zweiten darauf, daß der Beschwerdeführer die Speisekarte selbst schreibe, also in der Lage sei, jederzeit kurzfristig Änderungen vorzunehmen. In beiden Richtungen erweist sich die Beweiswürdigung der belangten Behörde als unschlüssig.

Was das erstgenannte Argument anlangt, so bezieht sich die belangte Behörde erkennbar auf die in ihrem Akt erliegenden Sammelniederschriften über die Preiserhebungen vom Juli 1985, auf deren letzter Seite in der Tat sich folgender Vordruck findet:

"Ich nehme das vorstehende Ergebnis der Erhebungen, die zum unten angegebenen Zeitpunkt in meinem Geschäftslokal durchgeführt wurden, zur Kenntnis. Die Richtigkeit dieser Eintragungen wird anerkannt."

Darunter finden sich die Stampiglien von vier gastwirtschaftlichen Betrieben, darunter auch jene des Beschwerdeführers mit seiner Unterschrift und dem Datum 18. Juli 1985.

Nun enthalten diese Sammelniederschriften eine große Anzahl von vorgedruckten Rubriken hinsichtlich verschiedener gastgewerblicher Bedarfsleistungen, darunter auch eine Rubrik "Würstel mit Senf und Brot". Eine eigene Rubrik "Würstel mit Kren, Senf und Brot" ist dort nicht vorgesehen. Entscheidende Bedeutung kommt also der Unterschrift des Beschwerdeführers auf der Sammelniederschrift, für sich allein genommen, nicht zu. Zudem ist darauf zu verweisen, daß der Beschwerdeführer schon in seiner Stellungnahme vom 8. Oktober 1986 vorgebracht hatte, ihm sei in Erinnerung, daß er gegenüber dem Kontrollorgan die Leistung "Würstel mit Senf, Brot und Kren" einmal ausdrücklich in Erwähnung gebracht habe. Es ist zwar richtig, daß das nunmehrige Beschwerdevorbringen in dieser Hinsicht über die seinerzeitige Behauptung inhaltlich noch hinausgeht, weil der Beschwerdeführer nunmehr behauptet, es sei zwischen dem Beschwerdeführer und dem Kontrollorgan ausdrücklich über Kren diskutiert worden. Ein direkter Widerspruch zwischen den beiden Behauptungen, wie er in der Gegenschrift konstruiert wird, besteht jedoch nicht.

Was die Aussage des Zeugen F anlangt, wonach der Beschwerdeführer die Speisekarten selbst schreibe, hat die belangte Behörde nicht beachtet, daß der Zeuge Dr. M von einem "vorgegebenen Text der Speisekarte" spricht. Die vom Zeugen Dr. M vorgelegte Ablichtung einer Speisekarte vom 1. August 1984 deutet auf die Richtigkeit dieser Aussage hin, weil zwar die einzelnen Speisen mit Maschinschrift geschrieben, die Rubriken jedoch gedruckt sind und auch die Preise nicht exakt in derselben Zeilenhöhe geschrieben sind wie die Speisen. Es könnte sich also so verhalten, daß zwar der Beschwerdeführer die einzelnen Preise jeweils mit der Schreibmaschine selbst einsetzt (Zeuge F), daß jedoch an sich der Text der Speisekarte vorgedruckt oder - geschrieben war (Zeuge Dr. M). Traf jedoch letzteres zu, dann gewinnt die Aussage der beiden Zeugen und des Beschwerdeführers, auf der Speisekarte sei immer bzw. durch Jahre hiedurch die Bedarfsleistung "Frankfurter mit Kren, Senf und Brot" angeboten gewesen, an Glaubwürdigkeit, weil nicht anzunehmen ist, daß gerade am 18. Juli 1985 das Wort "Kren" auf der Speisekarte gefehlt hätte. Auch mit dieser Frage hat sich sohin die belangte Behörde nur in unzureichendem Ausmaß auseinandergesetzt.

Aus allen diesen Gründen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher (richtig: öffentlichen) Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206, insbesondere auf deren Art. III Abs. 2.

Wien, am 9. Juni 1989

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