VwGH 88/18/0032

VwGH88/18/00327.9.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Böhler über die Beschwerde des HB in O, vertreten durch Dr. Gerhard Hickl, Rechtsanwalt in Wien 1, Getreidemarkt 18, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 8. September 1987, Zl. IIa- 17.591/9, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §58 Abs2;
GBefG 1952 §3 Abs2 Z2;
GewO 1973 §130 III;
GewO 1973 §366 Abs1 Z2;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1 impl;
VStG §9;
VwGG §28 Abs1 Z2;
VwGG §28 Abs1 Z5;
VwGG §28 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 litc Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 lita impl;
VwGG §63 Abs1;
VwRallg;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §58 Abs2;
GBefG 1952 §3 Abs2 Z2;
GewO 1973 §130 III;
GewO 1973 §366 Abs1 Z2;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1 impl;
VStG §9;
VwGG §28 Abs1 Z2;
VwGG §28 Abs1 Z5;
VwGG §28 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 litc Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 lita impl;
VwGG §63 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer ist schuldig, dem Bund Aufwandersatz in der Höhe von S 460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Auf die Sachverhaltsdarstellung und auf die rechtlichen Erwägungen im hg. Erkenntnis vom 10. Juni 1987, Zl. 86/04/0244, wird hingewiesen. Ohne weiteres Ermittlungsverfahren erließ der Landeshauptmann von Tirol unter dem Datum des 8. September 1987 seinen Berufungsbescheid im zweiten Rechtsgang. Der Berufung wurde teilweise Folge gegeben und die verhängte Geldstrafe auf S 10.000,-

-, die Ersatzarreststrafe auf zehn Tage herabgesetzt. Der Spruch der ersten Instanz wurde dahin abgeändert, daß der Beschwerdeführer als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der B-Gesellschaft m.b.H. gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1950 dafür verantwortlich sei, daß mit bestimmten für die genannte Gesellschaft zugelassenen Lastwagen an bestimmten Tagen bestimmte Ladungen von bestimmten Orten nach bestimmten Orten befördert worden seien, und zwar gegen Entgelt und in der Absicht, einen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen. Der Beschwerdeführer habe hiedurch in der Zeit zwischen dem 17. Juli und dem 11. August 1984 sowie in der Zeit zwischen dem 31. Oktober und dem 7. November 1984 gewerbsmäßig Güterbeförderungen im Fernverkehr im Sinne des § 3 Abs. 2 Z. 2 des Güterbeförderungsgesetzes (GBefG) mit sieben Lastkraftwagen durchgeführt, obwohl die genannte Gesellschaft in diesem Zeitraum nicht im Besitz einer Güterbeförderungskonzession für den Fernverkehr gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch das konzessionspflichtige Güterbeförderungsgewerbe im Fernverkehr ohne eine Konzession, somit unberechtigt, ausgeübt und damit eine Verwaltungsübertretung nach § 9 VStG 1950 in Verbindung mit § 366 Abs. 1 Z. 2, § 130 III Gewerbeordnung 1973 und § 3 Abs. 2 Z. 2 GBefG in der Zeit zwischen dem 17. Juli und dem 11. August 1984 sowie zwischen dem 31. Oktober und dem 7. November 1984 begangen. In der Begründung des Berufungsbescheides wurde unter anderem ausgeführt, mit Bescheid des Wiener Magistratischen Bezirksamtes für den 4. und 5. Bezirk vom 28. März 1984 sei der B-Gesellschaft m.b.H. die Ausübung des gebundenen Gewerbes eines Spediteurs mit dem Standort in Wien 5, G-gasse 18, untersagt worden. Diese Entscheidung sei der genannten Gesellschaft zu Handen ihres Rechtsanwaltes etwa Anfang April 1984 zugestellt worden, eine Berufung sei gegen diesen Bescheid offensichtlich nicht erhoben worden. Die genannte Gesellschaft habe im Juli 1984 das gebundene Gewerbe eines Spediteurs bei der Bezirkshauptmannschaft Kufstein angemeldet und eine bestimmte, mit dem Beschwerdeführer nicht idente Person als gewerberechtlichen Geschäftsführer namhaft gemacht. Mit Bescheid vom 13. August 1984 habe die Bezirkshauptmannschaft Kufstein festgestellt, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des Spediteurgewerbes am Standort W nicht vorlägen und habe gleichzeitig die Ausübung des Gewerbes untersagt. Eine Berufung gegen diesen Bescheid sei erfolglos geblieben. Auch eine weitere Anmeldung des Speditionsgewerbes durch die Gesellschaft unter gleichzeitiger Namhaftmachung des Beschwerdeführers als gewerberechtlichen Geschäftsführer sei mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 16. August 1984 nicht zur Kenntnis genommen worden; die Gewerbeausübung sei untersagt worden. Diese Entscheidung sei in erster Instanz rechtskräftig geworden. Am 14. August 1984 habe die Gesellschaft abermals bei der Bezirkshauptmannschaft Kufstein das Speditionsgewerbe mit dem Standort W angemeldet und gleichzeitig JK als gewerberechtlichen Geschäftsführer namhaft gemacht. Diese Gewerbeanmeldung sei zur Kenntnis genommen, jedoch am 29. Oktober 1984 gelöscht worden. Ein Gewerbeschein sei der Gesellschaft für dieses Gewerbe nie ausgestellt worden. Es sei bei allen dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Tathandlungen ein vollendetes Delikt gegeben, weil der Beschwerdeführer als Spediteur nur zu Fahrten nach § 117 Gewerbeordnung 1973 berechtigt gewesen wäre, wobei solche Fahrten bei allen Tathandlungen von den Be- zu den Entladeorten aber nicht vorgelegen seien. Fahrten zwischen dem 14. August und dem 29. Oktober 1984 seien dem Beschwerdeführer nicht zur Last zu legen, weil in diesem Zeitraum JK gewerberechtlicher Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen sei. Nur außerhalb dieses Zeitraumes sei der Beschwerdeführer für Fahrten verantwortlich.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes (Punkt a) der Beschwerde) sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften (Punkte b), c) und d) der Beschwerde) erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Sofern der Beschwerdeführer unter Rechtswidrigkeit des Inhaltes vorbringt, das Ermittlungsverfahren sei mangelhaft geblieben, verkennt er das Wesen dieses Beschwerdegrundes, bei dem ohne Rücksicht auf Verfahrensmängel von dem von der belangten Behörde angenommenen Sachverhalt im Sinne des § 41 Abs. 1 VwGG auszugehen ist.

Die Rüge, ein Teil des vorgeworfenen deliktischen Verhaltens falle in einen Zeitraum, in dem jemand anderer als der Beschwerdeführer gewerberechtlicher Geschäftsführer der Gesellschaft war, ist unverständlich, weil, wie oben dargestellt, der Schuldspruch den Zeitraum vom 14. August bis 29. Oktober 1984 nicht erfaßte. Die Behauptung, auch in anderen Zeiträumen, die vom Schuldspruch erfaßt wurden, seien andere Personen zum gewerberechtlichen Geschäftsführer bestellt gewesen, geht nicht vom festgestellten, sondern von einem bloß von der Beschwerde behaupteten Sachverhalt aus. Es fehlt auch - und zwar auch in den Ausführungen der Verfahrensrüge - jeder Hinweis, welche andere Person in den vom Strafausspruch erfaßten Zeiträumen gewerberechtlicher Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen sein soll. Die weitere Rüge, es sei bei den dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Handlungen Werksverkehr vorgelegen, bleibt inhaltlich unbestimmt, weil nicht ausgeführt wurde, an welchen Tagen hinsichtlich welcher Ladungen, hinsichtlich welcher Be- und Entladeorte Werksverkehr aus welchen Gründen vorgelegen sein soll. Der weiteren Rüge, es sei jedenfalls und immer nur der gewerberechtliche Geschäftsführer im Sinne des § 370 Abs. 2 GewO 1973 zu bestrafen, ist zu erwidern, daß die Anwendung der letzterwähnten Gesetzesstelle voraussetzt, daß überhaupt die Bestellung eines Geschäftsführers angezeigt oder genehmigt worden ist; dies war aber nach den Feststellungen der belangten Behörde außerhalb des Zeitraumes vom 14. August bis 29. Oktober 1984 nicht der Fall, weshalb gemäß § 9 VStG 1950 der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als nach außen zur Vertretung der Gesellschaft Berufener zu bestrafen war.

Der Verwaltungsgerichtshof hegt gegen die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Umschreibung des als erwiesen angenommenen Sachverhaltes im Sinne des § 44a lit. a VStG 1950 keine Bedenken; dies auch nach dem Maßstab der von der Beschwerde auf deren Seite 8 zitierten Rechtsprechung. Inwiefern der Spruch des angefochtenen Bescheides nicht dem Maßstab dieser Rechtsprechung entsprechen soll, konnte die Beschwerde aber nicht aufzeigen. Es ist unerfindlich, inwiefern einerseits die Gefahr nochmaliger Bestrafung des Beschwerdeführers herbeigeführt, andererseits konkrete Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers dadurch verletzt worden sein sollen, daß bei einigen der festgestellten Sachverhalte sich die belangte Behörde mit der Bezeichnung "Ladung von Italien bis zum österreichischen Zollamt Brenner" begnügte. Die Funktion des Beschwerdeführers wurde im Spruch des angefochtenen Bescheides eindeutig und genügend "als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der B-Gesellschaft m.b.H." umschrieben. Folgendes weiteres Argument der Beschwerde ist nahezu nicht ernst zu nehmen, weil es von dem - nicht bestehenden - Erfahrungssatz ausgeht, die Menschen im allgemeinen handelten immer nur im Rahmen des gesetzlich Erlaubten: Weil bestimmte Lastkraftwagen der Gesellschaft von der Bundespolizeidirektion Wien als Zulassungsbehörde im Sinne der §§ 36 ff des Kraftfahrgesetzes 1967 "für den Werkverkehr" zugelassen worden sein sollen, könne mit diesen Kraftfahrzeugen auch nur Werkverkehr durchgeführt worden sein. Es erübrigt sich, auf diese Ansicht einzugehen.

Schließlich ist es unzulässig, Beschwerdeausführungen zu unterlassen und statt dessen nur auf den Inhalt von Rechtsmittelschriften im Verwaltungsverfahren zu verweisen (Erkenntnisse vom 29. März 1982, Zl. 81/12/0194, vom 27. Oktober 1983, Zl. 82/16/0158, 0159).

Die Beschwerde verkennt das Wesen des Beschwerdegrundes der Aktenwidrigkeit: Diese liegt nur vor, wenn die Behörde bei der Sammlung der Unterlagen für ihre Entscheidung sich mit dem Akteninhalt hinsichtlich der dort festgehaltenen Tatsachen in Widerspruch gesetzt hat, nicht aber, wenn die Behörde aus dem Inhalte der Akten vermeintlich unrichtige Schlüsse gezogen hat (Erkenntnisse vom 26. März 1965, Zl. 2144/64, vom 19. Oktober 1978, Zl. 1247/77, vom 26. Juni 1985, Zl. 85/09/0002). Daher vermag die, im übrigen weder durch Nennung von Namen noch durch Nennung von Zeiträumen substantiierte, Behauptung, es hätten "auch noch andere gewerberechtliche Geschäftsführer" für die Gesellschaft fungiert, keine Aktenwidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu begründen.

Es besteht keine Vorschrift, wonach eine belangte Behörde, deren Bescheid der Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof verfallen war, vor der neuerlichen Bescheiderlassung auf jeden Fall der Partei Parteiengehör gewähren müßte. Eine solche Pflicht besteht nur dann, wenn im zweiten Rechtsgang neue Tatsachen ins Ermittlungsverfahren eingeführt worden sind. Das war aber im vorliegenden Verwaltungsverfahren nicht der Fall. Es besteht, entgegen der Ansicht der Beschwerde, der Sinn der Bestimmung des § 58 Abs. 2 AVG 1950 gerade darin, daß gleichzeitig mit dem Spruch, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird, der Partei die Begründung hiefür mitzuteilen ist. Davon, daß die erst im Bescheid anzustellenden begründenden Erwägungen der Partei schon im vorhinein mitzuteilen sind, ist in den Verfahrensgesetzen keine Rede.

Ganz im Unbestimmten bleibt die Rüge, die Beweiswürdigung sei unschlüssig. Die Beschwerde begnügt sich mit der Wiedergabe abstrakter Rechtssätze, aber es wird nicht dargelegt, aus welchen Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens welche andere Feststellung der belangten Behörde unschlüssig - nicht bloß unrichtig, vgl. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053 - sein soll.

Die - innerhalb der Verfahrensrüge erhobene - Rechtsrüge, es sei "zumindest .... im Zeitraum vom 17. Juli bis 11. August 1984" Verjährung im Sinne des § 31 Abs. 3 VStG 1950 eingetreten, übersieht den rechtlichen Umstand, daß die Zeit eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof in diese Frist nach eben der genannten Gesetzesstelle nicht einzurechnen ist. Das Verfahren, welches zum eingangs zitierten Erkenntnis führte, wurde durch die Einbringung der Beschwerde am 22. Dezember 1986 eingeleitet, es endete durch die Zustellung des aufhebenden Erkenntnisses an die belangte Behörde am 15. Juli 1987. Zieht man aber diesen Zeitraum von 6 Monaten und 25 Tagen von dem zwischen 17. Juli 1984 und 11. September 1987 (Erlassung des angefochtenen Bescheides) verstrichenen Zeitraum ab, so ergibt sich ein Zeitraum von weniger als drei Jahren. Daher ist die behauptete "absolute Verjährung" nicht einmal hinsichtlich des ersten Tages der festgestellten Deliktsbegehung eingetreten.

Hinsichtlich der Rüge, der angefochtene Bescheid sei einerseits vom "Amt der Tiroler Landesregierung", andererseits vom Landeshauptmann von Tirol erlassen, was sich aus dem Vergleich des Bescheidkopfes mit der Bescheidfertigung ergebe, genügt es, einerseits auf die Rechtslage nach dem Bundesverfassungsgesetz vom 30. Juli 1925, BGBl. Nr. 289, betreffend Grundsätze für die Einrichtung und Geschäftsführung der Ämter der Landesregierung außer Wien, zu verweisen, wonach das Amt der Landesregierung ein Hilfsorgan einerseits des Landeshauptmannes, andererseits der Landesregierung, aber, von gesetzlich anders geregelten Fällen abgesehen, keine eigene Behörde ist; andererseits ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach einem Beschwerdeführer ein Irrtum in der Bezeichnung der belangten Behörde als "Amt der Landesregierung", obwohl entweder der Landeshauptmann oder die Landesregierung als Behörde in Frage kommt, nicht zu schaden vermag (vgl. z.B. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. Dezember 1984, Slg. N.F. Nr. 11625/A).

Da es der Beschwerde somit nicht gelungen ist, die von ihr behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Wien, am 7. September 1988

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