Normen
ABGB §174 Abs1;
ABGB §6;
ABGB §914;
ÄrzteG 1984 §2 Abs3;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
AVG §59 Abs1;
KAG 1957 §3 Abs1;
KAG 1957 §3 Abs2;
KAG 1957 §3 Abs4;
KAG 1957 §4 Abs1;
KAG 1957 §4 Abs2;
KAG 1957 §8 Abs1;
KAG Stmk 1957 §11 Abs1;
KAG Stmk 1957 §3 Abs1;
KAG Stmk 1957 §4 Abs4;
KAG Stmk 1957 §5 Abs1;
KAG Stmk 1957 §6 Abs2;
KAG Stmk 1957 §8 Abs3;
KAG Stmk 1957;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 litc Z2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb impl;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc impl;
VwRallg Sanitätsbehördliche Genehmigung;
VwRallg;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1988:1988180046.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Bescheid vom 14. Juli 1987 erteilte die Steiermärkische Landesregierung unter Berufung auf § 6 Abs. 2 und 3 in Verbindung mit § 5 des Steiermärkischen Krankenanstaltengesetzes, LGBl. Nr. 78/1957, in der Fassung der 8. Novelle, LGBl. Nr. 7/1986 (KALG) der mitbeteiligten Partei als Rechtsträger des Landeskrankenhauses Bad Radkersburg die sanitätsbehördliche Genehmigung und die Betriebsbewilligung für den Intensivbereich der chirurgischen Abteilung (drei Aufwachbetten und zwei Intensivbetten) und für den Intensivbereich der medizinischen Abteilung (drei Intensivbetten) des genannten Krankenhauses unter 32 Auflagen, wobei eine Erfüllungsfrist bis 30. November 1987 festgesetzt wurde.
Gegen diesen Bescheid erhob der Bundesminister für Gesundheit und öffentlichen Dienst unter Berufung auf Art. 131 Abs. 1 Z. 2 und Art. 15 Abs. 8 B-VG Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Bescheid werde seinem ganzen Umfang nach angefochten, da eine nicht der Rechtslage entsprechende Bewilligung erteilt worden sei.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Auch die mitbeteiligte Partei hat in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdelegitimation des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst ist gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 2 B-VG gegeben, weil eine objektive Rechtsverletzung in einer Angelegenheit des Art. 12 B-VG (Vollziehung des Grundsatzgesetzes Bundesgesetz über Krankenanstalten, BGBl. Nr. 1/1957 - KAG - und des Ausführungsgesetzes des Bundeslandes Steiermark - KALG - behauptet wird und die Parteien den Bescheid im Instanzenzug nicht mehr anfechten können.
Zunächst erweist sich die unter Punkt a 3 der Beschwerde erhobene Rechtsrüge, es fehle hinsichtlich der beiden Intensivbereiche an der Errichtungsbewilligung, als gerechtfertigt.
Gemäß § 3 Abs. 1 KALG bedarf die Errichtung einer Krankenanstalt nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen einer Bewilligung der Landesregierung. Darüber hinaus bedarf nach § 5 Abs. 1 KALG der Betrieb einer Krankenanstalt der Bewilligung der Landesregierung, welche unter anderem (lit. a) zu erteilen ist, wenn eine Errichtungsbewilligung nach § 3 vorliegt und die Krankenanstalt deren Bedingungen entsprechend errichtet und eingerichtet worden ist. Nach § 6 Abs. 2, zweiter Satz leg. cit. bedürfen wesentliche Veränderungen (ergänze: einer Krankenanstalt oder in einer Krankenanstalt) der Bewilligung der Landesregierung. Unter wesentlichen Veränderungen versteht § 6 Abs. 3 leg. cit. insbesondere Vorhaben zur Schaffung neuer Betriebsbereiche oder Maßnahmen zur Änderung des Umfanges der Krankenanstalt. Für den zu ändernden Teil der Krankenanstalt sind die Bestimmungen der §§ 3 bis 5a leg. cit. sinngemäß anzuwenden.
Im vorliegenden Fall handelt es sich um die Schaffung neuer Betriebsbereiche innerhalb der chirurgischen und innerhalb der medizinischen Abteilung. Da nach der letztzitierten Gesetzesstelle auch die Bestimmung des § 3 sinngemäß anzuwenden ist, ist somit sowohl eine Errichtungs- als auch eine Betriebsbewilligung erforderlich.
Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei, die beide die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides behaupten, vertreten in dieser Frage einander widersprechende, doch unrichtige Rechtsstandpunkte.
Der Ansicht der belangten Behörde, im Spruch des Bescheides sei "die bloße Zitierung der ohnehin rechtlich verbindlichen Gesetzesbestimmungen nicht erforderlich", ist § 59 Abs. 1 AVG 1950 entgegenzuhalten, wonach im Spruch eines Bescheides unter anderem die angewendeten Gesetzesbestimmungen anzuführen sind. Nun wäre im Hinblick auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. Erkenntnis vom 10. Jänner 1967, Slg. N. F. Nr. 7051/A) zu erwägen, ob das Fehlen der angewendeten Gesetzesstelle im Spruch allein schon eine Rechtswidrigkeit bewirke, wenn, wie die belangte Behörde behauptet, sich die angewendete Gesetzesstelle eindeutig aus der Bescheidbegründung ergebe. Gerade letzteres kann allerdings der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht entnommen werden. Wohl läßt sich der Bescheidbegründung und dem Verwaltungsakt entnehmen, daß z.B. Anhörungsverfahren nach § 4 Abs. 2 und 3 KALG durchgeführt wurden, doch ist nicht zu übersehen, daß nach dem Wortlaut des Spruches "die sanitätsbehördliche Genehmigung" erteilt worden sein soll, welcher Begriff zahlreiche rechtliche Unklarheiten aufweist. Zunächst erscheint dieser Begriff als solcher nicht im KALG. Hingegen kommt an einigen Stellen dieses Gesetzes der Begriff der "sanitären Aufsicht" vor, so im § 4 Abs. 4 (Gutachten des Landeshauptmannes, das hiezu vom Standpunkt der sanitären Aufsicht Stellung nimmt), oder im § 8 Abs. 3 (Untersagung der Weiterführung des Betriebes einer Krankenanstalt durch den Landeshauptmann aus dem Grunde der sanitären Aufsicht), wonach also der Landeshauptmann, nicht aber die Landesregierung Aufgaben der sanitären Aufsicht zu erfüllen hat. Mangels einer allgemeinen verfassungsrechtlichen oder der einfachgesetzlichen Definition des Begriffes "Sanitätsbehörde, sanitätsbehördlich" (vgl. die ganz verschiedene Verwendung dieser Begriffe in Walter-Mayer, Grundriß des besonderen Verwaltungsrechts2, Seite 561, 577, 617, 746 f) kann der Verwaltungsgerichtshof nicht erkennen, was mit dem Begriff der sanitätsbehördlichen Genehmigung im Spruch des angefochtenen Bescheides ausgedrückt werden soll. Es kann darauf hingewiesen werden, daß auch die in der mündlichen Verhandlung vom 18. Dezember 1986 angehörten Amtssachverständigen sich diesbezüglich einer wenig eindeutigen Diktion bedienten, wenn sie feststellten, daß "vom sicherheits- und sanitätspolizeilichen Standpunkt gegen die sanitätsbehördliche Genehmigung und Betriebsbewilligung nach § 6 Abs. 3 in Verbindung mit § 5 KALG keine Bedenken" bestünden.
Die mitbeteiligte Partei verkennt in ihrer Gegenschrift sowohl Wortlaut als auch Sinn der oben zitierten Bestimmungen des KALG über die Notwendigkeit einerseits einer Errichtungs-, andererseits einer Betriebsbewilligung, wobei die erstere nach § 5 Abs. 1 lit. a leg. cit. Voraussetzung der letzteren ist.
Für die Annahme, § 6 KALG regle eine "Bewilligung sui generis", bietet weder der Wortlaut dieser Bestimmung noch sein Zusammenhang mit den übrigen Gesetzesbestimmungen eine Grundlage. Gerade die im Abs. 1 und im Abs. 3 dieses Paragraphen enthaltene Anordnung, die Bestimmungen der §§ 3 bis 5a leg. cit. seien sinngemäß anzuwenden, bedeutet eine Rezeption dieser Bestimmungen insbesondere dahin, daß sowohl eine Errichtungs- als auch eine Betriebsbewilligung auch im Falle der Verlegung einer Krankenanstalt an einen anderen Betriebsort oder im Falle wesentlicher Veränderungen erforderlich ist.
Schon aus diesem Grunde erweist sich der angefochtene Bescheid, der für die wesentliche Veränderung eine Betriebsbewilligung erteilt, obwohl eine Errichtungsbewilligung nicht vorliegt, als mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Dazu kommt noch, daß in der Begründung des angefochtenen Bescheides Feststellungen über den Bedarf i.S. des § 3 Abs. 2 lit. a KALG schlechthin fehlen.
Aus Gründen der Verfahrensökonomie nimmt der Verwaltungsgerichtshof zu dem weiteren Beschwerdevorbringen wie folgt Stellung:
Zur Frage, ob die für den unmittelbaren Betrieb der Krankenanstalt erforderlichen medizinischen Apparate und technischen Einrichtungen vorhanden sind (§ 5 Abs. 1 lit. b KALG), somit zu Punkt a) 1 der Beschwerde:
Vorauszuschicken ist, daß sich der Bescheid in dieser Richtung auf die Gutachten der beiden Amtssachverständigen, eines Obersanitätsrates und eines Oberbaurates, stützt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Richtigkeit eines Sachverständigengutachtens zunächst durch den Umstand erschüttert werden, daß sich das Gutachten auf einen unrichtigen oder mangelhaft erhobenen Befund gründet, in sich widerspruchsvoll ist oder auf logisch unhaltbaren Schlüssen beruht (vgl. Erkenntnis vom 20. Februar 1954, Slg. N. F. Nr. 3315/A). Darüber hinaus kann das Gutachten eines Amtssachverständigen nur dann von einer Partei mit der Behauptung, es widerspreche den Erfahrungen der Wissenschaft, mit Erfolg bekämpft werden, wenn das Vorbringen der Partei selbst auf dem Niveau eines wissenschaftlichen Gutachtens steht (vgl. Erkenntnis vom 30. Juni 1969, Slg. N. F. Nr. 7615/A). Zum Vorbringen allerdings, ein Gutachten stehe mit den Denkgesetzen und den allgemeinen Lebenserfahrungen in Widerspruch, bedarf es nicht der Vorlage eines widersprechenden Sachverständigengutachtens (vgl. Erkenntnis vom 27. Februar 1974, Slg. N. F. Nr. 8556/A).
Von diesen Standpunkten ausgehend, ist zu den einzelnen Rügen der Beschwerde zu sagen:
Dem Mangel eines Defibrillators ist durch Punkt 31 der Auflagen vorgebeugt, wonach für jeden der Bereiche ein solcher bis 30. November 1987 anzuschaffen war. Da weder das Gesetz noch die Gutachten der beiden Sachverständigen eine bestimmte räumliche Mindestgröße der Intensivbereiche vorschreiben, kann der Verwaltungsgerichtshof nicht erkennen, daß die auch im angefochtenen Bescheid (Seite 8 und 9) erwähnte räumliche Beengtheit einen Grund zur Versagung der Bewilligung darstellen würde. Auch der Umstand, daß im medizinischen Intensivbereich nur ein Perfusor zur Verfügung steht, veranlaßte den medizinischen Sachverständigen nicht, Bedenken gegen die Bewilligung auszusprechen. Das gleiche gilt für die von der Beschwerde beklagte Unmöglichkeit, die Behandlungsmethoden der Peritoneal oder Hämodialyse, der Hämoperfusion und der Blutreinigung sowie Plasmaseperationen durchzuführen. Daß die Ermöglichung solcher Vorgänge Bewilligungsvoraussetzung wäre, läßt sich dem medizinischen Sachverständigengutachten nicht entnehmen.
Sofern die Beschwerde an mehreren Stellen bemängelt, der angefochtene Bescheid spreche davon, bestimmte festgestellte Umstände "erschienen" ausreichend und ränge sich nicht zur Aussage durch, sie "seien" ausreichend, so vermag der Verwaltungsgerichtshof in Anbetracht des allgemeinen, manchmal auch vom Gesetzgeber eingehaltenen Sprachgebrauches (zu letzterem vergleiche z.B. § 174 Abs. 1 ABGB: "... wenn das Kind das 18. Lebensjahr vollendet hat und zur selbständigen und gehörigen Besorgung seiner Angelegenheiten reif erscheint" - vgl. hiezu Welser, Die Neuordnung der Geschäftsfähigkeit und ihre Problematik, Versicherungsrundschau 1973, 161, Fußnote 34) nicht zu erkennen, daß dem Zeitwort "erscheinen" im vorliegenden Zusammenhang weniger Gewicht zukomme als dem Hilfszeitwort "sein".
Zur Rüge der mangelnden Ausstattung mit Ärzten:
Gemäß § 10 Abs. 1 KALG darf der ärztliche Dienst in Krankenanstalten nur von Ärzten versehen werden, die nach den Vorschriften des Ärztegesetzes zur Ausübung des ärztlichen Berufes berechtigt sind. Gemäß § 11 Abs. 1 leg. cit. muß der ärztliche Dienst so eingerichtet sein, daß ärztliche Hilfe in der Anstalt jederzeit sofort gegeben ist.
Mit Recht rügt die Beschwerde, daß die Auflage unter Punkt 15 nur eine Paraphrase des letztzitierten Gesetzestextes darstellt und somit eine den zu beurteilenden Sachverhalt nur in rechtlich ungenügender Weise erfassende Leerformel ist.
Hinsichtlich des chirurgischen Intensivbereiches findet sich in der Begründung (Seite 8) die Feststellung, der diensthabende Chirurg sowie der Anästhesist seien jederzeit erreichbar. Diese Feststellung wird jedoch durch die darauf folgende Feststellung in ihrer i.S. des § 11 Abs. 1 KALG zu verstehenden Bedeutung eingeschränkt, es stünde nur ein Facharzt für Anästhesiologie zur Verfügung, welcher im Verhinderungsfall nicht immer durch einen gleichartig qualifizierten Arzt vertreten werde. Somit ergibt sich aus diesem Teil der Bescheidbegründung der Schluß, daß ärztliche Hilfe auf dem Gebiet der Anästhesiologie eben nicht jederzeit sofort gegeben sei.
Hinsichtlich des Intensivbereiches Medizin findet sich (Seite 10) die Feststellung, es sei jederzeit ein "intensivmedizinisch ausgebildeter Arzt" erreichbar, nicht jedoch ständig auf der Station anwesend. Das entspricht der Anforderung des § 11 Abs. 1 KALG. Auf der medizinischen Intensivstation steht aber nach der Begründung des angefochtenen Bescheides kein Facharzt für Anästhesiologie zur Verfügung; es wird nicht einmal davon gesprochen, daß ein solcher wenigstens "erreichbar" sei. Ob im internmedizinischen Bereich ein solcher Facharzt i.S. des § 11 Abs. 1 KALG erforderlich ist, läßt sich dem Amtsgutachten nicht entnehmen.
Sofern die Begründung (Seite 8) ausführt, nach entsprechender Kurzausbildung würden auch Turnusärzte zur Behandlung der Intensivpatienten eingesetzt, so steht dies in keinem erkennbaren Widerspruch zu § 2 Abs. 3 des Ärztegesetzes 1984, wonach Turnusärzte lediglich zur unselbständigen Ausübung der im § 1 Abs. 2 und 3 leg. cit. umschriebenen Tätigkeiten in Krankenanstalten unter Anleitung und Aufsicht der ausbildenden Ärzte berechtigt sind, weil in keiner Weise gesagt wird, Turnusärzte hätten die Intensivpatienten selbständig und ohne Anleitung und Aufsicht der Fachärzte zu behandeln.
Der Verwaltungsgerichtshof ist abschließend nicht der Meinung, daß die Setzung einer Frist zur Erfüllung der Auflagen dem Gesetz widerspricht; sieht doch § 18 Abs. 2 KALG die Setzung einer unerstreckbaren Frist von höchstens einem Jahr durch die Landesregierung zur Behebung von Mängeln unter der Sanktion der Zurücknahme der Betriebsbewilligung vor.
Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 8. April 1988
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