VwGH 87/11/0274

VwGH87/11/027419.1.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Dorner, Dr. Waldner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des EP in G, vertreten durch Dr. Gottfried Eisenberger und Dr. Jörg Herzog, Rechtsanwälte in Graz, Rechbauerstraße 4/11, gegen den Bescheid des Militärkommandos Steiermark vom 27. Oktober 1987, Zl. ST/52/05/03/32, betreffend Feststellung der mangelnden Eignung zum Wehrdienst, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art9a
NeutrG 1955 Art1
WehrG 1978 §15 Abs1
WehrG 1978 §23 Abs2
WehrG 1978 §44 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1988:1987110274.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde, der vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides und dem den Beschwerdeführer betreffenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Jänner 1986, Zl. 85/12/0154, ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Der am 3. Oktober 1952 geborene Beschwerdeführer wurde 1971 erstmals der Stellung unterzogen und hiebei für tauglich befunden. Nach mehrmaligem Aufschub des Antrittes des ordentlichen Präsenzdienstes und nach Ablauf einer zeitlichen Befreiung gemäß § 37 Abs. 2 lit. a Wehrgesetz 1978 wurde der Beschwerdeführer am 3. September 1980 über seinen Antrag einer neuen Stellung unterzogen und mit Beschluß der Stellungskommission der belangten Behörde vom selben Tag als zum Wehrdienst „untauglich“ erklärt. Mit Beschluß der Stellungskommission der belangten Behörde vom 26. Juni 1985 wurde der Beschwerdeführer nach Durchführung eines über seinen Antrag eingeleiteten Stellungsverfahrens neuerlich als zum Wehrdienst „untauglich“ erklärt. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Jänner 1986, Zl. 85/12/0154, wurde die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Beschwerde aus nachstehenden Erwägungen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen:

„Die mit dem angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung der mangelnden Eignung des Beschwerdeführers zum Wehrdienst hat seine Rechtsstellung nicht verändert, sondern nur neuerlich etwas ausgesprochen, was bereits seit Erlassung des Beschlusses der Stellungskommission der belangten Behörde vom 3. September 1980 Geltung besessen hat, nämlich daß den Beschwerdeführer die im Wehrgesetz 1978 (§ 44 Abs. 1) verankerte Pflicht aller wehrfähigen Staatsbürger zum Dienst im Bundesheer aus dem Grunde der mangelnden Wehrfähigkeit nicht trifft. Der Bescheid stellt somit seinem Wesen nach keinen belastenden Verwaltungsakt dar. Andererseits besteht keine Vorschrift, derzufolge dem Beschwerdeführer ein subjektives Recht auf Leistung des Wehrdienstes eingeräumt wäre, vielmehr fehlt es im gegebenen Zusammenhang an einer eigenen, gegen den Staat als Träger der Hoheitsgewalt gerichteten Interessenssphäre des Beschwerdeführers.

Daraus folgt, daß der angefochtene Bescheid den Beschwerdeführer nicht in einem ihm zustehenden Recht verletzt hat. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.“

Mit Schreiben vom 21. Juli 1987 richtete der Beschwerdeführer an die belangte Behörde neuerlich das Ersuchen um Durchführung einer Tauglichkeitsuntersuchung. Darin führte er aus, daß er körperlich und geistig völlig gesund sei und unbedingt vor Vollendung seines 35. Lebensjahres am 3. Oktober 1987 seinen Präsenzdienst beim österreichischen Bundesheer antreten möchte.

Am 27. Oktober 1987 faßte die Stellungskommission der belangten Behörde abermals einen auf „untauglich“ lautenden Beschluß (§ 23 Abs. 2 Wehrgesetz 1978).

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Unter erkennbarem Bezug auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes im zitierten Erkenntnis vertritt der Beschwerdeführer darin die Auffassung, daß einerseits der angefochtene Bescheid schon seinem Wesen nach ein ihn belastender Verwaltungsakt sei und andererseits die Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes ein Recht jedes männlichen österreichischen Staatsbürgers darstelle. Ein den Beschwerdeführer belastender Verwaltungsakt sei der angefochtene Bescheid einerseits deswegen, weil mit ihm über seine Person ein Werturteil ausgesprochen werde, das zweifelsfrei auch Drittwirkungen entfalte. Dabei sei etwa daran zu denken, daß ihm in beruflicher Hinsicht durch den angefochtenen Bescheid Probleme erwüchsen, werde doch mangelnde Wehrfähigkeit allgemein als „Mangel“ angesehen, was insbesondere in seinem Beruf als Lehrer ein gravierendes Anstellungshindernis darstelle. Andererseits sei der Beschwerdeführer österreichischer Staatsbürger. Als solchen treffe ihn im Hinblick auf das Neutralitätsgesetz die völkerrechtliche Verpflichtung, dafür Sorge zu tragen, daß die immerwährende Neutralität Österreichs „mit allen zu Gebote stehenden Mitteln aufrechterhalten und verteidigt“ werde. Aus den Bestimmungen des Neutralitätsgesetzes und dem Art. 9a B‑VG ergebe sich aber auch, daß die Wehrpflicht nicht nur eine Verpflichtung, sondern auch ein Recht jedes männlichen österreichischen Staatsbürgers sei, der angesichts der Konzeption der bewaffneten Neutralität vor allem auf diese Weise seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen, die aus dem Neutralitätsgesetz resultierten, Rechnung tragen könne. In diesem subjektiven Recht auf Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes sei der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid verletzt, weil trotz eindeutiger positiver Untersuchungsergebnisse neuerlich seine mangelnde Eignung zum Wehrdienst festgestellt worden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Gerichtshof hält die obzitierten Erwägungen des Erkenntnisses vom 27. Jänner 1986, Zl. 85/12/0154, aufrecht. Die Beschwerdeeinwände vermögen nicht zu überzeugen.

Mit der Feststellung der Stellungskommission nach § 23 Abs. 2 Wehrgesetz 1978, eine Person sei zum Wehrdienst „untauglich“, wird lediglich zum Ausdruck gebracht, daß diese Person nicht die volle geistige und körperliche Eignung zum Dienst im Bundesheer (§ 15 Abs. 1 Wehrgesetz 1978) besitzt. Darüber hinausgehende Rechtswirkungen entfaltet dieser Beschluß nicht. Er stellt daher auch dann keinen belastenden Verwaltungsakt dar, wenn es zutreffen sollte, daß „mangelnde Wehrfähigkeit“ allgemein als „Makel“ angesehen wird, „was insbesondere in meinem Beruf als Lehrer ein gravierendes Anstellungshindernis darstellt“.

Im Bundesverfassungsgesetz vom 26. Oktober 1955, BGBl. Nr. 211, über die Neutralität Österreichs hat Österreich zum Zwecke der dauernden Behauptung seiner Unabhängigkeit nach außen und zum Zwecke der Unverletzlichkeit seines Gebietes seine immerwährende Neutralität erklärt; in Art. 9a B‑VG hat sich Österreich zur Aufrechterhaltung und Verteidigung dieser immerwährenden Neutralität zur umfassenden Landesverteidigung bekannt, zu der unter anderem auch die militärische Landesverteidigung gehört. Die in Art. 9a Abs. 3 B‑VG verankerte, zur Durchführung der militärischen Landesverteidigung erforderliche Wehrpflicht jedes männlichen österreichischen Staatsbürgers hat entsprechend dem letzten Satz des Art. 9a Abs. 3 B‑VG ihre nähere Konkretisierung im Wehrgesetz 1978 gefunden. Nach dessen § 15 Abs. 1 setzt die Einberufung aber die volle geistige und körperliche Eignung zum Dienst im Bundesheer voraus. Ein subjektives öffentliches Recht auf Leistung der Wehrpflicht ist weder aus den genannten Verfassungsbestimmungen noch aus dem Wehrgesetz 1978 abzuleiten. Auch sonst ist kein durch den angefochtenen Bescheid bewirkter Rechtsnachteil erkennbar. Fehlt dem Beschwerdeführer aber ein solches subjektives öffentliches Recht, so hat dies zur Konsequenz, daß ihn der angefochtene Bescheid - unabhängig von seiner Rechtmäßigkeit - nicht in einem ihm zustehenden Recht verletzt hat. Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 in Verbindung mit § 42 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 19. Jänner 1988

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