VwGH 86/16/0031

VwGH86/16/00317.5.1987

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Dr. Närr, Mag. Meinl, Dr. Kramer und Dr. Karger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Samonig, über die Beschwerde der L-bank in W, vertreten durch Dr. Wolf-Dieter Arnold, Rechtsanwalt in Wien I, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid des Präsidenten des Kreisgerichtes Leoben vom 19. Juli 1985, Zl. Jv 1043-833/85-10, betreffend Gerichtsgebühren (Vergleichsgebühr), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1380;
ABGB §1392;
ABGB §1395;
ABGB §6;
ABGB §7;
ABGB §891;
ABGB §914;
GJGebG 1962 §1;
GJGebG 1962 §2 Z4;
GJGebG 1962 §6 Abs1 Z6;
GJGebG 1962 §6 Abs4;
GJGebG 1962 TP4;
VwRallg;
ZPO §204 Abs1;
ABGB §1380;
ABGB §1392;
ABGB §1395;
ABGB §6;
ABGB §7;
ABGB §891;
ABGB §914;
GJGebG 1962 §1;
GJGebG 1962 §2 Z4;
GJGebG 1962 §6 Abs1 Z6;
GJGebG 1962 §6 Abs4;
GJGebG 1962 TP4;
VwRallg;
ZPO §204 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach Lage der Akten hatten in den beim Kreisgericht Leoben unter Zlen. 5 Cg 279/83, 5 Cg 328/83, anhängig gewesenen Zivilrechtsstreitigkeiten, die mit Beschluß vom 4. November 1983 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden waren und deren Summe der Streitwerte über 1,2 Millionen Schilling betragen hatte, der Kläger Ing. GL und die dort beklagte Beschwerdeführerin unter Beitritt der N-Betriebs- und Verwaltungsgesellschaft m.b.H in der Tagsatzung zur fortgesetzten mündlichen Streitverhandlung am 5. Juli 1984 vor dem Prozeßgericht nachstehenden gerichtlichen Vergleich geschlossen:

"1) Die N-Betriebs- und Verwaltungsgesellschaft m.b.H. verpflichtet sich dem Kläger zu Handen des Klagsvertreters Dr. Hans Estermann, RA. in Mattighofen, den Betrag von S 400.000,--

zuzüglich 20 % MWSt. binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen. Es handelt sich um eine Abgeltung für Parifizierungsarbeiten des Klägers im Rahmen der Appartementhäuser K, im Zeitraum Jänner bis März 1980, sowie seiner Gutachtertätigkeit von 1976 bis 30. Juni 1981 für die Appartementhäuser K.

2) Der Kläger tritt die restliche Klagsforderung von

S 673.755,51 samt 11 % Zinsen seit 1.7.1981 und 20 % MWSt. aus den Zinsen an die N-Betriebs- und Verwaltungsgesellschaft m.b.H. ohne Haftung für die Richtigkeit und Einbringlichkeit ab.

3) Hiemit sind sämtliche zwischen dem Kläger und der Beklagten und auch der N-Betriebs- und Verwaltungsgesellschaft m. b.H. bestehenden Rechte und Pflichten (insbesondere aus den Verfahren 5 Cg 273/83 und 5 Cg 328/83 des KG. Leoben) verglichen.

4) Der Kläger Ing. L erklärt über die hiemit abgetretene Forderung hinaus keine weitere Forderung gegen Ing. HK zu besitzen."

In dieser Zivilrechtssache schrieb der Kostenbeamte des Kreisgerichtes Leoben ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von 1,073.760,-- S der Beschwerdeführerin und dem Kläger mit Zahlungsauftrag vom 27. August 1984 eine Vergleichsgebühr von 10.737,-- S zuzüglich einer Einhebungsgebühr gemäß § 6 Abs. 1 GEG von 20,-- S zur ungeteilten Hand zur Zahlung vor.

In dem von der Beschwerdeführerin gegen diesen Zahlungsauftrag nach bewilligter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erhobenen Berichtigungsantrag wendete sie gegenüber der festgesetzten Vergleichsgebühr ein, die der Gebühr zugrundezulegende Bemessungsgrundlage betrage nur 400.000,-- S, weil der Betrag in Höhe von 673.755,51 S keine (weitere) Leistung darstelle, zu der sich die Beschwerdeführerin im Vergleichswege verpflichtet habe, sondern die Gegenleistung, die nicht gesondert zu bewerten sei. Selbst wenn man anderer Ansicht sein sollte, so wären bei der Bewertung der vom Kläger als Zedent bedungene Haftungsausschluß zu berücksichtigen und bei allfälliger "Undeutlichkeit über" den (minimalen) Wert der abgetretenen Forderung ein Ermittlungsverfahren zu pflegen gewesen.

Die belangte Behörde gab mit Bescheid vom 19. Juli 1985 dem Berichtigungsantrag keine Folge. Sie führte dazu nach Darstellung des Sachverhaltes und Verwaltungsgeschehens zur Begründung im wesentlichen aus, gemäß § 13 GJGebG seien zur Festsetzung der Bemessungsgrundlage die Bestimmungen der §§ 54 bis 60 JN heranzuziehen. Grundsätzlich gelte als Bemessungsgrundlage der Wert des Streitgegenstandes zum Zeitpunkt der Anbringung der Klage und für das ganze Verfahren und auch für eine allfällige Vergleichsgebühr, sofern nicht nachträglich im Zuge des Verfahrens eine Wertänderung eintrete. Diese Wertänderung sei im gegenständlichen Verfahren zweifellos erfolgt. Nach dem Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Mai 1960, Zl. 1403/58, Slg. Nr. 2225/F, verstehe man unter dem Wert des Streitgegenstandes, über den der Vergleich abgeschlossen wurde, jenen Wert der Leistungen, zu denen der Vergleich verpflichte. Daß auch eine Gegenleistung in die Bemessungsgrundlage für die Vergleichsgebühr einzubeziehen sei, habe der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 9. März 1973, Zlen. 1155 und 1156/72, Slg. Nr. 4516/F, dargelegt. Der am 5. Juli 1984 vor dem Prozeßgericht abgeschlossene Vergleich verpflichte die N-Betriebs- und Verwaltungsgesellschaft m.b.H. an den Kläger 400.000,-- S s.A. zu bezahlen und der Kläger wiederum habe eine Klagsforderung in Höhe von 673.755,51 S s.A. an die genannte Gesellschaft abgetreten. Bei diesen beiden Leistungen handle es sich um getrennte Verpflichtungen, die gebührenrechtlich zusammenzuzählen seien. Als Bemessungsgrundlage komme daher ein Gesamtbetrag in Höhe von 1,073.755,51 S, aufgerundet 1,073.760,-- S, in Betracht und es sei hiefür die Entscheidungsgebühr gemäß TP 4 des einen Bestandteil des GJGebG bildenden Tarifes von 1 v.H. zu entrichten. Zahlungspflichtig hiefür seien die beiden, den Vergleich schließenden Parteien zur ungeteilten Hand.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer auch Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wegen Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums. Die Behandlung der Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit dem Beschluß vom 5. März 1986, B 622/85, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG abgelehnt, weil spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen zur Beantwortung der von der Beschwerdeführerin aufgeworfenen Fragen nicht anzustellen seien.

Die belangte Behörde legte die Akten vor. Von der ihr eingeräumten Möglichkeit, eine Gegenschrift zu erstatten, machte sie keinen Gebrauch.

 

Der Gerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin nach ihrem Vorbringen in dem Recht verletzt, als Prozeßpartei, die nicht Vertragspartner der maßgeblichen Punkte des gerichtlichen Vergleiches vom 5. Juli 1984 sei, nicht zur Zahlung der - im übrigen überhöht - vorgeschriebenen Gerichtsgebühren herangezogen zu werden. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes trägt sie unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides im wesentlichen vor, gemäß § 6 Abs. 1 Z. 6 GJGebG seien zahlungspflichtig bei gerichtlichen Vergleichen "die vertragschließenden Parteien" ohne Rücksicht auf entgegenstehende Vereinbarungen. Nach den Punkten 1. und 2. des Vergleiches vom 5. Juli 1984 sei davon auszugehen, daß eine Verpflichtung der GmbH (und nicht der Beschwerdeführerin) erfolgt sei, 400.000,-- S zu bezahlen und daß dieser GmbH (und nicht der Beschwerdeführerin) eine Forderung in Höhe von 673.755,51 S abgetreten worden sei. Vertragschließende Parteien hinsichtlich dieser beiden Punkte des gerichtlichen Vergleiches seien daher ausschließlich der Kläger und die GmbH, nicht jedoch die Beschwerdeführerin. Nur die GmbH und der Kläger hätten über materielle Rechte verfügt. Die Punkte

3. und 4. des gerichtlichen Vergleiches seien unbestrittenermaßen gerichtsgebührenrechtlich irrelevant. Auch jedwede rein zivilrechtliche Betrachtung aus dem Blickwinkel des § 1380 ABGB müsse zu dem Ergebnis kommen, daß die Beschwerdeführerin kein Vertragspartner, also keine "vertragschließende Partei" sei, weil sie sich weder verpflichtet habe, dem Kläger etwas zu bezahlen (diese Verpflichtung treffe ausschließlich die GmbH), noch eine Forderung abgetreten erhalten habe (auch Vertragspartner der Abtretung seien ausschließlich der Kläger als Zedent und die GmbH als Zessionar). Der im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Oktober 1962, Zl. 1281/61, Slg. Nr. 2727/F, vertretenen Rechtsansicht, für die ungeteilte Haftung aller Vergleich beteiligten Personen sei die Bestimmung des § 1 GJGebG maßgebend, weil den Gegenstand der Gerichtsgebühren nicht Rechtsgeschäfte, sondern Schriften und Amtshandlung bilden, könne nicht gefolgt werden. Zumindest könne diese Rechtsansicht auf den vorliegenden Beschwerdefall, abgesehen davon, daß eine nicht Prozeßpartei vertragschließende Partei sei, nicht übertragen werden. Dies deshalb, weil § 1 GJGebG keinen normativen Inhalt habe. Er verweise nämlich auf "die folgenden Bestimmungen und jene des angeschlossenen, einen Bestandteil dieses Bundesgesetzes bildenden Tarifs" (arg.: "nach Maßgabe"). Damit stehe aber das Primat des § 6 Abs. 1 Z. 6 GJGebG vor der bloß programmatischen Erklärung des § 1 leg. cit. fest. Wenn aber § 6 Abs. 1 Z. 6 GJGebG ausdrücklich von "vertragschließenden Parteien" bei gerichtlichen Vergleichen spreche, so werde damit deutlich, daß hier nicht der "Amtshandlungscharakter" des gerichtlichen Vergleiches im Vordergrund stehe, sondern die Rechtsgeschäftskomponente maßgeblich sei. Durch die Verwendung eines zivilrechtlichen (und nicht eines prozessualen) Begriffes habe der Gesetzgeber eindeutig zu erkennen gegeben, daß er zur Prüfung der Zahlungspflicht in der Sonderbestimmung des § 6 Abs. 1 Z. 6 GJGebG für den gerichtlichen Vergleich auf die zivilrechtliche (und nicht auf die prozessuale) Beurteilung abstelle. Dies gehe auch daraus hervor, daß der Gesetzgeber in § 6 Abs. 4 GJGebG durchaus bewußt nicht von einer "Partei", sondern von einer "Person" spricht.

Diesem Vorbringen bleibt es verwehrt, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu erweisen.

Gemäß § 1 GJGebG unterlagen den Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren Schriften und Amtshandlungen nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen und des angeschlossenen, einen Bestandteil dieses Bundesgesetzes bildenden Tarifs. Nach der Anordnung des § 2 Z. 4 GJGebG entstand die Gebührenpflicht bei Vergleichen mit der Beendigung ihrer Protokollierung. Zahlungspflichtig waren bei gerichtlichen Vergleichen gemäß § 6 Abs. 1 Z. 6 leg. cit. die vertragschließenden Parteien ohne Rücksicht auf entgegenstehende Vereinbarungen und zwar gemäß dessen Abs. 4 zur ungeteilten Hand.

Eine Legaldefinition des Rechtsbegriffes "vertragschließende Parteien" findet sich im Gerichts- und Justizverwaltungsgebührengesetz nicht. Seine Sinnermittlung ist daher Angelegenheit der juristischen Interpretation. Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinneszusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist. Gegenstand der Auslegung ist dabei der Gesetzestext als Träger des in ihm niedergelegten Sinnes, um dessen Verständnis es bei der Auslegung geht; Ziel der Auslegung ist die Ermittlung des rechtlich maßgeblichen, des normativen Sinnes des Gesetzes (Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft5, S. 299, 304).

Der gerichtliche Vergleich ist einerseits ein zivilrechtliches Rechtsgeschäft im Sinne des § 1380 ABGB, also ein Neuerungsvertrag, durch welchen strittige oder zweifelhafte Rechte bestimmt werden, anderseits ist er eine Prozeßhandlung, die in der Protokollierung und Beurkundung des Vergleichsinhaltes in vollstreckbarer Form besteht (vgl. Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen II (1962) 963; SZ 40/115; SZ 42/61; EvBl. 1983/165; Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. November 1981, Zl. 2596/79, Slg. Nr. 5629/F). Der gerichtliche Vergleich ist ein vor Gericht geschlossener prozeßrechtlicher Vertrag, durch den die Parteien den Rechtsstreit gütlich beenden oder einzelne Streitpunkte bereinigen (Ertl in Rummel, ABGB, Rdz 8 zu § 1380). Nach der Lehre von der Doppelnatur oder vom Doppeltatbestand des gerichtlichen Vergleiches ist zwischen seiner materiellen und seiner prozessualen Wirksamkeit zu unterscheiden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit der Frage, wer bei gerichtlichen Vergleichen als "vertragschließende Partei" im Sinne des § 6 Abs. 1 Z. 6 GJGebG und damit als zur ungeteilten Hand Zahlungspflichtiger zu qualifizieren ist, bereits in seinem Erkenntnis vom 24. Oktober 1962, Zl. 1281/61, Slg. Nr. 2727/F, eingehend auseinandergesetzt und in den Entscheidungsgründen dargetan, daß dies jede am Abschluß des Vergleiches beteiligte Person ist. Er hat im Zusammenhang ausgesprochen, daß die Vergleichsgebühr von den Leistungen aller am Vergleich beteiligten Personen gemäß § 6 Abs. 4 GJGebG sämtliche Vergleichsparteien zur ungeteilten Hand trifft.

Der so erkannte normative Gehalt des § 6 Abs. 1 Z. 6 GJGebG ist auch im vorliegenden Beschwerdefall von rechtlichem Gewicht. Die diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerde bieten für den Verwaltungsgerichtshof in Ansehung der klaren Rechtslage keinen Anlaß, von seiner ausgesprochenen und oben wiedergegebenen Rechtsmeinung abzugehen. Der gerichtliche Vergleich wird von den Parteien des beizulegenden Verfahrens oder zwischen einer Prozeßpartei (auch beiden Prozeßparteien und einem (beigetretenen) Dritten geschlossen. Jeder Vergleich, der über privatrechtliche Ansprüche vor einem Zivilgericht abgeschlossen wurde, ist gemäß § 1 Z. 5 EO ein Exekutionstitel.

Im Beschwerdefall hat die N-Betriebs- und Verwaltungsgesellschaft m.b.H., eine Tochtergesellschaft der Beschwerdeführerin, als prozeßfremder Dritter mit dem Kläger und der Beschwerdeführerin, den beiden Prozeßparteien, vor dem Prozeßgericht den gerichtlichen Vergleich vom 5. Juli 1984 abgeschlossen. Gemäß Punkt 3. dieses Vergleiches sind "hiemit sämtliche zwischen dem Kläger und der Beklagten und auch der N-Betriebs- und Verwaltungsgesellschaft m.b.H. bestehenden Rechte und Pflichten (insbesondere aus den Verfahren 5 Cg 273/83 und 5 Cg 23/83 des KG. Leoben) verglichen".

Bei Auslegung des Begriffes "vertragschließende Partei" ist davon auszugehen, daß das bezeichnete verbum legale ganz allgemein jene Person bezeichnet, die am Abschluß des einen Neuerungsvertrag darstellenden gerichtlichen Vergleiches beteiligt ist. Dieser Umstand traf auf die Beschwerdeführerin, die beklagte Prozeßpartei der erwähnten Rechtsstreitigkeiten, unbestrittenermaßen zu. Daraus ergibt sich, daß der belangten Behörde keine Rechtswidrigkeit anzulasten ist, wenn sie zur Rechtsansicht kam, auch die Beschwerdeführerin sei "vertragschließende Partei" im Sinne des § 6 Abs. 1 Z. 6 GJGebG.

Gleiches trifft aber auch auf die N-Betriebs- und Verwaltungsgesellschaft m.b.H., die als prozeßfremder Dritter mit den beiden Prozeßparteien den Vergleich abgeschlossen hat, zu. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 4. Juli 1961, Zl. 468/61, Slg. Nr. 2480/F, dargetan hat, kommt es für die Beantwortung der Frage, ob und in welcher Höhe eine gerichtliche Vergleichsgebühr zu entrichten ist, rechtens nur darauf an, ob ein gerichtlicher Vergleich geschlossen wurde und welche Verpflichtungen die am Vergleich beteiligten Personen eingegangen sind, nicht aber darauf, ob die im Vergleich übernommenen Leistungen auch gegen den Versprechenden eingeklagt wurden oder ein Anspruch auf diese Leistungen ihm gegenüber einredeweise geltend gemacht worden ist, und auch nicht darauf, ob die Partei, die sich im Vergleiche zu einer Leistung verpflichtet, selbst schon vorher am gerichtlichen Verfahren beteiligt war.

Traf die Verpflichtung zur Entrichtung desselben Gebührenbetrages zwei oder mehrere Personen, so waren sie (d.h. "alle") nach der zwingenden Anordnung des § 6 Abs. 4 GJGebG - mangels Angabe von Anteilen im Gesetz - zur ungeteilten Hand zahlungspflichtig.

Alle drei am Abschluß des gerichtlichen Vergleiches beteiligt gewesenen Personen haben die Gesamtschuld (Mitschuld zur ungeteilten Hand, § 891 ABGB) durch gemeinsame Verwirklichung des gleichen rechtserheblichen Tatbestandes im Zeitpunkt der Beendigung der Protokollierung des Vergleiches (§ 2 Z. 4 GJGebG) kraft Gesetzes zum Entstehen gebracht.

Das Wesen der Gesamtschuld besteht in einer besonders starken Sicherung des Abgabengläubigers. Sie erfolgt dadurch, daß der Abgabengläubiger die ihm zustehende Leistung zwar nur einmal fordern kann, aber berechtigt ist, die Leistung nach seiner Wahl ganz oder auch nur zum Teil von dem einen oder von dem anderen insgesamt mehrerer Abgabenschuldner zu fordern. Liegt ein Gesamtschuldverhältnis vor, so hängt es gemäß § 891 zweiter Satz ABGB vom Gläubiger ab, ob er von allen, oder von einigen Mitschuldnern das Ganze, oder nach von ihm gewählten Anteilen, oder ob er das Ganze von einem einzigen fordern will. Der Gläubiger kann daher jeden der Mitschuldner nach seinem Belieben in Anspruch nehmen, bis er die Leistung vollständig erhalten hat (vgl. Gschnitzer in Klang2 IV 297). Bei Vorliegen eines Gesamtschuldverhältnisses steht also der Abgabenbehörde - dem Gläubiger - die Wahl zu, ob sie alle Gesamtschuldner oder nur einzelne, im letzteren Falle welche der Gesamtschuldner, die die Verpflichtung zur Entrichtung desselben Gebührenbetrages trifft, sie zur Leistung heranziehen will. Wenn daher die belangte Behörde im Beschwerdefall zunächst nur die beiden Prozeßparteien zur Zahlungspflicht herangezogen hat, vermag der Verwaltungsgerichtshof darin keine Rechtswidrigkeit zu erblicken.

Wenn sich die Beschwerdeführerin mit ihren Ausführungen gegen ihre Heranziehung als Mitschuldner zur ungeteilten Hand auf einfachgesetzlicher Ebene wendet (auf die verfassungsrechtlichen Bedenken der Beschwerdeführerin hat der Verfassungsgerichtshof - offensichtlich unter Bedachtnahme auf sein Erkenntnis vom 18. März 1966, G 24/65, G 2/66, VfSlg. 5253, mit dem er den § 6 Abs. 4 GJGebG als nicht verfassungswidrig erkannte - mit dem eingangs zitierten Beschluß vom 5. März 1986 geantwortet, und der Verwaltungsgerichtshof ist nicht befugt, die behaupteten Verletzungen verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte zu prüfen - siehe z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Oktober 1985, Zl. 85/17/0045), bekämpft sie in Wahrheit nochmals die bereits vorstehend nicht als rechtswidrig erkannte Auslegung des Begriffes "vertragschließende Parteien" durch die belangte Behörde.

Gleichfalls unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit wendet die Beschwerdeführerin im Einklang mit ihrem Vorbringen vor der belangten Behörde ein, aus den maßgeblichen Punkten 1. und 2. des Vergleiches ergebe sich ungeachtet ihrer textlichen Trennung, daß Gegenstand des Vergleiches die Bezahlung eines Betrages von 400.000,-- S s.A. gegen Abtretung einer Forderung des Klägers an die GmbH in Höhe von 673.755,51 S s.A. ohne Haftung für Richtigkeit und Einbringlichkeit sei. Vergleichsgegenstand sei somit der Abschluß eines einzigen Rechtsgeschäftes, und zwar der Abschluß eines synallagmatischen Vertrages (Zessionsvertrages), wobei bei der - von der belangten Behörde übrigens gar nicht aufgeworfenen - Frage, ob Leistung und Gegenleistung in angemessener Relation stünden, zu berücksichtigen sei, daß der Zedent keine Haftung für Bonität und Verität übernommen habe. Sei Vergleichsgegenstand der Abschluß eines synallagmatischen Vertrages, so werde eben über diesen synallagmatischen Vertrag der Vergleich abgeschlossen und sei dessen Wert der "Wert des Streitgegenstandes" und nicht die Summe beider Leistungen. Abschließend rügt die Beschwerdeführerin in Übereinstimmung mit ihrem Vorbringen vor der belangten Behörde die unterbliebenen Ermittlungen über die zwingende Gegenseitigkeit und den Wert der Leistung im Zessionsvertrag.

Dieses Vorbringen ist im Ergebnis begründet.

Gemäß TP 4 des einen Bestandteil des GJGebG bildenden Gebührentarifs betrug die Gebühr für gerichtliche Vergleiche 1 v. H. "von dem Wert des Streitgegenstandes, über den der Vergleich geschlossen wurde".

Wie der Verwaltungsgerichtshof auf Grund eines von einem verstärkten Senat beschlossenen Rechtssatzes (Anhang Nr. 22 zur Sammlung 1960) im Erkenntnis vom 9. Mai 1960, Zl. 1403/58, Slg. Nr. 2225/F, ausgeführt und unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien eingehend begründet hat, ist als Bemessungsgrundlage der Vergleichsgebühr der Wert der Leistungen zu verstehen, zu denen sich die Parteien im Vergleich verpflichtet haben. An dieser Rechtsansicht hat der Verwaltungsgerichtshof seither ständig festgehalten (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 13. Februar 1961, Zl. 1909/58, vom 24. Mai 1961, Zl. 1653/59, vom 4. Juli 1961, Zl. 468/61, Slg. Nr. 2480/F, und vom 22. April 1985, Zl. 84/15/0138).

Im Hinblick auf die dargelegte Rechtslage kann es zunächst nicht zweifelhaft sein - und ist auch nicht bestritten -, daß die im Punkt 1. des gegenständlichen Vergleiches vereinbarte Leistung an den Kläger in Höhe von 400.000,-- S s.A. der Gebührenbemessung zugrundezulegen war.

Im Punkt 2. des Vergleiches verfügte der Kläger über Ansprüche, die bis dahin Gegenstand seines Zivilprozesses mit der Beschwerdeführerin waren, dergestalt, daß er die "restliche Klagsforderung" an die am Vergleichsabschluß beteiligte Dritte, die N-Betriebs- und Verwaltungsgesellschaft m.b.H., eine Tochtergesellschaft der Beschwerdeführerin, zedierte.

Die Zession ist ein Konsensualvertrag, der gemäß § 1392 ABGB durch Willenseinigung zwischen Zedenten und Zessionar zustandekommt. Eine Verständigung des Schuldners ist keine Voraussetzung für die Wirksamkeit der Abtretung, sondern nach § 1395 ABGB nur dafür, daß der Schuldner nicht mehr mit befreiender Wirkung an den Zedenten zahlen kann (Wolff in Klang2 VI 287).

Nun läßt der Wortlaut der beiden Vergleichspunkte 1. und 2. zwar nicht erkennen, daß die eine Pflicht (Leistung an den Kläger) "um der anderen willen" (Abtretung der restlichen Klagsforderung) übernommen wurde, sodaß von einem sog. Synallagma, der Gegenseitigkeit im engsten Sinne (vgl. Rummel in Rummel, ABGB, Rdz. 6 zu § 859), gesprochen werden kann. In dieser Hinsicht behauptete aber die Beschwerdeführerin bereits im Verfahren vor der belangten Behörde, daß Vergleichsgegenstand nur der Abschluß eines einzigen Rechtsgeschäftes und zwar der Abschluß eines synallagmatischen Zessionsvertrages war.

Angesichts dieses bereits im Berichtigungsantrag erhobenen Sachverhaltsvorbringens wäre aber die belangte Behörde schon im Hinblick auf das auch für gerichtliche Verfahren geltende Gebot des § 914 ABGB (demgemäß bei der Auslegung von Verträgen nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdruckes zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen ist, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht) verhalten gewesen, über den in der Vergleichsurkunde - wie von der Beschwerdeführerin behauptet - nicht hinreichend zum Ausdruck gekommenen Willen der Vergleichsparteien Ermittlungen anzustellen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Juni 1972, Zl. 865/71). Da die belangte Behörde derartige Erhebungen unterlassen hat, blieb der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig, weshalb der angefochtene Bescheid im Grunde der somit als berechtigt anzuerkennenden Verfahrensrüge der Beschwerdeführerin gemäß dem § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Anspruch auf Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Wien, am 7. Mai 1987

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