Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.645,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist als Air-Hostess beim Luftverkehrsunternehmen SAS, das seine Hauptniederlassung in Kopenhagen hat, beschäftigt. Sie ist schwedische Staatsbürgerin und mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet; ihr Wohnsitz ist Wien. Als Air-Hostess bezieht sie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die nicht dem Lohnsteuerabzug unterliegen; sie werden von der Hauptniederlassung in Kopenhagen auf ein dortiges Konto ausbezahlt.
In der Einkommensteuererklärung für 1979 machte sie u. a. als steuerfreie Beträge geltend:
a) Holliday compensation (Urlaubsgeld) und Company Retirement Scheme (eine einmalige Auszahlung) gemäß § 67 Abs. 1 EStG 1972;
b) Allowances gemäß § 68 EStG 1972.
Das Finanzamt besteuerte diese Bezüge nach dem allgemeinen Einkommensteuertarif.
Die Finanzlandesdirektion, die über die von der Beschwerdeführerin u. a. auch dagegen erhobene Berufung zu entscheiden hatte, wies die Berufung in diesem Punkte ab. Die Beschwerdeführerin sei nicht im Inland beschäftigt gewesen, sondern an Bord der Flugzeuge des Luftverkehrsunternehmens. Ihr Arbeitgeber habe seinen Sitz in Dänemark und könne deshalb - also nicht etwa auf Grund der allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechtes oder auf Grund von Staatsverträgen nicht zum Steuerabzug vom Arbeitslohn verhalten werden. Als Grenzgänger sei die Beschwerdeführerin nicht zu qualifizieren, weil sie nicht in der Nähe der Grenze ansässig sei, ihr Arbeitsort sich nicht in Grenznähe befinde und sie sich nicht täglich vom Wohnort zum Arbeitsort begebe, sondern in Ausübung des Dienstes regelmäßig mehrere Tage von Wien fernbleibe. Auf Art. 25 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Dänemark könne sich die Beschwerdeführerin nicht berufen, weil sie nicht österreichische oder dänische Staatsbürgerin sei, sondern schwedische Staatsbürgerin.
Die Beschwerdeführerin behauptet in der gegen diese Berufungsentscheidung erhobenen Beschwerde - die durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 1984, Zlen. B 647/80, B 564/81, B 366/82, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten wurde, nachdem festgestellt worden war, daß die Beschwerdeführerin durch die angefochtene Berufungsentscheidung weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden ist -, es seien die §§ 67 und 68 EStG 1972 auf sie unrichtig angewendet worden; im übrigen habe die Finanzlandesdirektion die von der Beschwerdeführerin am 28. August 1981 beim Finanzamt überreichte "Ergänzung zur Berufung" zu Unrecht nicht beachtet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde erwogen:
Die Beschwerdeführerin wird unter Berufung auf Art. 13 Abs. 2 lit. b des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Dänemark, BGBl. Nr. 126/1962 idgF, mit ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Österreich zur Einkommensteuer veranlagt (siehe auch Schlußprotokoll zum Doppelbesteuerungsabkommen, zu Art. 13).
Der Verwaltungsgerichtshof wies durch sein Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 84/13/0181, die Beschwerde derselben Beschwerdeführerin gegen die Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion, betreffend die Einkommensteuer 1978, als unbegründet ab. Auf die dort angestellten Erwägungen zur Auslegung des § 67 Abs. 11 EStG 1972, der auf das Veranlagungsjahr 1979 gleichfalls in der Fassung anzuwenden ist, in der er vor der Kundmachung des ihn teilweise aufhebenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 18. Dezember 1980, VfGH-Slg. Nr. 9003/1980, im Bundesgesetzblatt Nr. 73/1981, in Kraft gestanden war, und zur Auslegung des § 68 Abs. 5 EStG 1972 ist zu verweisen; diese Erwägungen treffen auch hier zu.
Gemäß § 280 BAO ist aber auf neue Tatsachen, Beweise und Anträge, die der Abgabenbehörde zweiter Instanz im Laufe des Berufungsverfahrens zur Kenntnis gelangen, Bedacht zu nehmen, auch wenn dadurch das Berufungsbegehren geändert oder ergänzt wird.
Die Beschwerdeführerin überreichte den als "Ergänzung zur Berufung" bezeichneten Schriftsatz beim Finanzamt am 28. August 1981; sie machte damit zusätzliche Werbungskosten von dkr 6.000 geltend. Dieser Schriftsatz wurde mit Vorlagebericht des Vorstandes des Finanzamtes vom 3. September 1981 der belangten Behörde vorgelegt und langte dort am 8. September 1981 ein.
Die Beratung und Abstimmung des Berufungssenates über die Berufung fand am 2. September 1981 statt. Die Berufungsentscheidung wurde am 3. September 1981 vom Vorsitzenden des Berufungssenates unterfertigt und am 28. September 1981 der Beschwerdeführerin zugestellt.
Der Sinn des § 280 BAO liegt unter anderem darin, daß dem Berufungswerber im Berufungsverfahren grundsätzlich jedes neue Vorbringen offensteht. Die Abgabenbehörde zweiter Instanz hat auf im Laufe des Berufungsverfahrens zur Kenntnis gelangtes neues Vorbringen - in entsprechender Würdigung (Beweiswürdigung, rechtliche Würdigung) - Bedacht zu nehmen. "Im Laufe" ist das Berufungsverfahren so lange, als es nicht abgeschlossen ist. Die Abgabenbehörde zweiter Instanz hat sohin auf alles neue Vorbringen Bedacht zu nehmen, das ihr bis zum Abschluß des Berufungsverfahrens zur Kenntnis gelangt. Abgeschlossen ist das Berufungsverfahren aber erst, wenn eine wirksame Berufungsentscheidung erging. Eine solche liegt bei einer schriftlichen Erledigung, wie sie im Beschwerdefall getroffen wurde, zufolge § 97 Abs. 1 lit. a BAO erst mit ihrer Zustellung vor (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Oktober 1981, Zl. 14/2830/80; ÖStZB 1982, 155§.
Da die belangte Behörde auf den oben erwähnten, als "Ergänzung zur Berufung" bezeichneten Schriftsatz der Beschwerdeführerin nicht Bedacht nahm, ist der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243. Der auch die Umsatzsteuer einschließende Pauschbetrag für den Schriftsatzaufwand beträgt nur S 9.270,--; die Beilagen sind nur mit S 75,-- gestempelt. Die Vollmacht liegt nicht in diesem, sondern in einem anderen Beschwerdeakt derselben Beschwerdeführerin ein.
Wien, am 25. September 1985
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