VwGH 82/02/0213

VwGH82/02/021327.1.1984

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Dr. Pichler, Dr. Degischer, Dr. Domittner und Dr. Dorner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Füszl, über die Beschwerde der JS in W, vertreten durch Dr. Ingo Gutjahr, Rechtsanwalt in Wien VIII, Wickenburggasse 5, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 30. August 1982, Zl. MA 70‑IX/Sch 264/81/Str., betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

StVO 1960 §2 Abs1 Z13
StVO 1960 §2 Abs1 Z2
StVO 1960 §23 Abs2
StVO 1960 §8 Abs2
StVO 1960 §9 Abs1
VStG §5 Abs2
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1984:1982020213.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 8.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 17. Juli 1981 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe am 23. Jänner 1981 um 16.30 Uhr in Wien 23, Wohnparkstraße gegenüber A 8 einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw in vierter Spur, somit nicht am Fahrbahnrand, abgestellt. Sie habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 3 lit. a der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) in Verbindung mit § 23 Abs. 2 dieses Gesetzes begangen; nach der erstgenannten Gesetzesstelle wurde eine Geldstrafe von S 300,-- (Ersatzarreststrafe ein Tag) verhängt. In der Begründung wurde ausgeführt, die Tatsache der Abstellung des Fahrzeuges am Tatort werde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten, aber die Rechtsauffassung vertreten, daß es sich am Tatort um einen Fahrbahnrand gehandelt habe, weshalb die Abstellung gesetzmäßig gewesen sei. Die Behörde erachte, daß der Fahrbahnteiler am Tatort keinen Fahrbahnrand darstelle, sondern ersterer analog wie eine Schutzinsel zu behandeln sei. Daher liege ein strafbarer Tatbestand vor.

In der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung beharrte die Beschwerdeführerin auf ihrer Rechtsansicht, sie habe ihr Fahrzeug parallel zu einem Fahrbahnrand abgestellt. Am Tatort befände sich keine Schutzinsel, sondern eine begrünte Fläche, die durch einen Randstein von der Fahrbahn getrennt sei. Die Fläche sei nicht für den Fußgängerverkehr bestimmt. Ein Fahrbahnteiler sei nicht gleich einer Schutzinsel; daß der Rand einer solchen keinen Fahrbahnrand darstelle, lasse die Beschwerdeführerin unbestritten. Der gegenständliche Fahrbahnteiler sei zirka 10 m lang. Abgegrenzte Rasenflächen, wie die vorliegende, würden unter anderem auch dazu verwendet, Haupt- von Nebenfahrbahnen zu trennen. Neben derartigen Flächen sei aber das Halten und Parken grundsätzlich erlaubt, sofern genügend Fahrbahnbreite übrig bliebe. Zumindest läge ein entschuldbarer Rechtsirrtum der Beschwerdeführerin vor.

Die Berufungsbehörde holte eine gutächtliche Stellungnahme der Magistratsabteilung 46 ein, welche, abgegeben am 5. Juli 1982, wie folgt lautete:

„Zu do. Anfrage vom 19. April 1982 wird seitens der MA 46 mitgeteilt, daß die h.a. Erhebungen ergaben, daß der betr. ‚Fahrbahnteiler‘ am 23. Jänner 1981 aus einem mit Pflastersteinen (Höhe ca. 15 cm) eingefassten Grünstreifen zur Trennung der Fahrrelationen über bzw. von der Garage des Wohnparks Alt Erlaa bestand (der Fahrbahnteiler wurde mittlerweile entfernt).

Da der Begriff ‚Fahrbahnteiler‘ im § 2 der StVO nicht definiert ist und die Ausgestaltung der betreffenden Landfläche als Grünstreifen, eingefaßt mit Pflastersteinen, keine Gleichsetzung mit dem Begriff ‚Schutzinsel‘ zuläßt, vertritt die MA 46 die Ansicht, daß es sich beim beschriebenen Aufstellungsort des Fahrzeuges um einen Fahrbahnrand handelt.

Hinter dem ‚Fahrbahnteiler‘ bestand noch ein Umkehrplatz, sodaß es sich zweifellos um eine Straße mit öffentlichem Verkehr im Sinne des § 1/1 StVO gehandelt hat, da die Zufahrt sowie das Umkehren für jedermann unter den gleichen Bedingungen möglich war, ohne die Privatgarage zu benützen.“

Nach Gewährung des Parteiengehörs erklärte die Beschwerdeführerin, auch die Magistratsabteilung 46 teile ihren Rechtsstandpunkt. Jener Rand, an dem die Beschwerdeführerin ihr Fahrzeug abgestellt habe, sei demnach ein Fahrbahnrand.

Mit Bescheid vom 30. August 1982 bestätigte die Wiener Landesregierung das erstinstanzliche Straferkenntnis hinsichtlich der Strafzumessung und Kostenentscheidung vollinhaltlich und in der Schuldfrage mit der Abänderung, daß die Tatumschreibung wie folgt zu lauten habe:

„Die Beschuldigte JS hat am 23. 1. 1981, um 16.30 Uhr, in Wien 23, Wohnparkstraße, gegenüber A 8, den Pkw mit dem Kennzeichen W nnn am Rande einer als Grünfläche gestalteten auf der Fahrbahn befindlichen Fläche und nicht am Rande der Fahrbahn und parallel zum Fahrbahnrand abgestellt gehabt.“

In der Begründung wurde zunächst die strittige Rechtsfrage dargestellt. Die Beschwerdeführerin habe ihr Fahrzeug neben einem, mit Pflastersteinen (Höhe ca. 15 cm) eingefaßten Grünstreifen zur Trennung der Fahrbahnhälften abgestellt. Auf Grund der Gestaltung dieser Fläche als Grünstreifen sei auszuschließen, daß die Fläche dem Fußgängerverkehr gewidmet und demnach eine Schutzinsel sei. Es handle sich aber auch um keinen Gehsteig und um kein Straßenbankett, insbesondere im Hinblick auf die Lage auf der Fahrbahn. Die Abgrenzung dieser Fläche sei demnach nicht der Fahrbahnrand. Die Trennung von Fahrbahnen durch bauliche Anlagen ändere nichts an der Einheitlichkeit einer Straße. Auch eine optisch erkennbare Trennung dieser Fläche von der übrigen Fahrbahn - hier durch die Abgrenzung der Grünfläche mit Pflastersteinen - vermöge keine Abtrennung dieser Fläche von der Einheit der Straße, hier besonders von der Fahrbahn, zu bewirken. Daher sei diese Fläche als Teil der Fahrbahn anzusehen, wenn sie auch vom Fließverkehr zum Befahren nicht benützt werden könne und ihre Funktion offensichtlich darin bestünde, den Verkehrsfluß zu regeln. In dieser Funktion stelle diese Fläche daher keine Unterbrechung der Einheit der Fahrbahn dar und es könne auch bei optischer Erkennbarmachung dieser Funktion durch Abgrenzung, gegeben in der baulichen Gestaltung, eine solche Abgrenzung keinen Fahrbahnrand darstellen. Da kein Fahrbahnrand am Tatort vorgelegen sei, habe die Art der Aufstellung des Pkws der Beschwerdeführerin dem § 23 Abs. 2 StVO widersprochen. Der strafbare Tatbestand sei daher erfüllt.

Die Abänderung im Spruch habe der genaueren Tatumschreibung in Anpassung an den strafbaren Tatbestand gedient.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Rechtslage hinsichtlich des Charakters solcher Fahrbahnteiler, die einerseits nicht Schutzinseln im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 13 StVO sind, andererseits aber durch bauliche Anlagen aus der Fläche der Fahrbahn hervorragen, ist unklar. Es gibt, wie die Literatur zutreffend hervorhebt (vgl. Schütz‑Weinmann‑Hobl, Österreichische Straßenverkehrsordnung, 5. Auflage, Seite 13; Dittrich-Veit, Straßenverkehrsordnung, 3. Auflage, Anmerkung 37 zu § 2 StVO) auch Inseln, die nicht dem Aufenthalt von Fußgängern dienen, z. B. solche, die aus verkehrstechnischen Gründen zur Kanalisierung des Verkehrs errichtet wurden (vgl. § 57 Abs. 1 letzter Satz StVO).

Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat sich einerseits mit Schutzinseln im Sinne des § 2 Abs.1 Z.13 StVO beschäftigt und ausgesprochen, der Rand solcher Schutzinseln sei kein Fahrbahnrand. (Vgl. Erkenntnisse vom 23. Mai 1962, Zl. 325/62, vom 15. September 1969, Zl. 1243/68; vom 29. Oktober 1982, Zl. 81/02/0039.) Andererseits sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, bloße Bodenmarkierungen vermöchten nicht die Teilung einer sonst einheitlichen Fahrbahn in zwei Fahrbahnen hervorzurufen. (Vgl. Erkenntnisse vom 23. Oktober 1963, Zl. 1302/63; vom 31. März 1966, Zl. 585/65; vom 11. März 1968, Zl. 1900/67.) Ferner sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, die unterschiedliche Oberflächenbeschaffenheit der Fahrbahn begründe nicht deren Teilung. (Erkenntnis vom 18. Dezember 1981, Zl. 81/02/0158, Slg. N. F. Nr. 10.625/A.) Hinsichtlich einer „Verkehrsinsel“ sprach der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 22. Oktober 1982, Zl. 82/02/0121, aus, auf Grund ihrer räumlichen Ausdehnung könne im damals zur Entscheidung stehenden Fall nicht mehr von einer baulichen Einrichtung, die eine Fahrbahn teile, die Rede sein, sondern müsse vielmehr von zwei verschiedenen Fahrbahnen gesprochen werden. Der Tatbestand nach § 23 Abs. 2 StVO läge somit im dortigen Fall, durch Abstellen eines Fahrzeuges am Rande einer solchen Verkehrsinsel und parallel dazu, nicht vor.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt die von der Behörde 1. Instanz vertretene Ansicht, daß eine inselartig ausgebildete, jedoch nicht für Fußgänger bestimmte Verkehrsfläche gleich einer Schutzinsel im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 13 StVO 1960 zu werten ist.

Er ist aber der Ansicht, daß bei dieser nicht für jedermann sofort erkennbaren Rechtslage - die durch das dem Standpunkt der Beschwerdeführerin entsprechende Gutachten der Magistratsabteilung 46 und die wiederholte Ausführung der belangten Behörde (S. 2 ihres Bescheides), die Trennung der gegenständlichen Fläche von der übrigen Fahrbahn sei optisch erkennbar, nur noch unterstrichen wird - sich die Beschwerdeführerin, auch wenn sie objektiv den Tatbestand nach § 23 Abs. 2 StVO verwirklicht hat, in einem entschuldbaren Rechtsirrtum befand. (Zur grundsätzlichen Möglichkeit entschuldbaren Tat- und Rechtsirrtums siehe Erkenntnis vom 5. Juni 1978, Slg. N. F. Nr. 9577/A.)

Da die belangte Behörde diesen der Beschwerdeführerin zugute kommenden und von ihr auch geltend gemachten Entschuldigungsgrund übersah, hat sie dadurch ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 Abs. 2 lit. a, 48 Abs. 1 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer im Pauschalbetrag für Aufwandersatz bereits enthalten ist.

Wien, am 27. Jänner 1984

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