Normen
BAO §207 Abs2
BAO §208 Abs1 lita
BAO §209 Abs1
GrEStG 1955 §4 Abs2 letzter Satz
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1982:1981160169.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Kaufvertrag vom 1. Juli 1970 verkaufte der Beschwerdeführer an P und CL je zur Hälfte das Grundstück 616/33, damals enthalten in der EZ 69 des Grundbuches über die Katastralgemeinde T, zum Kaufpreis von S 89.960,--. In der hierüber erstatteten Abgabenerklärung wurde Grunderwerbsteuer „wegen Errichtung einer Arbeiterwohnstätte“ beantragt. Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien entsprach diesem Antrag insoferne, als es einen Erwerb von 500 m2 vorerst steuerfrei beließ.
Am 25. Juni 1973 richtete das Finanzamt an das Gemeindeamt Theresienfeld eine Anfrage dahin, ob das Haus (die Arbeiterwohnstätte), zwecks deren Errichtung PL die gegenständliche Liegenschaft erworben habe, bereits baulich vollendet sei. Dies wurde von der Marktgemeinde T unter Hinweis auf eine erteilte Baubewilligung verneint. Im Jahre 1978 richtete das Finanzamt an P und CL eine weitere Anfrage, die jedoch weder unter der im Kaufvertrag angegebenen Adresse noch unter anderen in der Folge ermittelten Adressen zugestellt werden konnte. Am 18. September 1978 wählte das Finanzamt daher wiederum den Weg der Anfrage an das Gemeindeamt T, das diesmal hiezu mitteilte, das Haus sei zwar fertiggestellt, habe jedoch den Besitzer gewechselt.
Hierauf setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien mit zwei getrennten Bescheiden vom 9. Oktober 1978 gegenüber P und CL für den Kaufvertrag vom 1. Juli 1970 7 % Grunderwerbsteuer in Höhe von je S 3.149,-- fest, wobei es die bereits vorläufig vorgeschriebene und bezahlte Grunderwerbsteuer in Höhe von je S 844,-- in Anrechnung brachte. Da sich diese Forderung in der Folge als uneinbringlich erwies, machte das Finanzamt mit zwei getrennten Bescheiden vom 7. Mai 1979 die obgenannte Grunderwerbsteuerforderung von je S 3.149,-- abzüglich der mit vor läufigem Bescheid vom 3. August 1970 vorgeschriebenen Grunderwerbsteuer im Betrag von je S 844,-- auch gegenüber dem Beschwerdeführer als Gesamtschuldner geltend und begründete dies damit, daß der begünstigte Zweck von den Käufern nicht erfüllt, sondern das mit gegenständlichem Kaufvertrag erworbene Grundstück weiterveräußert worden sei.
In den dagegen erhobenen gleichlautenden Berufungen machte der Beschwerdeführer geltend, mit Zuschlagserteilung vom 20. Dezember 1973 sei die Weiterveräußerung des Grundstückes erfolgt, sodaß mit diesem Tag die „Ungewißheit“ beseitigt worden sei. Es habe sohin die Verjährungsfrist zu laufen begonnen; die fünfjährige Frist sei am 31. Dezember 1978 abgelaufen, sodaß keine Möglichkeit mehr bestehe, den Steuerbetrag gegenüber dem Beschwerdeführer als Mithaftendem geltend zu machen.
Mit den beiden nunmehr angefochtenen Bescheiden vom 12. Mai 1981 wies die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland die Berufungen des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Zur Begründung ihrer Entscheidungen führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und des Berufungsvorbringens sowie nach Hinweis auf die Bestimmungen der §§ 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a und 4 Abs. 2 GrEStG übereinstimmend aus, für den gegenständlichen Erwerbsvorgang sei mit der Zuschlagserteilung am 20. Dezember 1973 der begünstigte Zweck aufgegeben worden, da bis zu diesem Zeitpunkt die Arbeiterwohnstätte nicht errichtet gewesen sei. Es sei sohin im Zeitpunkt der „Weiterveräußerung“ die Steuerschuld für den ursprünglichen Erwerb entstanden, soweit dieser noch nicht versteuert gewesen sei. Von diesem Zeitpunkt ausgehend sei nun die Frage zu prüfen, ob die Steuerschuld im Zeitpunkt der Geltendmachung gegenüber dem Beschwerdeführer verjährt gewesen sei.
Weiters führte die belangte Behörde in der Begründung ihrer angefochtenen Bescheide nach Hinweis auf die §§ 207 Abs. 2, 208 Abs. 1 lit. a und 209 Abs. 1 BAO aus, die Verjährungsfrist habe mit 1. Jänner 1974 zu laufen begonnen und hätte somit am 31. Dezember 1979 geendet. Der mit Bescheid vom 7. Mai 1979 dem Beschwerdeführer gegenüber geltend gemachte Grunderwerbsteueranspruch sei daher, von allen vorher vorgenommenen Unterbrechungshandlungen abgesehen, nicht verjährt.
Darüber hinaus sei festzustellen, daß der Beschwerdeführer selbst durch die Nichterfüllung der Verpflichtung, die Aufgabe des begünstigten Zweckes der zuständigen Abgabenbehörde gemäß § 18 Abs. 3 Z. 5 GrEStG mittels Abgabenerklärung bekanntzugeben, die so späte Geltendmachung der Grunderwerbsteuer ihm gegenüber mitverschuldet habe. Denn auch hinsichtlich des Erwerbes im Zwangsversteigerungsverfahren ‑ Ermittlungen der Berufungsbehörde hätten ergeben, daß die gegenständliche Liegenschaft dem Beschwerdeführer selbst zugeschlagen worden sei ‑ habe der Beschwerdeführer keine Abgabenerklärung dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern überreicht.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, inhaltlich übereinstimmenden Beschwerden, nach deren Vorbringen sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt erachtet, daß ihm gegenüber eine verjährte Abgabe von den Abgabenbehörden nicht mehr festgesetzt und einbringlich gemacht werden dürfe. Außerdem sei der Beschwerdeführer in seinem Recht auf ein gesetzmäßiges Abgabenverfahren verletzt worden. Er beantragt, die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde erstattete Gegenschriften, in denen sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden wegen ihres engen persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und hierüber erwogen:
Gemäß dem § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG ist von der Besteuerung unter anderem beim Arbeiterwohnstättenbau der Erwerb eines Grundstückes zur Schaffung von Arbeiterwohnstätten ausgenommen. Nach dem Absatz 2 letzter Satz dieser Gesetzesstelle unterliegen die im Absatz 1 Z. 1 bis 4 und Z. 7 bezeichneten Erwerbsvorgänge jedoch der Steuer, wenn der begünstigte Zweck innerhalb von acht Jahren aufgegeben wird.
Gemäß dem § 207 Abs. 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist bei der Grunderwerbsteuer fünf Jahre. Diese Verjährung beginnt nach der Anordnung des § 208 Abs. 1 lit. a BAO grundsätzlich mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist. Im Sinne des § 16 Abs. 1 GrEStG entsteht die Steuerschuld, sobald ein nach diesem Bundesgesetz steuerpflichtiger Erwerbsvorgang verwirklicht ist.
Zur Anwendung der Befreiungsbestimmung des § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG genügt die Absicht, auf dem erworbenen Grundstück eine Arbeiterwohnstätte zu errichten. Ist also für einen Erwerbsvorgang die Steuerfreiheit nach § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a leg. cit. in Anspruch genommen worden und steht nicht von vornherein fest, daß die Erfüllung des begünstigten Zweckes nicht beabsichtigt war, dann entsteht die Steuerschuld für diesen Erwerbsvorgang erst dann, wenn der begünstigte Zweck aufgegeben wird oder wenn seit dem Erwerbsvorgang acht Jahre verstrichen sind, ohne daß das Grundstück für den begünstigten Zweck verwendet worden ist. Daher beginnt auch die in den §§ 207 und 208 BAO normierte Verjährungsfrist erst von diesem Zeitpunkt an zu laufen (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 14. Dezember 1972, Slg. Nr. 4472/F, und vom 30. April 1981, Zl. 16/1120/80, mit weiteren Nachweisen).
Im Beschwerdefall gehen die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens übereinstimmend davon aus, daß das vertragsgegenständliche Grundstück mit Zuschlagserteilung vom 20. Dezember 1973 weiterveräußert und damit der begünstigte Zweck im Sinne des § 4 Abs. 2 letzter Satz GrEStG aufgegeben wurde. Die Verjährungsfrist begann daher frühestens mit Ablauf dieses Jahres, d. i. mit Ablauf des 31. Dezember 1973, zu laufen. Die fünfjährige Verjährungsfrist für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer hinsichtlich des gegenständlichen Erwerbsvorganges hätte also grundsätzlich mit 31. Dezember 1978 (und nicht, wie es in den bekämpften Bescheiden heißt, mit 31. Dezember 1979) geendet.
Gemäß dem § 209 Abs. 1 BAO wird die Verjährung durch jede zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen. Die Verjährung des Bemessungsrechtes wird auch durch eine Handlung unterbrochen, die nicht gegen die schließlich als Abgabenschuldner in Anspruch genommene Person gerichtet ist. Nach dem Wortlaut des Gesetzes genügt es, daß das Finanzamt irgendeine Handlung zur Geltendmachung des Abgabenanspruches vornimmt, vorausgesetzt, daß diese Handlung nach außen in Erscheinung tritt (vgl. hiezu unter anderem die hg. Erkenntnisse vom 17. September 1976, Slg. Nr. 5004/F, vom 7. Mai 1981 Zl. 16/1018/80, und vom 22. April 1982, Zl. 81/16/0098, sowie die dort zitierte weitere Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Auch die Anfrage des Finanzamtes an ein Gemeindeamt bezüglich der Fertigstellung der Arbeiterwohnstätte ist als eine solche zur Geltendmachung des Abgabenanspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung anzusehen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 1. Juli 1976, Zl. 2025/75, und vom 21. September 1977, Zl. 1888/76).
In den Beschwerdefällen liegt eine solche an das Gemeindeamt T gerichtete Anfrage vom 18. September 1978 vor, welche im Sinne der oben dargelegten Rechtslage sohin die Verjährung unterbrach. Die Verjährungsfrist begann daher mit Ablauf des 31. Dezember 1978 neu zu laufen; die beiden Bescheide vom 7. Mai 1979 ergingen innerhalb der letztgenannten Frist.
Soweit der Beschwerdeführer zur Stützung seiner Auffassung auf die hg. Erkenntnisse vom 17. Dezember 1963, Zl. 1446/62 (= Slg. Nr. 2994/F) und vom 1. Juli 1964, Zl. „1821/63“ (richtig: 1861/53 = Slg. Nr. 3117/F) verweist, vermag er damit für seinen Standpunkt nichts zu gewinnen. Beide Fälle hatten die Frage der Verjährung bei Geltendmachung einer abgabenrechtlichen Haftung (also einer Einhebungsmaßnahme) zum Gegenstand; es lagen ihnen daher anders geartete Sachverhalte zugrunde (vgl. auch hiezu das Erkenntnis vom 17. September 1976, Slg. Nr. 5004/F). In dem erwähnten Erkenntnis vom 17. Dezember 1963, Slg. Nr. 2994/F, hat der Verwaltungsgerichtshof zudem ausdrücklich bekräftigt, daß Handlungen, die der Ermittlung des Anspruches oder des Verpflichteten dienen, die Verjährung gegen die (d.h. gegenüber allen) in Betracht kommenden Personen unterbrechen. Lediglich die eindeutig nur gegen einen Gesamtschuldner gerichtete Festsetzung kann dem durch sie nicht berührten Gesamtschuldner nicht schaden. Dasselbe gilt auch für das vom Beschwerdeführer weiters zitierte Erkenntnis vom 16. März 1967, Zl. 75/65.
Auf die Frage, ob der Beschwerdeführer ‑ wie die belangte Behörde in der Begründung ihrer Bescheide ausführt ‑ durch die Nichterfüllung der Verpflichtung, die Aufgabe des begünstigten Zweckes der zuständigen Abgabenbehörde gemäß § 18 Abs. 3 Z. 5 GrEStG mittels Abgabenerklärung bekanntzugeben, „die so späte Geltendmachung der Grunderwerbsteuer ihm gegenüber mitverschuldet“ habe, muß daher nicht mehr eingegangen werden.
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer die Verletzung der Pflicht, ihm das Parteiengehör zu gewähren; die belangte Behörde habe ihm vor Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht Gelegenheit gegeben, zum Ergebnis des von ihr durchgeführten Beweisverfahrens Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer übersieht hiebei, daß die belangte Behörde nach der Aktenlage kein förmliches Beweisverfahren durchführte, sondern lediglich durch Einsicht in einen vom Beschwerdeführer in seiner Berufung genannten Akt feststellte, der Beschwerdeführer selbst habe die gegenständliche Liegenschaft im Zwangsversteigerungsverfahren erworben. Dies wird jedoch vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde zugegeben. Wenn es in der Begründung des angefochtenen Bescheides heißt, der Beschwerdeführer scheine bewußt versucht zu haben, die Bezahlung der Grunderwerbsteuer für den ehemals begünstigten Erwerbsvorgang zumindest hinauszuschieben, so handelt es sich hiebei lediglich um eine ‑ noch dazu rechtlich irrelevante ‑ Vermutung und nicht um ein dem Parteiengehör unterliegendes Sachverhaltselement. Auch sonst vermag der Verwaltungsgerichtshof einen die angefochtenen Bescheide belastenden, rechtlich bedeutsamen Verfahrensmangel nicht zu erkennen.
Die Beschwerden waren daher gemäß dem § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.
Hinsichtlich der zitierten, in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes nicht veröffentlichten Erkenntnisse des Gerichtshofes wird an Art. 14 Abs. 4 seiner Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.
Wien, am 16. September 1982
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