VwGH 81/11/0097

VwGH81/11/009723.11.1982

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Mag. Öhler, Dr. Kramer, Dr. Knell und Dr. Dorner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberrat Mag. Dr. Paschinger, über die Beschwerde des CV in W, vertreten durch Dr. Hans Bichler, Dr. Daniel Charim und Dr. Wolfgang Spitzy, Rechtsanwälte in Wien IX, Wasagasse 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 10. Juni 1981, Zl. MA 63-V 22/80/Str., betreffend Übertretung des Sonntagsruhegesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4;
GewO 1973 §370 Abs2;
GewO 1973 §38 Abs2;
GewO 1973 §39;
Sonn- und FeiertagsruheG 1895 Art1 §1;
Sonn- und FeiertagsruheG 1895 Art9 §1 Abs6;
VStG §22 Abs1;
VStG §31;
VStG §32 Abs2;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1982:1981110097.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 10. Bezirk, vom 29. Juli 1980 wurde der Beschwerdeführer - nachdem ihm am 28. Februar 1980 wegen derselben ihm angelasteten Tathandlungen ein Beschuldigten-Ladungsbescheid zugestellt worden war - schuldig erkannt, er habe es als gewerberechtlicher Geschäftsführer der N Handelsgesellschaft m.b.H. zu verantworten, daß an allen Sonntagen in der Zeit vom 2. September 1979 bis 16. Dezember 1979 in Wien, P-Kiosk, durch diese Gesellschaft 1.) der Kleinhandel mit Naturblumen ausgeübt worden sei und 2.) die Geschäftsräumlichkeiten offengehalten worden seien. Der Beschwerdeführer habe dadurch zwei Verwaltungsübertretungen, und zwar ad 1.) nach § 1 Art. I und ad 2.) nach § 1 Art. IX Abs. 6 des Gesetzes vom 16. Jänner 1895, RGBl. Nr. 21, betreffend die Regelung der Sonn- und Feiertagsruhe im Gewerbebetriebe (Sonntagsruhegesetz) in der gemäß § 376 Z. 47 Abs. 2 lit. b GewO 1973 geltenden Fassung in Verbindung mit § 370 Abs. 2 GewO 1973 begangen. Gemäß § 376 Z. 47 Abs. 3 GewO 1973 wurden gegen den Beschwerdeführer zwei Geldstrafen von je S 1.000,-- (insgesamt S 2.000,--), im Falle der Uneinbringlichkeit zwei Ersatzarreststrafen in der Dauer von je zwei Tagen, verhängt.

Auf Grund der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung behob der Landeshauptmann von Wien mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 10. Juni 1981 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 das angefochtene Straferkenntnis in Ansehung der in den angelasteten Tatzeitraum fallenden Sonntage 28. Oktober sowie 11., 18. und 25. November 1979 und stellte das Verfahren in dieser Hinsicht gemäß § 45 Abs. 1 lit. a und c VStG 1950 ein. Im übrigen wurde das Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß im ersten Satz des Spruches die Wortfolge "gewerberechtlicher Geschäftsführer der N Handelsgesellschaft m.b.H." durch die Bezeichnung "Gewerbeinhaber" ersetzt wurden. Gleichzeitig wurden die verhängten Strafen mit je S 600,-- insgesamt S 1.200,--, bei Uneinbringlichkeit je 28 Stunden Arrest, neu bemessen.

Zur Begründung dieses Bescheides führte die Behörde im wesentlichen aus, die Erstinstanz habe auf Grund einer Anzeige des Marktamtes als erwiesen angenommen, daß der Beschwerdeführer die im Spruch angeführten Verwaltungsübertretungen begangen habe. In der Berufung dagegen sei im wesentlichen vorgebracht worden, es sei unrichtig, daß die protokollierte Firma N Handelsgesellschaft m. b.H., deren gewerberechtlicher Geschäftsführer der Beschwerdeführer sei, in W, P-brücke, an Sonntagen den Kleinhandel mit Naturblumen ausgeübt oder Geschäftsräumlichkeiten offengehalten habe. Auf Grund von Pachtverträgen mit dem Beschwerdeführer benütze die erwähnte Handelsgesellschaft diese Verkaufsstelle lediglich jeweils von Montag bis einschließlich Freitag einer jeden Woche, der Betrieb an Sonn- oder Feiertagen erfolge jedoch durch den Beschwerdeführer im eigenen Namen und für eigene Rechnung. Die letzteren Ausführungen deckten sich mit dem Inhalt der im Akt erliegenden Anzeige des Marktamtes. Die Berufungsbehörde habe daher den Spruch des Straferkenntnisses entsprechend abgeändert, wozu sie im Rahmen des § 66 Abs. 4 AVG 1950 berechtigt sei, zumal dem Beschwerdeführer dadurch keine anderen als die ihm von der Erstinstanz vorgeworfenen Übertretungen zur Last gelegt würden.

Hinsichtlich der Sonntage 11. und 18. November 1979 habe der Zeuge WN infolge Abwesenheit keine Aussage machen können, weshalb die Berufungsbehörde hinsichtlich dieser Sonntage das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verfahren einzustellen gehabt habe. Dasselbe habe hinsichtlich der Tatzeit 28. Oktober 1979 zu geschehen gehabt, da gemäß der Verordnung des Landeshauptmannes vom 18. November 1952, LGBl. für Wien Nr. 27, in der geltenden Fassung, die Herstellung und der Verschleiß von Blumengewinden und dgl. am letzten Sonntag vor dem 1. November gestattet sei. Hinsichtlich der Tatzeit 25. November 1979 sei das angefochtene Straferkenntnis gleichfalls zu beheben und das Verfahren einzustellen gewesen, da der hier angelastete Sachverhalt bereits Gegenstand eines zur Verfahrenseinstellung führenden vorangegangenen Straf- und Berufungsverfahrens gewesen sei. Hingegen sei die Bestrafung hinsichtlich der übrigen im Zeitraum zwischen 2. September und 16. Dezember 1979 gelegenen Sonntage zu Recht erfolgt. Auch habe die Erstinstanz zu Recht das Vorliegen eines fortgesetzten Deliktes angenommen, zumal der Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren nicht in Zweifel gestellt habe, daß die einzelnen Tathandlungen von dem einheitlichen Willensentschluß, das Geschäft jeden Sonntag geöffnet zu halten, getragen gewesen, unter identen äußeren Begleitumständen gesetzt und in völlig gleichartiger Weise begangen worden seien. Auch sei trotz der Ausscheidung von 4 Sonntagen ein zeitlicher Zusammenhang der Einzeltathandlungen gegeben. Unter Berücksichtigung aller Umstände habe die Berufungsbehörde die Strafen wie im Spruch neu bemessen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach seinem Vorbringen erachtet sich der Beschwerdeführer in seinen aus § 66 Abs. 4 AVG 1950 sowie in seinen aus den §§ 1 und 31 VStG 1950 erfließenden Rechten verletzt. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 - der zufolge der Vorschrift des § 24 VStG 1950 auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist - hat die Berufungsbehörde außer dem im Abs. 2 dieser Gesetzesstelle erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. "Sache" im Sinne dieser Gesetzesstelle ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. unter anderem die Erkenntnisse vom 27. Juni 1975, Slg. N.F. Nr. 8864/A, vom 18. Februar 1976, Slg. N.F. Nr. 8991/A, und die dort zitierte weitere Judikatur) immer die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat. Das bedeutet, daß die Berufungsbehörde trotz ihrer Berechtigung, den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, doch auf die Ahndung der dem Beschuldigten im Strafverfahren erster Instanz zur Last gelegten Tat beschränkt bleibt bzw. sie ihn nicht für eine Tat schuldig sprechen darf, die ihm im Verfahren vor der ersten Instanz gar nicht zur Last gelegt worden war. Durch eine solche "Auswechslung" der Tat nimmt sie eine Befugnis für sich in Anspruch, die durch den Wortlaut des § 66 Abs. 4 AVG 1950 nicht mehr gedeckt ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1975, Slg. N.F. Nr. 8864/A, sowie die dort zitierte weitere Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

In dem Umstand, daß die belangte Behörde in Abänderung des erstinstanzlichen Spruches den Beschwerdeführer hinsichtlich der gegenständlichen Übertretungen nicht als gewerberechtlichen Geschäftsführer einer näher bezeichneten Handelsgesellschaft, sondern als Gewerbeinhaber schuldig sprach, ist jedoch - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Rechtsansicht - eine solche unzulässige Auswechslung der Tat nicht zu erblicken. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es grundsätzlich nicht rechts-widrig, wenn die Berufungsbehörde das Verhalten des Beschuldigten einem anderen Tatbestand (Tatbild) unterstellt als die erste Instanz, sofern es sich um ein und dasselbe Verhalten des Täters handelt, also Identität der Tat vorliegt (siehe etwa die Erkenntnisse vom 20. September 1957, Slg. N.F. Nr. 4419/A, und vom 12. Februar 1969, Slg. N.F. Nr. 7509/A; vgl. weiters auch das Erkenntnis vom 13. Mai 1981, Zl. 03/3245/80). Unter ausdrücklicher Berufung auf die in diesem Sinne ergangene Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 10. November 1969, Slg. N.F. Nr. 7680/A, weiters ausgesprochen, daß die Berufungsbehörde etwa auch berechtigt ist, die Bestrafung eines Beschuldigten mit der Maßgabe aufrecht zu erhalten, daß ihm die Straftat nicht für seine Person, sondern als Organ einer juristischen Person zuzurechnen sei. Der Verwaltungsgerichtshof hält an dieser Rechtsanschauung fest.

Dasselbe muß auch für den vorliegenden Fall gelten, in welchem dem Beschwerdeführer die inkriminierte Tathandlung nunmehr nicht in seiner Eigenschaft als gewerberechtlicher Geschäftsführer einer näher bezeichneten Handelsgesellschaft (§§ 39, 370 Abs. 2 GewO 1973), sondern als Gewerbeinhaber (§ 38 Abs. 2 leg. cit.) zugerechnet werden soll. Denn sowohl § 9 VStG 1950, welche Bestimmung im Falle des soeben zitierten Erkenntnisses vom 10. November 1969 Anwendung zu finden hatte, als auch die im Beschwerdefall relevante Bestimmung des § 370 Abs. 2 GewO 1973 - wonach Geld- und Arreststrafen, falls die Bestellung eines Geschäftsführers angezeigt oder genehmigt wurde, gegen den Geschäftsführer zu verhängen sind - legen zwar fest, wer unter bestimmten Voraussetzungen als strafrechtlich Verantwortlicher anzusehen ist, sie normieren jedoch nicht etwa ein zusätzliches, zum Tatbild der jeweiligen Strafnorm noch hinzutretendes Tatbestandselement, das mit der Änderung des Rechtsgrundes der Heranziehung zur strafrechtlichen Haftung gleichfalls eine Änderung erführe.

In dieselbe Richtung weist auch das hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 1981, Zl. 04/2901/80. Darin hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß zur Beurteilung des Vorliegens eines fortgesetzten Deliktes die rechtliche Eigenschaft, in der den Beschwerdeführer während des Tatzeitraumes die strafrechtliche Verantwortung traf, und daher auch die Änderung dieser Eigenschaft während des Tatzeitraumes ohne Relevanz ist. Denn es änderten sich weder Art und Umstände der Tat noch die Person des Täters und seine willensmäßige Haltung in bezug auf das strafbare Handeln; lediglich seine Funktion (Organ - gewerberechtlicher Geschäftsführer) werde eine andere. Auch in diesem Fall ging der Gerichtshof also davon aus, daß der Rechtsgrund der Heranziehung zur strafrechtlichen Haftung (zunächst § 9 VStG, dann § 370 Abs. 2 GewO 1973) mit der "Erscheinungsform des deliktischen Verhaltens", d. h. also mit dem Tatbild des damals zu beurteilenden Deliktes, nichts zu tun hat.

Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang der Umstand, daß es die belangte Behörde bei der von ihr vorgenommenen Neufassung des Spruches des erstinstanzlichen Straferkenntnisses offenbar versehentlich unterließ, auch die Wortfolge "... durch diese Gesellschaft ..." zu streichen. Durch die oben erwähnte Änderung im Spruch des angefochtenen Bescheides ergibt sich in Zusammenhalt mit dessen Begründung klar, in welcher Eigenschaft der Beschwerdeführer gehandelt hat, zumal in der Neufassung des Spruches nicht einmal zum Ausdruck gebracht wird, um welche "Gesellschaft" es sich handeln sollte.

War aber die belangte Behörde zur Auswechslung der rechtlichen Eigenschaft des Beschwerdeführers im aufgezeigten Sinne bei Identität des inkriminierten Verhaltens berechtigt, so schlägt auch der vom Beschwerdeführer weiters erhobene Einwand der Verjährung nicht durch. Gemäß § 31 Abs. 1 VStG 1950 ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist. Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle beträgt die Verjährungsfrist bei den Verwaltungsübertretungen der Gefährdung, Verkürzung oder Hinterziehung von Landes- und Gemeindeabgaben ein Jahr, bei allen anderen Verwaltungsübertretungen sechs Monate. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat. Verfolgungshandlung ist gemäß § 32 Abs. 2 leg. cit. jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung und dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

Nun gilt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Frage der Verjährung dasselbe, was oben zur Frage der Auswechslung der Tat dargelegt wurde: Wurde einmal innerhalb der Verjährungsfrist wegen der "Tat" - d. h. wegen ein und desselben Verhaltens des Täters - eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG 1950 gesetzt, so steht der weiteren Verfolgung des Beschuldigten Verjährung nicht entgegen, auch wenn die rechtliche Beurteilung dieser Tat in der Berufungsinstanz eine andere war als in erster Instanz; denn eine Verfolgungshandlung bezieht sich auf die "Tat" selbst, nicht aber auf deren rechtliche Wertung (vgl. die Erkenntnisse vom 12. Februar 1969, Slg. N.F. Nr. 7509/A, und vom 19. Oktober 1978 - verstärkter Senat -, Zl. 1664/75, Rechtssatz veröffentlicht in Slg. N.F. Nr. 9664/A). Auch daran hält der Verwaltungsgerichtshof fest. Dasselbe muß im Sinne der obigen Ausführungen auch gelten, wenn sich bei sonstiger Identität der Tat lediglich die Beurteilung der rechtlichen Eigenschaft änderte, in der den Beschwerdeführer die strafrechtliche Verantwortung trifft. Die erste gegen den Beschwerdeführer als Beschuldigten gerichtete Verfolgungshandlung wegen des ihm angelasteten strafbaren Verhaltens in der Zeit vom 2. September bis 16. Dezember 1979 ist in dem Beschuldigten-Ladungsbescheid vom 22. Februar 1980 zu erblicken. Sie erfolgte sohin jedenfalls, da es sich um ein fortgesetztes Delikt handelt (Erkenntnis vom 10. Februar 1977, Zl. 801/76, Slg. N.F. Nr. 9246/A), innerhalb der sechsmonatigen Verjährungsfrist des § 31 Abs. 2 VStG 1950; Verjährung ist daher nicht eingetreten.

Der Beschwerdeführer vertritt schließlich die Ansicht, die Vorschrift des § 1 Art. I "Abs. 1" des Sonntagsruhegesetzes: "An Sonntagen hat (ergänze: alle) gewerbliche Arbeit zu ruhen" stelle lediglich eine dogmatische Erklärung dar, die durch die folgenden Bestimmungen dieses Gesetzes konkretisiert werde. Keinesfalls aber enthalte schon diese Vorschrift den Tatbestand einer Verwaltungsübertretung, die gesondert geahndet werden könnte. Dem Beschwerdeführer könnte daher - gehe man von den Feststellungen des angefochtenen "Erkenntnisses" aus - in Wahrheit alleine die Übertretung des § 1 Art. IX Abs. 6 des Sonntagsruhegesetzes, nicht aber eine Verletzung des - inhaltlich gleichen - § 1 Art. I "Abs. 1" desselben Gesetzes zur Last gelegt werden. Die Verhängung einer Geldstrafe auf Grund der Bestimmung des § 1 Art. I des Sonntagsruhegesetzes sei daher zu Unrecht erfolgt.

Auch diesem Vorbringen bleibt es verwehrt, die Beschwerde zum Erfolg zu führen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers enthält nämlich das Sonntagsruhegesetz in seinem § 1 Art. I einerseits, in seinem § 1 Art. IX Abs. 6 andererseits zwei voneinander verschiedene Verbote. Bereits in seinem - den Beschwerdeführer selbst betreffenden - Erkenntnis vom 7. Oktober 1976, Zl. 1772/75, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß durch die damals wie heute als erwiesen angenommene Tat - nämlich an Sonntagen den Handel (Kleinhandel) mit Blumen (Naturblumen) betrieben zu haben - (bloß) der Art. I der zitierten Gesetzesstelle verletzt wird. Ebensowenig wie die Verpflichtung, die Geschäftsräumlichkeiten während der Sonntagsruhe geschlossen zu halten, davon abhängig ist, ob zugleich auch das Gebot des Art. I dieser Gesetzesstelle übertreten wird, und daher schon das bloße Offenhalten der Geschäftsräumlichkeiten nach Art. IX Abs. 6 dieser Gesetzesstelle strafbar ist (vgl. die Erkenntnisse vom 19. März 1963, Zl. 1220/61, und den unveröffentlichten Teil des bereits oben erwähnten Erkenntnisses vom 10. Februar 1977, Zl. 801/76), kann sich ebenso umgekehrt eine Person einer Übertretung des § 1 Art. I des Sonntagsruhegesetzes auch dann schuldig machen, wenn sie die Anordnung des Art. IX Abs. 6 dieser Gesetzesstelle beachtet. Hat daher der Beschwerdeführer an den im angefochtenen Bescheid näher genannten Sonntagen den Kleinhandel mit Naturblumen ausgeübt und hiebei die Geschäftsräumlichkeiten offengehalten, so verstieß er sowohl gegen § 1 Art. I als auch gegen § 1 Art. IX Abs. 6 des genannten Gesetzes (vgl. auch das Erkenntnis vom 11. Juni 1963, Slg. N.F. Nr. 6049/A).

Da sohin die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, weiters eine der belangten Behörde unterlaufene relevante Verletzung von Verfahrensvorschriften in der Beschwerde nicht aufgezeigt wird und auch der Verwaltungsgerichtshof eine solche nicht zu erkennen vermag, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Zusammenhalt mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.

Soweit in diesem Erkenntnis auf Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen wird, die nicht in der Amtlichen Sammlung seiner Erkenntnisse und Beschlüsse veröffentlicht sind, sei an Art. 14 Abs. 4 seiner Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert.

Wien, am 23. November 1982

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