LVwG Niederösterreich LVwG-AV-957/001-2020

LVwG NiederösterreichLVwG-AV-957/001-202026.7.2021

BauO NÖ 2014 §4 Z15
BauO NÖ 2014 §20 Abs1 Z2
ROG NÖ 2014 §30 Abs2 Z15
VwGVG 2014 §28 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.957.001.2020

 

 

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch seinen Präsidenten MMag. Dr. Patrick Segalla als Einzelrichter über die Beschwerde der A, vertreten durch B, in ***, ***, gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 29. Juli 2020, Zl ***, betreffend die Versagung einer Baubewilligung, zu Recht:

 

1. Insoweit sich die Beschwerde gegen die Abweisung der Berufung gegen Spruchpunkt II des erstinstanzlichen Bescheids durch den nunmehr angefochtenen Berufungsbescheid richtet, wird der Beschwerde wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass Spruchpunkt II des erstinstanzlichen Bescheids vom 13. Jänner 2020, Zahl ***, ersatzlos aufgehoben wird.

2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

 

und fasst den

Beschluss:

 

1. Insoweit sich die Beschwerde gegen die Abweisung der Berufung gegen Spruchpunkt I des erstinstanzlichen Bescheids vom 13. Jänner 2020, Zahl ***, durch den nunmehr angefochtenen Berufungsbescheid richtet, wird der Beschwerde stattgegeben, der angefochtene Bescheid in diesem Umfang aufgehoben und die Angelegenheit – ebenfalls in diesem Umfang – gem. § 28 Abs 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an den Gemeindevorstand der Marktgemeinde *** zurückverwiesen.

2. Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

 

1. Verfahrensgegenstand und Verfahrensgang:

1.1. Die nunmehrige Beschwerdeführerin teilte mit Schreiben vom 9. September 2019 (unter anderem) mit, dass ein Glasdach auf Stehern an der Rückseite des Hauses laut dem Schreiben beiliegendem Einreichplan errichtet wurde. Am 15. Oktober 2019 ersuchte sie um Baubewilligung „für den Zubau einer baulichen Anlage laut beiliegendem Einreichplan“:

1.2. Auf Grund des (im Zuge des Antrags vom 15. Oktober 2019) überarbeiteten Einreichplanes, datiert 23. September 2019, bei dem anstelle des genannten Glasdaches eine als solche bezeichnete „bauliche Anlage“ eingezeichnet war, wurde am 2. Dezember 2021 im Rahmen der Vorprüfung festgehalten, es handle sich bei dem eingereichten Objekt nicht um eine bauliche Anlage, sondern um ein Gebäude. Dieses sei nicht bewilligungsfähig, da aufgrund der gültigen Bebauungsbestimmungen eine maximale Gebäudetiefe von 10 Metern zulässig sei.

1.3. Mit Schreiben vom 10. Dezember 2019 teilte die nunmehrige Beschwerdeführerin dem Bauamt der Marktgemeinde *** mit, dass die Nutzung der beantragten „baulichen Anlage“ als Abstellraum beabsichtigt sei.

1.4. Mit Bescheid vom 13. Jänner 2020, Zl ***, wies der Bürgermeister der Marktgemeinde *** den „Antrag vom 15. Oktober 2019“ auf nachträgliche Bewilligung der Errichtung eines Wintergartens an der Nordostseite auf dem Grundstück in ***, ***“ ab. Zusätzlich wurden gem. § 76 Abs 1 AVG Kosten in Höhe von € 134,46 vorgeschrieben. Begründend wurde ausgeführt, dass die Vorprüfung ergeben habe, dass aufgrund der Bebauungsbestimmungen die maximale Gebäudetiefe von 10 m für die Bereiche mit der Bebauungshöhe „c“ mit künftigen Bebauungen nicht überschritten werden dürfe. Die bereits durchgeführten und abgeschlossenen Bauarbeiten hätten eine Überschreitung der maximalen Gebäudetiefe ergeben, womit ein Verstoß gegen die Bebauungsbestimmungen vorliege. Das zur Bewilligung eingereichte Objekt stelle keine bauliche Anlage, sondern ein Gebäude dar und sei somit nachträglich nicht bewilligungsfähig. Die vorgeschriebenen Kosten ergeben sich aus den Barauslagen der Behörde gem § 76 Abs. 1 AVG 1991 und den Gebühren gemäß § 14 Gebührengesetz 1957.

1.5. Mit Schreiben vom 27. Jänner 2020 erhob die nunmehrige Beschwerdeführerin Berufung gegen diesen Bescheid. Begründend wurde insbesondere darauf hingewiesen, dass der Bebauungsplan nur die „Gebäudebreite“; nicht aber die „Gebäudetiefe“ regle. Selbst eine andere Auslegung würde jedoch nicht bedeuten, dass durch die Bebauungsbestimmungen eine Bebauung des hinteren Bauwichs verboten sei. Weiters wurde vorgebracht, dass die Errichtung „eines Wintergartens“ gar nicht beantragt worden sei.

1.6. Mit Berufungsbescheid vom 29. Juli 2020, Zl ***, gab der Gemeindevorstand der Marktgemeinde *** der Berufung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Begründend wurde ausgeführt, dass aus den Einreichunterlagen eindeutig sei, welches Vorhaben bewilligt werden solle, und aus der Bezeichnung „Wintergarten“ für die Beschwerdeführerin klar erkennbar sei, welches Objekt vom Bescheid erfasst ist.

Da das NÖ Baurecht die Bezeichnung „Gebäudetiefe“ gar nicht kenne, sei die entsprechende Deutung in der Berufung unzulässig und die Bebauungsbestimmungen eindeutig. Aber selbst wenn man die Bebauungsbestimmungen im Sinne der Beschwerdeführerin auslege, ergebe sich, dass der „Wintergarten“ offensichtlich einen Aufenthaltsraum enthalte, der durch die vom Wohngebäude errichtete Glastüre zugänglich ist. Es handle sich daher um kein Nebengebäude.

Die vorgeschriebenen Kosten seien keine Kommissionsgebühren, weil – entgegen der irreführenden Niederschrift – kein Ortsaugenschein stattgefunden habe. Vielmehr handle es sich um Barauslagen iSd § 76 AVG und um die Gebühren gemäß Gebührengesetz 1957.

1.7. In der nunmehr verfahrensgegenständlichen Beschwerde vom 10. August 2020 wurde zunächst die Beschlussdeckung des Berufungsbescheids in Frage gestellt.

Im Übrigen sei es denkunmöglich, den Begriff der Gebäudebreite in den Bebauungsbestimmungen als Regelung der Gebäudetiefe umzudeuten. Es handle sich beim eingereichten Projekt um ein Nebengebäude. Einen Aufenthaltsraum beinhalte es nicht, weil es nur an drei Seiten Wände habe und von der Hausseite des Hauptgebäudes mindestens 5 cm getrennt ist. Es sei im Übrigen vom Garten betretbar.

Zugestanden werde, dass die Bezeichnung „bauliche Anlage“ nicht richtig gewesen sei und „Nebengebäude“ hätte lauten müssen. Das Ansuchen um Baubewilligung werde entsprechend richtiggestellt.

Es sei weiters unrichtig, dass keine Kommissionsgebühren eingehoben worden seien. Da jedoch kein Lokalaugenschein stattgefunden habe, könnten auch keine solchen Kommissionsgebühren eingehoben werden.

1.8. Der Geschäftsfall wurde am Landesverwaltungsgericht Niederösterreich mit der täglichen Zuweisung für den 2. September 2020 gemäß § 7 Abs 3 der damals geltenden Geschäftsverteilung als Zusammenhang zum Geschäftsfall LVwG‑AV‑229/001-2020 (die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren ist dieselbe, wie die Betroffene im Verfahren AV-229). Letztgenanntes Verfahren war ursprünglich einer anderen Richterin zugewiesen; dieser wurde er jedoch mit Verfügung des Personal- und Geschäftsverteilungsausschusses vom 9. April 2020, *** abgenommen und dem nunmehr zuständigen Richter in der Zuweisung für den 16. April 2020 gem. § 5 Abs. 13 Geschäftsverteilung in sinngemäßer Anwendung des § 10 Abs. 9 Geschäftsverteilung zugewiesen.

1.9. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat eine mündliche Verhandlung am 15. Dezember 2020 und 19. April 2021 durchgeführt.

1.10. Der bautechnische Amtssachverständige C, Gebietsbauamt ***, hat folgenden Befund samt Gutachten erstattet:

1. Sachverhalt

Mit Schreiben vom 26.01.2021 in Verbindung mit der am 15.12.2021 stattgefundenen Verhandlung samt Lokalaugenschein ersucht das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich, im Rahmen der Beschwerde von Frau A um Erstellung eines bautechnischen Gutachtens zu nachfolgend angeführten Fragen:

1. Befund und genaue Darstellung des beim Ortsaugenschein vorgefundenen „Wintergartens“ im hinteren Bereich des Grundstücks Nr ***, EZ ***, KG *** einschließlich Abmessungen;

2. Befund und Gutachten zur Frage, ob dieser Wintergarten mit dem Wohnhaus statisch verbunden oder selbst lastabtragend ist. Dabei wird ersucht, zu berücksichtigen, dass dieser Wintergarten laut Aussage in mündlicher Verhandlung ursprünglich baulich mit dem Wohngebäude verbunden war und später getrennt wurde.

In der Verhandlung vom 15.12.2020 wurde festgelegt, dass das bautechnische Gutachten schriftlich nach der Verhandlung erstattet wird.

2. Unterlagen zu Akt LVwG 229/001-2020

 Einreichplan für den Zubau einer baulichen Anlage in *** – ***, Gst-Nr: *** EZ: *** KG ***, datiert mit 23.09.2019, erstellt von D Bau- & Planungsgmbh, ***, *** ohne Bezugsklausel (es handelt sich um eine Vorprüfung laut Behördenvermerk am Plan)

Begriffsdefinitionen entsprechend § 4 NÖ BO 2014:

6. bauliche Anlagen: alle Bauwerke, die nicht Gebäude sind;

7. Bauwerk: ein Objekt, dessen fachgerechte Herstellung ein wesentliches Maß an bautechnischen Kenntnissen

erfordert und das mit dem Boden kraftschlüssig verbunden ist;

15. Gebäude: ein oberirdisches Bauwerk mit einem Dach und wenigstens 2 Wänden, welches von Menschen betreten werden kann und dazu bestimmt ist, Menschen, Tiere oder Sachen zu schützen, wobei alle statisch miteinander verbundenen Bauteile als ein Gebäude gelten;

Nebengebäude: ein Gebäude mit einer bebauten Fläche bis zu 100 m², das oberirdisch nur ein Geschoß aufweist, keinen Aufenthaltsraum enthält und seiner Art nach dem Verwendungszweck eines Hauptgebäudes untergeordnet ist, unabhängig davon, ob ein solches tatsächlich besteht (z. B. Kleingarage, Werkzeughütte); es kann auch unmittelbar neben dem Hauptgebäude stehen;

Konditioniertes Gebäude: ein Gebäude, dessen Innenraumklima unter Einsatz von Energie beheizt, gekühlt, be- und entlüftet oder befeuchtet wird; als konditioniertes Gebäude können ein Gebäude als Ganzes oder Teile eines Gebäudes, die als eigene Nutzungseinheiten konzipiert oder umgebaut wurden, bezeichnet werden;

Niedrigstenergiegebäude: Gebäude im Sinne der ÖNORM B 8110-1 (Ausgabe: 2011-11-01), welches eine sehr hohe Gesamtenergieeffizienz aufweist. Der fast bei Null liegende oder sehr geringe Energiebedarf wird zu einem ganz wesentlichen Teil durch Energie aus erneuerbaren Quellen gedeckt;

Wohngebäude: ein Gebäude, das ganz oder überwiegend zum Wohnen genutzt wird;

31. Wand: seitlicher Raumabschluss, der zu mehr als der Hälfte aus flächigen Bauteilen (z. B. Wandbauteile, Fenster, Türen, Tore, Brüstungen) bzw. aus flächig wirkenden Bauteilen (z. B. Gitter, Lamellen, Netze) be-

steht;

 

3. Befund

ad Frage 1:

Im Zuge des Lokalaugenscheins am 15.12.2020 wurde das gegenständliche Bauwerk am Grundstück mit der Nummer *** besichtigt. Dabei konnte gartenseitig ein Stahltragsystem mit, aus Glas geschlossenen Flächen sowie einem verglasten Pultdach (Gefälle von bestehendem Haus Richtung Garten) vorgefunden werden. Konkret waren die nördliche, östliche und westliche Wand vollflächig geschlossen. In der nördlichen Außenwand befinden sich zwei öffenbare Elemente. In den beiden anderen Seiten (östlich und westlich) befinden sich jeweils ein Schiebeelement und je ein dreieckiges, öffenbares Fensterelement.

Zur bestehenden Hausmauer hin wurde keine Wand vorgefunden. In Summe konnten somit drei Wände und ein Dach festgestellt werden. Auf Basis der Definition § 4 15. Gebäude, der NÖ BO 2014 handelt es sich bei beschriebenem Bauwerk somit um ein Gebäude.

Das Gebäude wurde vor Ort grob vermessen. Es wurden allerdings die Innenmaße aufgenommen. Hier wurde eine Innenbreite von 3,485 m und eine Innentiefe von 2,82 m gemessen. Die gartenseitige Innenraumhöhe wurde zwischen Fußboden und Dach mit ca.

2,25 m und an der Seite der Hausmauer mit ca. 2,90 m ermittelt. Zwischen Gebäude und dem bestehenden Haus wurde ein freier Abstand von ca. 5 cm gemessen. Dieser freie Querschnitt ist augenscheinlich bis über Dach geführt und steht in keiner Verbindung mit dem Bestandsgebäude.

Im Gebäude selbst wurden diverse Topfpflanzen vorgefunden, sowie eine Leiter und ein schmal gehaltenes Regal. Eine etwaige Beheizung des Gebäudes konnte nicht festgestellt werden.

ad Frage 2:

Wie unter „ad Frage 1“ festgehalten, wurde beim Lokalaugenschein ein vom Bestandsgebäude getrenntes Gebäude vorgefunden. Dieses gartenseitig gelegene Gebäude wurde mit Eingangsstempel der Gemeinde vom 02.12.2019 als „Zubau einer baulichen Anlage“ eingereicht. In diesem mit 23.09.2019 datierten Projektsplan wurde das Gebäude mit 2,95 x 3,80 m dargestellt. Es wurde eine Höhe von 2,9 m an der Bestandswandseite und 2,3 m gartenseitig angegeben.

 

4. Gutachten

Das Gebäude weist, ausgehend von der im Plan dargestellten äußeren Begrenzungswände eine Fläche von 11,21 m² und einer max. Höhe von 3,0 m auf. Aufgrund der vorgefundenen Pflanzen im Gebäude und einer fehlenden Beheizung wird das Gebäude aus technischer Sicht in die Kategorie Nebengebäude entsprechend der Definition der NÖ BO 2014 § 4 Z 15 eingeordnet. Dieses Nebengebäude, welches dreiseitig mit Wänden um-schlossen ist, wird im Projektsplan, datiert mit 23.09.2019 mit einem Abstand von 4 cm zum Bestandsgebäude dargestellt. Es kann aus technischer Sicht somit in beiden Fällen von einem zum Bestandsgebäude, getrennten Nebengebäude, welches selbst Lastabtragend ist ausgegangen werden.

Im Vergleichsfall, wie bei Verhandlung vom Vertreter der Beschwerdeführerin angegeben, dass das Nebengebäude am Bestandsgebäude statisch verbunden war und erst danach getrennt wurde, müsste von einer Erweiterung des Hauptgebäudes ausgegangen werden.

Eine statische Trennung wäre in diesem Fall nicht mehr gegeben gewesen.

 

Zusammenfassend kann somit aus technischer Sicht, wie beschrieben, aus dem zum Zeitpunkt des Lokalaugenscheins vorgefundenen Nebengebäudes und des Projektplanes, datiert mit 23.09.2019 ein statisch getrenntes Gebäude abgeleitet werden.

 

1.11. In ihrer dazu ergangenen Stellungnahme führte die Beschwerdeführerin insbesondere aus, dass das Innenmaß von 2,90m unrichtig sei. Dabei handle es sich um das Außenmaß, innen betrage die Höhe 2,74m. Weiters werde der Einreichplan insoweit richtiggestellt, als der Abstand des Nebengebäudes vom Hauptgebäude 5 cm betrage.

 

1.12. Mit Schreiben vom 23. Juni 2021 teilte die Beschwerdeführerin mit, dass die unter 1.11. letzter Satz dargestellte „Richtigstellung“ gegenstandslos sei.

1.13. Am 12. Mai 2021 stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Berichtigung der Niederschrift vom 19. April 2021.

 

2. Feststellungen:

2.1. Über den Verfahrensgang hinaus, werden folgende weitere Feststellungen getroffen, die das Landesverwaltungsgericht aufgrund des vorgelegten Verwaltungsaktes, des Aktes des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, aufgrund der durchgeführten mündlichen Verhandlung und durch Einholung eines Sachverständigengutachtens trifft.

Beweiswürdigung: Der dargestellte Verfahrensgang beruht auf den insoweit unbedenklichen Akten des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens, bezüglich der Zuweisung auf den Zuweisungsprotokollen und der genannten Verfügung des Personal- und Geschäftsverteilungsausschusses.

2.2. Der angefochtene Berufungsbescheid beruht auf einem ordnungsgemäß gefassten Beschluss des Gemeindevorstandes.

Beweiswürdigung: Die Feststellung ergibt sich aus dem Beschlussprotokoll vom 28. Juli 2020.

2.3. Beim zur Bewilligung eingereichten, verfahrensgegenständlichen Vorhaben handelt es sich um ein bereits errichtetes Objekt auf dem Grundstück Nr ***, EZ *** KG *** (gewidmet als Bauland-Wohngebiet, wobei mit Bebauungsplan gekuppelte Bauweise verordnet ist), welches im Eigentum der Beschwerdeführerin welches aus Stahltragsystem mit aus Glas geschlossenen Flächen sowie einem verglasten Pultdach (Gefälle von bestehendem Haus Richtung Garten) besteht. Die nördliche, östliche und westliche Wand sind vollflächig geschlossen. In der nördlichen Außenwand befinden sich zwei öffenbare Elemente. In den beiden anderen Seiten (östlich und westlich) befinden sich jeweils ein Schiebeelement und je ein dreieckiges, öffenbares Fensterelement. Das Objekt kann vom Garten betreten werden und weist keine Wand zur Hausmauer des Wohngebäudes auf. Das bewilligungs- und verfahrensgegenständliche Projekt laut Einreichplan entspricht insoweit dem tatsächlich vorgefundenen Bauobjekt. Es weist Innenmaße von ca 2,8 m x 3,5 m und eine Außenhöhe von 2,90 m auf, weist auch laut Einreichplan keine Wand an der südlichen, wohnhausseitigen Seite auf und ist in einem Abstand von 4 cm zur Wand des Wohnhauses geplant; der tatsächliche Abstand beträgt zwischen 4 und 5 cm. Als Verwendungszweck ist Abstellraum beabsichtigt. Es ist nicht konditioniert und nicht zum längeren Aufenthalt von Personen bestimmt.

Beweiswürdigung: Die Feststellungen ergeben sich aus dem Einreichplan datiert mit 23. September 2019, bei der Gemeinde eingelangt am 2. Dezember 2019, in Verbindung mit dem aufgenommenen Befund des Amtssachverständigen. Dass der Einreichplan einen Abstand von 4 cm zwischen diesem Objekt und der Hauswand des Wohngebäudes vorsieht, hat der Sachverständige auch in mündlicher Verhandlung am 19. April 2021 (Seite 3 der Verhandlungsschrift) ausgeführt, ebenso, dass seine Messung von 5 cm nur ein „Zirkamaß“ darstelle und der tatsächliche Abstand zwischen 4 und 5 cm betrage. Dass das Bauwerk nicht zum längeren Aufenthalt von Personen bestimmt ist, ergibt sich einerseits aus seinem projektierten Verwendungsweck „Abstellraum“, vor allem aber auch aus seiner Ausgestaltung laut Einreichplan. Das Gebäude ist nur an drei Seiten geschlossen, während die vierte Seite offen bleibt; der Innenraum ist daher dem Wetter, Feuchtigkeit und Temperaturschwankungen ausgesetzt und weder – wie vom Sachverständigen festgestellt – konditioniert noch konditionierbar.

2.4. Die Niederschrift vom 2. Dezember 2019 beruht nicht auf einem tatsächlich durchgeführten Lokalaugenschein. Sie enthält im Wesentlichen Ausführungen zur rechtlichen Vereinbarkeit des Vorhabens mit Widmung und Bebauungsplan sowie sonstigen rechtlichen Rahmenbedingungen.

Beweiswürdigung: Dass dieser Niederschrift kein Lokalaugenschein zu Grunde lag, ergibt sich aus dem angefochtenen Bescheid (Seite 26); ihr Inhalt aus der Niederschrift selbst.

 

3. Erwägungen:

3.1. Da der Berufungsbescheid von einem ordnungsgemäßen Beschluss des Gemeindevorstandes gedeckt ist, liegt keine Unzuständigkeit der belangten Behörde vor.

3.2. Eine behauptete Befangenheit von Organen im erstinstanzlichen Verfahren ist, da das Landesverwaltungsgericht in der Sache selbst entscheidet und einen von der Gemeinde unabhängigen Amtssachverständigen hinzugezogen hat, für das Beschwerdeverfahren von Vornherein (unabhängig vom Zutreffen der Behauptungen) nicht mehr von Relevanz (VwGH, 19.01.2021, Ra 2019/05/0213).

3.3. In Bezug auf die Zuweisung des Zusammenhangsaktes LVwG-AV-229/001-2020 an den nunmehr verfahrensführenden Richter ist anzuführen, dass dieser eine Verfügung des Personal- und Geschäftsverteilungsausschusses über die Abnahme des Geschäftsfalles von der zuvor zuständigen Richterin zu Grunde lag. Für derartige Fälle bestimmte § 5 Abs. 13 der Geschäftsverteilung 2020, gültig ab 23. März 2020 (im Übrigen identisch mit der aktuellen Geschäftsverteilung) in § 5 Abs. 13, dass in sinngemäßer Anwendung des § 10 Abs 9 zuzuweisen ist. Die Zuweisung an den nunmehr zuständigen Richter erfolgte daher, weil er im Zeitpunkt der Zuweisung in der betroffenen Zuweisungsgruppe AV-BAU (unter Außerachtlassung der territorialen Untergruppen Mistelbach, Wiener Neustadt, Zwettl und St. Pölten) jener Richter war, der die geringste Zuweisungszahl aufwies, zu Recht. Die Zuweisung des vorliegenden Geschäftsfalles kraft Zusammenhanges zu LVwG-AV-229/001-2020 erfolgte aufgrund von § 7 Abs. 3 der Geschäftsverteilung.

 

3.4. Zu den maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen:

§ 4 Z 2 NÖ BO lautet:

2. Aufenthaltsraum: ein Raum, der zum längeren Aufenthalt von Personen bestimmt ist (z. B. Wohn- und Schlafraum, Wohnküche, Arbeitsraum, Unterrichtsraum);

 

§ 4 Z 15 NÖ BO lautet, soweit hier relevant:

15. Gebäude: ein oberirdisches Bauwerk mit einem Dach und wenigstens 2 Wänden, welches von Menschen betreten werden kann und dazu bestimmt ist, Menschen, Tiere oder Sachen zu schützen, wobei alle statisch miteinander verbundenen Bauteile als ein Gebäude gelten;

Nebengebäude: ein Gebäude mit einer bebauten Fläche bis zu 100 m², das oberirdisch nur ein Geschoß aufweist, keinen Aufenthaltsraum enthält und seiner Art nach dem Verwendungszweck eines Hauptgebäudes untergeordnet ist, unabhängig davon, ob ein solches tatsächlich besteht (z. B. Kleingarage, Werkzeughütte); es kann auch unmittelbar neben dem Hauptgebäude stehen; […]

 

§ 30 NÖ Raumordnungsgesetz 2014 lautet:

§ 30

Inhalt des Bebauungsplans

(1) Im Bebauungsplan sind für das Bauland festzulegen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

die Straßenfluchtlinien,

2.

die Bebauungsweise und

3.

die Bebauungshöhe oder die höchstzulässige Gebäudehöhe.

Weiters ist entlang des Baulandes das Straßenniveau in der Straßenfluchtlinie von neuen Verkehrsflächen festzulegen. Bei Grundstücken, deren gesamte Bebauung unter Denkmalschutz steht, genügt die Festlegung der Straßenfluchtlinie.

           

(2) Im Bebauungsplan dürfen neben den in Abs. 1 vorgesehenen Regelungen für das Bauland festgelegt werden:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

Schutzzonen für einen baukünstlerisch oder historisch erhaltungswürdigen Baubestand,

2.

sonstige erhaltungswürdige Altortgebiete,

3.

die harmonische Gestaltung (§ 56 NÖ BO 2014, LGBl. Nr. 1/2015) der Bauwerke in Ortsbereichen,

4.

Baufluchtlinien,

5.

Mindestmaße und/oder Höchstmaße von Bauplätzen,

6.

Bebauungsdichte oder höchstzulässige Geschoßflächenzahl (§ 4 Z 17 NÖ BO 2014, LGBl. Nr. 1/2015),

7.

Freiflächen und deren Ausgestaltung,

8.

Anbaupflicht an Straßen- oder Baufluchtlinien sowie an Grundstücksgrenzen,

9.

Straßenfluchtlinien, an denen Ein- und Ausfahrten aus Gründen der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nicht zugelassen oder an besondere Vorkehrungen gebunden werden,

10.

die Lage und das Ausmaß von privaten Abstellanlagen, eine von § 63 Abs. 1 NÖ BO 2014, LGBl. Nr. 1/2015 in der geltenden Fassung, abweichende Anzahl von Stellplätzen für Kraftfahrzeuge, eine Regelung der Anzahl und Breite der Ein- und Ausfahrten im Wohnbauland gemäß § 63 Abs. 2 NÖ Bauordnung 2014, LGBl. Nr. 1/2015 in der geltenden Fassung, sowie eine Abweichung von der nach § 65 Abs. 1 NÖ BO 2014, LGBl. Nr. 1/2015 in der geltenden Fassung, festgelegten Anzahl von Fahrrad-Stellplätzen,

11.

das Verbot der Errichtung von Tankstellen und Abstellanlagen für Kraftfahrzeuge in Schutzzonen und erhaltungswürdigen Altortgebieten, sowie der regelmäßigen Verwendung von Grundstücken oder Grundstücksteilen als Stellplätze für Fahrzeuge und Anhänger,

12.

die Anordnung und Ausgestaltung von Fußgängerzonen und dazugehörigen Abstellanlagen für Kraftfahrzeuge,

13.

die Gestaltung der Einfriedung von Grundstücken gegen öffentliche Verkehrsflächen oder Parks, die Verpflichtung zum Bau solcher Einfriedungen oder deren Verbot, die Festlegung einer Mindestgeschoßhöhe für das Erdgeschoß und das Verbot eines unterirdischen Geschoßes (§ 4 Z 16 NÖ BO 2014, LGBl. Nr. 1/2015 in der geltenden Fassung),

14.

das Gebot der Herstellung von Arkaden für Durchgänge oder von Durchfahrten, wenn dies zur Ortsbildgestaltung erforderlich ist,

15.

die Anordnung und Gestaltung oder das Verbot von Nebengebäuden und von Anlagen, deren Verwendung der von Gebäuden gleicht,

16.

die Anordnung und Gestaltung oder das Verbot von Werbeanlagen,

17.

das Bezugsniveau gemäß § 4 Z 11a der NÖ Bauordnung 2014, LGBl. Nr. 1/2015 in der geltenden Fassung, ein Gebot zur verpflichtenden Herstellung des Bezugsniveaus, die Beschränkung oder das Verbot der Veränderung der Höhenlage des Geländes,

18.

eine verpflichtend herzustellende Struktur und Ausführung der Baukörper in bestimmten Bereichen zur Abhaltung des Schalles von angrenzenden Gebieten oder eine bestimmte schallschutztechnische Ausführung der Gebäudefassaden; ebenso Maßnahmen zur Verminderung der Schallreflexion von Fassaden und sonstigen Bauteilen,

19.

Zonen, in denen eine Versickerung von Niederschlagswässern von versiegelten Flächen oder Dachflächen in einem anzugebenden Ausmaß eingeschränkt oder untersagt wird,

20.

Zonen, in denen die Ableitung von Niederschlagswässern von versiegelten Flächen oder Dachflächen in einem dafür vorgesehenen Kanal oder in einem Vorfluter untersagt oder in einem anzugebenden Ausmaß eingeschränkt wird,

21.

Maßnahmen zur Sicherung von Altlasten oder Verdachtsflächen, welche sowohl vor als auch im Zuge der späteren Bebauung des Grundstückes durchzuführen sind,

22.

Begrünung von Gebäudeflachdächern oder alternativ von Fassadenflächen sowie von betrieblichen und privaten Abstellanlagen in einem bestimmten Ausmaß und Erhaltung all dieser Begrünungsmaßnahmen,

23.

Zonen, in denen die Sammlung von Niederschlagswässern in einem bestimmten Ausmaß in dafür geeigneten Behältern (Zisternen) zu erfolgen hat,

24.

Grundflächen in bestimmten Teilen oder in einem bestimmten prozentuellen Ausmaß inklusive deren Oberflächenbeschaffenheit, die für die Versickerung von Niederschlagswasser vorzusehen sind,

25.

eine verpflichtend herzustellende Ausführung der Baukörper in bestimmten Bereichen zur Begrenzung des Schadensausmaßes in naturgefährdeten Bereichen; ebenso Maßnahmen zur Oberflächengestaltung im Hinblick auf eine möglichst schadlose Abfuhr von Niederschlagswasser sowie von Wildbach- oder Hochwasserereignissen.

           

(3) Der Bebauungsplan darf die in den Absätzen 1 und 2 angeführten Regelungen, soweit dies zur Erreichung der Zielsetzung des örtlichen Raumordnungsprogrammes erforderlich ist, auch für das Grünland und für Bauwerke auf Verkehrsflächen treffen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Auch die Ausgestaltung der bestehenden und der geplanten Verkehrsflächen darf im Bebauungsplan geregelt werden.

           

(4) Im Bebauungsplan sind kenntlich zu machen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

-

die Widmungsarten laut Flächenwidmungsplan,

-

die von rechtswirksamen überörtlichen Planungen erfassten und die nutzungsbeschränkten Flächen,

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die Aufschließungszonen und Vorbehaltsflächen,

-

die Lage zentraler Anlagen bestehender öffentlicher Einrichtungen zur Versorgung oder Entsorgung im Bauland (Hochbehälter, Kläranlage, Umspannanlage, Müllbeseitigungsanlage, Deponie und dgl.),

-

Grundstücksgrenzen und -nummern nach dem Stand der Katastralmappe sowie

-

der Baubestand mit einer für den Bebauungsplan ausreichenden Genauigkeit.

Das Niveau bestehender Verkehrsflächen darf kenntlich gemacht werden.

           

 

Der für das verfahrensgegenständliche Grundstück maßgebliche Bebauungsplan vom 4. Dezember 2019 sieht für Bereiche mit der – für dieses Grundstück angeordneten Bebauungshöhe – „c“ in § 2 Z 1 (unter anderem) eine maximale Gebäudebreite von 10 m vor. Regelungen, die ausdrücklich auf den Begriff „Nebengebäude“ abstellen, finden sich im Bebauungsplan nicht.

Wörtlich lautet die entsprechende Regelung: „Für Bereiche mit der Bebauungshöhe „c" wird ein Gebäudeumriss gem. Abbildung 1 (Giebelansicht) auf Basis einer max. Gebäudebreite von 10 m, einer Firsthöhe von 9 m (Satteldach) bzw. 6,5 m (Pultdach) sowie einer Neigung des Umrisses von 45° (Satteldach) bzw. 10° (Pultdach) definiert. Dieser gem. Abbildung 1 definierte Umriss kann durch die künftige Bebauung unterschritten, „jedoch nicht überschritten werden.“

 

Weiters lautet § 1 Z 3 des Bebauungsplanes: „Für den Bereich mit der „einseitig offenen" Bauweise gilt, dass das Hauptgebäude an jener seitlichen Grundstücksgrenze mit Anbauverpflichtung angebaut werden muss und an der anderen seitlichen oder hinteren Grundstücksgrenze ein Bauwich einzuhalten ist.“

 

3.5. Ausweislich der Feststellungen handelt es sich beim projektierten Objekt um ein statisch eigenständiges Bauwerk mit einem Dach und drei Wänden, welches als Abstellraum dient. Es dient daher dazu, Sachen zu schützen und stellt daher ein Gebäude iSd § 4 Z 15 NÖ BO dar. Es enthält aber keinen Aufenthaltsraum, weist oberirdisch nur ein Geschoss auf und ist von seiner Art her (als Abstellraum) dem Verwendungszweck eines Hauptgebäudes untergeordnet. Es handelt sich daher um ein Nebengebäude im Sinne der genannten Bestimmung.

 

3.6. Die belangte Behörde vertrat gestützt auf § 51 NÖ BO die Ansicht, dass auch ein Nebengebäude in diese maximale Gebäudebreite einzurechnen sei (Verhandlungsschrift vom 19.04.2021, Seite 5).

Das Landesverwaltungsgericht teilt diese Rechtsansicht nicht. Ausweislich der Feststellungen handelt es sich beim zur Bewilligung eingereichten Objekt um ein eigenes Gebäude. Seine Maße dem bestehenden Hauptgebäude hinzuzurechnen und aus den Gesamtmaßen auf eine Überschreitung der zulässigen Gebäudemaße zu schließen, ist daher nicht zulässig. Weder § 2 Z 1 noch der übrige Bebauungsplan enthalten eine Regelung dergestalt, dass auf einem Grundstück nur ein Gebäude erlaubt wäre. Im Übrigen sieht der wiedergegebene § 1 Z 3 eine ausdrückliche Regelung für Hauptgebäude vor. Mag diese Regelung zwar im vorliegenden Fall – weil gekuppelte Bebauungsweise und nicht einseitig-offene Bebauungsweise vorliegt – nicht anwendbar sein, ist sie doch deutlicher Hinweis darauf, dass der Verordnungsgeber zwischen Hauptgebäuden und sonstigen Gebäuden unterschieden hat. Ein weiterer Hinweis findet sich in § 3 I Z 2, welcher eine Regelung über Kleingaragen trifft (in § 4 Z 15 NÖ BO beispielshalber für ein Nebengebäude genannt). Diese Regelung zeigt auf, dass der Verordnungsgeber sehr wohl daran gedacht hat, bestimmte Arten von Nebengebäuden ausdrücklich zu regeln.

 

Insofern trifft das Vorbringen der Beschwerdeführerin zu, wonach im Bebauungsplan Nebengebäude (auf Basis des § 30 Abs 2 Z 15 NÖ ROG) – über die Regelung des § 3 I Z 2 hinaus – gesondert geregelt worden wären, hätte der Verordnungsgeber ein Bedürfnis gehabt, sie über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus einzuschränken. Derartige Regelungen enthält der Bebauungsplan nicht, weswegen er der Bewilligung eines Nebengebäudes nicht entgegensteht. Der herangezogene Abweisungsgrund besteht daher nicht.

 

3.7. Gemäß § 19 NÖ BO ist ein Antrag auf Baubewilligung zunächst einer Vorprüfung zu unterziehen und dabei unter anderem auch auf Übereinstimmung mit dem Bebauungsplan, aber auch mit sämtlichen anderen anwendbaren Bestimmungen der NÖ BO zu prüfen. Wenn kein Versagensgrund nach § 20 vorliegt, hat die Baubehörde gem. § 21 gegebenfalls das Verfahren unter Einbeziehung anderer Parteien bzw Nachbarn durchzuführen.

 

Aufgrund ihrer Rechtsauffassung, das Vorhaben verstoße gegen den Bebauungsplan und sei daher nicht bewilligungsfähig, haben weder die Behörde erster Instanz noch jene zweiter Instanz eine Prüfung des Projekts auf Vereinbarkeit mit sonstigen gesetzlichen Bestimmungen durchgeführt. Eine solche Prüfung setzt nämlich nicht bloß die Subsumtion unter die maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften voraus, sondern Ermittlungen zur Vereinbarkeit mit dieser zB im Hinblick auf die Schutzgüter des § 6 NÖ BO (zB Standsicherheit, Brandschutz) bzw zur Vereinbarkeit mit den bautechnischen Vorschriften. Weder die „Niederschrift vom 2.12.2019“ noch die beiden Bescheide enthalten diesbezüglich Ermittlungsschritte oder Ermittlungsergebnisse.

 

3.8. Somit steht der maßgebende Sachverhalt iSv § 37 AVG bzw. der maßgebliche Sachverhalt iSv § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG nicht fest. Daher stellt sich nach § 28 Abs. 2 Z 2 VwGVG die Frage, ob die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist oder ob der Raschheit und Kostenersparnis besser durch eine Aufhebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG gedient ist.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. 2 Z 2 iVm § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG ist in § 28 VwGVG ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg.cit. vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden; eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. etwa VwGH 22.06.2017, Ra 2017/20/0011 mwN, insbesondere auf VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

 

Wie bereits dargestellt, fehlen Ermittlungsschritte bzw Ermittlungsergebnisse im gesamten behördlichen Verfahren zu den Grundlagen der Bewilligungsfähigkeit des gegenständlichen Vorhabens, insbesondere dessen Vereinbarkeit mit bautechnischen Vorgaben, zur Gänze. Die belangte Behörde wird dies nachzuholen und dabei insbesondere zu prüfen haben, ob durch das zur Bewilligung eingereichte Vorhaben gegebenenfalls auch Nachbarrechte iSd § 6 NÖ BO beeinträchtigt sein können und bejahendenfalls das Verfahren nach 21 NÖ BO durchführen müssen. Erst auf Basis solcher Ermittlungen – die, wie ausgeführt, aufgrund der Rechtsauffassung der belangten Behörde bis jetzt zur Gänze unterlassen wurden – wird die Bewilligungsfähigkeit des Vorhabens iSd § 23 Abs 1 NÖ BO zu beurteilen sein.

 

Gemessen am Gegenstand des Berufungsverfahrens hat die belangte Behörde den Sachverhalt daher nur ansatzweise ermittelt. Somit liegen die Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vor, sodass der angefochtene Bescheid – soweit er die Berufung gegen den ersten Spruchpunkt des erstinstanzlichen Bescheids abweist – auf dieser Grundlage aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen ist.

 

3.9. Zum Kostenausspruch des erstinstanzlichen Bescheides:

Die Beschwerdeführerin wendet sich auch gegen die Abweisung der Berufung in Bezug auf Spruchpunkt 2. des erstinstanzlichen Bescheids, welcher ihr die Tragung gewisser Kosten auferlegt.

Soweit mit diesem Spruchpunkt Gebühren nach Gebührengesetz 1957 vorgeschrieben werden, ist auf § 34 Abs 1 GebG zu verweisen: Die Behörde ist bei Nicht-Entrichtung einer solchen Gebühr verpflichtet, einen Befund aufzunehmen und diesen dem Finanzamt Österreich zu übersenden. Aus dieser Bestimmung folgt, dass derartige Gebühren nicht von der verfahrensführenden Behörde selbst mit Bescheid vorzuschreiben sind. Der erstinstanzlichen Behörde mangelte es daher für diese Vorschreibung an der sachlichen Zuständigkeit.

Aber auch die Vorschreibung der Bausachverständigengebühren samt Gebühren für Urschriften war nicht zulässig. Dass es sich bei diesen Gebühren – mangels durchgeführtem Lokalaugenschein – nicht um Kommissionsgebühren handelt, wurde auch von der Behörde nicht bestritten. § 76 Abs 1 AVG sieht zwar vor, dass jener Partei, die den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt hat, Barauslagen einschließlich Gebühren für Sachverständige vorzuschreiben sind. Voraussetzung dafür ist aber, dass diese Auslagen auch notwendig waren (siehe zB VwGH, 20.09.2012, 2010/06/0108). Eine Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Sachverständigen ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Die Ausführungen des Sachverständigen in der „Niederschrift vom 2.12.2019“ beschränken sich im Wesentlichen auf rechtliche Überlegungen bzw auf einfachste Erhebungen, für die kein spezifischer bautechnischer Sachverstand erforderlich ist. Wenn die Behörde zur Erfüllung ihrer eigentlichen behördlichen Aufgaben Dritte hinzuzieht, ist sie jedoch nicht berechtigt, die dadurch erwachsenen Ausgaben auf den Antragsteller zu überwälzen.

3.10. Zum Antrag auf Protokollberichtigung: § 14 Abs. 7 AVG sieht bei unter Verwendung von Schallträgern erstellten Niederschriften vor, dass auf Antrag eine Ausfertigung der Übertragung zuzustellen ist, und die Partei „wegen behaupteter Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der Übertragung“ Einwendungen erheben darf. Der vorliegende Berichtigungsantrag bezieht sich aber noch auf solche Unvollständigkeiten oder Unrichtigkeiten der Übertragung, sondern versucht, die mit Schallträger erstellte Niederschrift nachträglich inhaltlich abzuändern. Der eindeutige Wortlaut des § 14 Abs. 7 sieht jedoch Einwendungen dieser Art nach Übertragung vom Schallträger nicht vor. Dem Antrag – der rechtlich als weiteres Parteienvorbringen zu werten ist – war daher auch nicht stattzugeben, zumal der behauptete Mangel in der Protokollierung nicht entscheidungserheblich ist und in vorliegender Entscheidung eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der im Antrag getroffenen Äußerung erfolgte.

 

4. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die rechtlichen Erwägungen folgen den diesbezüglich unmissverständlichen gesetzlichen Regelungen sowie der zitierten, eindeutigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Einzelfallauslegung von Bestimmungen eines Bebauungsplanes, denen darüber hinaus nur ein sehr eingeschränkter Anwendungsbereich in Teilen der Gemeinde zukommt, stellt im Regelfall eine nicht revisible Rechtsfrage dar (vgl ähnlich VwGH, 27.07.2016, Ra 2016/06/0084).

 

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