BVwG W235 2238716-1

BVwGW235 2238716-18.9.2021

AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs5 Satz1
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:W235.2238716.1.00

 

Spruch:

 

W235 2238708-1/9E

W235 2238705-1/10E

W235 2238716-1/8E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1. XXXX , geb. XXXX , 2. mj. XXXX , geb. XXXX und 3. mj. XXXX , geb. XXXX , 2. und 3. gesetzlich vertreten durch: XXXX , alle StA. Libanon, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.12.2020, Zl. 1269582701-200972552 (ad 1.), Zl. 1269582407-200972790 (ad 2.) sowie Zl. 1269582603-200972838 (ad 3.) zu Recht erkannt:

 

A)

Die Beschwerden werden gemäß § 5 AsylG als unbegründet abgewiesen.

Gemäß § 21 Abs. 5 erster Satz BFA-VG wird festgestellt, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide rechtmäßig war.

 

B)Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

 

1.1. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen. Alle drei Beschwerdeführerinnen sind Staatsangehörige des Libanon. Nach Einreise in das österreichische Bundesgebiet stellte die Erstbeschwerdeführerin für sich und als gesetzliche Vertreterin auch für die minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen am 07.10.2020 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

 

Weiters ergab ein Abgleich im VIS System des Bundesministeriums für Inneres, dass der Erstbeschwerdeführerin und der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin von der französischen Botschaft in Beirut Schengen-Visa für 90 Tage im Zeitraum XXXX .10.2019 bis XXXX .10.2023 erteilt worden waren. Der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin wurde hingegen ebenso von der französischen Botschaft in Beirut ein Schengen-Visum für 90 Tage im Zeitraum XXXX .04.2018 bis XXXX .04.2022 erteilt.

 

1.2. Am 08.10.2020 wurde die Erstbeschwerdeführerin einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, wobei sie zunächst angab, dass sie an keinen Krankheiten leide und nicht schwanger sei. Ihr Ehemann und Vater der beiden mitgereisten minderjährigen Beschwerdeführerinnen lebe und arbeite im Libanon. In Österreich würden ihre Mutter und ihre drei Schwestern leben. Die Erstbeschwerdeführerin habe im August 2020 den Entschluss zur Ausreise gefasst und habe nach Österreich gewollt, weil hier ihre Mutter und ihre Schwestern leben würden. Am XXXX .08.2020 sei sie legal von Beirut nach Frankreich gereist. Dann sei sie mit ihrem Mann und den beiden minderjährigen Beschwerdeführerinnen weiter nach Österreich gelangt. Ihr Mann sei in der Zwischenzeit wieder im Libanon. Die Beschwerdeführerinnen seien in Frankreich nur gelandet und dann mit einem PKW gemeinsam mit ihrem Ehegatten bzw. Vater nach Österreich zur Familie der Erstbeschwerdeführerin gefahren. Die Erstbeschwerdeführerin wolle wegen ihrer Familie in Österreich bleiben. Ihren libanesischen Reisepass sowie die Pässe der minderjährigen Beschwerdeführerinnen habe der Ehegatte der Erstbeschwerdeführerin wieder mit in den Libanon genommen. Sie habe nicht die Absicht gehabt in Österreich einen Asylantrag zu stellen. Nunmehr habe ihr jedoch ihr Ehemann damit gedroht, sie von Österreich abzuholen und in den Libanon zurückzubringen, sodass die Erstbeschwerdeführerin dazu gezwungen sei, einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen.

 

Die Erstbeschwerdeführerin stelle als gesetzliche Vertreterin auch für die minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen Anträge auf internationalen Schutz. Diese würden seit ihrer Geburt bei der Erstbeschwerdeführerin leben und hätten keine eigenen Fluchtgründe. Die drei Beschwerdeführerinnen sollten als Familie zusammenleben.

 

Im Rahmen der Erstbefragung legte die Erstbeschwerdeführerin ihre Geburtsurkunde, ihre Heiratsurkunde, einen Auszug aus dem Familienbuch und die Geburtsurkunden der Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen, jeweils sowohl in Arabisch als auch in deutscher Übersetzung, sowie ihren Reisepass (alle Unterlagen in Kopie) vor.

 

Der Erstbeschwerdeführerin wurde weiters am 08.10.2020 eine Mitteilung gemäß § 28 Abs. 2 AsylG ausgehändigt, mit der ihr zur Kenntnis gebracht wurde, dass aufgrund von Konsultationen mit Frankreich die in § 28 Abs. 2 AsylG definierte 20-Tages-Frist für Verfahrenszulassungen nicht mehr gilt. Diese Mitteilung wurde der Erstbeschwerdeführerin am selben Tag übergeben und von ihr unterfertigt (vgl. AS 85 im Akt der Erstbeschwerdeführerin).

 

1.3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 20.10.2020 Aufnahmegesuche gemäß Art. 12 Abs. 2 oder 3 der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (= Dublin III-VO) an Frankreich.

 

Mit Schreiben vom 21.10.2020 stimmte die französische Dublinbehörde der Aufnahme aller drei Beschwerdeführerinnen gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO ausdrücklich zu.

 

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 AsylG wurde der Erstbeschwerdeführerin mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, die Anträge auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da eine Zuständigkeit des Dublinstaates Frankreich angenommen wird. Diese Verfahrensanordnung wurde der Erstbeschwerdeführerin nachweislich übergeben (vgl. AS 143 im Akt der Erstbeschwerdeführerin).

 

1.4. Am 04.12.2020 fand eine Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin nach erfolgter Rechtsberatung in Anwesenheit eines Rechtsberaters im Zulassungsverfahren sowie unter Beiziehung eines geeigneten Dolmetschers für die arabische Sprache vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt, in welcher die Erstbeschwerdeführerin zunächst angab, dass sie sich psychisch und physisch in der Lage fühle, die Befragung zu absolvieren. Ihre Angaben würden auch für die beiden minderjährigen Beschwerdeführerinnen gelten. Die Erstbeschwerdeführerin sei weder in ärztlicher Betreuung bzw. Therapie noch nehme sie Medikamente. Die Drittbeschwerdeführerin habe Probleme beim Essen. Sie esse zu wenig und vermute die Erstbeschwerdeführerin, dass es sich um psychische Probleme handle. Die Zweitbeschwerdeführerin habe einen Affektanfall gehabt und leide ebenfalls an Essschwierigkeiten. Bei einem Arzt sei die Erstbeschwerdeführerin deshalb noch nicht gewesen, weil man ihr am Telefon mitgeteilt habe, wenn wieder ein Anfall passiere, solle sie die Rettung rufen. Der letzte Anfall sei vor drei Tagen gewesen und habe die Erstbeschwerdeführerin versucht, das selbst zu lösen.

 

In Österreich lebe die Mutter der Erstbeschwerdeführerin und ihre drei Schwestern. Alle vier Angehörigen hätten einen positiven Bescheid erhalten. Ihr Ehemann sei mit ihr und den minderjährigen Beschwerdeführerinnen gemeinsam nach Österreich gereist, sei jedoch in den Libanon zurückgekehrt. Er habe kein Asyl beantragen wollen. Die Erstbeschwerdeführerin lebe in Österreich mit niemandem in einer Familien- oder familienähnlichen Gemeinschaft. Sie lebe mit den minderjährigen Beschwerdeführerinnen in einem Lager. Die Erstbeschwerdeführerin brauche die Hilfe ihrer Familie. Sie würden sie finanziell unterstützen und sie brauche auch die seelische und psychische Unterstützung. Die Zweit- und die Drittbeschwerdeführerinnen seien bereits durch die Situation im Libanon belastet. Die Ärzte im Libanon hätten auch gesagt, dass die Zweitbeschwerdeführerin psychischen Stress habe. Auch sei sie bei der Explosion im Hafen im Libanon durch Glasscherben verletzt worden. Aber aktuell sei ihr gesundheitlicher Zustand stabil und habe die Erstbeschwerdeführerin dies daher auch in der Erstbefragung nicht erwähnt. Im Kinderkrankenhaus in XXXX sei ihr auch gesagt worden, dass der gesundheitliche Zustand der Zweit- und der Drittbeschwerdeführerin stabil sei. Einen Termin könne sie erst ab Feber erhalten.

 

Die Beschwerdeführerinnen hätten Visa für Frankreich beantragt und auch ausgestellt bekommen. Wann genau sie in die Europäische Union eingereist seien, wisse die Erstbeschwerdeführerin nicht mehr, aber sie seien über XXXX nach Österreich geflogen. In Frankreich seien sie vom Flieger mit einer Limousine abgeholt worden und hätten sich als VIPs am Flughafen aufgehalten. Mit einer anderen Limousine seien sie bis Österreich gefahren. In Frankreich hätten sie kein Asyl beantragt und seien auch nicht untergebracht und versorgt worden. Zur geplanten Vorgehensweise des Bundesamtes die Beschwerdeführerinnen nach Frankreich auszuweisen, gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie sich in Frankreich wie im Libanon fühle, da ihr Mann dort mächtige Kontakte habe. Ihre Familie sei in Frankreich nicht sicher, da ihr Mann den französischen XXXX immer wieder bestochen habe. Das könne sie jedoch nicht belegen. In Frankreich werde es nicht einfach. Die Erstbeschwerdeführerin wisse nicht, ob er [gemeint: ihr Ehemann] ihr wehtun oder ihr die Kinder [gemeint: Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen] wegnehmen könne.

 

Neben einem handschriftlichen Schreiben in arabischer Sprache legte die Erstbeschwerdeführerin nachstehende Unterlagen vor:

 Ambulanzbefund eines Krankenhauses betreffend eine ambulante Vorstellung der Drittbeschwerdeführerin am XXXX .11.2020 mit der Diagnose Ernährungsschwierigkeiten und der Empfehlung immer wieder unterschiedliche Nahrungsmittel anzubieten;

 Ambulanzbefund eines Krankenhauses betreffend eine ambulante Vorstellung der Zweitbeschwerdeführerin am XXXX .11.2020 mit den Diagnosen Verdacht auf Absence, Affektanfall und Ernährungsschwierigkeiten und der Empfehlung immer wieder unterschiedliche Nahrungsmittel anzubieten sowie ein Zentrum für Entwicklungsneurologie und Sozialpädiatrie aufzusuchen sowie

 Auszüge aus dem Einwohnerregister betreffend die Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen (in Arabisch und in deutscher Übersetzung vorgelegt)

 

1.5. Mit Stellungnahme vom 14.12.2020 brachte die Erstbeschwerdeführerin vor, dass die Zweitbeschwerdeführerin neuerlich einen Krampfanfall erlitten habe. Das Landeskrankenhaus XXXX habe als Verdachtsdiagnose Affektkrämpfe und eine posttraumatische Belastungsreaktion festgestellt. Als Ursache werde angeführt, dass im Heimatort ein Fenster bei einer Explosion auf sie herabgestürzt sei. Als weitere Vorgehensweise werde eine Kontrolle am XXXX .01.2021 avisiert. Aufgrund des schlechten Gesundheitszustandes möge das Bundesamt den Selbsteintritt Österreichs erklären, in eventu eine Einzelfallzusicherung der französischen Behörden einholen, in eventu von der Überstellung nach Frankreich absehen bis das Ergebnis der Kontrolle vom XXXX .01.2021 vorliege, in eventu aufgrund der in Österreich aufenthaltsberechtigten Mutter und zwei [wohl gemeint: drei] Schwestern der Erstbeschwerdeführerin von einem schützenswerten Familien- und Privatleben ausgehen und den Selbsteintritt Österreichs erklären.

 

Der Stellungnahme beigelegt war ein Ambulanzbefund einer Anfallsambulanz vom XXXX .12.2020 aufgrund eines neuerlichen Krampfanfalls der Zweitbeschwerdeführerin, dem entnommen werden kann, dass eine Video-EEG Untersuchung unauffällig war, die Diagnose Affektkrämpfe und die Verdachtsdiagnose posttraumatische Belastungsreaktion gestellt wurden sowie ein Kontrolltermin für den XXXX .01.2021 vereinbart wurde (vgl. AS 191 im Akt der Erstbeschwerdeführerin).

 

2. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurden die Anträge der Beschwerdeführerinnen auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Frankreich gemäß Art. 12 Abs. 2 oder 3 (gültiges Visum) Dublin III-VO für die Prüfung dieser Anträge zuständig ist (Spruchpunkte I.). Unter den jeweiligen Spruchpunkten II. der angefochtenen Bescheide wurde gegen die Beschwerdeführerinnen die Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG ihre Abschiebung nach Frankreich zulässig ist.

 

Begründend wurde zum jeweiligen Gesundheitszustand der Beschwerdeführerinnen festgestellt, dass die Erstbeschwerdeführerin gesund sei und weder ärztliche Behandlung, Therapie oder Medikamente benötige. Die Zweitbeschwerdeführerin leide an Essschwierigkeiten und habe Anfälle. Dieser Zustand habe bereits im Libanon bestanden, wo die Ärzte gemeint hätten, die Zweitbeschwerdeführerin leide unter psychischem Stress, da sie damals bei der großen Explosion verletzt worden sei. Die Drittbeschwerdeführerin leide an Essschwierigkeiten und vermute die Erstbeschwerdeführerin, dass diese auf psychische Probleme zurückzuführen seien. Im Fall einer Überstellung nach Frankreich würden die französischen Behörden von österreichischer Seite über die besondere medizinische Betreuung der Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen informiert werden. Daher sei gewährleistet, dass die beiden minderjährigen Beschwerdeführerinnen nach einer erfolgten Überstellung die erforderliche einzelfallbezogene Unterstützung erhalten würden. Festgestellt werde, dass die Erst- und die Drittbeschwerdeführerinnen in Besitz von französischen Visa mit einer Gültigkeit von XXXX .10.2019 bis XXXX .10.2023 seien und die Zweitbeschwerdeführerin in Besitz eines französischen Visums mit einer Gültigkeit von XXXX .04.2018 bis XXXX .04.2022 sei. Festgestellt werde, dass sich Frankreich mit Schreiben vom 21.10.2020 gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO für die Führung der Asylverfahren der Beschwerdeführerinnen für zuständig erklärt habe. Es liege ein Familienverfahren vor. Weiters würden die Mutter (bzw. Großmutter) und drei Schwestern (bzw. Tanten) der Beschwerdeführerinnen in Österreich leben. Mit diesen Verwandten würden die Beschwerdeführerinnen nicht im gemeinsamen Haushalt leben und bestünden auch keine finanziellen oder sonstigen Abhängigkeitsverhältnisse. Eine besondere Integrationsverfestigung der Beschwerdeführerinnen in Österreich könne nicht festgestellt werden. Frankreich habe strikte Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des Corona-Virus getroffen. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerinnen in Frankreich systematischen Misshandlungen bzw. Verfolgungen ausgesetzt gewesen seien oder diese dort zu erwarten hätten. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf in den angefochtenen Bescheiden Feststellungen zum französischen Asylverfahren einschließlich der Situation von Dublin-Rückkehrern in Frankreich sowie zur Situation aufgrund der COVID-19 Pandemie.

 

Beweiswürdigend wurde betreffend die Erstbeschwerdeführerin ausgeführt, dass diese angegeben habe gesund zu sein und keine Behandlung, Therapie oder Medikamente zu benötigen. Betreffend die Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen wurde darauf verwiesen, dass die französischen Behörden im Fall einer Überstellung über den Gesundheitszustand informiert werden würden, um eine nahtlose medizinische Betreuung zu gewährleisten. Es hätten sich keine Hinweise ergeben, dass die Zweit- und die Drittbeschwerdeführerin an einer schweren körperlichen Krankheit oder an einer schweren psychischen Störung leiden würden. Die Feststellungen zur Pandemie aufgrund des Corona-Virus hätten sich aus den unbedenklichen tagesaktuellen Berichten und Informationen ergeben. Die Erstbeschwerdeführerin habe angegeben, dass sie mit einem französischen Visum in Frankreich eingereist und direkt vom Flughafen nach Österreich gebracht worden seien. Die Feststellungen zum Konsultationsverfahren und zum zuständigkeitsbegründenden Sachverhalt würden sich aus den unbedenklichen Akteninhalten ergeben. In Österreich würden sich die Mutter bzw. Großmutter sowie die drei Schwestern bzw. Tanten der Beschwerdeführerinnen befinden. Dass offensichtlich keine besondere Integrationsverfestigung der Beschwerdeführerinnen in Österreich bestehe, ergebe sich schon aus der Kürze des bisherigen Aufenthalts. Die Feststellungen zu Frankreich würden aus einer Vielzahl von Quellen stammen, die durch die Staatendokumentation des Bundesamtes zusammengestellt worden seien. Zu den Angaben der Erstbeschwerdeführerin, sie könnten nicht nach Frankreich, da der Mann bzw. Vater der Beschwerdeführerinnen dorthin mächtige Kontakte habe, wurde ausgeführt, dass diese Angaben unkonkret seien. Auch sei den Angaben keinesfalls mangelnder Schutzwille oder mangelnde Schutzfähigkeit des französischen Staates zu entnehmen. Die Beschwerdeführerinnen hätten jederzeit die Möglichkeit, sich in Frankreich an die dortigen Polizeibehörden zu wenden. Ferner habe sich Frankreich mit Schreiben vom 21.10.2020 ausdrücklich bereit erklärt, die Beschwerdeführerinnen im Rahmen der Verpflichtungen aus der Dublin III-VO zur Prüfung ihrer Asylanträge zu übernehmen und könne nicht erkannt werden, dass der Zugang zum Asylverfahren in Frankreich verweigert werden würde. Eine Schutzverweigerung in Frankreich könne daher auch nicht erwartet werden.

 

In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu den jeweiligen Spruchpunkten I. der angefochtenen Bescheide, dass sich aus dem Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin und aus dem amtswegigen Ermittlungsverfahren ergeben habe, dass Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO formell erfüllt sei. Die Beschwerdeführerinnen seien jung und würden an keinen schwerwiegenden Erkrankungen leiden, sodass sie nicht unter die von COVID-19 am stärksten betroffenen Risikogruppen fielen. In den vorliegenden Fällen handle es sich um ein Familienverfahren und habe sich für alle drei Beschwerdeführerinnen dieselbe aufenthaltsbeendende Maßnahme ergeben. Mit den weiteren Verwandten – Mutter bzw. Großmutter sowie drei Schwestern bzw. Tanten – würden die Beschwerdeführerinnen nicht im gemeinsamen Haushalt leben und bestünden auch keine Abhängigkeiten. Bei diesen Beziehungen handle es sich nicht um ein im Sinne des Art. 8 EMRK schützenswertes Familienleben. Die Dauer des Aufenthalts der Beschwerdeführerinnen im Bundesgebiet vermöge kein im Sinne des Art. 8 EMRK relevantes Recht auf Achtung des Privatlebens zu begründen. Es sei daher davon auszugehen, dass die Zurückweisung der Anträge nicht zu einer relevanten Verletzung der Dublin III-VO sowie von Art. 7 GRC bzw. Art. 8 EMRK führe und die Zurückweisungsentscheidung daher unter diesen Aspekten zulässig sei. Frankreich sei bereit, die Beschwerdeführerinnen einreisen zu lassen, ihre Anträge auf internationalen Schutz zu prüfen und die sonstigen, Frankreich aus der Dublin III-VO treffenden Verpflichtungen den Beschwerdeführerinnen gegenüber zu erfüllen. Es sei festzustellen, dass in Frankreich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Verletzung der EMRK nicht eintreten werde. Ein im besonderen Maße substanziiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer relevanten Verletzung der Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK im Fall einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen ließen, sei in den Verfahren nicht hervorgekommen. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG habe daher bei Abwägung aller Umstände nicht erschüttert werden können. Zu den jeweiligen Spruchpunkten II. der angefochtenen Bescheide wurde ausgeführt, dass die gegenständliche Zurückweisungsentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung zu verbinden sei. Nach Zitierung der einschlägigen Judikatur des EGMR und des VfGH betreffend die Überstellungszulässigkeit nach Frankreich im Hinblick auf den psychischen und physischen Zustand der Beschwerdeführerinnen wurde ausgeführt, dass sich aus den vorliegenden Sachverhalten kein Anhaltspunkt dafür ergebe, dass es sich bei den Beschwerdeführerinnen um lebensgefährlich Erkrankte handle. Ferner seien für die Beschwerdeführerinnen in Frankreich Behandlungsmöglichkeiten gegeben und sei die unerlässliche medizinische Versorgung gewährleistet. Eine Anordnung zur Außerlandesbringung habe gemäß § 61 Abs. 2 FPG zur Folge, dass die Abschiebung in den Zielstaat zulässig sei.

 

3. Gegen die oben angeführten Bescheide erhob die Erstbeschwerdeführerin für sich und als gesetzliche Vertreterin auch für die minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertreterin fristgerecht jeweils eine Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften und stellte Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Nach Wiederholung des Verfahrensganges sowie des wesentlichen Vorbringens der Erstbeschwerdeführerin wurde begründend zusammengefasst ausgeführt, dass das Urteil des EGMR im Fall Tarakhel gegen die Schweiz auch auf die vorliegenden Fälle anwendbar sei. Daher hätten entscheidungsrelevante Feststellungen zu systematischen Schwachstellen in jenen Versorgungsbereichen in Frankreich, in denen besondere Unterstützung notwendig sei, getroffen werden müssen. Fallspezifisch hätte berücksichtigt werden müssen, dass umfassend berichtet werde, dass es im französischen Gesundheitssystem gravierende Engpässe gebe. Im Lichte des Tarakhel-Urteils müsse davon ausgegangen werden, dass die belangte Behörde die offenkundigen Mängel zumindest im Gesundheitswesen in Frankreich hätte kennen müssen. Sohin hätte die Behörde betreffend die minderjährigen Beschwerdeführerinnen eine einzelfallbezogene Zusicherung angemessener Versorgung und Unterbringung von den zuständigen französischen Behörden einholen müssen.

 

Betreffend die beiden minderjährigen Beschwerdeführerinnen wurde in ihren jeweiligen Beschwerden im Wesentlichen vorgebracht, dass diese bereits schon aufgrund ihres Alters als besonders schutzbedürftig identifiziert hätten werden müssen. Die Feststellungen, dass die minderjährigen Beschwerdeführerinnen nicht an schweren psychischen Störungen und/oder an einer schweren oder ansteckenden Krankheit leiden würden, würden im eklatanten Widerspruch zum Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin als gesetzlicher Vertreterin und zu den vorgelegten medizinischen Befunden stehen. Angesichtes der systematischen Schwachstellen im französischen Gesundheitswesen infolge der anhaltenden Pandemie müsse mangels vorliegender Einzelfallzusicherung jedenfalls mit in den Schutzbereich des Art. 4 GRC fallender realer Gefahren gerechnet werden. Ferner hätte die Unterstützung durch die Großmutter und die Tanten in Zusammenhang mit einer Beurteilung des Kindeswohls ermittelt werden müssen. Die Behörde habe es somit verabsäumt, im Lichte des Tarakhel-Urteils besondere psycho-soziale Bedürfnisse der minderjährigen Beschwerdeführerinnen zur Wahrung des Kindeswohls zu erheben. Auch würden besondere Bedürfnisse der minderjährigen Beschwerdeführerinnen im Hinblick auf die notwendige Versorgung und Unterbringung in Zusammenhang mit Schutz vor indirekter psychischer Gewalt oder Einschüchterung durch den Vater der beiden minderjährigen Beschwerdeführerinnen vorliegen.

 

In der die Erstbeschwerdeführerin betreffenden Beschwerde wurde darüber hinaus ausgeführt, dass diese eine alleinerziehende und alleinstehende Mutter sei, die Sorgfaltspflichten für zwei Kleinkinder (= die minderjährigen Beschwerdeführerinnen) habe, die beide gesundheitliche Probleme hätten. Sie sei auf die Unterstützung bei der Versorgung der beiden minderjährigen Beschwerdeführerinnen sowie bei Angelegenheiten des Alltags von ihrer in Österreich asylberechtigten Mutter und ihren ebenfalls in Österreich asylberechtigten Schwestern abhängig. Wenn die Behörde ausführe, dass zu den Angehörigen in Österreich kein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis bestünde, stehe dies im Widerspruch zum Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin. Daher werde beantragt, die (namentlich genannte) Mutter sowie die drei (ebenfalls namentlich genannten) Schwestern der Erstbeschwerdeführerin zum Umfang der notwendigen Unterstützung der Erstbeschwerdeführerin zeugenschaftlich zu befragen.

 

Die Erstbeschwerdeführerin sei Betroffene von zumindest psychischer Gewalt durch den Ehemann bzw. Kindesvater. Dies habe sich in Drohungen geäußert, aber auch im Umstand, dass der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin durch seine Überlegenheit aufgrund seiner sozialen und beruflichen Stellung und allfälliger Einflussmöglichkeiten die Erstbeschwerdeführerin eingeschüchtert habe. Zudem habe sie vorgebracht, dass sie vom Kindesvater auch in Österreich bedroht worden sei und sich angesichts seiner Kontakte auch in Frankreich nicht sicher fühle. Dies werde dadurch verdeutlicht, dass der Kindesvater die Reisepässe der minderjährigen Beschwerdeführerinnen entwendet habe. Der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin sei für den früheren libanesischen Ministerpräsidenten tätig, der im Jahr 2013 zurückgetreten sei, und sei vor diesem Hintergrund nachvollziehbar, dass sich die Erstbeschwerdeführerin ihrem Ehemann und seinen allfälligen Einflussmöglichkeiten ausgeliefert fühle.

 

4. Aufgrund einer Nachfrage des Bundesverwaltungsgerichtes gab das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit E-Mail vom 12.05.2021 bekannt, dass die Überstellungsfrist der Beschwerdeführerinnen am 14.01.2021 aufgrund unbekannten Aufenthalts ausgesetzt und am selben Tag den französischen Behörden bekannt gegeben wurde. Die Abmeldung in der Unterkunft in Wien erfolgte am 04.01.2021. Seit 03.02.2021 besteht eine neue Meldeadresse in Wiener Neustadt (vgl. OZ 7).

 

5. Im Zuge des Beschwerdeverfahrens wurden nachstehende Unterlagen vorgelegt:

 Ambulanzbefund vom XXXX .01.2021 betreffend die Zweitbeschwerdeführerin mit dem Vorstellungsgrund „Verdacht auf affektive Anfälle“ und den Empfehlungen diverser Untersuchungen sowie einer Wiedervorstellung und klinisch-psychologische Diagnostik;

 Zuweisung vom XXXX .02.2021 zu einer Herzecho-Ambulanz betreffend die Zweitbeschwerdeführerin;

 Ambulanzbefund Anfallsambulanz vom XXXX .02.2021 betreffend die Zweitbeschwerdeführerin mit Hinweis, dass das Herzecho einen unauffälligen Befund ergeben hat und den Diagnosen „fraglich nächtliche Anfälle, Verdacht auf Affektkrämpfe, posttraumatische Belastungsreaktion“;

 Aufenthaltsbestätigung vom XXXX .02.2021 betreffend die Zweitbeschwerdeführerin von XXXX .02.2021 bis XXXX .02.2021 wegen einer stationären Krankenhausbehandlung;

 ärztlicher Entlassungsbrief betreffend die Zweitbeschwerdeführerin vom 27.02.2021 mit den Diagnosen „fraglich nächtliche Anfälle, Verdacht auf Affektkrämpfe, posttraumatische Belastungsreaktion“;

 Ambulanzbefund Anfallsambulanz vom XXXX .03.2021 betreffend die Zweitbeschwerdeführerin mit den Verdachtsdiagnosen „wiederholte Affektkrämpfe, posttraumatische Belastungsreaktion, Obstipation“ und dem Hinweis auf eine Kontrolle in zwei Monaten und der Empfehlung einer Psychotherapie;

 Ersuchen um fachärztliche Begutachtung vom XXXX .04.2021 betreffend die Erstbeschwerdeführerin mit den Diagnosen psychische Belastungsreaktion und Anpassungsreaktion;

 Hinweis auf „Dauerdiagnosen“ betreffend die Erstbeschwerdeführerin: psychische Belastungsreaktion, Anpassungsreaktion und Trommelfellschaden samt empfohlene Medikation;

 Schreiben eines HNO-Facharztes betreffend die Erstbeschwerdeführerin vom XXXX .04.2021 mit den Diagnosen „craniomandibuläre Dysfunktion, Kiefergelenksatropathie, posttraumatischer Tinnitus bds.“;

 kinder- und jugendpsychiatrische Stellungnahme eines Landesklinikums vom XXXX .04.2021 betreffend die Zweitbeschwerdeführerin mit der Annahme einer posttraumatischen Belastungsstörung und Empfehlungen weiterer Abklärungen;

 ambulanter Patientenbrief vom XXXX .04.2021 betreffend die Erstbeschwerdeführerin mit den vorläufigen Diagnosen schwere depressive Episode und komplexe posttraumatische Belastungsstörung und

 unleserliche Bestätigung hinsichtlich der Wahrnehmung ambulanter Behandlungstermine

 

Ferner brachten die Beschwerdeführerinnen im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertreterin mit Schriftsatz vom 07.04.2021 vor, dass die Zweitbeschwerdeführerin einen spezifischen Pflegebedarf habe und jedenfalls der tatsächliche Zugang zu fachärztlichen Behandlungen garantiert sein müsse. In diesem Zusammenhang sei die wegen der COVID-19 Pandemie angespannte aktuelle Lage in Frankreich zu beachten. Ebenso sei die prekäre Lage in französischen Krankenhäusern zu berücksichtigen. Ferner würden sich in Österreich Familienangehörige der Beschwerdeführerinnen befinden, die eine unverzichtbare Unterstützung leisten könnten. Ferner sei darauf hinzuweisen, dass die Erstbeschwerdeführerin in Trennung lebe und wegen ihrer Scheidungsabsichten davon auszugehen sei, dass sie im Fall einer Überstellung als alleinerziehende Mutter von zwei kleinen Kindern ungemeinen Herausforderungen gegenüberstünde. Daher seien die Beschwerdeführerinnen als besonders vulnerabel zu bezeichnen.

 

In einem weiteren Schriftsatz vom 12.04.2021 wurde der Antrag gestellt, die Transportfähigkeit der Erstbeschwerdeführerin erneut zu überprüfen, da ihre Ohrverletzung und ihr aktueller psychischer Zustand eine zeitnahe Außerlandesbringung nicht erlauben würden.

 

Ferner wurde mit Schriftsatz vom 23.04.2021 vorgebracht, dass bei der Erstbeschwerdeführerin schwere depressive Episode sowie eine posttraumatische Belastungsstörung festgestellt worden seien und sie neben einer medikamentösen Therapie auch eine Psychotherapie benötige, wobei eine stationäre Aufnahme empfohlen werde. Es werde erneut die notwendige Unterstützung seitens der Familienangehörigen hervorgehoben. Auch bei der Zweitbeschwerdeführerin müssten weiterhin fachärztliche Untersuchungen durchgeführt werden. Da Frankreich dem Aufnahmegesuch des Bundesamtes am 21.10.2020 zugestimmt habe, sei die Überstellungsfrist mit 21.04.2021 abgelaufen.

 

6. Am 20.05.2021 wurden die Beschwerdeführerinnen auf dem Landweg nach Frankreich überstellt.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Zu den Beschwerdeführerinnen:

 

Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der minderjährigen Zweit- und der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin. Alle drei Beschwerdeführerinnen sind Staatsangehörige des Libanon. Der Erstbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführerin wurden von der französischen Botschaft in Beirut Schengen-Visa für 90 Tage im Zeitraum XXXX .10.2019 bis XXXX .10.2023 erteilt. Der Zweitbeschwerdeführerin wurde ebenso von der französischen Botschaft in Beirut ein Schengen-Visum für 90 Tage mit einer Gültigkeit von XXXX .04.2018 bis XXXX .04.2022 erteilt. In Besitz dieser Visa reisten die Beschwerdeführerinnen gemeinsam vom Libanon über Frankreich in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte die Erstbeschwerdeführerin für sich und als gesetzliche Vertreterin auch für die beiden minderjährigen Beschwerdeführerinnen am 07.10.2010 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz. Festgestellt wird sohin, dass alle drei Beschwerdeführerinnen im Zeitpunkt der Antragstellung in Österreich in Besitz von gültigen französischen Visa waren.

 

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 20.10.2020 Aufnahmegesuche an Frankreich, welche von der französischen Dublinbehörde am 21.10.2020 beantwortet und die ausdrückliche Zustimmung zur Aufnahme aller drei Beschwerdeführerinnen gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO erteilt wurde. Ein Sachverhalt, der die Zuständigkeit Frankreichs wieder beendet hätte, liegt nicht vor. Weiters hat sich die Überstellungsfrist in den gegenständlichen Fällen auf 18 Monate verlängert, da die Beschwerdeführerinnen untergetaucht waren. Dieser Umstand wurde der französischen Dublinbehörde vom Bundesamt mit Schreiben vom 14.01.2021 mitgeteilt.

 

Konkrete, in der Person der Beschwerdeführerinnen gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Frankreich sprechen, liegen nicht vor. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerinnen im Fall einer Überstellung nach Frankreich Gefahr liefen, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

 

Bei der Erstbeschwerdeführerin wurden eine schwere depressive Episode und eine komplexe posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Darüber hinaus stellte ein Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenerkrankungen fest, dass sie an craniomandibulärer Dysfunktion, Kiefergelenksatropathie und an einem beiderseitigen posttraumatischen Trinnitus leidet. Bei der Zweitbeschwerdeführerin wurden die Verdachtsdiagnosen wiederholte Affektkrämpfe, posttraumatische Belastungsreaktion und Obstipation gestellt. Die Drittbeschwerdeführerin leidet an Ernährungsschwierigkeiten. Sohin wird festgestellt, dass die drei Beschwerdeführerinnen nicht lebensbedrohlich erkrankt sind. Festgestellt wird, dass die Beschwerdeführerinnen keiner COVID-19 Risikogruppe angehören. Die aktuelle Situation hinsichtlich der COVID-19 Pandemie begründet keine Unmöglichkeit einer Rückkehr der Beschwerdeführerinnen nach Frankreich. In Frankreich sind alle Krankheiten behandelbar und alle gängigen Medikamente erhältlich. Es steht dort bei Bedarf auch psychologische oder psychiatrische Behandlung zur Verfügung. Weiters besteht in Frankreich ausreichende medizinische Versorgung für Asylwerber, die auch in der Praxis verfügbar ist. In einer Gesamtbetrachtung wird daher festgestellt, dass die Beschwerdeführerinnen weder an einer körperlichen noch an einer psychischen Krankheit leiden, die einer Überstellung nach Frankreich aus gesundheitlichen Gründen entgegensteht bzw. entgegengestanden ist.

 

In Österreich leben die Mutter bzw. Großmutter sowie drei Schwestern bzw. Tanten der Beschwerdeführerinnen als anerkannte Konventionsflüchtlinge. Eine Schwester bzw. Tante ist seit Juni 2016, die Mutter bzw. Großmutter seit Mai 2017 und zwei Schwestern bzw. Tanten sind seit Juni 2018 in Österreich aufhältig. Während des Aufenthalts der Beschwerdeführerinnen im österreichischen Bundesgebiet bestand mit keiner der genannten Angehörigen ein gemeinsamer Haushalt. Ferner liegen keine wechselseitigen Abhängigkeiten finanzieller oder sonstiger Natur zwischen den Beschwerdeführerinnen und ihren Angehörigen vor. Festgestellt wird, dass die Beschwerdeführerinnen zwischen 05.01.2021 und 02.02.2021 in Österreich über keine aufrechte Meldeadresse verfügten und sohin für die Behörden nicht greifbar waren.

 

Festgestellt wird, dass die Beschwerdeführerinnen am 20.05.2021 auf dem Landweg aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Frankreich überstellt wurden.

 

 

 

1.2. Zum französischen Asylverfahren einschließlich der Situation von Dublin-Rückkehrern in Frankreich:

 

Zum französischen Asylverfahren sowie zur Situation von Dublin-Rückkehrern in Frankreich und zur Pandemie aufgrund des Corona-Virus wurden in den angefochtenen Bescheiden Feststellungen getroffen, welche von der erkennenden Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes geteilt und auch für gegenständliches Erkenntnis herangezogen werden.

 

Ungeachtet dessen wird explizit festgestellt:

 

a). Allgemeines:

Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (OFPRA 31.10.2017; AIDA 2.2017; USDOS 3.3.2017).

Menschenrechtsgruppen kritisieren regelmäßig die strikt dem Gesetz folgende Abschiebepraxis Frankreichs (USDOS 3.3.2017).

 

b). Dublin-Rückkehrer:

Anträge von Dublin-Rückkehrern werden wie jeder andere Asylantrag behandelt. Kommt der Betreffende aus einem sicheren Herkunftsstaat, wird das beschleunigte Verfahren angewandt. Hat der Rückkehrer bereits eine endgültig negative Entscheidung der 2. Instanz (CDNA) erhalten, kann er einen Folgeantrag stellen, so dieser neue Elemente enthält. Dublin-Rückkehrer werden wie normale Asylwerber behandelt und haben daher denselben Zugang zu Unterbringung im regulären bzw. beschleunigten Verfahren wie diese (AIDA 2.2017).

Wenn Dublin-Rückkehrer am Flughafen Roissy – Charles de Gaulle ankommen, erhalten die Rückkehrer von der französischen Polizei ein Schreiben, an welche Präfektur sie sich wegen ihres Asylverfahrens zu wenden haben. Dann werden sie zunächst an die Permanence d’accueil d’urgence humanitaire (PAUH) verwiesen. Das ist eine humanitäre Aufnahmeeinrichtung des französischen Roten Kreuzes, die im Bereich des Flughafens tätig ist. Es kann ein Problem darstellen, wenn die zuständige Präfektur weit entfernt liegt, denn die Rückkehrer müssen die Anfahrt aus eigenem bestreiten. Es gibt dafür keine staatliche Hilfe und auch die PAUH hat nicht die Mittel sie dabei zu unterstützen. In Paris und Umgebung wiederum kann man sich nicht direkt an die Präfekturen wenden, sondern muss den Weg über die sogenannten Orientierungsplattformen gehen, die den Aufwand für die Präfekturen mindern sollen, aber mitunter zu Verzögerungen von einigen Wochen in der Antragsstellung führen können. Viele der Betroffenen wenden sich daher an das PAUH um Hilfe bei der Antragstellung und Unterbringung. Einige andere Präfekturen registrieren die Anträge der Rückkehrer umgehend und veranlassen deren Unterbringung durch das Büros für Immigration und Integration (OFII). In Lyon am Flughafen Saint-Exupéry ankommende Rückkehrer haben dieselben Probleme wie jene, die in Paris ankommen (AIDA 2.2017).

Im Falle der Übernahme von vulnerablen Dublin-Rückkehrern muss die französische Behörde vom jeweiligen Mitgliedstaat mindestens einen Monat vor Überstellung informiert werden, um die notwendigen Vorkehrungen treffen zu können. Je nach medizinischem Zustand, kann der Dublin-Rückkehrer mit speziellen Bedürfnissen bei Ankunft medizinische Betreuung erhalten. Auch Dublin-Rückkehrer, haben generell Zugang zur staatlichen medizinischen Versorgung (MDI 10.10.2017).

 

c). Versorgung:

Laut Asylgesetz sind die materiellen Aufnahmebedingungen allen Asylwerbern (inkl. beschleunigtes und Dublin-Verfahren) anzubieten. Die Verteilung von Asylwerbern erfolgt zentral, parallel werden regionale Vorschriften definiert und von den Präfekten in jeder Region umgesetzt. Asylwerber im Dublin-Verfahren unterliegen jedoch einer Einschränkung: sie haben keinen Zugang zu CADA-Einrichtungen und leben in der Praxis oft auf der Straße oder in besetzten Häusern. Dublin-Rückkehrer hingegen werden behandelt wie reguläre Asylwerber und haben daher denselben Zugang zu Unterbringung im regulären bzw. beschleunigten Verfahren wie diese. Die nationalen Aufnahmestrukturen liegen in der Zuständigkeit des Französischen Büros für Immigration und Integration (Office français de l’immigration et de l’intégration – OFII). Es wurde eine Beihilfe für Asylwerber (Allocation pour demandeurs d’asile – ADA) eingeführt, welche die vorherige monatliche Zahlung (Allocation Mensuelle de Subsistance – AMS) bzw. die temporäre Wartezeitzulage (Allocation Temporaire d’Attente – ATA) ersetzt (AIDA 2.2017). Die Höhe der ADA hängt von verschiedenen Faktoren wie die Art der Unterkunft, Alter, Anzahl der Kinder usw. ab. Asylwerber erhalten in der Regel eine monatliche finanzielle Unterstützung/Gutscheine in der Höhe von 204 Euro. Ein zusätzlicher Tagessatz wird an Asylwerber ausgezahlt, die Unterbringungsbedarf haben, aber nicht über das nationale Aufnahmesystem aufgenommen werden können (AIDA 2.2017). Seit April 2017 beträgt der tägliche Kostenzuschuss für Unterkunft 5,40 Euro (FTA 4.4.2017). Es wird jedoch kritisiert, dass die Empfänger der ADA in der Praxis mit Problemen (z.B. Verzögerungen bei der Auszahlung, intransparente Berechnung usw.) konfrontiert sind (AIDA 2.2017).

Asylwerber haben Zugang zum Arbeitsmarkt, wenn OFPRA ihren Asylantrag innerhalb von neun Monaten nicht entschieden und diese Verzögerung nicht vom Antragssteller verschuldet wurde (AIDA 2.2017).

 

 

d). Unterbringung:

In Frankreich gibt es 303 Unterbringungszentren für Asylwerber (Centre d’Accueil pour Demandeurs d’Asile – CADA) mit rund 34.000 Plätzen, ein spezielles Zentrum für UMA, zwei Transitzentren mit 600 Plätzen, 262 Notunterbringungen mit rund 18.000 Plätzen, sowie eine nicht näher genannte Anzahl an privaten Unterbringungsplätzen. Damit verfügt das Land über etwa 56.000 Unterbringungsplätze (AIDA 2.2017).

Der Zugang zu Unterbringung erweist sich in der Praxis jedoch als sehr kompliziert. Bei der Zuweisung zur CADA muss mit längerer Wartezeit gerechnet werden, die je nach Region zwischen 51 bis 101 Tage beträgt. In Paris gibt es auch Beispiele dafür, dass Asyl gewährt wurde, ohne dass die Personen jemals Zugang zu Unterbringung gehabt hätten. Berichten zufolge reichen die derzeitigen Unterbringungsplätze der CADA nicht aus (AIDA 2.2017). Die Schaffung weiterer Unterbringungsplätze (insgesamt 12.500 Plätze davon 7.500 in CADA) ist in den nächsten zwei Jahren geplant (FRC 12.1.2018; vgl. FRC 22.12.2017).

Im Oktober 2016 wurde die informelle Siedlung in Calais, der sog. Dschungel, geräumt, in der tausende von Migranten und Asylsuchende (laut AI mehr als 6.500 Personen, laut USDOS 5.600) lebten. Man brachte 5.243 Bewohner in Erstaufnahmelager (CAO) in ganz Frankreich und stellte ihnen Informationen über das Asylverfahren zur Verfügung (AI 2.22.2017; vgl. AI 1.6.2017, USDOS 3.3.2017, AIDA 2.2017). Trotzdem leben noch etwa 350 bis 600 Migranten unter prekären Bedingungen in und um Calais. Großbritannien und Frankreich wollen die Sicherheit an der gemeinsamen Grenze jedoch verbessern. Der französische Präsident und die britische Premierministerin unterzeichneten dazu im Januar 2018 ein neues Abkommen (Zeit 19.1.2018).

Trotz der Bestrebungen der lokalen Behörden und Interessenvertreter bleiben viele Migranten und Asylwerber weiterhin obdachlos und leben landesweit in illegalen Camps (AIDA 2.2017).

 

e). Medizinische Versorgung:

Am 1. Januar 2016 wurde in Frankreich der neue allgemeine Krankenversicherungsschutz (protection universelle maladie – PUMA) eingeführt. Deren medizinischen Leistungen können Asylwerber im ordentlichen, aber auch im Schnell- und im Dublinverfahren in Anspruch nehmen, sobald sie die Bestätigung über ihr laufendes Asylverfahren erhalten (Cleiss 2017; vgl. AIDA 2.2017, Ameli 12.10.2017). Bei PUMA besteht Beitragsfreiheit, wenn das jährliche Einkommen pro Haushalt unter 9.534 Euro liegt (AIDA 2.2017). In Frankreich besteht generell die Möglichkeit, eine Zusatzversicherung abzuschließen, um die Gesundheitsausgaben zu decken, die nicht von der Pflichtversicherung übernommen werden. Einkommensschwachen Personen kommt jedoch kostenfrei ein Allgemeiner Zusatzkrankenschutz (couverture maladie universelle complémentaire – CMU-C) zu, der die vollständige Kostenübernahme vom Leistungen sichert (Cleiss 2017; vgl. Ameli 15.11.2017, RSB o.D.). Dies kann auch von Asylwerbern in Anspruch genommen werden (Ameli 12.10.2017). Weiters besteht die Möglichkeit für illegale Einwanderer nach drei Monaten Aufenthalt in Frankreich, von der sogenannten staatlichen medizinischen Hilfe (aide médicale de l’état – AME) zu profitieren, selbst wenn andere Sozialleistungen reduziert oder entzogen worden sein sollten (AIDA 2.2017; vgl. Le Fonds CMU 2.5.2017, Ameli 13.10.2017). Neben Personen mit einem niedrigen Einkommen können auch Asylwerber die in Krankenhäusern eingerichteten Bereitschaftsdienste zur ärztlichen Versorgung der Bedürftigsten (permanences d’accès aux soins de santé – PASS) in Anspruch nehmen, während sie auf den Zugang zu CMU oder AME warten. Obwohl gesetzlich vorgeschrieben ist, dass alle Krankenhäuser die PASS anbieten müssen, ist das in der Praxis nicht immer der Fall (AIDA 2.2017).

Zugang zu mentaler Gesundheitsversorgung wird von der Gesetzgebung nicht explizit erwähnt, Asylwerber können aber im Rahmen der PUMA oder AME theoretisch psychiatrische oder psychologische Hilfe in Anspruch nehmen. Viele Therapeuten nehmen jedoch keine nicht-frankophonen Patienten. Traumatisierte oder Opfer von Folter können sich von einigen NGOs betreuen lassen, die sich speziell diesem Thema widmen, z.B. Primo Levi in Paris oder die Osiris-Zentren in Marseille, Mana in Bordeaux, das Forum réfugiés-Cosi Essor-Zentrum in Lyon oder Awel in La Rochelle. Die Zahl dieser spezialisierten Zentren in Frankreich ist aber gering und ungleich verteilt und kann den wachsenden Bedarf nicht decken (AIDA 2.2017).

Die Mitarbeiter der CADA sind verpflichtet, innerhalb von 15 Tagen nach Ankunft im Unterbringungszentrum eine ärztliche Untersuchung durchzuführen (AIDA 2.2017).

Im Falle der Ablehnung des Asylantrags haben Personen ein Jahr lang ab der Ausstellung des negativen Bescheids Anspruch auf eine medizinische Versorgung bei Krankheiten oder Mutterschaft, solange sie sich weiterhin in Frankreich aufhalten (Ameli 12.10.2017).

 

f). COVID-19:

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. […]

Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.

 

Festgestellt wird sohin, dass sich aus diesen Länderinformationen keine ausreichend begründete Hinweise darauf ergeben, dass das französische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweist. Daher ist aus Sicht der zuständigen Einzelrichterin, insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, die medizinische Versorgung sowie die generelle Versorgungs- und Unterbringungslage und die Sicherheitslage von Asylwerbern in Frankreich den oben zitieren Feststellungen zu folgen.

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1. Die Feststellungen zu den Beschwerdeführerinnen, zu ihrer familiären Beziehung zueinander, zu ihrer Staatsangehörigkeit, zu ihrem Reiseweg bzw. zu ihrer Einreise nach Österreich und zur Stellung der gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz ergeben sich aus dem Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin in ihrer Erstbefragung sowie aus den Akteninhalten. Dass der Erstbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführerin von der französischen Botschaft in Beirut Schengen-Visa für 90 Tage im Zeitraum XXXX .10.2019 bis XXXX .10.2023 und der Zweitbeschwerdeführerin von XXXX .04.2018 bis XXXX .04.2022 erteilt wurden, diese sohin im Zeitpunkt der Antragstellung in Österreich in Besitz von gültigen französischen Visa waren, ergibt sich ebenso aus den unbedenklichen Akteninhalten, insbesondere aus den jeweiligen VIS-Abfragen. Darüber hinaus wurde die Visumserteilung durch die Erstbeschwerdeführerin bestätigt, die in ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt vorbrachte, dass die Beschwerdeführerinnen Visa für Frankreich beantragt und auch ausgestellt bekommen hätten (vgl. AS 157 im Akt der Erstbeschwerdeführerin). Auch wurde die Erteilung der Visa durch die französische Dublinbehörde bestätigt, die ihre Zustimmung zur Aufnahme der Beschwerdeführerinnen auf Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO stützt.

 

Die Feststellungen zum Aufnahmegesuch, zur ausdrücklichen Zustimmung zur Aufnahme aller drei Beschwerdeführerinnen durch Frankreich und zur Verlängerung der Überstellungsfrist auf 18 Monate sowie zur diesbezüglichen Mitteilung des Bundesamtes an die französische Dublinbehörde ergeben sich ferner aus den jeweiligen Schreiben bzw. aus der diesbezüglichen Korrespondenz der Dublinbehörden. Wenn die Beschwerdeführerinnen im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertreterin in ihrem Schriftsatz vom 23.04.2021 vorbringen, dass die Überstellungsfrist mit 21.04.2021 abgelaufen sei, ist ihnen entgegenzuhalten, dass sie durch ihr „Untertauchen“ bzw. durch den Umstand für die österreichischen Behörden zwischen 05.01.2021 und 02.02.2021 nicht greifbar gewesen zu sein, die Verlängerung der Überstellungsfrist auf 18 Monate selbst herbeigeführt haben. Dies wurde den französischen Behörden mit Schreiben vom 14.01.2021 – und sohin innerhalb der sechsmonatigen Überstellungsfrist – zur Kenntnis gebracht. Sohin sind keine Umstände hervorgekommen, dass die Zuständigkeit Frankreichs beendet worden wäre.

 

Eine die Beschwerdeführerinnen konkret treffende Bedrohungssituation in Frankreich wurde nicht ausreichend substanziiert vorgebracht, da das diesbezügliche Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin widersprüchlich, unplausibel und nicht nachvollziehbar ist. Zunächst brachte sie im Rahmen ihrer Erstbefragung vor, dass sie mit ihrem Ehegatten und den beiden minderjährigen Beschwerdeführerinnen nach Österreich gefahren sei. Ihr Mann sei in der Zwischenzeit wieder in den Libanon zurückgekehrt. Sie habe nicht die Absicht gehabt, in Österreich einen Asylantrag zu stellen, aber nunmehr habe ihr Ehemann damit gedroht, sie von Österreich wieder abzuholen und in den Libanon zurückzubringen, sodass sie dazu gezwungen sei, einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen (vgl. AS 35 im Akt der Erstbeschwerdeführerin). Eine Gefährdung bzw. Gefahr durch ihren Ehegatten in Frankreich erwähnte die Erstbeschwerdeführerin nicht, sondern – im Gegenteil – brachte sie vor, dass sie in Frankreich nur gelandet seien und der Ehegatte (bzw. Vater) die Beschwerdeführerinnen dann nach Österreich begleitet habe. Erst in der Einvernahme vor dem Bundesamt, als ihr mitgeteilt worden war, dass beabsichtigt sei, die Beschwerdeführerinnen nach Frankreich auszuweisen, brachte die Erstbeschwerdeführerin vor, dass sie sich in Frankreich wie im Libanon fühle, da ihr Mann dort mächtige Kontakte habe. Ihre Familie sei in Frankreich nicht sicher, da ihr Mann den französischen XXXX immer wieder bestochen habe. Sie wisse auch nicht, ob ihr ihr Ehemann wehtun oder ihr die minderjährigen Beschwerdeführerinnen wegnehmen könne (vgl. AS 159, AS 161 im Akt der Erstbeschwerdeführerin). Abgesehen davon, dass – wie erwähnt – dieses Vorbringen erst erstattet wurde, als die Erstbeschwerdeführerin erfahren hat, dass eine Überstellung nach Frankreich geplant ist, räumte sie in der Einvernahme selbst ein, dass sie ihre Behauptungen nicht belegen könne. Aber auch die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen sind nicht nachvollziehbar. Wenn – wie in der Beschwerde vorgebracht – sich die Erstbeschwerdeführerin angesichts der Kontakte ihres Ehegatten in Frankreich nicht sicher fühle, was dadurch verdeutlicht werde, dass er die Reisepässe der minderjährigen Beschwerdeführerinnen entwendet habe, ist darauf zu verweisen, dass die Entwendung der Reisepässe durch den Ehegatten bzw. Vater wohl eher darauf hindeutet, dass dieser eine Ausreise der Beschwerdeführerinnen aus Österreich verhindern will, was jedenfalls mit den Angaben der Erstbeschwerdeführerin, ihr Mann habe gedroht, sie aus Österreich abzuholen und in den Libanon zurückzubringen, wohl weit eher in Einklang zu bringen ist als eine rein spekulative Angst vor allfälligen Kontakten ihres Gatten in Frankreich. Selbst wenn der Ehegatte bzw. Vater der Beschwerdeführerinnen tatsächlich über Kontakte in Frankreich verfügen sollte, ist – bei der Größe Frankreichs – nicht nachvollziehbar wie diese Kontakte auf die Beschwerdeführerinnen treffen sollten. Frankreich ist ein demokratischer Rechtsstaat und kann wohl nicht ohne weiters angenommen werden, dass der Aufenthaltsort der Beschwerdeführerinnen durch Behördenbestechung oder Ähnliches herausgefunden werden könnte. Nur am Rande ist zu erwähnen, dass es für den Ehegatten der Erstbeschwerdeführerin um einiges einfacher wäre, einen Aufenthaltsort in Österreich zu eruieren, da hier Angehörige der Beschwerdeführerinnen leben, die er nur kontaktieren müsste. Daher ist es wohl nahezu ausgeschlossen, den genauen Aufenthaltsort der Beschwerdeführerinnen in Frankreich zu erfahren, wenn die Erstbeschwerdeführerin nicht von sich aus den Kontakt zu ihrem Ehegatten sucht. Eine konkrete Bedrohungssituation für die Beschwerdeführerinnen in Frankreich kann aus diesem Vorbringen jedenfalls nicht erkannt werden. Lediglich der Vollständigkeit halber ist allerdings darauf zu verweisen, dass sich die Erstbeschwerdeführerin in Frankreich bei Vorliegen einer tatsächlichen Bedrohung jederzeit an die französischen Behörden bzw. die französische Polizei wenden kann, die dazu willens und in der Lage sind, den Beschwerdeführerinnen Schutz vor Verfolgung zu bieten. Gegenteiliges wurde auch nicht vorgebracht.

 

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerinnen gründen auf den im Verfahren zahlreich vorgelegten medizinischen Unterlagen. Betreffend die Erstbeschwerdeführerin ist hier insbesondere auf einen ambulanten Patientenbrief vom XXXX .04.2021 sowie auf das Schreiben eines HNO-Facharztes vom XXXX .04.2021 zu verweisen. Im Fall der Zweitbeschwerdeführer ist ebenso auf die ärztlichen Schreiben zu verweisen und zwar insbesondere auf den Ambulanzbefund einer Anfallsambulanz vom XXXX .03.2021 sowie auf die kinder- und jugendpsychiatrische Stellungnahme eines Landesklinikums vom XXXX .04.2021. Dass die Drittbeschwerdeführerin an Ernährungsschwierigkeiten leidet, ergibt sich aus dem Ambulanzbefund eines Krankenhauses vom XXXX .11.2020. Ebenso aus den zahlreich vorgelegten medizinischen Unterlagen ergibt sich die Feststellung, dass die drei Beschwerdeführerinnen nicht lebensbedrohlich erkrankt sind. Betreffend die Drittbeschwerdeführerin ist darauf zu verweisen, dass abgesehen von dem einen Ambulanzbericht vom XXXX .11.2020, der lediglich die Empfehlung, unterschiedliche Nahrungsmittel anzubieten, enthält, keine weiteren Unterlagen vorgelegt wurden, sodass wohl keine ärztliche Behandlungsbedürftigkeit indiziert ist und schon aus diesem Grund keine lebensbedrohliche Erkrankung vorliegt. Ebenso wenig ergeben sich aus den hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen lebensbedrohliche Erkrankungen und lässt sich dies auch ihren eigenen Angaben nicht entnehmen, sondern – im Gegenteil – brachte die Erstbeschwerdeführerin sowohl in ihrer Erstbefragung als auch in der Einvernahme vor dem Bundesamt am 04.12.2020 noch vor, an keinen Krankheiten zu leiden bzw. weder in ärztlicher Betreuung bzw. Therapie zu sein noch Medikamente zu nehmen (vgl. AS 33 bzw. AS 153 im Akt der Erstbeschwerdeführerin). Hinzu kommt, dass nach dem XXXX .04.2021 (bzw. nach dem XXXX .04.2021 betreffend die HNO-Behandlung) keine weiteren ärztlichen bzw. medizinischen Unterlagen vorgelegt wurden, obwohl die Überstellung nach Frankreich erst am 20.05.2021 – sohin ein Monat später – durchgeführt wurde. Ähnlich verhält sich die Situation im Fall der Zweitbeschwerdeführerin. Auch hier ist weder den Angaben der Erstbeschwerdeführerin noch den vorgelegten medizinischen Unterlagen eine lebensbedrohliche Erkrankung zu entnehmen. In ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt am 04.12.2020 erwähnte die Erstbeschwerdeführerin zwar den Affektanfall der Zweitbeschwerdeführerin, räumte jedoch ein, diesbezüglich noch nicht bei einem Arzt gewesen zu sein, da sie versucht habe, „das“ selbst zu lösen. Ferner sei ihr im Kinderkrankenhaus XXXX gesagt worden, dass der gesundheitliche Zustand der Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen stabil sei und sie einen Termin erst ab Feber erhalten könne (vgl. AS 153, AS 161 im Akt der Erstbeschwerdeführerin). Aber auch der zuletzt vorgelegte Ambulanzbefund vom XXXX .03.2021 wies lediglich auf eine Kontrolle in zwei Monaten hin. Ähnlich verhält es sich mit der kinder- und jugendpsychiatrischen Stellungnahme vom XXXX .04.2021; diese enthält ebenso lediglich Empfehlungen zu weiteren Abklärungen. Auch im Fall der Zweitbeschwerdeführerin wird darauf verwiesen, dass nach dem XXXX .04.2021 bis zur Überstellung am 20.05.2021 keine ergänzenden medizinischen Unterlagen vorgelegt wurden. Insgesamt betrachtet wurde sohin kein Vorbringen erstattet, das geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren. Dass die Beschwerdeführerinnen keiner COVID-19 Risikogruppe angehören, gründet auf den Umständen, dass sie jung – es handelt sich um eine 24jährige Frau und zwei Kinder im Alter von drei und zwei Jahren – und nicht immungeschwächt sind bzw. keine risikobehafteten Vorerkrankungen wie beispielsweise Diabetes oder Herzerkrankungen vorliegen. Derartiges wurde auch im gesamten Verfahren nicht behauptet.

 

Die Feststellungen zu den in Österreich als Konventionsflüchtlinge aufhältigen Angehörigen (Mutter bzw. Großmutter sowie drei Schwestern bzw. Tanten) der Beschwerdeführerinnen ergeben sich sowohl aus den Angaben der Erstbeschwerdeführerin als auch aus den Akteninhalten, insbesondere aus den vom Bundesverwaltungsgericht betreffend diese Angehörigen eingeholten Auszügen aus dem Zentralen Melderegister vom 01.09.2021 und aus dem Zentralen Fremdenregister vom 18.01.2021. Dass die Beschwerdeführerinnen mit den genannten Angehörigen während ihres Aufenthalts in Österreich nicht im gemeinsamen Haushalt lebten, gründet auf den eigenen Angaben der Erstbeschwerdeführerin in der Einvernahme vor dem Bundesamt, wo sie angab, mit niemandem in einer Familien- oder familienähnlichen Gemeinschaft zu leben, sondern mit den minderjährigen Beschwerdeführerinnen in einem Lager aufhältig zu sein (vgl. AS 155 im Akt der Erstbeschwerdeführerin). Gegenteiliges ist auch dem Zentralen Melderegister nicht zu entnehmen. Das Vorliegen von wechselseitigen finanziellen oder sonstigen Abhängigkeiten (wie beispielsweise eine Pflegebedürftigkeit) zwischen den Beschwerdeführerinnen und ihren Angehörigen ist im Verfahren nicht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass die Erstbeschwerdeführerin vorbrachte, sie werde von ihrer Familie finanziell, psychisch und seelisch unterstützt, wobei jedoch eine Abhängigkeit im Sinne einer intensiven und/oder dauerhaften Pflegebedürftigkeit bzw. vergleichbaren Umständen nicht hervorgekommen ist. Daran ändern auch die Beschwerdeausführungen nichts, zumal diese kein konkretes Vorbringen enthalten, sondern lediglich Pauschalaussagen wie beispielsweise „Unterstützung durch die Großmutter und die Tanten“ (in Bezug auf die minderjährigen Beschwerdeführerinnen). Ebenso verhält es sich mit den Ausführungen, dass die Erstbeschwerdeführerin auf die Unterstützung bei der Versorgung der beiden minderjährigen Beschwerdeführerinnen sowie bei Angelegenheiten des Alltags von ihrer in Österreich asylberechtigten Mutter und ihren ebenfalls in Österreich asylberechtigen Schwestern abhängig sei. Das Bundesverwaltungsgericht zweifelt nicht daran, dass die Mutter und die Schwestern der Erstbeschwerdeführerin dieser im Alltag zur Hand gehen und ihr eventuell auch kleinere finanzielle Zuwendungen zukommen lassen, was jedoch über die im Familienkreis üblichen Hilfen nicht hinaus geht. Ein Vorbringen, welches definitiv ein Abhängigkeitsverhältnis zu den genannten Angehörigen impliziert, wurde nicht erstattet. Hinzu kommt, dass die Beschwerdeführerinnen ohnehin vom österreichischen Staat versorgt wurden (Unterkunft, Verpflegung, Krankenversicherung, Betreuung, Dolmetscherleistungen etc.) und ist auch aus diesem Grund eine finanzielle oder sonstige Abhängigkeit von den genannten Angehörigen nicht zu erblicken. Aus diesen Gründen war auch dem in der Beschwerde gestellten Antrag auf zeugenschaftliche Einvernahme der Mutter und der drei Schwestern der Erstbeschwerdeführerin nicht näher zu treten. Dass die Beschwerdeführerinnen zwischen 05.01.2021 und 02.02.2021 über keine aufrechte Meldung in Österreich verfügten und sohin für die Behörden nicht greifbar waren, ist aus dem Zentralen Melderegister ersichtlich und wurde darüber hinaus vom Bundesamt in seinem E-Mail vom 12.05.2021 bestätigt.

 

Letztlich ergibt sich die Feststellung zur Überstellung der Beschwerdeführerinnen nach Frankreich aus dem diesbezüglichen Bericht des Bundesministeriums für Inneres vom 22.05.2021.

 

2.2. Die Feststellungen zum französischen Asylverfahren einschließlich der Situation von Dublin-Rückkehrern beruhen auf den im angefochtenen Bescheid angeführten Quellen. Bei diesen vom Bundesamt herangezogenen Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender Institutionen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild zum Asylverfahren in Frankreich ergeben. Nach Ansicht der erkennenden Einzelrichterin handelt es sich bei den Länderfeststellungen in den angefochtenen Bescheiden um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material, welches auch die im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide aktuellen Entwicklungen in Zusammenhang mit der COVID-19 Pandemie in Bezug auf Frankreich berücksichtigt. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Darstellung zu zweifeln. Des Weiteren ist darauf zu verweisen, dass die Länderfeststellungen in den angefochtenen Bescheiden hinreichend aktuell sind. Sollte in den Feststellungen auf Quellen älteren Datums verwiesen werden, ist auszuführen, dass diese mit späteren Quellen inhaltlich deckungsgleich bzw. zum Teil sogar nahezu wortident sind.

 

Die Gesamtsituation des Asylwesens in Frankreich ergibt sich sohin aus den umfangreichen und durch ausreichend aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen in den angefochtenen Bescheiden, die auf alle entscheidungswesentlichen Fragen eingehen. Hinzu kommt, dass in den Länderberichten durchaus Quellen von NGOs – wie beispielsweise Amnesty International oder UN Human Rights Council - herangezogen wurden. Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substanziell widersprechen, hat die Erstbeschwerdeführerin nicht dargelegt. Wenn in der Beschwerde die medizinische Versorgung in Frankreich kritisiert wird, ist dem zunächst zu entgegnen, dass es zwar zutrifft, dass in Frankreich mit Wartezeiten beim Zugang zu CADA (Centre d’Accueil pour Demandeurs d’Asile) gerechnet werden müsse, Frankreich jedoch trotzdem über ca. 56.000 Unterbringungsplätze verfügt, deren Anzahl laufend erhöht wird. Betreffend die medizinische Versorgung in Frankreich ist darauf zu verweisen, dass Asylwerber die medizinischen Leistungen des neuen allgemeinen Krankenversicherungsschutzes in Anspruch nehmen können, sobald die Bestätigung über ihr laufendes Asylverfahren vorliegt. Wenn die Beschwerdeführerinnen bei Ankunft in Frankreich einen Asylantrag stellen, wird ihnen eine solche Bestätigung ausgestellt und sie sind krankenversichert. Ferner kommt einkommensschwachen Personen kostenfrei ein Allgemeiner Zusatzkrankenschutz zu, der die vollständige Kostenübernahme von Leistungen sichert, was auch von Asylwerbern in Anspruch genommen werden kann. Hinzu kommt, dass Asylwerber auch die in Krankenhäusern eingerichteten Bereitschaftsdienste zur ärztlichen Versorgung der Bedürftigsten in Anspruch nehmen können, während sie auf den Zugang zur regulären Krankenversicherung warten. Wenn die Beschwerde auf „systematische Schwachstellen“ im französischen Gesundheitswesen infolge der anhaltenden Pandemie verweist, ist dem zu entgegnen, dass diese Pandemie sämtliche Gesundheitssysteme in den europäischen Staaten an ihre Grenzen brachte und zwar insbesondere bei der Intensivpflege. Hervorzuheben ist allerdings auch – wie sich aus der medialen Berichterstattung ergibt -, dass das französische Gesundheitswesen mit der zweiten Pandemiewelle weitaus besser umgehen konnte als mit der ersten und die französische Regierung im Gesundheitssektor umfassende Hilfsmaßnahmen gewährt und auch umgesetzt hat (vgl. z.B. GTAI – Germany Trade and Invest vom 24.03.2021).

 

Wie erwähnt sind die Länderfeststellungen grundsätzlich ausreichend aktuell und nehmen auch auf die aktuelle Situation in Zusammenhang mit der COVID-19 Pandemie Bezug. Es ist notorisch, dass die Mitgliedstaaten allesamt – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – vom Ausbruch der Pandemie betroffen sind und hier vor großen Herausforderungen im Gesundheitsbereich stehen. Diesbezüglich wurden und werden in den einzelnen Ländern tagesaktuell entsprechende Maßnahmen gesetzt (beispielsweise die Verhängung von Ausgangsbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen sowie Einschränkungen im Reiseverkehr, Maskenpflicht in öffentlichen Bereichen oder die Einhaltung und Überprüfung der sogenannten „3 G“-Regel [Geimpft, Genesen, Getestet] sowie auch die teilweise Zurücknahme von bereits erfolgten Lockerungen), die die Ausbreitung von COVID-19 hintanhalten und gleichzeitig die medizinische Versorgung der Bevölkerung – seien es nun eigene Staatsbürger oder dort ansässige Fremde – möglichst sicherstellen sollen. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen ist die Heranziehung der Länderfeststellungen zu Frankreich nicht zu beanstanden; einerseits aufgrund der Annahme, dass dann – und nur dann – Überstellungen durchgeführt werden, wenn Frankreich für die Einhaltung der einschlägigen asyl- und fremdenrechtlichen Standards garantieren kann, was gegenständlich der Fall ist, da die Beschwerdeführerinnen bereits am 20.05.2021 nach Frankreich überstellt wurden, und die Länderfeststellungen insofern wieder volle Gültigkeit haben, und andererseits aufgrund des Umstandes, dass es sich bei den Beschwerdeführerinnen im Überstellungszeitpunkt um keine besonders vulnerable Personengruppe gehandelt hat und keine Anzeichen dafür vorlagen, dass sie zu den Personengruppen mit einem erhöhten Risiko an COVID-19 zu erkranken – wie ältere und/oder immungeschwächte Personen – gehören.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

 

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

§ 1 BFA-VG, BGBl. I 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.

 

3.2. Zu A)

 

3.2.1. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

Nach Abs. 2 leg. cit. ist gemäß Abs. 1 auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

Sofern gemäß Abs. 3 leg. cit. nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird und in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

 

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG lautet:

§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG.

Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat gemäß Abs. 2 leg. cit. zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

Gemäß Abs. 3 leg. cit. ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben, wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind.

Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird (§ 61 Abs. 4 FPG).

 

3.2.2. Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin III-VO lauten:

 

Art. 3 Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig. Erweist es sich als unmöglich einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systematische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann. Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

 

Art. 7 Rangfolge der Kriterien

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3) […]

 

Art. 12 Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder Visa

(1) Besitzt der Antragsteller einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

(2) Besitzt der Antragsteller ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaates im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung gemäß Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft erteilt wurde. In diesem Fall ist der vertretene Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

(3) Besitzt der Antragsteller mehrere gültige Aufenthaltstitel oder Visa verschiedener Mitgliedstaaten, so sind die Mitgliedstaaten für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz in folgender Reihenfolge zuständig:

a) der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der den zuletzt ablaufenden Aufenthaltstitel erteilt hat;

b) der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat, wenn es sich um gleichartige Visa handelt;

c) bei nicht gleichartigen Visa der Mitgliedstaat, der das Visum mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat.

(4) Besitzt der Antragsteller nur einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund derer er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat.

Besitzt der Antragsteller einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die mehr als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit mehr als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund derer er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, und hat er die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.

(5) [...]

 

Art. 17 Ermessensklauseln

(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde. Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.

(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen. Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen. Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen. Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.

 

Art. 18 Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats

(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:

a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;

b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.

(2) Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab. Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird. In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird. In den in den Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstabe d fallenden Fällen, in denen der Antrag nur in erster Instanz abgelehnt worden ist, stellt der zuständige Mitgliedstaat sicher, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat oder hatte, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 der Richtlinie 2013/32/EU einzulegen.

 

Art 29 Modalitäten und Fristen [der Überstellung]

(1) […]

(2) Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, ist der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden Mitgliedstaat über. Diese Frist kann höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung aufgrund der Inhaftierung der betreffenden Person nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf achtzehn Monate, wenn die betreffende Person flüchtig ist.

(3) […]

(4) […]

 

3.2.3. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (vgl. hierzu Urteil vom 10.12.2013, C-394/12 , Shamso Abdullahi gegen Österreich und Urteil vom 07.06.2016, C-63/15 Mehrdad Ghezelbash gegen Niederlande und vom 07.06.2016, C-155/15 , Karim gegen Schweden) regeln die Zuständigkeitskriterien der Dublin II-VO (nunmehr: Dublin III-VO) die subjektiven Rechte der Mitgliedstaaten untereinander, begründen jedoch kein subjektives Recht eines Asylwerbers auf Durchführung seines Asylverfahrens in einem bestimmten Mitgliedstaat der Union.

 

In den gegenständlichen Fällen ist die Zuständigkeit Frankreichs zur Prüfung der in Rede stehenden Anträge auf internationalen Schutz in materieller Hinsicht in Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO begründet, da die Beschwerdeführerinnen im Zeitpunkt der Antragstellung in Österreich in Besitz gültiger französischer Visa waren, aufgrund derer sie in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einreisen konnten. Den Beschwerdeführerinnen wurden nämlich von der französischen Botschaft in Beirut Visa für 90 Tage im Zeitraum XXXX .01.2019 bis XXXX .10.2023 (Erst- und Drittbeschwerdeführerinnen) bzw. im Zeitraum XXXX .04.2018 bis XXXX .04.2022 (Zweitbeschwerdeführerin) erteilt. Zudem stimmte die französische Dublinbehörde der Aufnahme aller drei Beschwerdeführerinnen mit Schreiben vom 21.10.2020 gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO ausdrücklich zu.

 

Betreffend die Verlängerung der Überstellungsfrist ist in den gegenständlichen Fällen anzumerken, dass die Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO nicht abgelaufen ist, da die Beschwerdeführerinnen (innerhalb der sechsmonatigen Überstellungsfrist) für die Behörden nicht greifbar und sohin „flüchtig“ waren und sich aufgrund dessen die Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO auf 18 Monate verlängert hat, was den französischen Behörden (ebenfalls vor Ablauf der sechsmonatigen Überstellungsfrist) mit Mitteilung vom 14.01.2021 bekanntgegeben worden war. Dass die Beschwerdeführerinnen seit 03.02.2021 wieder gemeldet (und sohin greifbar) waren, ändert daran nichts (vgl. hierzu „Filzwieser/Sprung: Dublin III-Verordnung Das Europäische Asylzuständigkeitssystem“, Stand: 01.02.2014, K12 zu Art. 29 Dublin III-VO, wonach eine Verlängerung bis zur Maximalfrist erfolgen kann, wenn ein Drittstaatsangehöriger einmal flüchtig ist und zwar auch dann, wenn er wieder betreten wird).

 

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH vom 17.06.2005, B336/05 sowie vom 15.10.2004, G237/03) und des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH vom 17.11.2015, Ra 2015/01/0114, vom 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949 sowie vom 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673) ist aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben, sollte die innerstaatliche Überprüfung der Auswirkungen einer Überstellung ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers bedroht wären.

 

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht in den gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK oder der GRC zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre. Somit ist unionsrechtlich zu prüfen, ob im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel im Asylverfahren und in den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber vorherrschen, und – soweit damit noch notwendig und vereinbar – aus menschenrechtlichen Erwägungen, ob die Beschwerdeführerinnen im Fall der Zurückweisung ihrer Anträge auf internationalen Schutz und ihrer Außerlandesbringung nach Frankreich gemäß § 5 AsylG und § 61 FPG – unter Bezugnahme auf ihre persönliche Situation – in ihren Rechten gemäß Art. 3 und/oder Art. 8 EMRK verletzt werden würden, wobei der Maßstab des „real risk“ anzulegen ist, wie ihn EGMR und VfGH auslegen.

 

3.2.4. Mögliche Verletzung von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRC:

 

3.2.4.1. Gemäß Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRC darf niemand Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

 

Die bloße Möglichkeit einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (vgl. VwGH vom 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter, auf den betreffenden Fremden bezogene Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. VwGH vom 09.05.2003, Zl. 98/18/0317 u.a.). Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949) wie folgt ausgesprochen: „Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist.“

 

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl. VwGH vom 17.02.1998, Zl. 96/18/0379 sowie EGMR vom 04.02.2005, 46827/99 und 46951/99, Mamatkulov und Askarov gegen Türkei Rz 71 bis 77). Auch eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Fall einer Überstellung und ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde. Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (vgl. VwGH vom 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673; vom 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025 und vom 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582), ebenso weitere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs.

 

Der EuGH sprach in seinem Urteil vom 10.12.2013, C-394/12 , Shamso Abdullahi gegen Österreich aus, dass in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO festgelegten Kriteriums zugestimmt hat, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, welche ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC ausgesetzt zu werden.

 

Mit der Frage, ab welchem Ausmaß von festgestellten Mängeln im Asylsystem des zuständigen Mitgliedstaates der Union ein Asylwerber von einem anderen Aufenthaltsstaat nicht mehr auf die Inanspruchnahme des Rechtsschutzes durch die innerstaatlichen Gerichte im zuständigen Mitgliedstaat und letztlich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Wahrnehmung seiner Rechte verwiesen werden darf, sondern vielmehr vom Aufenthaltsstaat zwingend das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO (nunmehr Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO) auszuüben ist, hat sich der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10 , N.S./Vereinigtes Königreich, zu vergleichbaren Bestimmungen der Dublin II-VO befasst und – ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in der Entscheidung vom 02.12.2008, Nr. 32733/08, K.R.S./Vereinigtes Königreich, sowie deren Präzisierung mit der Entscheidung des EGMR vom 21.01.2011, Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - ausdrücklich ausgesprochen, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechtes durch den zuständigen Mitgliedstaat, sondern erst systemische Mängel im Asylverfahren und in den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes durch den Aufnahmestaat gebieten.

 

3.2.4.2. Den Angaben der Erstbeschwerdeführerin betreffend ihren Aufenthalt in Frankreich ist zu entnehmen, dass sie über den Flughafen XXXX in Frankreich eingereist, sich am Flughafen aufgehalten hätten und in der Folge mit einer Limousine nach Österreich gebracht worden seien. In Frankreich hätten sie kein Asyl beantragt und seien auch nicht untergebracht und versorgt worden (vgl. AS 157 im Akt der Erstbeschwerdeführerin). In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Erstbeschwerdeführerin weder das Asylverfahren in Frankreich kritisiert noch die Befürchtung geäußert hat, in Frankreich keinen Zugang zum Asylverfahren oder zu Versorgungsleistungen zu haben. Auch wurden weder die Unterbringungs- und Versorgungssituation in Frankreich noch die Bereitstellung der medizinische Versorgung für Asylwerber bzw. deren Verfügbarkeit von der Erstbeschwerdeführerin beanstandet (vgl. zum Beschwerdevorbringen betreffend die Gesundheitsversorgung in Zusammenhang mit der COVID-19 Pandemie die diesbezüglichen Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung). Sie brachte lediglich vor, dass ihre Mutter und drei Schwestern in Österreich leben würden und sie deshalb hierher gewollt habe. Systemische Mängel im französischen Asylsystem wurden sohin durch die Erstbeschwerdeführerin nicht vorgebracht und sind auch aus den Länderfeststellungen in den angefochtenen Bescheiden nicht zu erblicken.

 

Zum Vorbringen betreffend eine allfällige Bedrohung durch den Ehemann bzw. Vater der Beschwerdeführerinnen ist ebenso auf die Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung des gegenständlichen Erkenntnisses zu verweisen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der französische Staat in der Lage und auch willens ist, den Beschwerdeführerinnen vor drohenden Übergriffen hinreichenden Schutz zu bieten und bei entsprechender Meldung bzw. Erstattung einer Anzeige tätig zu werden. Sohin ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerinnen allfälligen Drohungen und/oder Einschüchterungsversuchen von Seiten ihres Ehegatten bzw. Vaters bzw. sonstiger Dritter in Frankreich nicht wehrlos ausgesetzt wären, sondern der Erstbeschwerdeführerin die Möglichkeit offen stünde, etwaige gegen sie gerichtete kriminelle Handlungen in Frankreich bei der Polizei anzuzeigen und dort staatlichen Schutz in Anspruch zu nehmen.

 

Wenn in der Beschwerde mehrfach auf das Urteil des EGMR im Fall Tarakhel gegen die Schweiz verwiesen und ausgeführt wird, dass dieses auf die vorliegenden Fälle anwendbar sei, ist auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 08.09.2015, Zl. Ra 2014/18/0157 bis 0159, zu verweisen, in dem der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, dass sich dem Urteil Tarakhel nicht entnehmen lässt, dass im Vorfeld von Rücküberstellungen in andere Dublinstaaten als Italien gleichermaßen Garantien hinsichtlich der Unterbringung von Familien einzuholen wären. Die Einholung einer Einzelfallzusicherung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl war sohin - höchstgerichtlicher Rechtsprechung zufolge – nicht erforderlich. Allerdings werden – wie den angefochtenen Bescheiden zu entnehmen ist – im Fall einer Überstellung die französischen Behörden von österreichischer Seite über die besondere medizinische Betreuung der Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen informiert, sodass diese die erforderliche einzelfallbezogene Unterstützung erhalten.

 

Wie im angefochtenen Bescheid ausführlich und unter Heranziehung zahlreicher Berichte dargelegt wurde, ist in Frankreich insbesondere auch die Versorgung der Asylwerber grundsätzlich gewährleistet. Weiters ist darauf zu verweisen, dass Dublin-Rückkehrer in Frankreich wie reguläre Asylwerber behandelt werden und daher denselben Zugang zu Unterbringung wie diese haben. Die nationalen Aufnahmestrukturen liegen in der Zuständigkeit des französischen Büros für Immigration und Integration und wurde auch eine finanzielle Beihilfe für Asylwerber eingeführt. Auch hieraus sind keine systemischen Mängel im französischen Asylverfahren zu erblicken. Lediglich der Vollständigkeit halber wird darauf verwiesen, dass seitens der Europäischen Kommission gegen Frankreich kein Vertragsverletzungsverfahren wegen Missachtung der Status-, Verfahrens- oder Aufnahmerichtlinie eingeleitet wurde und daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht erkennbar ist, dass die Beschwerdeführerinnen nach ihrer Überstellung nach Frankreich Gefahr liefen, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in ihren durch Art. 3 EMRK geschützten Rechten verletzt zu werden.

 

Nach den Länderberichten zu Frankreich kann sohin nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass ein Asylwerber im Fall einer Überstellung nach Frankreich konkret Gefahr liefe, dort einer gegen das Folterverbot des Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung unterworfen zu werden. Das Asyl- und Refoulementschutzverfahren in Frankreich und die Situation von Asylwerbern dort geben somit keinen Anlass ein „real risk“ einer Verletzung von Art. 3 EMRK zu befürchten.

 

Insgesamt ergibt sich aus dem Parteivorbringen – sofern dieses als glaubhaft gewertet werden kann - weder eine systemische noch eine individuell drohende Gefahr für die Beschwerdeführerinnen in Frankreich. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass die allgemeine Lage für nach Frankreich überstellte Asylwerber keineswegs die reale Gefahr einer gegen menschenrechtliche Bestimmungen verstoßende Behandlung glaubhaft erscheinen lässt. Insbesondere sind die Praxis der asylrechtlichen und subsidiären Schutzgewährung, die Grund- und Gesundheitsversorgung sowie die Sicherheitslage unbedenklich und genügen den Grundsätzen des Unionsrechts. Aufgrund der vom Bundesamt getroffenen Länderfeststellungen ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerinnen bei einer Rückkehr nach Frankreich Zugang zu einer Unterkunft haben und auch entsprechend versorgt werden.

 

Letztlich ist auf eines der Grundprinzipien der Dublin III-VO zu verweisen, wonach sich die Zuständigkeit zur Asylantragsprüfung nicht primär am Willen des Drittstaatsangehörigen orientiert. Auch wenn insbesondere die Erstbeschwerdeführerin nach Österreich wollte, weil hier ihre Mutter und ihre Schwestern leben, ist an dieser Stelle auf den Hauptzweck der Dublin III-VO zu verweisen, wonach eine im allgemeinen von den Wünschen der Asylwerber losgelöste Zuständigkeitsregelung zu treffen ist. Asylwerber können sich im Zuge der Feststellung des für das Asylverfahren zuständigen Dublinstaates auch nicht jenen Mitgliedstaat aussuchen, in welchem sie die bestmögliche Unterbringung und Versorgung erwarten können.

 

3.2.4.3. Betreffend das Vorliegen von Erkrankungen ist darauf zu verweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. hierzu VwGH vom 21.02.2017, Ro 2016/18/0005-3, mit Verweis auf EGMR vom 13.12.2016, Nr. 41738/10, Paposhvili gegen Belgien).

 

Sohin ist nach der geltenden Rechtslage eine Überstellung dann unzulässig, wenn die Durchführung eine in den Bereich des Art. 3 EMRK reichende Verschlechterung des Krankheitsverlaufs oder der Heilungsmöglichkeiten bewirken würde, was in den vorliegenden Fällen ebenfalls nicht hervorgekommen ist. Wie festgestellt leidet keine der drei Beschwerdeführerinnen an einer lebensbedrohlichen Erkrankung. Sämtliche festgestellte Krankheitsbilder können in Frankreich mindestens auf demselben Niveau wie in Österreich behandelt werden und sind auch alle gängigen Medikamente vorhanden. Festzuhalten ist, dass Asylwerber in Frankreich im Rahmen des neuen allgemeinen Krankenversicherungsschutz sowie im Rahmen der staatlichen medizinischen Hilfe psychiatrische und psychologische Hilfe in Anspruch nehmen können. Darüber hinaus ist auf die Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung zu verweisen. Unabhängig davon ergibt sich anhand der aktuellen Länderberichte zweifelsfrei, dass die unentgeltliche medizinische Grundversorgung in Frankreich jedenfalls gewährleistet ist. Asylwerber können die medizinischen Leistungen des allgemeinen Krankenversicherungsschutzes in Anspruch nehmen, sobald sie die Bestätigung über ihr laufendes Asylverfahren erhalten. Ferner gibt es für einkommensschwache Personen kostenfrei einen allgemeinen Zusatzkrankenschutz, der auch von Asylwerbern in Anspruch genommen werden kann. Dass die Beschwerdeführerinnen in Frankreich keinen adäquaten Zugang einer Behandlung hätten – wie in der Beschwerde geäußert -, kann sohin keinesfalls gesagt werden. In einer Gesamtbetrachtung ist jedenfalls davon auszugehen, dass den Beschwerdeführerinnen beim Vorliegen einer Erkrankung bzw. einer Behandlungsbedürftigkeit eine entsprechende medizinische Versorgung in Frankreich gewährt werden wird.

 

Im Hinblick auf die derzeit bestehende Pandemie aufgrund des Corona-Virus ist festzuhalten, dass es sich bei den Beschwerdeführerinnen um eine nicht immungeschwächte Personengruppe bzw. Familie im Alter von 24, drei und zwei Jahren handelt, womit sie nicht unter die Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen fallen. Ein bei der Überstellung der Beschwerdeführerinnen nach Frankreich vorgelegen habendes individuelles „real risk“ einer Verletzung von Art. 3 EMRK ist bzw. war sohin nicht erkennbar.

 

Der mentale Stress bei einer Abschiebung selbst ist ebenfalls kein ausreichendes „real risk“, weshalb eine – nach dem Maßstab der Judikatur des EGMR – maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Verletzung der Rechte der Beschwerdeführerinnen gemäß Art. 3 EMRK nicht erkannt werden konnte. Insbesondere erhalten kranke Personen eine entsprechende Menge der verordneten Medikamente. Anlässlich einer Abschiebung werden von der Fremdenpolizeibehörde auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen entsprechende Maßnahmen gesetzt, weswegen auch dem im Schriftsatz vom 12.04.2021 gestellten Antrag, die Transportfähigkeit der Erstbeschwerdeführerin erneut zu überprüfen, nicht näherzutreten war. Auch haben sich diesbezüglich – die Beschwerdeführerinnen wurden bereits nach Frankreich überstellt – keine Hinweise ergeben.

 

3.2.4.4. In den gegenständlichen Fällen kommt allerdings hinzu, dass es sich um eine Mutter mit zwei minderjährigen Kindern handelt, sodass auch die Rechtsvorschriften der Union zum Wohl des Kindes beachtet werden müssen.

 

Gemäß Art. 24 Abs. 1 GRC haben Kinder den Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für ihr Wohlergehen notwendig sind. Sie können ihre Meinung frei äußern. Ihre Meinung wird in den Angelegenheiten, die sie betreffen, in einer ihrem Alter und ihrem Reifegrad entsprechenden Weise berücksichtigt.

Nach Abs. 2 leg. cit. muss das Wohl des Kindes bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher Stellen oder privater Einrichtungen eine vorrangige Erwägung sein.

Jedes Kind hat Anspruch auf regelmäßige persönliche Beziehungen und direkte Kontakte zu beiden Elternteilen, es sei denn, dies steht seinem Wohl entgegen (Art. 24 Abs. 3 GRC).

 

Gemäß Art. 52 Abs. 1 GRC muss jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

 

In den gegenständlichen Verfahren ist allerdings nicht erkennbar, dass eine Überstellung der minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen nach Frankreich dem Kindeswohl entgegensteht bzw. entgegengestanden ist. Die Überstellung der beiden minderjährigen Beschwerdeführerinnen erfolgte gemeinsam mit ihrer Mutter, die von Geburt an die hauptsächliche Bezugsperson der Zweit- und der Drittbeschwerdeführerin war und mit der sie bereits im Herkunftsstaat und in der Folge auch in Österreich gemeinsam gelebt haben. Es haben sich im gesamten Verfahren keine Hinweise darauf ergeben, dass die Erstbeschwerdeführerin nicht in der Lage wäre, die Obsorge und Erziehung über die beiden minderjährigen Beschwerdeführerinnen auszuüben, sodass auch unter diesem Aspekt eine Beeinträchtigung des Kindeswohls nicht zu erblicken ist. Beide Beschwerdeführerinnen befinden sich in der Obhut der Erstbeschwerdeführerin und wurden mit dieser gemeinsam nach Frankreich überstellt, sodass die Wahrung der Familieneinheit aufrecht bleibt. Weiters ist anzuführen, dass die Unterbringung und Versorgung von Asylwerbern in Frankreich gesichert ist, sodass auch unter diesem Aspekt keine Gefährdung des Kindeswohls ersichtlich ist. In Zusammenhang mit einer durch die Überstellung bewirkten Trennung von der Großmutter und den Tanten ist zunächst darauf zu verweisen, dass die minderjährigen Beschwerdeführerinnen in Österreich mit den genannten Angehörigen nicht im gemeinsamen Haushalt lebten und diese bereits vor der Geburt der Zweit- und der Drittbeschwerdeführerin in Österreich aufhältig waren, sodass die beiden minderjährigen Beschwerdeführerinnen vor ihrer nunmehrigen Einreise nach Österreich weder zu ihrer Großmutter noch zu ihren Tanten persönlichen Kontakt hatten bzw. haben konnten. Hinzu kommt, dass sowohl die Großmutter als auch alle drei Tanten in Österreich anerkannte Konventionsflüchtlinge sind und ihnen daher die Möglichkeit offensteht, nach Frankreich zu reisen und dort die beiden minderjährigen Beschwerdeführerinnen zu besuchen, sodass auch unter diesem Blickwinkel das Kindeswohl durch die Überstellung nach Frankreich nicht beeinträchtigt wurde.

 

3.2.4.5. Das Bundesverwaltungsgericht gelangt daher insgesamt zu dem Ergebnis, dass in den vorliegenden Fällen keine Verletzung von Bestimmungen der GRC oder der EMRK zu befürchten ist. Im Entscheidungszeitpunkt sind bei den Beschwerdeführerinnen keine Hinweise auf besondere Vulnerabilitätsaspekte erkennbar, welche einer Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat konkret entgegenstünden bzw. entgegengestanden sind. Dahingehend, dass im Zeitpunkt der Überstellung ein konkretes Überstellungshindernis vorlag, bestehen keine Anhaltspunkte.

 

Da die Erstbeschwerdeführerin sohin in einer Gesamtbetrachtung keine auf sich selbst bezogenen besonderen Gründe, die für die reale Verletzung des Art. 3 EMRK sprächen, glaubhaft machen konnte, kommt die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG, wonach ein Asylwerber im zuständigen Mitgliedstaat Schutz vor Verfolgung findet, zur Anwendung.

 

3.2.5. Mögliche Verletzung von Art. 8 EMRK bzw. Art. 7 GRC:

 

3.2.5.1. Gemäß Art 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Nach Art 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

 

Der EGMR bzw. die EMRK verlangen zum Vorliegen des Art. 8 EMRK das Erfordernis eines „effektiven Familienlebens“, das sich in der Führung eines gemeinsamen Haushaltes, dem Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses oder eines speziell engen, tatsächlich gelebten Bandes zu äußern hat (vgl. Urteil Marckx, Ziffer 45 sowie Beschwerde Nr. 1240/86, V. gegen Vereinigtes Königreich, DR 55, Seite 234; hierzu ausführlich: Kälin: „Die Bedeutung der EMRK für Asylsuchende und Flüchtlinge: Materialien und Hinweise“, Mai 1997, Seite 46).

 

Der Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse gemeinsame Intensität erreichen. Als Kriterium hierfür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (vgl. EGMR vom 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; siehe auch EKMR vom 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (vgl. EKMR vom 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311), und zwischen Onkel und Tante und Neffen bzw. Nichten (vgl. EKMR vom 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR vom 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR vom 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1989, 761; Rosenmayer ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (vgl. EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

3.2.5.2. Die Beschwerdeführerinnen sind eine Mutter mit ihren beiden minderjährigen Töchtern, wobei das Verhältnis der Beschwerdeführerinnen untereinander als Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK anzusehen ist. Da jedoch alle drei Beschwerdeführerinnen keine dauerhaft aufenthaltsberechtigten Fremden sind und diese gleichermaßen gemeinsam nach Frankreich überstellt wurden, liegt diesbezüglich kein Eingriff in ihr Familienleben vor. Darüber hinaus wurden familiäre Bindungen zur Mutter bzw. Großmutter und zu drei Schwestern bzw. Tanten, die in Österreich anerkannte Konventionsflüchtlinge sind, ins Treffen geführt. Nach der einschlägigen Judikatur des EGMR wird für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern sowie zwischen Geschwistern das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität gefordert, um den Begriff des Familienlebens in Art. 8 EMRK zu erfüllen. Diesbezüglich ist zunächst darauf zu verweisen, dass die genannten Angehörigen seit fünf bzw. vier bzw. drei Jahren in Österreich aufhältig sind und sohin die beiden minderjährigen Beschwerdeführerinnen vor deren Einreise nach Österreich noch nie gesehen haben können. Auch bestand zur Erstbeschwerdeführerin während dieser Zeiträume kein persönlicher Kontakt. Hinzu kommt, dass die Beschwerdeführerinnen während ihres Aufenthalts zwar Kontakt zu den genannten Angehörigen hatten, jedoch mit diesen nicht im gemeinsamen Haushalt lebten. Betreffend das Nichtvorliegen wechselseitiger Abhängigkeiten finanzieller oder sonstiger Natur wird auf die Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung des gegenständlichen Erkenntnisses verwiesen. Daher ist festzuhalten, dass die Beziehung zwischen der (volljährigen) Erstbeschwerdeführerin und ihrer Mutter bzw. ihren Schwestern nicht über eine unter Eltern und volljährigen Kindern bzw. unter erwachsenen Geschwistern übliche Bindung hinausgeht. Insgesamt betrachtet ist die in Fällen von familiären Beziehungen unter Erwachsenen vom EGMR geforderte Beziehungsintensität zwischen der Erstbeschwerdeführer und ihrer Mutter sowie ihren Schwestern nicht (mehr) vorhanden und daher fällt das von der Erstbeschwerdeführerin vorgebrachte Familienleben zu den genannten Angehörigen nicht (mehr) als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen. Lediglich der Vollständigkeit halber ist auszuführen, dass es durchaus möglich und auch zumutbar ist, die familiären Beziehungen zwischen der Erstbeschwerdeführerin und ihrer Mutter bzw. ihren Schwestern von Frankreich aus aufrechtzuerhalten und zwar über Telefon, E-Mail oder soziale Medien, aber auch durch Besuche der genannten Angehörigen, die als anerkennte Konventionsflüchtlinge problemlos nach Frankreich reisen können. Betreffend die Bindungen der minderjährigen Beschwerdeführerinnen zu ihrer Großmutter bzw. zu ihren Tanten wird auf Punkt II.3.2.4.4. des gegenständlichen Erkenntnisses verwiesen.

 

Darüber hinaus sind - schon aufgrund der relativ kurzen Aufenthaltsdauer – weitere schützenswerte Aspekte des Privatlebens nicht hervorgekommen, wie beispielsweise eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration in Österreich etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer (vgl. VfGH vom 26.02.2007, B1802/06 u.a.). Derartige Umstände sind von der Erstbeschwerdeführerin auch zu keinem Zeitpunkt behauptet worden. Der durch die normierte Außerlandesbringung der Beschwerdeführerinnen aus dem österreichischen Bundesgebiet erfolgende Eingriff in ihr Privatleben ist durch ein Überwiegen des öffentlichen Interesses im Vergleich zu ihrem privaten Interesse an einem Verbleib in Österreich gedeckt.

 

Der rechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von ca. siebeneinhalb Monaten (von der Antragstellung bis zum Zeitpunkt der Überstellung nach Frankreich) war nur ein vorläufig berechtigter. Gemessen an der Judikatur des EGMR und der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes ist dieser Zeitraum als kein ausreichend langer zu qualifizieren. Aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich, dass etwa ab einem zehnjährigen Aufenthalt im Regelfall die privaten Interessen am Verbleib in Österreich die öffentlichen Interessen überwiegen können (vgl. VwGH vom 09.05.2003, Zl. 2002/18/0293). Gleiches gilt für einen siebenjährigen Aufenthalt, wenn eine berufliche und soziale Verfestigung vorliegt (vgl. VwGH vom 05.07.2005, Zl. 2004/21/0124).

 

Die privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführerinnen an einem Verbleib in Österreich haben nur sehr geringes Gewicht und treten fallbezogen gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund.

 

3.2.6. Da das Bundesverwaltungsgericht insgesamt zu dem Ergebnis gelangt ist, dass in den vorliegenden Fällen keine Verletzung von Bestimmungen der GRC oder der EMRK zu befürchten ist, bestand auch keine Veranlassung, von dem in Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO vorgesehenen Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen und eine inhaltliche Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz vorzunehmen, und da in den gegenständlichen Fällen der Erst-, Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen – es handelt sich um eine Mutter mit ihren beiden minderjährigen Töchtern - ein Familienverfahren vorliegt, solche Verfahren gemäß § 34 Abs. 4 AsylG unter einem zu führen sind und alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang erhalten, waren alle drei Beschwerden gegen die angefochtenen Bescheide gemäß § 5 AsylG als unbegründet abzuweisen.

 

3.2.7. Gemäß § 21 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, wenn gegen eine aufenthaltsbeendende Maßnahme Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht erhoben wird und sich der Fremde zum Zeitpunkt der Erlassung der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält, festzustellen, ob die aufenthaltsbeendende Maßnahme zum Zeitpunkt der Erlassung rechtmäßig war. War die aufenthaltsbeendende Maßnahme nicht rechtmäßig, ist die Wiedereinreise unter einem zu gestatten.

 

Nachdem die Beschwerdeführerinnen zum Zeitpunkt der Erlassung dieser Entscheidung bereits nach Frankreich überstellt worden waren, war festzustellen, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide rechtmäßig war.

 

3.2.8. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Unbeschadet des Abs. 7 kann das Bundesverwaltungsgericht gemäß Abs. 6a leg. cit. über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde, der diese von Gesetz wegen nicht zukommt (§ 17) oder der diese vom Bundesamt aberkannt wurde (§ 18), und über Beschwerden gegen zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung entscheiden.

 

Da es sich in den gegenständlichen Verfahren um Beschwerden gegen zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren handelte und sich zudem keine Hinweise auf die Notwendigkeit ergeben haben, den maßgeblichen Sachverhalt mit der Erstbeschwerdeführerin zu erörtern, konnte ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden.

 

3.2.9. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 17 BFA-VG lagen zu keinem Zeitpunkt der gegenständlichen Verfahren vor.

 

3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

 

In den vorliegenden Fällen ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die tragenden Elemente der Entscheidung liegen hier alleine in der Bewertung der Asyl- und Aufnahmesituation im Mitgliedstaat, die auf den umfassenden und aktuellen Feststellungen des Bundesamtes über die Lage im Vertragsstaat beruht, sowie in der Bewertung des Gesundheitszustandes und der Intensität des Privat- und Familienlebens der Beschwerdeführerinnen in Österreich. Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht insbesondere auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den rechtlichen Erwägungen wiedergegeben.

 

4. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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