BVwG W274 2186143-1

BVwGW274 2186143-118.9.2019

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:W274.2186143.1.00

 

Spruch:

W274 2186143-1/13E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch Mag. LUGHOFER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , iranischer Staatsbürger, XXXX , vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, Wattgasse 48/3.Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg vom 11.01.2018, Zl. 1106597900-160299693/BMI-BFA_SZB_RD nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht:

 

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

Der Beschwerdeführer (BF) beantragte vor der Abteilung Fremdenpolizei und Anhaltevollzug der Landespolizeidirektion Wien am 25.02.2016 internationalen Schutz und gab als Fluchtgrund an, er habe einen Auftraggeber gehabt, für den er sieben Jahre gearbeitet habe. Er habe lediglich zwei Jahre seines Arbeitsaufwands bezahlt erhalten, die restlichen fünf Jahre sei er ihm schuldig geblieben. Darum habe er Anzeige erstattet. Da er (der Auftraggeber) sehr gute Kontakte zu den iranischen Behörden gehabt habe, habe er nichts gegen diesen ausrichten können. Er sei von ihm bedroht worden. Aus Angst um sein Leben habe er beschlossen, das Land zu verlassen.

 

Vor dem BFA, Regionaldirektion Salzburg, gab der BF am 05.12.2017 zusammengefasst an, er habe bereits 2001 versucht nach England auszureisen, sei aber von der Türkei wieder in den Iran abgeschoben worden. 2007 habe er jemanden kennengelernt, der ihm das Christentum nähergebracht habe. Er habe zuletzt für ein großes Projekt gearbeitet, das bis zur Fertigstellung vier Jahre gedauert habe. Mit der Firma sei vereinbart worden, dass ihm am Ende der Fertigstellung als Bezahlung eine Wohnung samt restlich vereinbartem Geld zustehe. 2015 sei das Projekt fertig gewesen, er habe das Entgelt verlangt und diese Leute seien irgendwie draufgekommen, dass er kein Moslem mehr sei und sich für das Christentum interessiere. Sie hätten diese Schwachstelle ausgenutzt und mit Drohungen angefangen. Der Grund sei, dass er mit einem LKW-Fahrer ins Gespräch über Religionen und seine Denkweise gekommen sei, was ihm zum Verhängnis geworden sei. Der Leibwächter des Chefs des Justizministeriums, gleichzeitig Geschäftsführer seiner Firma, habe ihm persönlich gedroht. Nach dem Telefonat sei der BF in die Wochenend-Villa der Familie in den Norden gefahren. In seiner Abwesenheit sei seine Familie von zwei Personen besucht worden. Nach fünf Tagen sei er geflohen. In Salzburg habe er die Baptistische Kirche besucht, dort den Alphakurs gemacht und sich im September 2017 taufen lassen. Er habe in Österreich sieben bis acht Personen davon überzeugt und in die Kirche gebracht.

 

Mit dem angefochtenen Bescheid wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich Asyl und Subsidiärschutz ab (Spruchpunkt I. und II.), erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass die Abschiebung in den Iran zulässig sei (Spruchpunkt V.) und setzte eine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.). Begründend wurde zusammengefasst festgestellt, der BF sei Angehöriger der muslimisch-schiitischen Religion, "zu seiner religiösen Gesinnung sei er glaubhaft", er habe in seinem Herkunftsstaat keine asylrelevanten Probleme aufgrund seiner Religionszugehörigkeit und eine begründete Furcht vor Verfolgung habe nicht festgestellt werden können. Er habe sein Interesse am Christentum erst entdeckt, als er nach Österreich gekommen sei. Die Unglaubwürdigkeit der Fluchtgeschichte ergebe sich insbesondere daraus, dass der BF im Rahmen der Erstbefragung mit keinem Wort einen Zusammenhang mit dem Christentum erwähnt habe, und über den Flughafen Teheran ausgereist sei. In Österreich sei von einer Scheinkonversion auszugehen.

 

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde des BF wegen "Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens, mangelhafter Länderberichte, unrichtiger Feststellungen aufgrund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens und einer mangelhaften Beweiswürdigung sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung" mit dem primären Antrag, dem BF den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, hilfsweise den eines subsidiär Schutzberechtigten.

 

Am 01.04.2019 erfolgte eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, in der weitere Urkunden vorgelegt wurden und der BF vernommen wurde.

 

Aufgrund dessen steht folgender Sachverhalt fest:

 

Die für den Fall derzeit relevante Situation im Iran stellt sich wie folgt dar:

 

Die komplexen Strukturen politischer Macht in der Islamischen Republik Iran sind sowohl von republikanischen als auch autoritären Elementen gekennzeichnet. Höchste politische Instanz ist der "Oberste Führer der Islamischen Revolution", Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei, der als Ausdruck des Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" (Vormundschaft des Islamischen Rechtsgelehrten) über eine verfassungsmäßig verankerte Richtlinienkompetenz verfügt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist und das letzte Wort in politischen Grundsatz- und ggf. auch Detailfragen hat. Er wird von einer vom Volk auf acht Jahre gewählten Klerikerversammlung (Expertenrat) auf unbefristete Zeit bestimmt (AA 15.2.2019a, vgl. BTI 2018, ÖB Teheran 12.2018) und kann diesen theoretisch auch absetzen (ÖB Teheran 12.2018). Das Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" besagt, dass nur ein herausragender Religionsgelehrter in der Lage sei, eine legitime Regierung zu führen bis der 12. Imam, die eschatologische Heilsfigur des schiitischen Islam, am Ende der Zeit zurückkehren und ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit einleiten werde. Dieser Rechtsgelehrte ist das Staatsoberhaupt Irans mit dem Titel "Revolutionsführer" (GIZ 3.2019a). Das iranische Regierungssystem ist ein semipräsidentielles, d.h. an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident (Amtsinhaber seit 2013 Hassan Rohani, wiedergewählt: Mai 2017). Er steht der Regierung vor, deren Kabinett er ernennt. Die Kabinettsmitglieder müssen allerdings vom Parlament bestätigt werden. Der Präsident ist der Leiter der Exekutive. Zudem repräsentiert er den Staat nach außen und unterzeichnet internationale Verträge. Dennoch ist seine faktische Macht beschränkt, da der Revolutionsführer in allen Fragen das letzte Wort hat bzw. haben kann. Der Revolutionsführer ist wesentlich mächtiger als der Präsident, ihm unterstehen u.a. die Revolutionsgarden (Pasdaran oder IRGC) inklusive der mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen und die gesamte Judikative. Für die entscheidenden Fragen ist letztlich der Oberste Führer verantwortlich (ÖB Teheran 12.2018). Obwohl der Revolutionsführer oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter ist, kann er zentrale Entscheidungen nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Diese Zugehörigkeiten und Allianzen unterliegen dabei einem ständigen Wandel. Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird die Islamische Beratende Versammlung oder Majles, ein Einkammerparlament mit 290 Abgeordneten, das gewisse legislative Kompetenzen hat und Ministern das Vertrauen entziehen kann. Der Wächterrat (12 Mitglieder, sechs davon vom Obersten Führer ernannte Geistliche, sechs von der Judikative bestimmte Juristen) hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch insgesamt wesentlich mächtiger als ein westliches Verfassungsgericht. Ihm obliegt u.a. auch die Genehmigung von Kandidaten bei Wahlen (ÖB Teheran 12.2018, vgl. AA 15.2.2019a, FH 4.2.2019, BTI 2018). Der Wächterrat ist somit das zentrale Mittel zur Machtausübung des Revolutionsführers.

 

Der Expertenrat wählt und überwacht den Revolutionsführer auf Basis der Verfassung. Die 86 Mitglieder des Expertenrats werden alle acht Jahre vom Volk direkt gewählt. Für die Zulassung der Kandidaten ist der Wächterrat zuständig. Der Schlichtungsrat besteht aus 35 Mitgliedern, die vom Revolutionsführer unter Mitgliedern der Regierung, des Wächterrats, des Militärs und seinen persönlichen Vertrauten ernannt werden. Er hat zum einen die Aufgabe, im Streitfall zwischen verschiedenen Institutionen der Regierung zu vermitteln, zum anderen hat er festzustellen, was die langfristigen "Interessen des Systems" sind. Diese sind unter allen Umständen zu wahren. Der Systemstabilität wird in der Islamischen Republik alles untergeordnet. Falls nötig, können so in der Islamischen Republik etwa auch Gesetze verabschiedet werden, die der Scharia widersprechen, solange sie den Interessen des Systems dienen.

 

Die Erwartung, dass durch den 2015 erfolgten Abschluss des Atomabkommens (JCPOA) Reformkräfte im Iran gestärkt würden, hat sich in den Parlamentswahlen im Februar bzw. April (Stichwahl) 2016 erfüllt. Die Reformer und Moderaten konnten starke Zugewinne erreichen, so gingen erstmals alle Parlamentssitze für die Provinz Teheran an das Lager der Reformer. Auf Reformbestrebungen bzw. die wirtschaftliche Öffnung des Landes durch die Regierung Rohanis wird von Hardlinern in Justiz und politischen Institutionen mit verstärktem Vorgehen gegen "unislamisches" oder konterrevolutionäres Verhalten reagiert. Es kann daher auch nicht von einer wirklichen Verbesserung der Menschenrechtslage gesprochen werden. Ein positiver Schritt Ende war die Aufhebung der Todesstrafe für die meisten Drogendelikte, was im ersten Halbjahr zu einer signifikanten Reduktion der vollstreckten Todesurteile (-60%) führte. Jedoch gab es 2018 mit der Einschränkung des Zugangs zu unabhängigen Anwälten in "politischen" Fällen und der zunehmenden Verfolgung von Umweltaktivisten auch zwei eindeutig negative Entwicklungen.

 

Seit 1979 ist Iran eine Islamische Republik. in welcher versucht wird. demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die iranische Verfassung besagt. dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Grundsätzen beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB Teheran 12.2018). Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den sogenannten Chef der Judikative. Dieser ist laut Art.157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz; der Justizminister hat demgegenüber vorwiegend Verwaltungskompetenzen. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben. unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich. dass Exekutivorgane. v.a. der Sicherheitsapparat. trotz des formalen Verbots. in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung nehmen. Zudem ist zu beobachten. dass fast alle Entscheidungen der verschiedenen Staatsgewalten bei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption. Nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit. In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer ("Iranian Bar Association";IBA). Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen, insbesondere in politischen Verfahren, ausgesetzt. Die Liste der Verteidiger in politischen Verfahren ist auf 20 Anwälte beschränkt worden, die z. T dem Regime nahe stehen (AA 12.1.2019). Das Justizsystem wird als Instrument benutzt, um Regimekritiker und Oppositionelle zum Schweigen zu bringen (FH 4.2.2019). Obwohl das Beschwerderecht rechtlich garantiert ist, ist es in der Praxis eingeschränkt, insbesondere bei Fällen, die die nationale Sicherheit oder Drogenvergehen betreffen (BTI 2018).

 

Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen (US DOS 13.3.2019). Iranische Gerichte, insbesondere die Revolutionsgerichte, verletzen immer wieder die Regeln für faire Gerichtsverfahren. Geständnisse, die wahrscheinlich unter Anwendung von Folter erlangt wurden, werden als Beweis vor Gericht verwendet (HRW 17.1.2019). Die Behörden setzen sich ständig über die Bestimmungen hinweg, welche die Strafprozessordnung von 2015 für ein ordnungsgemäßes Verfahren vorsieht, wie das Recht auf einen Rechtsbeistand unmittelbar nach der Festnahme und während der Untersuchungshaft.

 

In der Normenhierarchie der Rechtsordnung Irans steht die Scharia an oberster Stelle. Darunter stehen die Verfassung und das übrige kodifizierte Recht. Die Richter sind nach der Verfassung angehalten, bei der Rechtsanwendung zuerst auf Grundlage des kodifizierten Rechts zu entscheiden. Im Zweifelsfall kann jedoch gemäß den Art. 167 und 170 der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewendet werden.

 

In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die "Sondergerichte für die Geistlichkeit" sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt (AA 9.12.2015, vgl. BTI 2018).

 

Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte:

 

 

 

 

 

 

 

Gerichtsverfahren, vor allem Verhandlungen vor Revolutionsgerichten, finden nach wie vor unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und sind extrem kurz. Manchmal dauert ein Verfahren nur wenige Minuten (AI 22.2.2018).

 

Die iranische Strafrechtspraxis unterscheidet sich stark von jener der europäischen Staaten: Körperstrafen sowie die Todesstrafe werden verhängt (ÖB Teheran 12.2018, vgl. AA 12.1.2019). Nach Art. 278 iStGB können in bestimmten Fällen des Diebstahls Amputationen von Gliedmaßen auch für Ersttäter - vom Gericht angeordnet werden. Amputation eines beispielsweise Fingers bei Diebstahl fällt unter Vergeltungsstrafen ("Qisas"), ebenso wie die Blendung, die auch noch immer angewendet werden kann. Durch Erhalt eines Abstandsgeldes ("Diya") kann der ursprünglich Verletzte jedoch auf die Anwendung einer Blendung verzichten. Aussagen hinsichtlich einer einheitlichen Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis sind nur eingeschränkt möglich, da diese sich durch scheinbare Willkür auszeichnet. Rechtlich möglich wird dies vorrangig durch unbestimmte Formulierungen von Straftatbeständen und Rechtsfolgen sowie eine uneinheitliche Aufsicht der Justiz über die Gerichte. Auch willkürliche Verhaftungen kommen vor und führen dazu, dass Personen ohne ein anhängiges Strafverfahren festgehalten werden. Darüber hinaus ist die Strafverfolgungspraxis auch stark von aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen bestimmt. Im August 2018 wurde angesichts der kritischen Wirtschaftslage ein Sondergericht für Wirtschaftsstraftaten eingerichtet, das bislang schon sieben Menschen wegen Korruption zum Tode verurteilt hat (AA 12.1.2019).

 

Wohl häufigster Anknüpfungspunkt für Diskriminierung im Bereich der Strafverfolgung ist die politische Überzeugung. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungshäftlinge werden bei Verdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten, ihre Familien werden nicht oder sehr spät informiert. Oft erhalten Gefangene während der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, weil ihnen dieses Recht verwehrt wird oder ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat zum Teil unverhältnismäßig hoch. Hinsichtlich der Ausübung von Sippenhaft liegen gegensätzliche Informationen vor, sodass eine belastbare Aussage nicht möglich ist.

 

Hafterlass ist nach Ableistung der Hälfte der Strafe möglich. Amnestien werden unregelmäßig vom Revolutionsführer auf Vorschlag des Chefs der Justiz im Zusammenhang mit hohen religiösen Feiertagen und dem iranischen Neujahrsfest am 21. März ausgesprochen. Bei Vergeltungsstrafen können die Angehörigen der Opfer gegen Zahlung eines Blutgeldes auf den Vollzug der Strafe verzichten. Unter der Präsidentschaft Rohanis hat die Zahl der Aussetzung der hohen Strafen bis hin zur Todesstrafe wegen des Verzichts der Angehörigen auf den Vollzug der Strafe stark zugenommen.

 

Rechtsschutz ist oft nur eingeschränkt möglich. Anwälte, die politische Fälle übernehmen, werden systematisch eingeschüchtert oder an der Übernahme der Mandate gehindert. Der Zugang von Verteidigern zu staatlichem Beweismaterial wird häufig eingeschränkt oder verwehrt. Die Unschuldsvermutung wird mitunter - insbesondere bei politisch aufgeladenen Verfahren - nicht beachtet.

 

Zeugen werden durch Drohungen zu belastenden Aussagen gezwungen. Es gibt zahlreiche Berichte über durch Folter und psychischen Druck erzwungene Geständnisse. Insbesondere Isolationshaft wird genutzt, um politische Gefangene und Journalisten psychisch unter Druck zu setzen. Gegen Kautionszahlungen können Familienmitglieder die Isolationshaft in einzelnen Fällen verhindern oder verkürzen.

 

Diverse Behörden teilen sich die Verantwortung für die innere Sicherheit; etwa das Informationsministerium. die Ordnungskräfte des Innenministeriums. die dem Präsidenten berichten. und die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasdaran-e Enghelab-e Islami - IRGC). welche direkt dem Obersten Führer Khamenei berichten. Die Basij-Kräfte. eine freiwillige paramilitärische Gruppierung mit lokalen Niederlassungen in Städten und Dörfern. sind zum Teil als Hilfseinheiten zum Gesetzesvollzug innerhalb der Revolutionsgarden tätig. Basij-Einheiten sind oft bei der Unterdrückung von politischen Oppositionellen oder bei der Einschüchterung von Zivilisten. die den strikten Moralkodex nicht befolgen. involviert (US DOS 13.3.2019). Organisatorisch sind die Basij den Pasdaran (Revolutionsgarden) unterstellt und ihnen gehören auch Frauen und Kinder an (AA 12.1.2019). Basijis sind ausschließlich gegenüber dem Obersten Führer loyal und haben oft keinerlei reguläre polizeiliche Ausbildung. die sie mit rechtlichen Grundprinzipien polizeilichen Handelns vertraut gemacht hätten. Basijis haben Stützpunkte u.a. in Schulen und Universitäten. wodurch die permanente Kontrolle der iranischen Jugend gewährleistet ist. Schätzungen über die Zahl der Basijis gehen weit auseinander und reichen bis zu mehreren Millionen (ÖB Teheran 12.2018).

 

Die Polizei unterteilt sich in Kriminalpolizei. Polizei für Sicherheit und öffentliche Ordnung (Sittenpolizei). Internetpolizei. Drogenpolizei. Grenzschutzpolizei. Küstenwache. Militärpolizei. Luftfahrtpolizei. eine Polizeispezialtruppe zur Terrorbekämpfung und Verkehrspolizei. Die Polizei hat auch einen eigenen Geheimdienst. Eine Sonderrolle nehmen die Revolutionsgarden ein. deren Auftrag formell der Schutz der Islamischen Revolution ist. Als Parallelarmee zu den regulären Streitkräften durch den Staatsgründer Khomeini aufgebaut. haben sie neben ihrer herausragenden Bedeutung im Sicherheitsapparat im Laufe der Zeit Wirtschaft. Politik und Verwaltung durchsetzt und sich zu einem Staat im Staate entwickelt. Längst ist aus den Revolutionsgarden ein bedeutender Machtfaktor geworden - gesellschaftlich, wirtschaftlich, militärisch und politisch. Sehr zum Leidwesen von Hassan Rohani. Der wiedergewählte Präsident versucht zwar, die Garden und ihre Chefebene in die Schranken zu weisen. Das gelingt ihm jedoch kaum. Die paramilitärischen Einheiten schalten und walten nach wie vor nach Belieben. Nicht nur in Iran, sondern in der Region. Es gibt nur wenige Konflikte, an denen sie nicht beteiligt sind. Libanon, Irak, Syrien, Jemen - überall mischen die Revolutionsgarden mit und versuchen, die islamische Revolution zu exportieren. Ihre Al-Quds-Brigaden sind als Kommandoeinheit speziell für Einsätze im Ausland trainiert.

 

Das Ministerium für Information ist als Geheimdienst (Vezarat-e Etela'at) mit dem Schutz der nationalen Sicherheit, Gegenspionage und der Beobachtung religiöser und illegaler politischer Gruppen beauftragt. Aufgeteilt ist dieser in den Inlandsgeheimdienst, Auslandsgeheimdienst, Technischen Aufklärungsdienst und eine eigene Universität (Imam Ali Universität). Dabei kommt dem Inlandsgeheimdienst die bedeutendste Rolle bei der Bekämpfung der politischen Opposition zu. Der Geheimdienst tritt bei seinen Maßnahmen zur Bekämpfung der politischen Opposition nicht als solcher auf, sondern bedient sich überwiegend der Basij und der Justiz. Das reguläre Militär (Artesh) erfüllt im Wesentlichen Aufgaben der Landesverteidigung und Gebäudesicherung. Neben dem "Hohen Rat für den Cyberspace" beschäftigt sich die iranische Cyberpolice mit Internetkriminalität mit Fokus auf Wirtschaftskriminalität, Betrugsfällen und Verletzungen der Privatsphäre im Internet sowie der Beobachtung von Aktivitäten in sozialen Netzwerken und sonstigen politisch relevanten Äußerungen im Internet. Sie steht auf der EU- Menschenrechtssanktionsliste (AA 12.1.2019).

 

Die Regierung hat volle Kontrolle über die Sicherheitskräfte und über den größten Teil des Landes, mit Ausnahme einiger Grenzgebiete. Irans Polizei ist traditionellerweise verantwortlich für die innere Sicherheit und im Falle von Protesten oder Aufständen. Sie wird von den Revolutionsgarden (IRGC) und den Basij Milizen unterstützt. Im Zuge der steigenden inneren Herausforderungen verlagerte das herrschende System die Verantwortung für die innere Sicherheit immer mehr zu den IRGC. Die Polizeikräfte arbeiten ineffizient. Getrieben von religiösen Ansichten und Korruption, geht die Polizei gemeinsam mit den Kräften der Basij und der Revolutionsgarden rasch gegen soziale und politische Proteste vor, ist aber weniger eifrig, wenn es darum geht, die Bürger vor kriminellen Aktivitäten zu schützen (BTI 2018). Der Oberste Führer hat höchste Autorität unter allen Sicherheitsorganisationen. Straffreiheit innerhalb des Sicherheitsapparates ist weiterhin ein Problem.

Menschenrechtsgruppen beschuldigen reguläre und paramilitärische Sicherheitskräfte (wie zum Beispiel die Basij), zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben. Es gibt keinen transparenten Mechanismus, um Missbräuche der Sicherheitskräfte zu untersuchen oder zu bestrafen. Es gibt nur wenige Berichte, dass die Regierung Täter diszipliniert. Eine nennenswerte Ausnahme stellt der Fall des früheren Teheraner Staatsanwaltes dar, der im November 2017 für seine mutmaßliche Verantwortung für Folter und Todesfälle unter Demonstranten im Jahr 2009, zu zwei Jahren Haft verurteilt wurde (US DOS 13.3.2019).

 

Mit willkürlichen Verhaftungen kann und muss jederzeit gerechnet werden, da die Geheimdienste (der Regierung und der Revolutionsgarden) sowie die Basijis nicht einmal nach iranischen rechtsstaatlichen Standards handeln. Auch Verhaltensweisen, die an sich (noch) legal sind, können das Misstrauen der Basijis hervorrufen. Bereits auffälliges Hören von (insb. westlicher) Musik, ungewöhnliche Bekleidung oder Haarschnitt, die Äußerung der eigenen Meinung zum Islam, Partys oder gemeinsame Autofahrten junger nicht miteinander verheirateter Männer und Frauen könnte den Unwillen zufällig anwesender Basijis bzw. mit diesen sympathisierenden Personen hervorrufen. Willkürliche Verhaftungen oder Verprügelungen durch Basijis können in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden (ÖB Teheran 12.2018).

 

In Bezug auf die Überwachung der Bevölkerung, ist nicht bekannt, wie groß die Kapazität der iranischen Behörden ist. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018).

 

Die Todesstrafe steht auf Mord (wobei die Familie des Opfers gegen Zahlung von Blutgeld auf die Hinrichtung verzichten kann), Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten schweren Diebstahl, Drogenschmuggel, schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, "Mohareb" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), Abfall vom islamischen Glauben und homosexuelle Handlungen, sowie auf Vergehen wie Drogenkonsum oder außerehelichen Geschlechtsverkehr (ÖB Teheran 12.2018). Der größte Anteil der Hinrichtungen entfällt mittlerweile auf Verurteilungen wegen Mord und Sexualdelikten. Die Hinrichtungen werden regelmäßig durch Erhängen, selten durch Erschießen, z.T. öffentlich durchgeführt und auch gegen zum Tatzeitpunkt Minderjährige (ÖB Teheran 12.2018, vgl. AA 12.1.12019). Der Anteil öffentlich vollstreckter Hinrichtungen, ist 2018 auf knapp 3% gesunken (2017: 5%, 2016: 5%, 2015: 7%, 2014: 10%). Es wird über erfolgte Hinrichtungen nicht offiziell informiert (AA 12.1.2019).

 

Viele Todesurteile werden nach internationalen Verfahrensstandards widersprechenden Strafverfahren gefällt: Es wird immer wieder von durch Folter erzwungenen Geständnissen oder fehlenden Kommunikationsmöglichkeiten mit dem Verteidiger bzw. fehlender freier Wahl eines Verteidigers berichtet. Derzeit ist bei Ehebruch noch die Strafe der Steinigung vorgesehen (auf welche vom "Geschädigten" gegen eine Abstandsgeldzahlung verzichtet werden kann). Zwar wurde im Jahr 2002 ein Moratorium für die Verhängung der Steinigungsstrafe erlassen, jedoch wurde dies im Jahr 2009 vom damaligen Justizsprecher für nicht bindend erklärt. Es befinden sich noch mehrere Personen beiderlei Geschlechts auf der "Steinigungsliste". Seit 2009 sind jedoch keine Fälle von Steinigungen belegbar (ÖB Teheran 12.2018). Wie in den Vorjahren erhielt Amnesty International 2018 keine Berichte über gerichtlich angeordnete Hinrichtungen durch Steinigung. Allerdings wurde bekannt, dass in Iran zwei neue Todesurteile gefällt wurden, die durch Steinigung vollstreckt werden sollen (AI 10.4.2019).

 

Weiterhin finden in Iran Hinrichtungen von Straftätern statt, die zum Zeitpunkt ihrer Tat unter 18 Jahre alt waren. Das Alter der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für Buben liegt bei 15 und für Mädchen bei 9 Jahren (ÖB Teheran 12.2018, vgl. AA 12.1.2019). In der Vergangenheit konnten einige Hinrichtungen von Jugendlichen aufgrund von großem internationalen Druck (meist in letzter Minute) verhindert werden (ÖB Teheran 12.2018).

 

In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha'i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen (BFA Analyse 23.5.2018). Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten "Buchreligionen" (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als "mohareb" (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist (AA 12.1.2019, vgl. ÖB Teheran 12.2018).

 

Anerkannte religiöse Minderheiten - Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) Christen - werden diskriminiert. Nicht anerkannte religiöse Gruppen - Bahal, konvertierte evangelikale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten - werden in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert. Vertreter von anerkannten religiösen Minderheiten betonen immer wieder, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Sie sind in ihrer Religionsausübung - im Vergleich mit anderen Ländern der Region - nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen (religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt; christliche Gottesdienste in Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten). Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa - unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke - eigene Vertreter im Parlament sowie das Recht auf Alkoholkonsum bei religiösen Riten und im Privatbereich, wenn keine Muslime anwesend sind (ÖB Teheran 12.2018). Fünf von 290 Plätzen im iranischen Parlament sind Vertretern von religiösen Minderheiten vorbehalten (BFA Analyse 23.5.2018, vgl. FH 4.2.2019). Zwei dieser fünf Sitze sind für armenische Christen reserviert, einer für chaldäische und assyrische Christen und jeweils ein Sitz für Juden und Zoroastrier. Nichtmuslimische Abgeordnete dürfen jedoch nicht in Vertretungsorgane, oder in leitende Positionen in der Regierung, beim Geheimdienst oder beim Militär gewählt werden (BFA Analyse 23.5.2018).

 

Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Muslime, die keine Schiiten sind, dürfen weder für das Amt des Präsidenten kandidieren noch andere hochrangige politische Ämter bekleiden. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt. Personen, die zum Christentum übertreten, können hohe Gefängnisstrafen erhalten, die in einigen Fällen von zehn bis 15 Jahren reichen. Es gibt weiterhin Razzien in Hauskirchen (AI 22.2.2018).

 

Anerkannten ethnisch christlichen Gemeinden ist es untersagt, konvertierte Christen zu unterstützen. Gottesdienste in der Landessprache sind in Iran verboten, ebenso die Verbreitung christlicher Schriften. Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden (AA 12.1.2019).

 

Laut der in den USA ansässigen NGO "United for Iran" waren 2017 mindestens 102 Mitglieder von religiösen Minderheiten aufgrund ihrer religiösen Aktivitäten inhaftiert, 174 Gefangene wegen "Feindschaft gegen Gott", 23 wegen "Beleidigung des Islam" und 21 wegen "Korruption auf Erden" (US DOS 15.8.2017).

 

Personen, die sich zum Atheismus bekennen, können willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt werden. Sie laufen Gefahr, wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden (AI 22.2.2018).

 

Glaubwürdige Schätzungen sprechen von 100.000 bis 300.000 Christen in Iran, von denen der Großteil den armenischen Christen angehört. Diese leben hauptsächlich in Teheran und Isfahan. Die armenischen Christen gehören zu den anerkannten religiösen Minderheiten, die in der Verfassung genannt werden. Ihnen stehen zwei der 290 Sitze im iranischen Parlament zu. Laut den konsultierten Quellen können armenische Christen - solange sie sich an die Gesetze der Islamischen Republik Iran halten - ihren Glauben relativ frei ausüben. Es gibt Kirchen, die auch von außen als solche erkennbar sind. Sie haben das Recht, religiöse Riten und Zeremonien abzuhalten, Ehen nach den eigenen religiösen Gesetzen zu schließen und auch Privatschulen zu betreiben. Persönliche Angelegenheiten und religiöse Erziehung können dem eigenen religiösen Kanon nach geregelt werden. Es gibt aber auch Einschränkungen, mit denen auch anerkannte religiöse Minderheiten zu leben haben, beispielsweise Nachteile bei der Arbeitssuche, islamische Bekleidungsvorschriften und Benachteiligungen insbesondere im Familien- und Erbrecht. Eine wichtige Einschränkung ist das Proselytismusverbot, das für alle religiösen Minderheiten gilt. Missionierung kann im Extremfall mit dem Tod bestraft werden (BFA Analyse 23.5.2018). Nicht einmal Zeugen Jehovas missionieren in Iran (DIS/DRC 23.2.2018).

 

Das Christentum ist in der iranischen Verfassung als Religion anerkannt. Den historisch ansässigen Kirchen, die vorwiegend ethnische Gruppierungen abbilden (die armenische, assyrische und chaldäische Kirche) wird eine besondere Stellung anerkannt. Religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt; christliche Gottesdienste auf Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten (ÖB Teheran 2018), ebenso die Verbreitung christlicher Schriften (AA 12.1.2019). Sonstige zahlenmäßig bedeutende Gruppen stellen Katholiken und Protestanten, die ihren Ursprung in der Zeit des Schah-Regimes haben. Die Mitglieder sind meist Konvertiten aus dem Islam. Grundrechtlich besteht "Kultusfreiheit" innerhalb der Mauern der Gemeindezentren und der Kirchen. Jedoch haben Nichtmuslime keine Religionsfreiheit in der Öffentlichkeit, weder Freiheit der Meinungsäußerung noch Versammlungsfreiheit (Proselytismusverbot). Jegliche missionarische Tätigkeit inklusive des öffentlichen Verkaufs von werbenden Publikationen und der Anwerbung Andersgläubiger ist verboten und wird streng bestraft. Das Strafgesetz sieht für Proselytismus die Todesstrafe vor. Infolge des Proselytismusverbots wird gegen evangelikale Gruppen ("Hauskirchen") oft hart vorgegangen (Verhaftungen, Beschlagnahmungen, vor ein paar Jahren auch angeblich vollstreckte Todesurteile). Autochthone Kirchen halten sich meist penibel an das Verbot (ÖB Teheran 12.2018).

 

Da Konversion vom Islam zu einer anderen Religion verboten ist, erkennt die Regierung nur armenische oder assyrische Christen an [abgesehen von Juden und Zoroastriern], da diese Gruppen schon vor dem Islam im Land waren, bzw. es sich um Staatsbürger handelt, die beweisen können, dass ihre Familien schon vor 1979 [Islamische Revolution] Christen waren. Sabäer- Mandäer werden auch als Christen geführt, obwohl sie sich selbst nicht als Christen bezeichnen. Staatsbürger, die nicht den anerkannten Religionsgemeinschaften angehören, oder die nicht beweisen können, dass ihre Familien schon vor der Islamischen Revolution Christen waren, werden als Muslime angesehen. Mitglieder der anerkannten Minderheiten müssen sich registrieren lassen (US DOS 29.5.2018).

 

Im Weltverfolgungsindex 2019 von Christen von Open Doors befindet sich Iran auf dem neunten Platz. Im Beobachtungszeitraum wurden 67 Christen verhaftet (Open Doors 2019).

 

Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 12.2018). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel "mohareb" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), "mofsid-fil-arz/fisad-al-arz" ("Verdorbenheit auf Erden"), oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, bei keiner der Hinrichtungen in den letzten zehn Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen "mohareb" (ÖB Teheran 12.2018, vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Allein wegen

 

Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2019). Anklagen lauten meist auf "Organisation von Hauskirchen" und "Beleidigung des Heiligen", wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 12.1.2019). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (10 und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation:

Verurteilungsgrund unklar]. Laut Weltverfolgungsindex 2019 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt (Open Doors 2019).

 

Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 12.1.2019). Laut der iranischen NGO Article 18 wurden von Jänner bis September 2018 37 Konvertiten zu Haftstrafen wegen "Missionsarbeit" verurteilt (HRW 17.1.2019). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 12.2018).

 

Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 12.2018).

 

Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit "Konversion" vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese "Konversion" ist auch nicht als Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich "konvertierte" Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Außerdem werden Personen, die vom schiitischen zum sunnitischen Glauben übertreten und dies öffentlich kundtun, zunehmend verfolgt. Im derzeitigen Parlament sind Sunniten (vorwiegend aus Sistan-Belutschistan) vertreten. Gewisse hohe politische Ämter sind jedoch de facto Schiiten vorbehalten. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 12.2018).

 

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein "high-profile"-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (DIS/DRC 23.2.2018).

 

Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (DIS/DRC 23.2.2018).

 

Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein, und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt,

 

Zur Ausreise aus Iran benötigt ein iranischer Staatsangehöriger einen gültigen Reisepass und einen Nachweis über die Bezahlung der Ausreisegebühr (im Jahr 2018 4.400.000 IRR, ca. 45 bis 28€ je nach Wechselkurs). Am internationalen Flughafen Imam-e Khomeini werden zunehmend strenge Kontrollen durchgeführt, die Devisenaus- und -einfuhr wird mittlerweile streng reglementiert (max. 5000€ je Person). Die illegale Ausreise erfolgt zumeist auf dem Landweg unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Türkei (AA 12.1.2019).

 

Soweit Repressionen praktiziert werden, geschieht dies landesweit unterschiedslos. Ausweichmöglichkeiten bestehen somit nicht (AA 12.1.2019).

 

Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 14 Mio. IRR im Monat (ca. 97 Euro). Das durchschnittliche pro Kopf Einkommen liegt bei ca. 388 Euro (AA 12.1.2019).

 

Von 2016-2017 konnte sich die iranische Wirtschaft mit Wachstumsraten von 4-4,5% jährlich erholen. Das weitere Wachstum ist angesichts der im August 2018 in Kraft getretenen US- Sanktionen gegen Iran (Edelmetalle, Automobilsektor, Flugzeuge), des dramatischen Währungsverfalls und der importierten Inflation stark gefährdet. Mit den US-Sanktionen u.a. auf Ölexporte seit November 2018 ist mit einer weiteren Verschlechterung der Lage zu rechnen. Die Weltbank erwartet in den Jahren 2018-2021 eine anhaltende Rezession, der IWF einen Rückgang des BIP um 1,5% im Jahr 2019 und 3,6% im Jahr 2020. Das Budget wird durch die sinkenden Erdölexporte erheblich belastet werden, weshalb ein Sinken der öffentlichen Ausgaben zu erwarten ist (ÖB Teheran 12.2018). Aufgrund der im Vergleich zu Europa extrem jungen Bevölkerung strömen jedes Jahr viele Berufseinsteiger auf den Arbeitsmarkt. Um diesen Menschen Arbeit zu geben, wäre die Schaffung von rund 1 Mio. Arbeitsplätzen pro Jahr erforderlich. Neben Arbeitslosigkeit spielt in Iran auch Unterbeschäftigung eine Rolle. Ausgebildete Arbeitskräfte (Facharbeiter, Uni-Absolventen) finden oft keine ihrer Ausbildung entsprechenden Jobs. Daraus folgen soziale Spannungen aber auch ein gewaltiger "brain drain", der die iranische Gesellschaft und Wirtschaft nachhaltig beeinträchtigen wird (ÖB Teheran 12.2018). Ende Dezember 2017 entstanden Proteste aufgrund der schlechten ökonomischen Lage in einigen Städten (FH 4.2.2019).

 

Dem Gesundheitsministerium ist auch die Verantwortung für Sozialhilfe und Versicherungswesen übertragen. Es gibt verschiedene Versicherungsträger, welche alle dem im Sozialministerium angesiedelten "Hohen Versicherungsrat" (HIC) unterstehen, der die Versicherungspolitik plant, koordiniert, durchführt und überwacht. Ein Hauptversicherer ist die "Organisation für Sozialversicherung" (SSIO). Alle Arbeitgeber und -nehmer zahlen in dessen System ein und erhalten dafür gewisse Unterstützungsleistungen (ÖB Teheran 12.2018). Alle angestellten Arbeitnehmer unterliegen einer Sozialversicherungspflicht, die die Bereiche Rente, Unfall und Krankheit umfasst. Der Rentenanspruch entsteht in voller Höhe nach 30 Einzahlungsjahren. Nachdem in die Sozialversicherungskasse zwei Jahre eingezahlt wurde, entsteht für Angestellte ein monatlicher Kindergeldanspruch in der Höhe von 1.111.269 IRR (ca. 7,70 Euro) pro Kind. Ebenfalls besteht ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Höhe von 70-80% des Gehaltes, das für mindestens ein Jahr gezahlt wird. Schließlich erhält ein geringer Teil der nicht oder gering verdienenden iranischen Bevölkerung zur Sicherung der Grundversorgung monatlich 450.000 IRR (ca. 3.10 Euro, sog. Yarane). Dabei handelt es sich jedoch um ein auslaufendes System, das keine Neuaufnahmen zulässt. Angesichts drängender Wirtschaftsnöte wurde im September 2018 zusätzlich die Ausgabe von 10 Millionen elektronischen Lebensmittelkarten beschlossen, ergänzt durch Nahrungsmittelpakete für die am meisten von Armut betroffenen Familien.

 

Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer und ihre Familien sind nicht bekannt. Im Übrigen gibt es soziale Absicherungsmechanismen, wie z. B. Armenstiftungen, Kinder-, Alten-, Frauen- und Behindertenheime. Hilfe an Bedürftige wird durch den Staat, die Moscheen, religiöse Stiftungen, Armenstiftungen und oft auch durch NGOs oder privat organisiert (z.B. Frauengruppen).

 

Kostenfreie Bildung und Gesundheitsversorgung sind als Teil des Sozialwesens für alle iranischen Bürger gewährleistet. Weitere Leistungen können vom Arbeitgeber angeboten werden (IOM 2018).

 

Eine staatliche Arbeitslosenhilfe gibt es nicht, es sei denn der Rückkehrer oder dessen Arbeitgeber haben monatliche Beiträge an eine entsprechende Versicherungsfirma gezahlt. Die Mitgliedschaft in der Sozialversicherung ist für alle Arbeitnehmer verpflichtend. Die Sozialsicherung schützt im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Berufsunfällen und auch bei altersbedingtem Ausscheiden. Seit 2003 wurden die zuständigen Institutionen überholt und zusammengelegt, um Ineffektivität und Redundanzen zu vermeiden. Das System deckt alle Angestellten und FreiberuflerInnen ab, wobei letztere zwischen verschiedenen Sfufen wählen können. Freiwillige Abdeckung ist für vorher versicherte Personen bis 55 Jahre verfügbar (mindestens 30 Tage) sowie für die Gruppe der Berufskraftfahrer. Spezielle Systeme gibt es darüber hinaus für Staatsangestellte und Militärangehörige. Solange Rückkehrende für eine iranische Organisation/Firma arbeiten, übernehmen die Arbeitgeber den Großteil der Beiträge. Ansonsten muss (je nach gewähltem Angebot) selbst eingezahlt werden. Für Angestellte müssen 7% des monatlichen Gehalts abgegeben werden, während Selbstständige und Private einen individuell abgestimmten Beitrag in Gänze bezahlen.

 

Für schutzbedürftige Gruppen im Iran gibt es zwei Arten von Zentren:

Öffentliche und private. Die öffentlichen Einrichtungen sind in der Regel überlaufen und es gibt lange Wartezeiten, weshalb Personen, die über die nötigen Mittel verfügen sich oft an kleinere spezialisierte private Zentren wenden. Die populärste Organisation ist BEHZISTI, welche Projekte zu Genderfragen, alten Menschen, Behinderten (inklusive psychischer Probleme) ethnischer und religiöser Minderheiten, etc. anbietet. Außerdem werden Drogensüchtige, alleinerziehende Mütter, Personen mit Einschränkungen etc. unterstützt. Zu den Dienstleistungen zählen unter anderem Sozio- psychologische Betreuung, Beratungsgespräche, Unterkünfte, Rehabilitationsleistungen etc. Es gibt einige Zentren unter Aufsicht der BEHZISTI Organisation, welche Personen in Not Hilfe gewähren. Solche Leistungen sind kostenfrei. Aufgrund der hohen Nachfrage und einiger Beschränkungen bevorzugen viele zahlungspflichtige private Zentren (IOM 2018).

 

Der Kampf gegen die Armut wird vor allem unter religiösen Vorzeichen geführt. Die großen religiösen Stiftungen haben hier theoretisch ihren Hauptaufgabenbereich. Außerdem liegt die Versorgung der Armen in der Verantwortung der Gesellschaft, das Almosengeben ist eine der Säulen des Islam. Die blauen Spendenbehälter, vom Staat aufgestellt um die sadeqe, die Almosen, zu sammeln, finden sich in jeder Straße. Ein Ansatz, gerade der Armut auf dem Land entgegenzuwirken, ist Bildung. Der Staat schickt beispielsweise Studenten, die als Pflichtteil des Studiums in Dörfern abgelegener Regionen unterrichten müssen. Viele weitere staatliche Anstrengungen zur Bekämpfung der Armut werden jedoch dadurch behindert, dass der Staat selbst aufgrund des Verfalls des Ölpreises in finanziellen Schwierigkeiten steckt.

 

Alle iranischen StaatsbürgerInnen inklusive Rückkehrende haben Anspruch auf grundlegende Gesundheitsleistungen (PHC) sowie weitere Angebote. Es gibt, wie bereits oben beschrieben, zwei verschiedene Arten von Krankenversicherung: Versicherung über den Arbeitsplatz oder private Versicherung. Beide werden von der öffentlichen Versicherung im Iran TAMIN EJTEMAEI verwaltet. Die Anmeldung erfolgt über www.tamin.ir/ . Die Leistungen variieren dabei je nach gewähltem Versicherungsschema. Informationen zu verschiedenen Varianten erhält man bei der Anmeldung. Notwendige Dokumente: Eine Kopie des iranischen Geburtszertifikats, ein Passfoto, und ein vollständiges medizinisches Check-up sind notwendig. Weitere Dokumente können noch verlangt werden. Zuschüsse hängen von der gewählten Versicherung des Klienten ab, über die er/ sie während der Registrierung ausführlich informiert wird. Jegliche Kosten werden vom Arbeitgeber getragen, sobald die Person eine Arbeit in Iran aufnimmt. Andernfalls müssen die Kosten selber getragen werden (IOM 2018).

 

Im Gesundheitswesen zeigt sich ein Stadt-Land-Gefälle. Zwar ist es fast flächendeckend - laut WHO haben 98% aller Iraner Zugang zu ärztlicher Versorgung (100% in Städten, 95% auf dem Land), aber die Qualität schwankt (GIZ 3.2019c). Die spezialisierte, medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch nicht auf der Höhe der Hauptstadt und nicht vergleichbar mit europäischem Standard. In Teheran ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem recht hohen Niveau möglich (AA 29.4.2019a). Auch wenn der Zugang zu gesundheitlicher Erstversorgung größtenteils gewährleistet ist, gibt es dennoch gravierende Qualitätsunterschiede einzelner Regionen. Zum Beispiel liegt der Unterschied der Lebenserwartung im Vergleich mancher Regionen bei bis zu 24 Jahren. Folgende sieben Provinzen weisen eine niedrigere Qualität als die Referenz-Provinz Teheran auf: Gilan, Hamadan, Kermanschah, Khuzestan, Tschahar Mahal und Bachtiyari, Süd-Khorasan sowie Sistan und Belutschistan. Politische Reformen wurden bereits unternommen, um einen gleichmäßigeren Zugang zu Gesundheitsdiensten zu schaffen. Nichtsdestotrotz gibt es noch eine Vielzahl an Haushalten, die sich keine ausreichende gesundheitliche Versorgung leisten können. Gesundheitsdienste sind geographisch nicht nach Häufigkeit von Bedürfnissen, sondern eher nach Wohlstand verteilt. Seit der islamischen Revolution hat sich das iranische Gesundheitssystem konstant stark verbessert. Die iranische Verfassung sichert jedem Staatsbürger das Recht zu, den jeweiligen höchst erreichbaren Gesundheitszustand zu genießen. Die Verwirklichung dieses Zieles obliegt dem Ministerium für Gesundheit und medizinische Ausbildung. Jede Provinz beheimatet mindestens eine medizinische Universität. Neben dem zuständigen Ministerium und den Universitäten gibt es auch Gesundheitsdienstleister des privaten Sektors und NGOs. Diese bedienen jedoch eher die sekundäre und tertiäre Versorgung, während die Primär-/Grundversorgung (z.B. Impfungen, Schwangerschaftsvorsorge) staatlich getragen wird. Notfallhilfe bei Natur- oder menschlich verursachten Katastrophen wird durch den gut ausgestatteten und flächendeckend organisierten iranischen Roten Halbmond besorgt (ÖB Teheran 12.2018). In jedem Bezirk gibt es Ärzte sowie Kliniken, die dazu verpflichtet sind Notfälle zu jeder Zeit aufzunehmen. In weniger dringenden Fällen sollte der Patient zunächst sein Gesundheitscenter kontaktieren und einen Termin vereinbaren (IOM 2018).

 

Die medizinische Grundversorgung basiert auf ca. 19.000 ländlichen Gesundheitshäusern, die von jeweils einem männlichen und einer weiblichen "Behvarz" (Gesundheitspersonal, das nach der regulären elfjährigen Schulbildung zwei Jahre praktisch und theoretisch ausgebildet wird) geleitet werden. Jedes dieser Gesundheitshäuser ist für Gesundheitsvorsorge (u.a. Impfungen, Betreuung von Schwangerschaften) und für durchschnittlich 1.500 Personen zuständig, wobei die Qualität der Versorgung als zufriedenstellend beurteilt wird, und mehr als 85% der ländlichen Bevölkerung in dieser Weise "nahversorgt" werden (In Städten übernehmen sog. "Gesundheitsposten" in den Bezirken die Aufgabe der ländlichen Gesundheitshäuser) (ÖB Teheran 12.2018, vgl. IOM 2018). Auf der nächsten Ebene sind die ländlichen Gesundheitszentren (ca. 3.000 landesweit) zu finden, die jeweils von einem Allgemeinmediziner geleitet werden. Sie überwachen und beraten die Gesundheitshäuser, übernehmen ambulante Behandlungen und übergeben schwierigere Fälle an ca. 730 städtische, öffentliche Krankenhäuser, die in jeder größeren Stadt zu finden sind (ÖB Teheran 12.2018). 90% der Bevölkerung in ländlichen als auch ärmeren Regionen hat Zugang zu essenziellen Gesundheitsdienstleistungen.

 

Dem Gesundheitsministerium ist auch die Verantwortung für Sozialhilfe und Versicherungswesen übertragen (ÖB Teheran 12.2018, vgl. IOM 2018). Es gibt verschiedene Versicherungsträger, welche alle dem im Sozialministerium angesiedelten "Hohen Versicherungsrat" (HIC) unterstehen, der die Versicherungspolitik plant, koordiniert, durchführt und überwacht. Ein Hauptversicherer ist die "Organisation für Sozialversicherung" (SSIO). Alle Arbeitgeber und -nehmer zahlen in dessen System ein und erhalten dafür gewisse Unterstützungsleistungen. Viele Kliniken und Spitäler dieser Organisation befinden sich in städtischen Gegenden. Die "Organisation für die Versicherung medizinischer Dienste" (MSIO) wurde 1994 gegründet, um Beamte und alle Personen, die nicht von anderen Versicherungsorganisationen berücksichtigt wurden, zu versichern. Dadurch stieg die Anzahl an Versicherten in Iran von 40% in 1994 auf 90% in 2010. Für anerkannte Flüchtlinge wurde eine eigene Versicherungsorganisation geschaffen. Daneben kümmern sich Wohltätigkeitsorganisationen, u.a. die "Imam Khomeini Stiftung", um nicht versicherte Personen, etwa Mittellose oder nicht anerkannte Flüchtlinge, wobei letztere kaum Chancen auf eine gute Gesundheitsversorgung haben (ÖB Teheran 12.2018). Die Kosten für Krankenhäuser werden unter anderem dadurch gesenkt, indem die Versorgung des Kranken mit Dingen des täglichen Bedarfs, etwa Essen, immer noch weitestgehend seiner Familie zufällt (GIZ 3.2019c).

 

Obwohl primäre Gesundheitsdienstleistungen kostenlos sind, und die Staatsausgaben für das Gesundheitswesen erheblich zugenommen haben, müssen durchschnittlich 55% der Gesundheitsausgaben von den versicherten Personenin bar direkt an die

 

Gesundheitsdienstleister entrichtet werden ("Out-of-pocket expenditure" ohne staatliche oder von Versicherungen unterstützte Hilfeleistungen), sei es bei staatlichen oder größtenteils privaten sekundären oder tertiären Einrichtungen (ÖB Teheran 12.2018).

 

Die Regierung versucht kostenfreie medizinische Behandlung und Medikamentenversorgung für alle Iraner zu gewährleisten. Es gibt zwei verschiedene Krankenversicherungen: entweder durch die Arbeit oder privat. Beide gehören zur staatlichen iranischen Krankenversicherung TAMIN EJTEMAEI. Kinder sind zumeist durch die Krankenversicherung der Eltern abgedeckt).

 

Versicherung durch Arbeit:

 

Regierungsangestellte profitieren vom kostenfreien Zugang zur staatlichen Krankenversicherung. Private Firmen decken die Unfallversicherung für ihre eigenen Mitarbeiter.

 

Private Versicherung:

 

Mit Ausnahme von Regierungsangestellten müssen sich alle iranischen Bürger selbst privat versichern, wenn deren Arbeitgeber dies nicht bereits erledigen. Um die Versicherung zu erhalten, sind eine Kopie der iranischen Geburtsurkunde, ein Passfoto und eine komplette medizinische Untersuchung notwendig.

 

Salamat Versicherung:

 

Diese neue Versicherung wird vom Ministerium für Gesundheit angeboten und deckt bis zu 90% der Behandlungskosten. Die Registrierung erfolgt online unter:

http://www.bimesalamat.ir/isc/ISC.html Die Registrierung erfordert eine geringe Gebühr (IRR20.000). Pro Jahr sollten 2,640.000 IRR vom Begünstigten eingezahlt werden. Es gibt Ärzte und private Zentren, die eine öffentliche und/oder SALAMAT-Versicherung akzeptieren, um einen Teil der Ausgaben zu decken. Um zu 90% abgedeckt zu sein, muss man sich auf staatliche bzw. öffentliche Krankenhäuser und Zentren beziehen. TAMIN EJTEMAEI Krankenhäuser decken 100% der versicherten Kunden ab (IOM 2018).

 

Zugang speziell für Rückkehrer

 

Alle iranischen StaatsbürgerInnen inklusive Rückkehrende haben Anspruch auf grundlegende Gesundheitsleistungen (PHC) sowie weitere Angebote. Es gibt, wie bereits oben beschrieben, zwei verschiedene Arten von Krankenversicherung: Versicherung über den Arbeitsplatz oder private Versicherung. Beide werden von der öffentlichen Versicherung im Iran TAMIN EJTEMAEI verwaltet. Die Anmeldung erfolgt über www.tamin.ir/ . Die Leistungen variieren dabei je nach gewähltem Versicherungsschema. Informationen zu verschiedenen Varianten erhält man bei der Anmeldung. Notwendige Dokumente: Eine Kopie des iranischen Geburtszertifikats, ein Passfoto, und ein vollständiges medizinisches Check-up sind notwendig. Weitere Dokumente können noch verlangt werden. Zuschüsse hängen von der gewählten Versicherung des Klienten ab, über die er/ sie während der Registrierung ausführlich informiert wird. Jegliche Kosten werden vom Arbeitgeber getragen, sobald die Person eine Arbeit in Iran aufnimmt. Andernfalls müssen die Kosten selber getragen werden (IOM 2018).

 

Im Zuge der aktuellen Sanktionen gegen den Iran ist es zu gelegentlichen Engpässen beim Import von speziellen Medikamentengruppen gekommen. Im Generellen gibt es aber keine ernsten Mängel an Medizin, FachärztInnen oder Equipment im öffentlichen Gesundheitssystem des Iran. Pharmazeutika werden zumeist unter Führung des Gesundheitsministeriums aus dem Ausland importiert. Zusätzlich gibt es einen privaten Sektor mit variierenden Preisen, für BürgerInnen die Privatkrankenhäuser und Spezialleistungen in Anspruch nehmen wollen. Diese finden sich vor allem in den größeren Städten. Die öffentlichen Einrichtungen bieten zwar grundsätzlich fast alle Leistungen zu sehr niedrigen Preisen an, aber aufgrund langer Wartezeiten und überfüllter Zentren, entscheiden sich einige für die kostenintensivere Behandlung bei privaten Gesundheitsträgern (IOM 2018).

 

Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und nach Iran zurückkehren (AA 12.1.2019).

 

Zum Thema Rückkehrer gibt es kein systematisches Monitoring, das allgemeine Rückschlüsse auf die Behandlung von Rückkehrern zulassen würde. In Einzelfällen konnte im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Allerdings ist davon auszugehen, dass Rückkehrer keinen aktiven Botschaftskontakt pflegen, der ein seriöses Monitoring ihrer Situation zulassen würde. Auch IOM Iran, die in Iran Unterstützungsleistungen für freiwillige Rückkehrer im Rahmen des ERIN-Programms anbietet, unternimmt ein Monitoring nur hinsichtlich der wirtschaftlichen Wiedereingliederung der Rückkehrer, nicht jedoch im Hinblick auf die ursprünglichen Fluchtgründe und die Erfahrungen mit Behörden nach ihrer Rückkehr. Australien zahlt Rückkehrhilfe an eine bislang überschaubare Gruppe an freiwilligen Rückkehrern in Teheran in Euro aus.

 

Für die Rückkehr nach Iran braucht man eine offizielle Erlaubnis des iranischen Staates. Die Rückkehr wird mit den Behörden von Fall zu Fall verhandelt. Iranische Rückkehrer, die nicht aktiv kurdische Oppositionsparteien, wie beispielsweise die KDPI oder Komala unterstützen, werden nicht direkt von den Behörden ins Visier genommen werden. Sie können aber durchaus zu ihrem Leben im Nordirak befragt werden. Der Fall kann aber anders aussehen, wenn Rückkehrer Waffen transportiert haben, oder politisch aktiv sind und deshalb Strafverfolgung in Iran riskieren. Die Rückkehr aus einem der Camps in Nordirak kann als Zugehörigkeit zu einer der kurdischen Oppositionsparteien gedeutet werden und deshalb problematisch sein (DIS/DRC 23.2.2018).

 

Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußern und dann nach Iran zurückkehren, können von Repressionen bedroht sein (AA 12.1.2019). Wenn Kurden im Ausland politisch aktiv sind, beispielsweise durch Kritik an der politischen Freiheit in Iran in einem Blog oder anderen Online Medien, oder wenn eine Person Informationen an die ausländische Presse weitergibt, kann das bei einer Rückreise eine gewisse Bedeutung haben. Die Schwere des Problems für solche Personen hängt aber vom Inhalt und Ausmaß der Aktivitäten im Ausland und auch vom persönlichen Aktivismus in Iran ab.

 

Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Nach IStGB wird jeder Iraner oder Ausländer, der bestimmte Straftaten im Ausland begangen hat und in Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Bei der Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. In jüngster Vergangenheit sind keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden

 

(auszugsweise, fallbezogene Wiedergabe des LIB der Staatendokumentation Iran, Stand Juni 2019).

 

Der am 12.03.1980 geborene, daher 39-Jährige BF entstammt einer persischen Familie aus Karaj und wurde im schiitisch- islamischen Glauben erzogen. Er hat einen jüngeren Bruder und zwei jüngere Schwestern. Die Familie lebt im Iran. Der BF absolvierte die Pflichtschule und übte zahlreiche Berufe aus, darunter Reiniger und Schleifer von Stahl, Schweißer in einer Autofabrik, Kleiderverkäufer, Friseur, Maurer sowie Tischler bzw. Innenausstatter (BVwG S 3). Im Wesentlichen lebte der BF in seiner Heimatstadt Karaj in der elterlichen Wohnung. Er ist ledig und kinderlos. Soweit feststellbar, beschäftigte er sich während der letzten Jahre vor seiner Ausreise im Rahmen von Bauprojekten mit Innenausstattungsarbeiten.

 

Der BF versuchte bereits 2001 über die Türkei und Griechenland nach England zu gelangen. Er wurde noch in der Türkei aufgegriffen und von dieser in den Iran abgeschoben.

 

Nicht festgestellt werden konnte, dass der BF jemals im Iran Kontakte mit dem Christentum hatte, sei es durch persönliche Beschäftigung, sei es durch Kontakte mit Christen. Insbesondere konnte nicht festgestellt werden, dass der BF im Jahr 2007 über einen Arbeitskollegen in einem Supermarkt von dessen christlichem Beispiel "berührt" wurde, sodass er sich fortan dem Christentum zugezogen gefühlt hätte.

 

Nicht festgestellt werden konnte weiters, dass die Arbeitsbedingungen des BF im Iran zuletzt derart waren, dass er sich vertraglich verpflichtet hätte, zwischen vier und sieben Jahre für seinen Auftraggeber ohne wesentliches Entgelt zu arbeiten, um am Auftragsende die Gesamtbezahlung, allenfalls auch eine Wohnung bzw. ein Haus zu erhalten. Nicht festgestellt werden konnte auch, dass es in diesem Zusammenhang bei drei Einforderungen dieses Entgelts dazu gekommen wäre, dass der Projektleiter dem BF dessen christliche Einstellung vorgehalten hätte, ihm aufgrund dessen das Entgelt schuldig geblieben wäre und ihm gedroht hätte.

 

Ebensowenig konnte festgestellt werden, dass der BF einen derartigen Umstand zum Anlass genommen hätte, zunächst für fünf Tage in eine elterliche Villa im Norden zu fliehen, dass zwischenzeitlich seine Mutter und sein Bruder die Flucht vorbereitet hätten und der BF sodann mit dem Flugzeug über Teheran in die Türkei geflohen wäre.

 

Der BF verließ den Iran etwa im November 2015 zur Zeit des großen Flüchtlingsstroms, wobei er zunächst mit dem Flugzeug von Teheran die Türkei flog und weiters über Rom nach Österreich reiste, wo er Ende Februar 2016 ankam. Er war zunächst eineinhalb Monate in Wien in einem provisorischen Quartier, sodann in Abtenau und kam etwa im Oktober 2017 nach Salzburg in ein Flüchtlingsquartier. Dort nahmen ihn Iraner in die Baptistengemeinde Salzburg, Schuhmacherstraße 18, geleitet u.a. von Pastor XXXX . Er besucht regelmäßig einen farsisprachigen Gottesdienst. Einen Glaubensgrundkurs (Alphakurs) besuchte er von Jänner 2017 bis Juli 2017. Es handelt sich dabei um einen videobasierten Kurs mit Gesprächen von wöchentlich 2 Stunden. Im April 2017 und Oktober 2017 besuchte er je vier Tage die "Bibelschule vom International Training Institut" der Baptistengemeinde. Er wurde am 03.07.2017 in der Baptistengemeinde Salzburg getauft.

 

Nicht festgestellt werden konnte, dass der BF derartig den christlichen Glauben innerlich angenommen hat, dass er auch unter geänderten Bedingungen, wie einer Rückkehr in den Iran, das Bedürfnis hätte, diesen innerlich und äußerlich auszuleben. Der BF erklärte gegenüber dem Magistrat der Stadt Salzburg am 09.11.2017 den Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft.

 

Nicht festgestellt werden konnte, dass der BF in den sozialen Medien im Zusammenhang mit christlichen Botschaften ein Verhalten setzte, das ihn im Falle einer Rückkehr in den Iran der Verfolgungsgefahr der iranischen Behörden aussetzt.

 

Er absolvierte jedenfalls im Zeitraum vom 07.12.2016 bis 25.01.2017 ein Deutschtraining bei der Diakonie auf Niveau A (AS 139). Er war im Februar und März 2018 im Gesamtausmaß von 116 Stunden bei der Straßenreinigung der Stadt Salzburg gemeinnützig beschäftigt, ebenso im Zeitraum 19.11.2018 bis 07.12.2018 im Ausmaß von 120 Stunden (Beilagenkonvolut ./E). Im Zeitraum Dezember 2018 bis März 2019 engagierte er sich freiwillig im Rahmen des Haus Franziskus der Caritas in Salzburg bei der Essensausgabe und Küche für Armutsmigrantinnen und Obdachlose (Beilagenkonvolut ./E). Im Flüchtlingsquartier Kasern des Flüchtlingswerks Diakoniewerk Salzburg, in dem er seit 09.10.2017 wohnt, fiel er dadurch positiv auf, dass er sich ins Alltagsleben im Quartier einbrachte sowie beim Schneeschaufeln und den notwendigen Aufräumarbeiten half. Er absolvierte einen Werte- und Orientierungskurs gemäß § 5 IntegrationsG. Am 15.05.2018 erfolgte bei der Volkshochschule eine Spracheinstufung auf A2/1 (Beilagenkonvolut ./E). Der BF besucht seit langem das Fitnessstudio FitInn und trainiert dort etwa fünfmal die Woche Bodybuilding. Bei Bodybuilding Bewerben hat er bereits zweimal Stockerlplätze erreicht.

 

Der BF ist in Österreich unbescholten. Der BF ist im Wesentlichen gesund und hat nach wie vor Kontakt zu seiner Familie.

 

Beweiswürdigung:

 

Glaubwürdig sind die wesentlichen biografischen und beruflichen Angaben des BF, wobei der Umstand der zahlreich wechselnden beruflichen Tätigkeiten erst im Rahmen der gerichtlichen Befragung (Protokoll vom 01.04.2019, S 3) hervorkam.

 

Die wesentlichen rechtlich relevanten Feststellungen beziehen sich auf das Vorbringen hinsichtlich des Interesses für das Christentum im Iran seit 2007, das in einer Drohung des Auftraggebers des BF im Zusammenhang mit seiner Berufstätigkeit gegipfelt habe, sowie die Frage, ob der BF in Österreich - die Taufe im September 2017 ist evident - innerlich konvertierte.

 

Das gesamte Vorbringen betreffend eines näheren Kontakts des BF zum Christentum im Iran sowie betreffend die Drohung durch einen Auftraggeber im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit des BF, die zu seiner Flucht geführt habe, ist nicht glaubhaft:

 

Als Grund für die im Rahmen der Erstbefragung recht detailliert geschilderte Drohung durch seinen Auftraggeber nannte der BF damals die guten Kontakte des Auftraggebers zu den iranischen Behörden. Dass diesbezüglich vergangene Kontakte des BF zum Christentum eine Rolle gespielt hätten, wird im Rahmen der Erstbefragung nicht erwähnt. Die recht individuelle und genaue Diktion der Fluchtgründe im Rahmen der Erstbefragung (Zeiträume von sieben Jahren, fünf Jahren und zwei Jahren) lassen - entgegen dem Erklärungsversuch des BF - nicht darauf schließen, dass ihm die Gelegenheit, einen Konnex zum Christentum zu schildern, damals verwehrt wurde.

 

Erstmals im Rahmen der Befragung vor dem BFA liefert der BF Anhaltspunkte dafür, dass die Drohung von einem - nunmehr namentlich genannten - XXXX mutmaßlich damit im Zusammenhang gestanden sei, dass sich der BF für das Christentum interessiere. Der Zusammenhang soll dadurch bestehen, dass der BF über längere Zeit beruflich mit einem LKW-Fahrer in Kontakt gestanden und mit diesem ins Gespräch über Religionen und seine Denkweise gekommen sei. Den Zusammenhang mit dem LKW-Fahrer erklärt der BF dadurch, dass er "denke", dass ihn dieser verraten habe (AS 81). Als Steigerung des Fluchtvorbringens im Rahmen der näheren Befragung muss es angesehen werden, wenn der BF auf ASe 83 angibt, der LKW-Fahrer habe viel von der Firma gestohlen. Der BF habe ihm helfen wollen, dass er nicht mehr stehle. Wenn in der Beschwerde auf S 3 sodann ausgeführt wird, der LKW-Fahrer habe Kabel und Farbe gestohlen, weshalb ihn der BF zur Rede gestellt habe, dass es unmoralisch sei zu stehlen, ist darin eine weitere Steigerung zu sehen.

 

Über Befragung auf AS 83 führt der BF erstmals aus, er habe 2007 begonnen, sich für das Christentum zu interessieren, als er in einem Supermarkt zu arbeiten begonnen habe. Obwohl der BF auf S 3 des Gerichtsprotokolls recht detailliert seine unterschiedlichen Berufe schildert, ist eine Tätigkeit bei einem Supermarkt darunter im Übrigen nicht enthalten. Er gab zunächst vor dem BFA an, als sich der BF über einen Arbeitskollegen geärgert und diesen angeschrien habe, sei "dieser Junge" aus dem Supermarkt rausgegangen und habe ein Buch aus seiner Tasche geholt und zu lesen angefangen. Als er zurückgekommen sei, habe ihn der BF gefragt, was das für ein Verhalten sei. Er habe in sein Buch geschaut und gesagt, das sei das Christentum. Über Nachfrage gab der BF an, der Junge sei in den Hinterhof des Supermarkts gegangen und habe dort sein Buch aufgeschlagen. Damit unvereinbar ist es, wenn der BF im Rahmen der Beschwerde nunmehr sehr detailliert ausführt, nach diesem Streit seien die beiden auseinandergegangen. Ein Kunde sei in das Geschäft gekommen, um nach einem Produkt zu fragen, dessen Preis der BF nicht gewusst habe. Sodann sei der BF in das Zimmer des Freundes gegangen und habe diesen erwischt, als er in der Bibel gelesen habe. Diese Darstellung entbehrt schon aufgrund der unterschiedlichen Darstellungsweise jeglicher Glaubwürdigkeit, sodass damit auch kein Grund dargetan wird, wonach der BF 2007 ein näheres Interesse für das Christentum gefunden hätte.

 

Abgesehen davon gab der BF bereits am Beginn der Vernehmung vor dem BFA (AS 73) an, sein Ausreiseversuch 2001 sei aufgrund der Probleme erfolgt, die ihm sein Bekenntnis bereitet hätte. Wenn der BF sodann über Nachfrage "Bekenntnis" mit seiner Einstellung zur konservativen Denkweise in der iranischen Gesellschaft erklärt, ist doch davon auszugehen, dass auch im Rahmen der Übersetzung unter "Bekenntnis" eine religiöse Einstellung, gemeint wohl christlich religiöse Einstellung, zu verstehen ist.

 

Auch die Fluchterzählung (AS 79) enthält zahlreiche Implausibilitäten:

 

Schon der Umstand, dass mehrere Jahre für einen sodann lediglich am Ende erhofften Lohn gearbeitet wird, erscheint auch für iranische Verhältnisse keineswegs nachvollziehbar. Es ist auch nicht in Übereinstimmung zu bringen, wenn der BF ab AS 79 angibt, er habe - abgesehen von Zulagen und kleinen Zahlungen (AS 81) - über vier Jahre kein Geld erhalten, bei seinen Eltern gelebt und außer dem Benzingeld, das ihm sein Vater bezahlt habe, keine Kosten gehabt. Demgegenüber gab der BF auf AS 75 an, er habe sehr gut verdient.

 

Der deutlichste Widerspruch liegt in Folgendem: Auf AS 79 schildert der BF klar und deutlich, XXXX habe ihm telefonisch gedroht. Nach dem Telefonat habe der BF sein Handy ausgeschaltet und sei in den Norden gefahren. In diesen fünf Tagen habe seine Familie die Reise koordiniert. Er sei nach Fardiz gefahren und seine Familie habe ihn dann zum Flughafen gebracht. Über Nachfrage vor Gericht gab der BF sinngemäß an, nachdem er Schwierigkeiten mit XXXX gehabt habe, habe ihm ein Freund vorgeschlagen, an einem anderen Projekt zu arbeiten. Nachdem ihm XXXX sein Gehalt nicht gegeben habe, habe er irgendwo seinen Lebensunterhalt bestreiten müssen. Er habe den XXXX angeklagt. Er selbst habe sodann bei einem Projekt in der Stadt Qazvin gearbeitet. Dort habe er unter einem Monat gearbeitet. Er habe mit XXXX nicht mehr arbeiten wollen und sei von dieser Firma geflohen (BVwG, S 9). Sodann führt der BF aus, XXXX habe die Arbeiter geschlagen und ihnen (nicht nur dem BF aufgrund der Problematik mit dem Christentum) kein Geld gegeben. Er habe mit diesem Mann keine Streitigkeiten haben wollen. Der BF legte sodann ein auf Farsi verfasstes Schreiben vor, wonach er diesen geklagt habe. XXXX habe den BF des Diebstahls beschuldigt und ihn bedroht.

 

Die Übersetzung dieses Schreibens (Beilage ./G; Protokoll BVwG S 10) lautet: "Ich XXXX , bestätige, dass mir XXXX , der im Bezirk Mehr-Shahr tätig ist, im Laufe der Jahre 50 Millionen Rial schuldig ist und in einem Gebäude, wo ich gearbeitet habe, sind einige Materialien gestohlen worden und dieser behauptet, dass die Materialien, die gestohlen wurden, bei mir sind. Es gibt keinen Vertrag zwischen mir und Herrn XXXX und den einzigen Beweis, den ich habe, sind die Zeugen". Es folgt die Unterschrift des BF. Über ausdrückliche Frage, ob die Drohung durch XXXX vor oder nach diesem Schreiben stattgefunden hat, gab der BF an, danach (BVwG, S 11). Alle in dieser "Urkunde" genannten Umstände sind mit der Schilderung auf AS 79 nicht in Übereinstimmung zu bringen, wonach Motiv der Drohung das Interesse des BF für das Christentum gewesen sein soll und die Drohung fünf Tage vor der Ausreise stattgefunden haben soll (AS 77). Nach den Ausführungen des BF vor Gericht soll es sich um eine längere Prozedur wechselseitiger Vorhaltungen gehandelt haben und der BF soll nach der Drohung noch die Zeit gehabt haben, ein weiteres Projekt in Qazvin zu bearbeiten (BVwG, S 9).

 

Letztlich war der BF gar nicht in der Lage anzugeben, wer den Anruf getätigt haben soll, im Rahmen dessen der BF bedroht wurde (BVwG, S 12). Auch die große Angst, die der BF vor XXXX gehabt haben soll, sodass er ohne weiteren Umstand nach fünf Tagen geflohen wäre, ist nicht nachvollziehbar, wenn der BF schließlich einräumt, XXXX beschimpft zu haben (BVwG S 12). Auch die Beschreibung der Person " XXXX ", der "Leibwächter des Chefs des Justizministeriums" gewesen sein soll, erscheint insbesondere im Zusammenhalt mit weiteren Angaben, wonach dieser selber einen Bodyguard gehabt haben soll (BVwG, S 9) wenig plausibel.

 

Die gänzliche Implausibilität des Umstandes einer Vereinbarung, über Jahre zu arbeiten und erst dann den Lohn entgegenzunehmen, erfolgt auch daraus, dass der BF letztendlich gar nicht in der Lage war, das erwartete Entgelt zu bewerten (BVwG, S 13ff; "Über Frage, ob ich weiß, wie viel mir XXXX genau schuldet: Genau weiß ich es nicht."). Wenn der BF in der Beschwerde vorbringt, es habe ein Arbeitspapier gegeben, in dem der Lohn festgehalten worden sei (Beschwerde S 3), so verneint er sowohl in Beilage ./G als auch in der Befragung (BVwG, S 14), die Existenz eines (gemeint wohl schriftlichen)"Vertrages".

 

Alle genannten Widersprüche in ihrer Gesamtheit führen zur gänzlichen Unglaubwürdigkeit des Feststellungskomplexes "Interesse des BF für das Christentum im Iran" sowie "Drohung durch XXXX samt Flucht".

 

Aufgrund der Verneinung einer christlichen Vorprägung im Iran war daher zu prüfen, ob es in Österreich - über die evidente mehrjährige Integration des BF in die Baptistengemeinde Salzburg samt Taufe im September 2017 hinaus - auch zu einer inneren Konversion gekommen ist, die das Bedürfnis nach sich zieht, seinen christlichen Glauben unabhängig von den äußeren Verhältnissen auszuleben.

 

Einziger aufgrund des Beweisverfahrens ersichtlicher äußerer Anknüpfungspunkt, weshalb der BF Kontakt zu einem christlichen Umfeld erlangte, ist, dass er etwa im September 2016 über andere iranische Asylwerber zur Baptistengemeinde Salzburg kam, die offenbar einen großen Zulauf von Asylwerbern aus Afghanistan bzw. Iran hatte und deren Co-Pastor XXXX fließend Dari und Farsi spricht (Beilage ./A). Wie dort ausgeführt, erfolgten dort 2015 bis 2019 84 Taufen von Afghanen und Iranern, wobei von den 84 Getauften 2019 schon 54 asylberechtigt sind, 25 noch im Asylverfahren. Im Wesentlichen war daher die gesamte Katechumenatsgruppe dieser freikirchlichen Gemeinde aus Asylwerbern zusammengesetzt. Wenn eine Person ohne Glauben sich bekehrt bzw. von einer Religion zu einer anderen innerlich konvertiert, bedarf es nach dem Verständnis des Gerichts individueller biografischer Ereignisse, einen derartigen inneren Vorgang auslösen. Aufgrund der geschilderten großen Gruppe von iranischen und afghanischen Interessenten bzw. Mitgliedern der Baptistengemeinde Salzburg ist daher besonderes Augenmerk auf die Individualität der Glaubensannahme des BF zu legen. Abgesehen vom dort mutmaßlich gegebenen Informationsfluss betreffend Konversion und Asylverfahren und der integrativen Umstände einer Aufnahme in die dortige Gemeinde, ist kein Grund hervorgekommen, weshalb der BF aus inneren Gründen ein Interesse gehabt haben sollte, sich einer christlichen Glaubensgemeinschaft anzuschließen, dort Gottesdienste zu besuchen und über die christliche Religion zu lernen. Die Schreiben des Pastors XXXX der Baptistengemeinde Salzburg bescheinigen dem BF die Erfüllung der dortigen Taufvoraussetzungen, mindestens sechs Monate in dieser christlichen Gemeinschaft gewesen zu sein, einen Kurs über das christliche Leben erfolgreich abgeschlossen zu haben, einer Empfehlung der Gemeindeältesten sowie, ein öffentliches Zeugnis über seinen Glauben gegeben zu haben. Die schriftliche Erklärung dieses "Co-Pastors" alleine, sich mit dem BF mehrmals getroffen zu haben, er habe sich überzeugt, dass der BF aus innerer Überzeugung zum Glauben gekommen sei, ist für das Gericht schon deshalb kein zwingender Umstand dies für glaubhaft zu halten, zumal nicht bekannt ist, nach welchen Kriterien der Pastor zu dieser Überzeugung gelangt ist, insbesondere, inwieweit auch sonstige dem Gericht bekannte und oben dargelegte Umstände, wie dass der BF im Iran ohne christliche Vorprägung war, eingeflossen sind. Der vom BF geschilderte und mehrfach schriftlich bestätigte Umstand allein, dass der BF über einen längeren Zeitraum in der Baptistengemeinde an Gottesdiensten, Kursen und Seelsorgegesprächen teilnimmt und eine baptistische viertägige "Bibelschule" abgeschlossen hat, kann daher noch nicht entscheidend dafür sein, dass eine innere Konversion vorliegt. Gerade im Rahmen der Verhandlung vor Gericht stellt der BF christliche Umstände seines Lebens in einer Dichte und Dimension dar, die weniger als Ausfluss einer neuen Glaubensüberzeugung erscheinen, denn als Übertreibung, die auf eine mangelnde Ernsthaftigkeit der behaupteten Konversion hinweisen: Eine genaue Erklärung, wie der BF zur Baptistengemeinde Salzburg gekommen ist, umgeht er in der Angabe, dies sei der "Wille Gottes" gewesen (BVwG S 16). Obzwar dem BF bescheinigt wird, dass er zahlreiche Bibelkurse besucht hat, hat er die Frage, drei Bibelstellen zu nennen, die für ihn wichtig sind, nur dadurch beantwortet, dass er auf die zehn Gebote verwiesen hat und dass alle Stämme an ihn glauben sollen und getauft werden sollen, wobei er gerade die persönliche Bedeutung von Bibelstellen nicht zum Ausdruck bringt. Der BF hat offenbar gewisse Bibelkenntnisse sowie organisatorisches Wissen über das Christentum aus der Warte der Baptistengemeinde ("die Katholiken bzw. die

Orthodoxen sind mit der Politik vermischt ... und damals war nur der

Papst berechtigt, das heilige Buch in die Hand zu nehmen und zu lesen. Im Protestantismus kann jeder das Buch in die Hand nehmen und lesen", BVwG S 16 und 18). Wenn der BF angibt, er habe (gemeint: Im Iran) kein Buch gehabt, er habe daher aufgrund einer einzigen Zeile für fünf Jahre sein Leben gestaltet, aufgrund der Liebe, ist aufgrund der obigen Überlegungen eben nicht davon auszugehen, dass er im Iran bereits Kontakt zum Christentum hatte. Auch die geschilderte eindimensionale Sichtweise über den Islam (Lügen und Missbrauch) ist keine hinreichende Motivation für eine Konversion. Als Übertreibung wirkt es auch, wenn der BF angibt, an normalen Tagen bete er dauernd (BVwG, S 21). Wenn er in der weiteren Befragung auf ein WhatsApp Programm verweist, mit dem das Beten zwischen den Gemeindemitgliedern über den Tag hindurch organisiert wird, so erscheint dies dem Gericht eher als ein Versuch, belegbare Umstände zu schaffen, als ein Hinweis auf ein inneres Bedürfnis, zu beten. Die vom BF auf S 24 des Protokolls vor dem BVwG geschilderte Rettung eines Kindes erschließt sich technisch nach dem Protokolltext nicht, wäre ehrenhaft, ist aber letztlich kein Spezifikum einer christlichen Einstellung. Ebensolches gilt für die Betreuung eines Mitbewohners. Auch die Angaben des BF zur "Mission" eines 20-jährigen Mannes (Prot BVwG S 19), sind nicht geeignet, auf eine innere Konversion des BF schließen zu lassen, zumal selbst die Annahme, der BF habe diesen tatsächlich in die Baptistengemeinde mitgenommen, nicht zwingend auf religiöse Motive des BF schließen lässt, weil sich die Baptistengemeinde zweifellos als für iranische Flüchtlinge im Raum Salzburg attraktiver Ort der Gemeinschaft und Unterstützung darstellte. Wie der BF Mohammad religiös begeistert haben soll, geht aus seiner Aussage nicht hervor. Keine Relevanz für die Beurteilung der inneren Konversion sowie einer Gefährdung bei Rückkehr kommt der "Austrittsbestätigung aus dem Isam" (AS 135) zu, zumal von einer Publizität in den Iran nicht auszugehen ist.

 

Gänzlich offen bleibt, wieso die Eltern des BF "auch Christen" werden sollen (BVwG BF S 19). Realistische Umstände, wie das geschehen sollte, legte der BF nicht dar.

 

Vor dem Hintergrund der persönlichen Unglaubwürdigkeit des BF im Zusammenhang mit seinem Vorbringen betreffend Iran und der mangelnden Individualität der Integration in die Baptistengemeinde Salzburg ohne erkennbar persönliche Anknüpfungspunkte, ist die Behauptung von Facebook-Postings des BF bereits ab Dezember 2016 für das Gericht eher ein Indiz gegen eine innere Konversion als dafür:

Das Weiterleiten von Messliedern bereits kurz nach dem Erstkontakt mit einer neuen Glaubensgemeinschaft über soziale Medien hat keinen Aussagewert über die innere Einstellung dieser Person, zumal eine innere Konversion doch eher als Prozesse erscheint und ein Kundtun dieser Umstände somit auch eher zu einem späteren Zeitpunkt zu erwarten wäre.

 

Wie festgestellt können sich nach den Länderfeststellungen Konvertiten, die ihre Konversion öffentlich machen, Problemen gegenüber sehen. Danach ist insbesondere davon auszugehen, dass Behörden dann auf einen Konvertiten aufmerksam werden, wenn er sehr freimütig über seine Konversion in den Social-Media-Kanälen einschließlich Facebook berichtet. Die Konsequenzen würden auch davon abhängen, ob der Konvertit ein high-profile-Fall ist und inwiefern er missionarisch tätig ist. Nach der Beweisaufnahme ist lediglich hervorgekommen, dass der BF "allenfalls auf seinem Facebook-Account" Audiodateien gepostet hat, auf denen - möglicherweise christliche - Lieder gespielt werden. Davon, dass diese Umstände den BF im Falle einer rückkehrrelevanten Weise gefährden, ist nicht auszugehen.

 

Ausgehend davon, dass die persönliche Glaubwürdigkeit des BF aufgrund der gesamten Darstellung der Umstände im Iran und der Flucht nicht glaubwürdig ist, davon auszugehen ist, dass der BF im Iran keinerlei Kontakte zum Christentum hatte, ein Kontakt zur Baptistengemeinde Salzburg zur Gänze von außen an ihn herangetragener wurde (er wurde von anderen Iranern mitgenommen), er dort im Wesentlichen von einem organisatorischen Rahmen, der gänzlich auf Farsi-Sprachige Asylbewerber ausgerichtet ist "mitgezogen" wurde und er seine innere Überzeugung vor Gericht mit übertrieben wirkenden Umständen darzustellen versuchte (GebetsApp, Postings von religiösen Liedern bereits ganz am Anfang seiner Kontakte zur Baptistengemeinde), und letztlich aufgrund des persönlichen Eindrucks bei Schilderung jener Umstände, wie er Christ wurde, vor Gericht, ist es nicht glaubhaft, dass - über die äußeren evidenten Umstände einer etwa dreijährigen Zugehörigkeit zur Farsi Gruppe der Baptistengemeinde Salzburg sowie einer Taufe im September 2017 hinaus - der BF innerlich konvertiert ist. Die im Rahmen von schriftlichen Bestätigungen dargelegten Hinweise auf eine ernsthafte Glaubensüberzeugung wurden im Verfahren durch hinterfragbare Zeugenaussagen nicht dargetan.

 

Die übrigen festgestellten Umstände betreffend Integration beruhen auf den vorgelegten Urkunden im Zusammenhalt mit den diesbezüglich glaubwürdigen Angaben des BF.

 

Soweit sich die Beschwerde gegen die Beweiswürdigung durch die belangte Behörde richtet, wird zunächst auf die durch die mündliche Verhandlung nunmehr verbreiterte Tatsachengrundlage verwiesen. Insbesondere wurde dabei auch auf die Thematik, wie der BF 2007 von einem Kollegen in einem Supermarkt vom Christentum beeindruckt worden sein soll, eingegangen. Auf die Beweiswürdigung oben wird verwiesen. Die diesbezüglich großteils spekulativen Überlegungen in der Beweisrüge konnten zu keinem anderen Beweisergebnis als einer Negativfeststellung führen. Gleiches gilt für das Beweisthema "LKW-Fahrer". Auch diesbezüglich hatte aufgrund der nunmehrigen Beweiswürdigung eine Negativfeststellung zu erfolgen, was sich auch auf das behauptete Einzeldetail, der BF habe dabei ein Kreuz getragen, erstreckt. Auf die Ausreise des BF über den Flughafen kam es nach der nunmehrigen Beweiswürdigung gar nicht an, weshalb sich ein Eingehen auf die Argumentation S 7 Mitte der Beschwerde erübrigt. Soweit der BF im Folgenden eine "unreflektierte" Verwertung der Erstbefragung durch das BFA moniert, wird er auf die obige Beweiswürdigung hiezu verwiesen. Ebensolches gilt für die Überlegungen zum Beweisthema der inneren Konversion in Österreich. Allein der in der Beschwerde behauptete Umstand, dass allenfalls die Baptisten eine "missionierende Religion" seien, entbindet nicht von einer individuellen Prüfung einer inneren Konversion. Auch diesbezüglich ist auf die obige Beweiswürdigung zu verweisen.

 

Rechtlich folgt:

 

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

 

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Gemäß Abs 2 kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Heimatstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

 

Gemäß Abs 3 ist der Antrag abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht oder ein Asylausschlussgrund gesetzt wurde.

 

Gemäß § 2 Abs 1 Z 11 und 12 ist Verfolgung jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art 9 Statusrichtlinie, Verfolgungsgrund ein in Art 10 Statusrichtlinie genannter Grund.

 

Nach Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Nach Art 9 der Statusrichtlinie (2011/95/EU ) muss eine Verfolgungshandlung iSd Genfer Flüchtlingskonvention aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt oder in einer Kulminierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend sind, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist.

 

Unter anderem können als Verfolgung folgende Handlungen gelten:

 

? Anwendung physischer oder psychischer, einschließlich sexueller Gewalt,

 

? gesetzliche, administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder diskriminierend angewandt werden,

 

? unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,

 

? Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,

 

? Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich des Art 12 Abs 2 fallen und

 

? Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

 

Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob der Antragsteller tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

 

Nach den alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union bindenden normativen Vorgaben des Artikel 10 Absatz 1 b, RL 2011/95/EG , kann einem Flüchtling nicht zugesonnen werden, sich bei der Religionsausübung auf das "Forum Internum" zu beschränken, somit seinen Glauben heimlich auszuüben. Diesem muss die öffentliche Ausübung des christlichen Glaubens in Lehre, Gottesdienst und Sakramentsverwaltung möglich sein ("Forum Externum").

 

Der VwGH hat sich mehrfach mit drohender Verfolgung von zum christlichen Glauben konvertierten Muslimen im Iran befasst (zB. Erkenntnis vom 19.12.2001, 2000/20/0369; Ra 2014/01/0117). Danach kommt es darauf an, ob der Asylwerber bei weiterer Ausführung des inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, aus diesem Grund mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion belegt zu werden. Feststellungen zu behaupteten aktuell bestehenden Glaubensüberzeugung sind im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von - allfälligen - Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln (Erkenntnis des VwGH vom 23.6.2015, Ra 2014/01/0117 mwN).

 

Zunächst konnte die im Rahmen der Erstbefragung behauptete Bedrohung des BF durch einen Iraner mit sehr guten Kontakten zu den Behörden im Iran nicht als glaubhaft festgestellt werden, ebensowenig eine im Iran bzw später in Österreich erfolgte innere Konversion, noch äußre Umstände im Zusammenhang mit seiner evidenten Zugehörigkeit zur Baptistengemeinde Salzburg, aufgrund derer im Falle einer Rückkehr in den Iran Furcht vor Verfolgung glaubhaft wäre. Wie festgestellt, war - ungeachtet der im September 2017 erfolgten Taufe in der Baptistengemeinde Salzburg - eine allein relevante innere Konversion nicht glaubhaft. Die festgestellten Internetaktivitäten im Zusammenhang mit christlicher Aussagekraft erschienen vor dem Hintergrund der diesbezüglichen Länderinformationen im Hinblick auf das Profil des BF (keine herausragende Stellung im Sinne einer missionarischen Führungspersönlichkeit) nicht als glaubhafter Umstand für eine wahrscheinliche Verfolgung im Falle einer Rückkehr. Wie festgestellt, wurde der BF zwar in Österreich getauft, eine innere Konversion, die ein Bedürfnis einschließt, den christlichen Glauben - auch im Falle einer Rückkehr in den Iran - innerlich und äußerlich zu leben, wurde aber verneint. Die äußere Zugehörigkeit zur Baptistengemeinde Salzburg einschließlich Besuch von Glaubenskursen und Bibelschule erschienen primär integrativen Charakters sowie als im Zusammenhang mit dem Asylverfahren stehend. Das in diesem Zusammenhang beim BF allenfalls vorliegende Interesse liegt unter jener Schwelle, die nach der Rechtsprechung zu einem Verfolgungsschutz auf Grund von Konversion führt. Insgesamt sind daher keine Umstände glaubhaft, die den BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung aus dem letztlich allein gegenständlichen Verfolgungsgrund der Religion aussetzt, weshalb trotz evident gegebener Gefahr der Verfolgung nicht geborener Christen im Iran betreffend den BF weder ein Flucht- noch ein Nachfluchtgrund besteht, sodass kein Asylgrund vorliegt.

 

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

 

Gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden bei Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz in Bezug auf den Status des Asylberechtigten der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 und 13 bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

 

Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("sufficiently real risk") im Herkunftsland zu verstehen (VwGH 19.2.2004, 99/20/0573). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um den Anwendungsbereich des Art 3 EMRK zu erreichen (zB. VwGH 26.6.1997, 95/21/0294). Die bloße Möglichkeit einer Art 3 EMRK widersprechenden Behandlung in dem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen. Es müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (zB. VwGH 27.02.2001, 98/21/0427).

 

Der VwGH erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass der Asylwerber das Bestehen einer aktuellen Bedrohung der relevanten Rechtsgüter, hinsichtlich derer der Staat nicht willens oder in der Lage ist, Schutz zu bieten, glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (zB. VwGH 26.6.1997, 95/18/1291). Diese Mitwirkungspflicht bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).

 

Die aktuelle Lage im Iran stellt sich derzeit nicht so dar, dass ein generelles Abschiebehindernis bzw. eine generelle Gefährdung aus Sicht der EMRK (Art. 2 und 3) gegeben ist. Gegenteiliges ist auch den aktuellen Länderberichten zu entnehmen, wonach die Sicherheitslage im Iran allgemein als ruhig bezeichnet werden kann und es nur in vereinzelten Regionen unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund oder zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und anderen Gruppierungen kommt. In diesem Zusammenhang ist auch auf das Urteil des EGMR vom 09.03.2010, Fall R.C., Appl. 41.827/07 zu verweisen, wonach zwar die im Iran herrschende, sehr angespannte Situation nicht außer Acht gelassen werden dürfe, in welcher der Respekt für die grundlegenden Menschenrechte seit den Wahlen 2009 erheblich abgenommen habe, diese schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen allein die Rückführung eines Iraners in seinen Herkunftsstaat aber noch nicht als unzulässig iSd Art. 3 EMRK erscheinen lassen.

 

Der BF konnte auch darüber hinaus insgesamt keine individuellen Umstände glaubhaft machen, die im Falle einer Rückführung in den Iran die reale Gefahr einer Verletzung aus Art. 2 oder 3 EMRK entspringenden Rechte (oder der anderen im Lichte von § 8 AsylG 2005 relevanten Grundrechte) für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen lassen.

 

Bei dem BF handelt es sich um einen 40-jährigen, arbeitsfähigen Mann, bei dem die Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann, zumal er bis zur Ausreise im Iran berufstätig war. Wesentliche aktuelle körperliche/medizinische Einschränkungen kamen nicht hervor, der BF ist aktuell erfolgreicher Bodybuilder. Der BF spricht die Sprache der Majoritätsbevölkerung Farsi und verfügt im Herkunftsstaat auch über Angehörige. Jedenfalls zur Mutter hat er engen Kontakt (AS 73). Es sind keine Gründe hervorgekommen, warum er im Iran keiner Erwerbstätigkeit nachgehen könnte. Er ist im Iran aufgewachsen, dort 12 Jahre zur Schule gegangen und konnte auch zuvor sein Auskommen dort finden.

 

Es liegen auch keine Hinweise für das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) vor und die Grundversorgung der Bevölkerung ist gesichert, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 bzw. 3 EMRK abgeleitet werden kann.

 

Der VwGH weist in kürzlich ergangener Entscheidung darauf hin, dass - ausgehend von der Rechtsprechung des EuGH zur Statusrichtlinie - vom subsidiären Schutz nur Fälle realer Gefahr, einen auf ein Verhalten eines Akteurs iSd Art. 6 Statusrichtlinie zurückzuführenden ernsthaften Schaden iSd Art. 15 Statusrichtlinie zu erleiden, sowie Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt umfasst sind. Nicht umfasst ist dagegen die reale Gefahr jeglicher, etwa auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführender Verletzung von Art. 3 EMRK. Dem nationalen Gesetzgeber ist es verboten, Bestimmungen zu erlassen oder beizubehalten, die einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten, unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Herkunftsstaat, zuerkennen. Die Bestimmung des § 8 AsylG 2005 ist daher richtlinienkonform auszulegen (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106).

 

Der BF wäre durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat nicht in seinen Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder den relevanten Zusatzprotokollen verletzt. Weder droht ihm im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten Rechte nach der EMRK. Eine solche Gefahr hat der BF weder glaubhaft gemacht, noch ist eine solche von Amts wegen hervorgekommen oder dem BVwG bekannt. Selbiges gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden.

 

Im Hinblick auf die gegebenen Umstände kann daher ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erkannt werden.

 

Zu den Spruchpunkten III. - VI. des angefochtenen Bescheides:

 

Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine der oben genannten Entscheidungen mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung der Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs 3 a oder 9 Abs 2 AsylG 2005 vorliegt.

 

Unter den in § 57 Abs. 1 AsylG 2005 genannten Voraussetzungen ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen.

 

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen nicht vor, weil der Aufenthalt des BF weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet ist noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist, noch der BF Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs. 1 Z 3 FPG wurde. Weder hat der BF das Vorliegen eines der Gründe des § 57 FPG behauptet noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.

 

Gemäß § 55 Abs 1 AsylG 2005 ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

 

1. dies gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienleben im Sinne des Art 8 EMRK geboten ist und

 

2. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt wurde oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze nach § 5 Abs 2 ASVG erreicht wird.

 

Liegt nach Abs 2 nur die Voraussetzung des Abs 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

 

Als Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs 1 AsylG 2005 gilt, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG im Sinne des Art 8 EMRK geboten ist.

 

Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nach Abs 2 nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG ist ein Eingriff in das Privat- und Familienleben durch eine Rückkehrentscheidung (§ 52 FPG) nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Nach Abs 2 sind dabei insbesondere zu berücksichtigen,

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob dieser rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewußt waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthalts in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Nach der Rechtsprechung des EGMR ist bei Prüfung der Verhältnismäßigkeit behördlicher Eingriffe auf die besonderen Umstände des Einzelfalls einzugehen. Insbesondere sind die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulbildung bzw Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der tatsächlichen beruflichen Beschäftigung, und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit bzw bei strafgerichtlichen Verurteilungen die Schwere der Delikte und die Perspektive einer Resozialisierung bzw die durch die Aufenthaltsbeendigung erzielbare Abwehr neuerlicher Tatbegehungen, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewußt waren, zu berücksichtigen (vgl. VfSlg 18.224; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479).

 

Das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie, wobei der Begriff des "Familienlebens" in Art 8 EMRK nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten umfasst, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl dazu EKMR 19.07.1968, Nr 3110/67; EKMR 28.02.1979, Nr 7912/77, EuGRZ 1981/118).

 

Es leben keine Familienmitglieder oder Angehörigen des BF in Österreich. Da auch sonst keine ausreichend intensive Beziehung des BF zu ihm besonders nahestehenden Personen in Österreich hervorgekommen ist, ist davon auszugehen, dass ein schützenswertes Familienleben in Österreich nicht vorliegt.

 

Zum Privatleben des BF ist festzuhalten, dass er in Österreich nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylverfahrens verfügte. Die Dauer des Asylverfahrens von etwa dreieinhalb Jahren übersteigt noch nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtsschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist. Es liegt somit kein Fall vor, in dem die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthaltes im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht haben, die Rückkehrentscheidung als "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" erscheinen zu lassen (vgl. VfSlg. 19.752/2013). Auszugehen ist von dem zum Zeitpunkt des Bescheides festgestellten Integrationsstatus. Umstände, die darüber hinausgehen, hat der BF weder in der Beschwerde noch in der mündlichen Verhandlung dargetan, wobei ihn diesbezügliche eine Mitwirkungspflicht trifft (§ 15 Abs 1 Z 5 AsylG). Der BF geht in Österreich keiner Arbeit nach und befindet sich in Grundversorgung. Er hat mehrmals mit positiver Rückmeldung freiwillige gemeinnützige Dienstleistungen erbracht. Seine Deutschkenntnisse auf Nieveau A2 sind noch eher gering. Er ist begeisterter und erfolgreicher Bodybuilder und nimmt an Wettbewerben teil. Eine außergewöhnliche Integration liegt aufgrund dieser Umstände noch nicht vor.

 

Das Interesse des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet ist zudem dadurch geschwächt, dass er sich bei allen Integrationsschritten eines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit der Integrationsschritte bewusst sein musste. Der BF durfte sich hier bisher nur aufgrund eines Antrages auf internationalen Schutz in Österreich aufhalten, welcher zu keinem Zeitpunkt berechtigt war (vgl. z.B. VwGH 20.02.2004, 2003/18/0347; 27.04.2004, 2000/18/0257; sowie EGMR 08.04.2008, Fall Nnyanzi, Appl. 21878/06, wonach ein vom Fremden in einem Zeitraum, in dem er sich bloß aufgrund eines Asylantrages im Aufnahmestaat aufhalten darf, begründetes Privatleben per se nicht geeignet ist, die Unverhältnismäßigkeit des Eingriffes zu begründen). Auch der Verfassungsgerichtshof misst in ständiger Rechtsprechung dem Umstand im Rahmen der Interessenabwägung nach Art 8 Abs 2 EMRK wesentliche Bedeutung bei, ob die Aufenthaltsverfestigung des Asylwerbers überwiegend auf vorläufiger Basis erfolgte, weil der Asylwerber über keine über den Status eines Asylwerbers hinausgehende Aufenthaltsberechtigung verfügt hat. In diesem Fall muss sich der Asylwerber bei allen Integrationsschritten im Aufenthaltsstaat seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit seiner Integrationsschritte bewusst sein (VfSlg 18.224/2007, 19.086/2010, 19.752/2013). Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Interesses - ein hoher Stellenwert zu (vgl. VwGH 12.12.2012, 2012/18/0178; 22.01.2013, 2011/18/0012).

 

Im Hinblick auf die Zeitspanne, seit der sich der BF in Österreich aufhält (seit Februar 2016), kann selbst unter Miteinbeziehung integrativer Merkmale eine von Art 8 EMRK geschützte "Aufenthaltsverfestigung" noch nicht angenommen werden (vgl. VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479, wonach ein dreijähriger Aufenthalt "jedenfalls" nicht ausreichte, um daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abzuleiten; vgl. auch VwGH 20.12.2007, 2007/21/0437, zu § 66 Abs. 1 FPG, wonach der sechsjährigen Aufenthaltsdauer eines Fremden im Bundesgebiet, der Unbescholtenheit, eine feste soziale Integration, gute Deutschkenntnisse sowie einen großen Freundes- und Bekanntenkreis, jedoch keine Familienangehörigen geltend machen konnte, in einer Interessensabwägung keine derartige "verdichtete Integration" zugestanden wurde, da der Aufenthalt "letztlich nur auf einem unbegründeten Asylantrag fußte"). Somit kann nicht festgestellt werden, dass dem subjektiven Interesse des BF am Verbleib im Inland Vorzug gegenüber dem maßgeblichen öffentlichen an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt, zu geben ist.

 

Der BF verließ den Iran vor rund dreieinhalb Jahren und verbrachte - bis auf einen kurzen erfolglosen Ausreiseversuch über die Türkei - bis dahin sein ganzes Leben im Iran. Die Familie des BF lebt nach wie vor im Iran. Es ist nicht erkennbar, inwiefern sich der BF im Fall seiner Rückkehr bei der Wiedereingliederung in die dortige Gesellschaft unüberwindbaren Hürden gegenübersehen könnte. Daher ist im Vergleich zu den zu Österreich bestehenden Anknüpfungspunkten von einer deutlich stärkeren Bindung des BF zum Iran auszugehen.

 

Aufgrund der genannten Umstände überwiegen in einer Gesamtabwägung die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung die privaten Interessen des BF am Verbleib im Bundesgebiet. Insbesondere das Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne eines geordneten Fremdenwesens wiegt in diesem Fall schwerer als die privaten Interessen des BF an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet.

 

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des BF in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG in Verbindung mit Artikel 8 EMRK dar. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist daher ebenfalls nicht geboten.

 

Die Voraussetzungen des § 10 AsylG 2005 liegen vor: Da der Antrag des BF auf internationalen Schutz abgewiesen wurde, ist die Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 zu erlassen. Es ist auch - wie bereits ausgeführt - kein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen.

 

Gemäß § 52 Abs 9 FPG ist mit der Rückkehrentscheidung festzustellen, ob die Abschiebung in einen bestimmten Staat zulässig ist. Unzulässig ist eine solche gemäß § 50 Abs 1 FPG in den Fällen des § 8 Abs 1 AsylG 2005 und gemäß § 50 Abs 2 FPG in den Fällen des § 3 AsylG 2005. Das Vorliegen dementsprechender Sachverhalte wird mit der gegenständlichen Entscheidung des BVwG verneint. Gemäß § 50 Abs 3 ist eine Abschiebung auch unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EMGR entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für den Iran nicht.

 

Die Abschiebung des BF in den Iran ist daher zulässig.

 

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom BFA vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

Derartige Gründe wurden im Verfahren vom BF weder vorgebracht noch konnten solche festgestellt werden. Die Frist wurde daher von der belangten Behörde zu Recht mit 14 Tagen festgesetzt.

 

Selbst unter Zugrundelegung des mittlerweile etwa dreieinhalbjährigen Aufenthalts in Österreich liegt mit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme auch kein relevanter Eingriff in das Privatleben des BF vor. Ausgehend davon, dass er ledig ist, weder Kinder noch nahe Angehörigen bzw. Verwandten in Österreich hat, er sich in Grundversorgung befindet und über geringe Deutschkenntnisse verfügt, besteht kein Anhaltspunkt, dass die gebotene Interessenabwägung im Einzelfall einen unzulässigen Eingriff in das Privatleben des BF bedeuten würde. Individuelle Rechtsausführungen, auf die näher einzugehen wäre, tätigte der BF mit Erhebung seiner Beschwerde nicht. Ihr kommt daher insgesamt keine Berechtigung zu.

 

Zu den behaupteten Ermittlungsmängeln bzw zur unrichten rechtlichen Beurteilung:

 

Soweit der BF hier meint, die belangte Behörde habe keine Ermittlungen angestellt, ob die Konversion den Behörden der Heimat bekannt sei (der BF habe seiner Mutter und seinem Arbeitskollegen davon erzählt, auch sein Chef habe davon erfahren), ist er darauf zu verweisen, dass nach ergänzender Beweisaufnahme betreffend eine Konversion im Iran allgemein und die behaupteten Umstände im Zusammenhang mit dem LKW-Fahrer und dem Chef ( XXXX ) Negativfeststellungen ergingen, diese also zur Gänze nicht glaubhaft waren. Soweit die Mutter von seiner Taufe in Österreich weiß, ist aufgrund des guten geschilderten Kontakts des BF zu ihr und mangels sonstigem Vorbringen des BF hinsichtlich einer Gefährdung in diesem Zusammenhang, nicht von einer dadurch gegeben Gefahr für den BF auszugehen, sodass dazu auch keine näheren Feststellungen erforderlich sind.

 

Inwieweit die durch das BFA herangezogenen Länderberichte veraltet sein sollen, ergibt sich aus der Beschwerde nicht, wobei - soweit überhaupt relevant - nunmehr das - in den relevanten Passagen ohnehin im Wesentlichen inhaltsgleiche - LIB Stand Juni 2019 zugrunde gelegt wurde.

 

Der Umstand, ob der BF für einen Tag oder oder für ein Jahr jemanden gepflegt hat, ist weder für sich genommen noch im Kontext mit den übrigen Beweisergebnissen rechtlich relevant, weil dieser weder eine Konversion aufzeigt noch zu einem anderen Ergebnis hinsichtlich Integration führt.

 

Wenn unter dem Aspekt der Rechtsrüge neuerlich eine innere Konversion behauptet wird, ist der BF auf die nach Verfahrensergänzung hiezu ergangenen Feststellungen zu verweisen. Dass die - ohnehin nicht festgestellte - religiöse Gesinnung des BF den iranischen Behörden bekannt geworden wäre, ist auch im ergänzten Verfahren nicht hervorgekommen.

 

Im Hinblick auf die dazu relevanten Feststellungen zeigt die Beschwerde auch zu den Spruchpunkten II. und III. keine Umstände auf, die im Ergebnis zu einer anderen Beurteilung führen.

 

Zur Unzulässigkeit der Revision:

 

Die Unzulässigkeit der Revision gründet auf Art 133 Abs 4 B-VG, wobei zur asylrechtlichen Bedeutung von Konversion allgemein und speziell bei Iranern bereits umfangreiche höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt und im Wesentlichen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen waren.

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