B-VG Art.133 Abs4
FPG §72
FPG §76 Abs2 Z2
FPG §76 Abs3
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:G307.2213987.1.00
Spruch:
Schriftliche Ausfertigung des am 07.02.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Afghanistan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst, gemeinnützige Gesellschaft mbH - ARGE Rechtsberatung in 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.01.2019, Zahl XXXX sowie die andauernde Anhaltung in Schubhaft seit XXXX.2019, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.02.2019
A) zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde gegen den Bescheid vom XXXX.2019 wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 72 Abs. 2 Z 2 FPG sowie § 76 Abs. 3 FPG stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
II. Die Anhaltung in Schubhaft vom XXXX.2019 bis XXXX.2019 wird für rechtswidrig erklärt.
III. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG und § 76 Abs. 2 Z 2 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.
IV. Der Antrag der belangten Behörde auf Ersatz der Aufwendungen wird abgewiesen.
sowie B) beschlossen, dass
Spruchpunkt V. der mündlich verkündeten Entscheidung gemäß § 62 Abs. 4 AVG iVm § 17 VwGVG von Amts wegen dahingehend berichtigt wird, dass dieser zu lauten hat:
V. Gemäß § 35 VwGVG iVm Aufwandersatzverordnubg BGBl. II Nr. 517/2013, hat der Bund (Bundesminister für Inneres) dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von € 1.659,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Mit dem im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Regionaldirektion Steiermark, Außenstelle Leoben, wurde gegen den Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) gemäß § 76 Abs.2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.
Mit dem am 01.02.2018 datierten und am selben Tag per Fax beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) eingelangten Schriftsatz erhob der BF durch die im Spruch angeführte Rechtsvertretung (RV) Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und gegen die seither andauernde Anhaltung in Schubhaft. Darin wurde beantragt, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen, den bekämpften Bescheid zu beheben und auszusprechen, im Rahmen einer "Habeas-Corpus-Akte" auszusprechen, dass die weiteren Voraussetzungen zur Anhaltung des BF nicht vorlägen, , der belangten Behörde den Ersatz der Aufwendungen des BF gemäß VwG-Aufwandersatzverordnung sowie der Kommissionsgebühren und Barauslagen, für die der BF aufzukommen hat, aufzuerlegen.
Das Bundesverwaltungsgericht führte in der gegenständlichen Rechtssache am 07.02.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der BF, seine Rechtsvertretung und eine Vertreterin der belangten Behörde teilnahmen sowie XXXX (die Mutter der Arbeitgeberin des BF), XXXX und XXXX als Zeugen einvernommen wurden.
Am Ende der Verhandlung wurde das gegenständliche Erkenntnis mündlich verkündet.
Mit dem am 08.02.2019 datierten und am 11.02.2019 beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) eingelangten Schriftsatz beantragte die belangte Behörde eine schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF ist Staatsangehöriger Afghanistans und somit Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Er ist frei von Obsorgepflichten, ledig und führt keine Beziehung.
Der BF reiste im Oktober 2015 nach Österreich, wo er am XXXX.2015 beim BFA einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes stellte. Mit Bescheid des BFA vom 16.11.2017 wurde dieser in allen Spruchpunkten abgewiesen und die Abschiebung des BF in den Herkunftsstaat für zulässig erklärt. Mit Erkenntnis des BVwG vom 28.12.2018 wurde die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen und die Revision nicht für zulässig erklärt. Die dem BF an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zur Verfügung stehende Revisions- bzw. Beschwerdemöglichkeit stand dem BF im Zeitpunkt der mündlichen Verkündung der gegenständlichen Entscheidung noch offen.
Am 01.02.2019 wurde RA XXXX in 1030 Wien mit der Einbringung eines außerordentlichen Rechtsmittels beim VwGH oder VfGH bevollmächtigt, sollte der BF den Wunsch äußern, diese dahingehend anzurufen.
Das Erkenntnis, mit dem die Beschwerde gegen den Asylbescheid als unbegründete abgewiesen wurde, wurde am 04.01.2019 an die RV des BF zugestellt. Dieser Umstand gelangte dem BF jedoch erst am 30.01.2019 im Zuge seiner Einvernahme vor der belangten Behörde zur Kenntnis.
Der BF war vom 19.11.2018 bis zum 30.01.2019 in der XXXX in XXXX beim Verein "XXXX" gemeldet.
Mit Bescheid vom 20.11.2018 wurde dem BF (wie auch dessen Arbeitgeberin) eine Beschäftigungsbewilligung für die Tätigkeit als Küchengehilfe in der Zeit vom XXXX.2018 bis zum XXXX.2019 erteilt.
Der BF begann am 01.12.2018 im XXXX, welches von XXXX in XXXX in XXXX geleitet wird, als Küchengehilfe für einen monatlichen Bruttolohn von € 1.500,00 zu arbeiten. Seitdem war er auch an der Arbeitsadresse aufhältig und wohnhaft. An dieser Anschrift wurde der BF am 02.01.2019 (auch) mit Nebenwohnsitz angemeldet. Die Mutter der Cafe-Eigentümerin, XXXX, verabsäumte es aufgrund eines Verkehrsunfalls ihrer Mutter, den BF zeitgerecht mit Hauptwohnsitz an dieser Anschrift anzumelden.
Der BF verständigte 3 Wochen vor seinem in Aussicht genommenen Arbeitsbeginn einen Mitarbeiter des Vereins "XXXX" namens XXXX, darüber, dass er über eine Einstellungszusage verfüge und 3 Tage vor Arbeitsantritt über die Absicht, seinen Wohnsitz an diese Arbeitsstätte zu verlegen.
In letzter Konsequenz hatte die verspätete Verständigung des BF von der Existenz des asylabweisenden Erkenntnisses ihre Ursache einerseits im Organisationsversagen seiner Rechtsvertretung, anderseits in der verschuldeten Abstandnahme der Anmeldung durch XXXX. Er konnte daher vor Antritt der Schubhaft auch eine Kenntnis von der Verpflichtung zur Ausreise erlangen.
Am XXXX.2019 begaben sich Beamte der Polizeiinspektion XXXX (im Folgenden: PI XXXX) zum damaligen Hauptwohnsitz des BF in die XXXX, wo sie den BF nicht antreffen konnten und von einem Betreuer des Vereins "XXXX" die Auskunft erhielten, der BF sei seit Dezember 2018 verzogen. Den Beamten war zu diesem Zeitpunkt bekannt, dass der BF bereits seit 02.01.2019 einen Nebenwohnsitz in XXXX hatte. Dennoch nahmen sowohl diese davon Abstand, als auch erging von Seiten des Bundesamtes kein Auftrag, am Nebenwohnsitz des BF Nachschau zu halten, um abzuklären, ob sich dieser dort aufhält.
In seiner Freizeit trainiert des BF beim Judoverein XXXX und spielte bis zur Aufnahme seiner Arbeit mit anderen Unterkunftnehmern des Vereins "XXXX" vor Ort Fußball. Der BF eignete sich über "You-Tube" Kenntnisse der deutschen Sprache an.
Der BF würde nicht freiwillig in seine Heimat ausreisen und gab an, sich einer allfälligen Abschiebung widersetzen zu wollen.
Der BF pflegt zu seinem Arbeits- wie Freundesumfeld - hier insbesondere zu XXXX - eine sehr gute Beziehung. Letztere beschreibt ihn als sehr gute Arbeitskraft. Zu XXXX und XXXX, welche ihn als freundlichen, scheuen, humorvollen und höflich beschreiben, pflegt er eine nahezu elterliche Beziehung.
Der VF verfügte zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung über ein Guthaben in der Höhe von etwa € 3.000,00.
Der BF wurde am XXXX.2019 der afghanischen Botschaft in Wien vorgeführt, die Ausstellung eines Heimreisezertifikats noch nicht erwirkt. Sollte diese davon Abstand nehmen, liegt seitens der Botschaft dennoch eine Zustimmung zur Ausreise vor und könnte die belangte Behörde ein "Laissez-Passer" zwecks Abschiebung des BF ausstellen. Die Zusammenarbeit zwischen den afghanischen Behörden und dem BFA gestaltete sich bis dato positiv.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.
Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht in der mündlichen Verhandlung und auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.
Die Einreise des BF nach Österreich, der Verfahrensgang im Asylverfahren wie dessen Ausgang ergeben sich aus dem gegenständlich wie dem Akteninhalt des Erkenntnisses des BVwG vom 28.12.2018, Zahl W263 2180096-1/17E. Da am Tag der mündlichen Verhandlung, dem 07.02.2018, die 6wöchige Rechtsmittelfrist an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts noch offen war, stand es dem BF bis zum 15.02.2019 offen, sich mittels Beschwerde (VfGH) oder Revision (VwGH) an diese zu wenden. Die diesbezügliche Vollmacht der Mag. XXXX wurde in der mündlichen Verhandlung vorgelegt.
Die bisherigen Meldungen mit Haupt- und Nebenwohnsitz sind aus dem Inhalt des auf den Namen des BF lautenden Auszuges aus dem Zentralen Melderegister (ZMR) ersichtlich.
Die Zustellung des den Asylbescheid bestätigende Erkenntnisses an die RV des BF folgt dem Inhalt der Zustellbestätigung im dortigen Verfahren. Der RV hat im Zuge der mündlichen Verhandlung eingestanden, dem BF sei das besagte Erkenntnis nicht weitergeleitet worden, sodass dieser erst im Rahmen der Schubhaft von dessen Bestand und Inhalt gewusst habe. Auch die als Zeugin vernommene Barbara SCHMIDHOFER versicherte in der Verhandlung vor dem erkennenden Gericht glaubhaft, die Anmeldung des BF (mit Hauptwohnsitz) an seiner Arbeitsadresse wegen des Verkehrsunfalls ihrer Mutter vergessen und damit unterlassen zu haben.
Die Ausübung der Tätigkeit bei XXXX vom XXXX.2019 bis XXXX.2019 als Küchengehilfe und das dafür bezogene Entgelt sind den vorgelegten Lohnzetteln, den Angaben der Zeugin XXXX in der mündlichen Verhandlung wie den eigenen Ausführungen des BF zu entnehmen. Letztere bestätige auch, dass der BF diese Tätigkeit zur vollsten Zufriedenheit der Arbeitgeberin ausgeführt habe.
Die enge, elternähnliche Beziehung zu XXXX und XXXX haben diese in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll gegeben.
Die Tätigkeit im Judoverein XXXX wie die sonstigen Freizeitaktivitäten ergeben sich aus dem Vorbringen des BF in der mündlichen Verhandlung und wurden durch Fotos dokumentiert.
Die Aneignung von Deutschkenntnissen via "YouTube" hat der BF in der Verhandlung dargetan und durch die Beantwortung einiger Fragen auf Deutsch unter Beweis gestellt. In Ermangelung der Vorlage von Bestätigungen konnten keine Deutschkenntnisse eines bestimmten Niveaus festgestellt werden.
Die Nachschau von Beamten der PI XXXX am XXXX.2018 in der XXXX ist dem Inhalt des diesbezüglichen Berichtes vom selben Tag zu entnehmen. Darin ist auch festgehalten, dass der Polizei der seit XXXX.2018 bestehende Nebenwohnsitz des BF bekannt war. Anhaltspunkte für eine von diesen initiierte Nachschau in XXXX oder für einen diesbezüglichen Auftrag seitens der belangten Behörde gibt es nicht, zumal deren Vertreterin in der mündlichen Verhandlung ausführte, ihr sei dahingehend nichts bekannt. Auch die Festnahme des BF am XXXX.2019 wie das Fehlen von Hinweisen im Polizeibericht auf weitere Ermittlungsschritte sprechen für eine unterlassene Nachschau am Nebenwohnsitz.
Der Bestand der Beschäftigungsbewilligung folgt dem Inhalt des Erkenntnisses des BVwG vom 28.12.2018 und wurde auch vom BFA nicht in Frage gestellt.
Der fehlende Willen, in den Herkunftsstaat zurückzukehren sowie sich einer allfälligen Abschiebung zu widersetzen, ist dem Vorbringen des BF in der mündlichen Verhandlung zu entnehmen.
Die Verständigung des Betreuers des Vereins "XXXX" über den Wohnsitzwechsel und die Einstellungszusage ergeben sich aus den dahingehend glaubwürdigen Angaben des BF in der Verhandlung und widerstritte eine gegenteilige Ansicht der Konsistenz seiner bisherigen Aussagen.
Der Bestand der dem BF am 07.02.2019 zur Verfügung stehenden Barmittel ergibt sich aus dem Inhalt der Referentenauskunft vom 04.02.2019, welche auf dem Haftkonto einen Betrag von 3.337,06 ausweist.
Die Vorführung des BF vor die afghanische Botschaft, die Möglichkeit der Abschiebung via "Laisser-Passez", die bisher noch nicht erwirkte Erlassung eines HRZ sowie die gute Zusammenarbeit mit der afghanischen Botschaft folgen den Angaben der Behördenvertretung in der mündlichen Verhandlung.
Wenn die Vertreterin der belangten Behörde in der mündlichen Verhandlung meinte, es habe zum Zeitpunkt der Festnahme des BF sehr wohl von der Ausübung einer illegalen Beschäftigung ausgegangen werden können, weil die Voraussetzungen für den Bestand der Beschäftigungsbewilligung nicht mehr vorgelegen hätten, so übersieht sie, dass der BF zu diesem Zeitpunkt vom Bestand des asylabweisenden Erkenntnisses noch keine Kenntnis hatte und die Behörde - wie bereits erwähnt - ab 22.01.2019 weitere Ermittlungsschritte hinsichtlich des Aufenthaltes des BF unterlassen hat. Angesichts der Beschäftigungsbewilligung, die auch für die Arbeitgeberin des BF galt und der Nennung des Nebenwohnsitzes im ZMR-Auszug des BF wäre ihr dies leicht möglich gewesen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Stattgebung der Beschwerde betreffend Schubhaftbescheid und Anhaltung in Schubhaft
Gemäß § 46 Abs. 1 FPG sind Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint (Z 1), sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind (Z 2), auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen (Z 3), oder sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind (Z 4).
Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 FPG in der geltenden Fassung FrÄG 2017, BGBl. I. Nr. 145/2017, lautet:
"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."
Der mit "Gelinderes Mittel" betitelte § 77 FPG in der geltenden Fassung BGBl. I Nr. 70/2015 lautet:
"§ 77. (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.
(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.
(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
3. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.
(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.
(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.
(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.
(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.
(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen."
Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a BFA VG in der geltenden Fassung BGBl. I Nr. 70/2015 lautet:
"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn
1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,
2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder
3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.
(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.
(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."
Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist oder wenn die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-VO vorliegen (§ 76 Abs. 2 FPG). Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138). Schubhaft erfordert nämlich keine Gewissheit darüber, dass es letztlich zu einer Abschiebung kommen könnte. Sie muss sich nach Lage des Falles bloß mit ausreichender Wahrscheinlichkeit als möglich darstellen (VwGH 11.05.2017, Ro 2016/21/0021).
Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann (vgl. zum Grad der sozialen Verankerung in Österreich VwGH 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498).
Die Anhaltung eines Asylwerbers in Schubhaft kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn besondere Umstände vorliegen, die im jeweiligen Asylverfahrensstadium ein Untertauchen des betreffenden Fremden befürchten lassen (vgl. VwGH 05.07.2011, Zl. 2008/21/0080 mwN). Dabei bedarf es in dem frühen Verfahrensstadium (etwa vor Einleitung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme) besonderer Umstände, die ein Untertauchen des betreffenden Fremden schon zu diesem Zeitpunkt konkret befürchten lassen. In einem späteren Stadium des Asylverfahrens, insbesondere nach Vorliegen einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung oder Anordnung zur Außerlandesbringung, können dann unter Umständen auch weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung für die Annahme eines Sicherungsbedarfs genügen (vgl. VwGH 23.09.2010, Zl. 2007/21/0432 mwN).
3.1.3. Die Anwendung dieser Rechtslage auf den hier maßgeblichen Sachverhalt ergibt Folgendes:
Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist somit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er verfügt zwar über keine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet und besteht gegen ihn eine aufrechte und rechtskräftige Rückkehrentscheidung hinsichtlich des von ihm im Asylverfahren angegebenen Herkunftsstaates Afghanistan.
Zu beachten ist doch, dass dem Handeln des BF keine Fluchtgefahr entnommen werden kann. Abgesehen davon, dass er keine Kenntnis vom Bestand der negativen Rückkehrentscheidung hatte, stand es ihm zum Zeitpunkt der Festnahme noch immer frei, dagegen ein Rechtsmittel an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts anzustreben. Dieses Ansinnen manifestierte sich durchaus in der Bestellung der Mag. XXXX als Vertreterin für ein allfälliges Verfahren vor dem VfGH oder VwGH. Somit konnte am Tag der Festnahme noch nicht von einer endgültigen Rechtskraft der Rückkehrentscheidung und Zulässigkeit der Abschiebung ausgegangen werden. Auch sonst setzte der BF kein für eine Fluchtgefahr typisches Verhalten. Weder tauchte er unter, noch setzte er sich von seinem Nebenwohnsitz ab noch gab es Hinweise darauf, dass er nicht weiterhin seiner Beschäftigung nachgehen werde. Die Aussage, nicht freiwillig nach Afghanistan zurückkehren und sich der Abschiebung widersetzen zu wollen, birgt für sich allein keine Fluchtgefahr in sich. Auch Unmutsäußerungen vor der afghanischen Botschaft können für sich genommen nicht in diese Richtung gedeutet werden. Die diesbezügliche Rechtsprechung des VwGH ist unmissverständlich, insbesondere, wenn der BF tatsächlich noch nicht untergetaucht ist und über einen festen Wohnsitz verfügt VwGH 22.05.2007, Zahl 2006/21/0052; 29.04.2008, 2008/21/0085, 28.02.2008, 2007/21/0512).
Insoweit die belangte Behörde in ihrer Würdigung auch davon ausging, dass ein konkreter Sicherungsbedarf für die Durchführung einer Abschiebung sowie die Erforderlichkeit der Schubhaft als einzige geeignete Sicherungsmaßnahme gegenüber der Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG und auch die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft gegeben waren, begegnet dies vor dem Hintergrund des soeben Gesagten, sehr wohl Bedenken. Die belangte Behörde hätte nicht nur ein gelinderes Mittel erlassen, sondern dem BF alternativ die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit auftragen können.
Eine Gesamtabwägung aller angeführten Umstände ergibt daher, dass das Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Abschiebung überwiegt und kein konkretes Sicherungsbedürfnis bestanden hat. Die belangte Behörde konnte somit unter den gegebenen Umständen nicht von einer Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG ausgehen. Auch erweist sich die bisherige Anhaltung in Schubhaft bei Abwägung aller betroffenen Interessen nicht als verhältnismäßig.
Da die belangte Behörde zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen war, dass sich der BF der zu sichernden Abschiebung entziehen könnte und sie den gegenständlichen Bescheid auf die im Spruch angeführten Rechtsvorschriften gestützt hat, war der Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm. § 76 Abs. 2 Z 1 FPG hinsichtlich des Schubhaftbescheides und der darauf gestützten Anhaltung stattzugeben.
3.2. Vorliegen der maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft (Spruch A.II.):
3.2.1. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
Den oben unter Punkt 3.1. dargelegten Erwägungen zum Vorliegen eines konkreten Sicherungsbedarfs und zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft kam auch zum Zeitpunkt dieser Entscheidung keine Geltung mehr zu.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände konnte auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht von einem verstärkten Sicherungsbedarf ausgegangen werden, zumal der BF eine Beschäftigung ausübte, über eine gesicherte Unterkunft verfügte, keine Anstalten machte, eine Flucht anzutreten und auch über ein gutes soziales Umfeld verfügt.
Aus den eben dargelegten Umständen und insbesondere auch unter Berücksichtigung der sozialen Bindungen in Österreich ist aktuell nicht von einer erheblichen Fluchtgefahr auszugehen.
Aus dem bisher Gesagten ergibt sich, dass - wie bereits erwähnt - ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 Abs. 1 FPG geeignet wäre, dem Sicherungsbedarf des BF gerecht zu werden.
Eine auf den vorliegenden Einzelfall bezogene Gesamtabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Abschiebung einerseits und der Schonung der persönlichen Freiheit andererseits ergibt somit, dass das Interesse des BF das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Schubhaft überwiegt.
Die fortgesetzte Anhaltung in Schubhaft erwies sich daher zum Zweck der Sicherung der Abschiebung als nicht mehr notwendig und somit unverhältnismäßig. Die Anhaltung in Schubhaft konnte daher zum Entscheidungszeitpunkt aus diesem Gesichtspunkt nicht mehr fortgesetzt werden.
Es war daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen nicht Voraussetzungen vorliegen.
3.3. Zu den Anträgen auf Ersatz der Aufwendungen (Spruchpunkte A.III. und A.IV.):
Gemäß § 35 Abs. 7 VwGVG ist Aufwandersatz nur auf Antrag einer Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.
Da die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft abgewiesen und das Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft ausgesprochen wurde, ist die belangte Behörde gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG obsiegende und die beschwerdeführende Partei unterlegene Partei.
§ 1 der VwGVG-Aufwandersatzverordnung lautet:
"§ 1. Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge wird wie folgt festgesetzt:
1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro
2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 922,00 Euro
3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 57,40 Euro
4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 368,80 Euro
5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 461,00 Euro
6. Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 553,20 Euro
7. Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 276,60 Euro"
Die belangte Behörde hat fristgerecht beantragt, dem Bund Kostenersatz im Umfang des Vorlage- und Schriftsatzaufwandes sowie des Verhandlungsaufwandes zuzusprechen.
Der BF begehrte den Zuspruch von Aufwendungen gemäß VwG-Aufwandersatzverordnung sowie der Kommissionsgebühren und Barauslagen. Aus dem gesamten Sachverhalt ergibt sich unmissverständlich, dass wegen der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung den € 922,00 € 737,60 hinzuzuzählen waren. Es handelt sich somit um einen berichtigungsfähigen Rechenfehler. Dem BF waren daher gesamthaft betrachtet € 1.659,60 an Aufwandersatz zuzusprechen und der Spruch in der mündlich verkündeten Entscheidung dahingehend zu berichtigen und dem BF als obsiegender Partei dieser Betrag zuzusprechen.
Der in der Beschwerde gestellte Antrag der belangten Behörde auf Ersatz der Aufwendungen im beantragten Umfang war gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abzuweisen, weil sie (gänzlich) unterlegene Partei ist und ein Aufwandersatz somit nicht in Betracht kommt.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
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