AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:W236.2192366.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Lena BINDER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Russische Föderation, vertreten durch Rechtsanwalt Edward W. DAIGNEAULT, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.03.2018 Zl. 1073910907/150687980 ATB, zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und festgestellt, dass gemäß § 9 Abs. 2 und Abs. 3 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist, sowie XXXX gemäß § 54 Abs. 1 Z 2, § 58 Abs. 2 iVm § 55 Abs. 1 AsylG 2005 eine "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, reiste am 01.04.2015 von der Russischen Föderation mit einem Schengen Visum, das bis 01.10.2015 gültig war, über Madrid in die Europäische Union ein und begab sich folglich in das österreichische Bundesgebiet.
Mittels Formular stellte der Beschwerdeführer durch seine Mutter am 01.06.2015 einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK "Aufrechterhaltung des Privat und Familienlebens" gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 und begründete den Antrag damit, seine Mutter sei in Österreich aufhältig und habe einen unbefristeten Aufenthaltstitel, Daueraufenthalt -EU, Karte gültig bis 12.02.2019; sie würden im gemeinsamen Haushalt leben. Die Mutter sei mit einem Österreicher verheiratet, der Beschwerdeführer entstamme einer früheren Beziehung und sei bei seiner Großmutter nahe XXXX aufgewachsen. Der Beschwerdeführer habe in der Russischen Föderation die Schule besucht und eine Ausbildung an der Hochschule absolviert, er habe allerdings nur als Hilfsarbeiter gearbeitet. Noch in Russland sei beim Beschwerdeführer paranoide Schizophrenie diagnostiziert worden, er habe einige Suizidversuche unternommen und sei mehrmals stationär aufgenommen worden, zuletzt von Februar bis April 2014. Die Großmutter sei schließlich schwer erkrankt und im Februar 2015 verstorben, er habe nun kein einziges in Russland lebendes Familienmitglied mehr. Er sei nicht in der Lage, den Alltag alleine zu bewältigen trotz entsprechender Medikation. Der Beschwerdeführer vergesse auch auf die Einnahme seiner Tabletten, weshalb er engmaschige Betreuung bedürfe. Seine Mutter sei ohne Erwerbseinkommen und beziehe Notstandshilfe. Seit der Beschwerdeführer bei seiner Mutter sei, seiner einzig verbliebenen Bezugsperson, habe sich sein Zustand stabilisiert, sie gebe ihm ein Gefühl der Sicherheit. Dennoch sei er manchmal in sehr schlechter psychischer Verfassung und könne die Wohnung nicht verlassen. Wenn der Beschwerdeführer zurück in sein Heimatland müsse, wo er über kein enges familiäres Umfeld mehr verfüge, würde er keinesfalls alleine zurechtkommen, weswegen für ihn Gefahr für sein Leben bestünde.
Der Beschwerdeführer legte im Laufe seines Verfahrens folgende Unterlagen vor, die aus dem Russischen beglaubigt ins Deutsche übersetzt wurden:
- Geburtsurkunde in russischer Sprache samt beglaubigter Übersetzung;
- russischer Auslandsreisepass;
- zwei Auszüge aus den Krankenakten des Beschwerdeführers einer psychoneurologischen Führsorgestelle in der Russischen Föderation vom 23.11.2010 und vom 28.08.2014, wonach der Beschwerdeführer mehrmals wegen akuten Schüben mit paranoider Symptomatik ins Krankenhaus eingeliefert wurde und in den Jahren 2011, 2012 und 2014 mehrere Monate stationär aufgenommen wurde; Diagnose: Schizophrenie, paranoide Form, kontinuierlicher Verlaufstypus, Emotions- und Willensdefekt, Therapeutische Remission;
- Mietvertrag über die Wohnung der Mutter, in welcher auch der Beschwerdeführer lebt;
- Versicherungsdatenauszug der österreichischen Sozialversicherung der Mutter des Beschwerdeführers;
- Bestätigungsschreiben des AMS über den Bezug der Notstandshilfe der Mutter des Beschwerdeführers vom 10.05.2015 bis 07.05.2016;
- österreichische Heiratsurkunde der Mutter des Beschwerdeführers;
- Auftrag zur Registrierung einer Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger vom 23.10.2015 für den Beschwerdeführer;
- Bestätigung über eine Registrierung der Mutter des Beschwerdeführers im österreichischen zentralen Vertretungsverzeichnis über die Vertretung des Beschwerdeführers bei Alltagsgeschäften/Rechtsgeschäften des täglichen Lebens, Rechtsgeschäfte zur Deckung des Pflegebedarfs, Geltendmachung von sozialen Ansprüchen und Entscheidungen über medizinische Behandlungen, soweit nicht mit schwerwiegenden Folgen verbunden beginnend mit 23.10.2015;
- psychiatrischen Befund einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom 13.03.2015, wonach der Beschwerdeführer unter paranoider Schizophrenie leide und bereits in Russland mehrmals wegen akuter Psychose mit Suizidgefahr in stationärer Behandlung gewesen sei, der letzte Aufenthalt von Februar bis April 2014. Der Patient sei im Rahmen seiner Krankheit weder realitätsfähig noch krankheitseinsichtig und sei auf die regelmäßige Einnahme von Neuroleptika und einer Tagesstrukturierung angewiesen. Er benötige dafür unbedingt die Unterstützung seiner Mutter, die in XXXX lebe. Während seines Aufenthaltes in Österreich bei seiner Mutter habe sich sein psychischer Zustand deutlich gebessert. Eine Rückkehr in die Russische Föderation, wo der Beschwerdeführer keine Angehörige und keine Stütze habe, könne mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer deutlichen Verschlechterung seines psychischen Zustandes im Rahmen paranoider Schizophrenie mit drastischen Folgen führen;
- Krankenversicherungsbeleg (des Beschwerdeführers) für grundversorgte Personen vom 20.06.2016.
2. Mit Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 22.02.2016 wurde der Beschwerdeführer einstweilig für die Vertretung im anhängigen Verfahren bzgl. Aufenthaltstitel besachwaltert.
3. Aus dem vom Bezirksgericht XXXX eingeholten psychiatrischen und neurologischen Sachverständigengutachten vom 10.03.2016 ist zu entnehmen, dass am 26.01.2016 ein Sachwalterschaftsverfahren von der Mutter des Beschwerdeführers für diesen angeregt worden sei. Am 10.03.2016 habe durch die Sachverständige eine Untersuchung des Beschwerdeführers stattgefunden, welcher gemeinsam mit seiner Mutter in einer 1-Zimmer Wohnung lebe. Dieses Gutachten kam zu der psychiatrischen Diagnose, dass beim Beschwerdeführer hinweislich eine Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis mit Chronifizierungscharakter, am ehesten zuzuordnen einer paranoiden Schizophrenie, unbehandelt, F 20.0 - chronisch undifferenziert, DD:
F20.5 vorliege. Die vom Gericht gestellten Fragen wurden im Gutachten folgendermaßen beantwortet worden:
Ob aus psychiatrischer- neurologischer Sicht der Betroffene in der Lage ist, seine Angelegenheiten selbst gehörig zu besorgen bzw. für welche Angelegenheiten er der Beigebung eines Sachwalters bedarf:
Beim Betroffenen bestehe seit vielen Jahren eine Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis, am ehesten zuzuordnen wohl einer paranoiden Schizophrenie mit Chronifizierungscharakter bzw. undifferenziertes schizophrenes Geschehen, zum jetzigen Zeitpunkt unbehandelt. Laut Außenanamnese gehe der Beschwerdeführer nicht außer Haus, auch nicht zu regelmäßigen ärztlichen Behandlungen, weil er diese ablehne. Die Mutter mache für ihn mehr oder minder alles, auch im Haushalt, er sei meist beschäftigt mit Fahren eines Pedalometers. Aus der Außenanamnese mit der Mutter sei hervorgekommen, dass der Umgang mit dem Beschwerdeführer oft sehr schwierig sei und es oft bei ihm zu Impulskontrollstörungen komme. Es sei davon auszugehen, dass im Rahmen des schizophrenen Störungsgeschehens schwerste kognitive Basis- und Primärstörungen vorliegen sowie eine sehr gestörte Anpassung, was seine sozialen Fähigkeiten anbelange. Es bestehe ein nicht ausreichend zielführender Gedankenablauf, eine hinweisliche Herabsetzung der Kritikfähigkeit und wohl auch der Auffassung. Die Thymopsyche sei gestört, in seiner affektiven Resonanz sei er fassbar eingeschränkt bzw. in seiner Affektivität äußerst labil sowie auch Störung der Stimmung und Befindlichkeit. Im Laufe der Jahre sei bei ihm nie eine Krankheitseinsicht erreicht worden. Zum jetzigen Zeitpunkt könne ihm eine psychische Erkrankung testiert werden.
Im Rahmen seiner psychischen Erkrankung, einer nicht ausreichenden Kritikfähigkeit, Realitätserfassung sowie Überblicksgewinnung und Planungsfähigkeit und vor allem des Nichterkennens der damit verbundenen Selbstfürsorgedefizite sei er insgesamt in seiner sogenannten exekutiven Funktionsfähigkeit in höherem Maße als eingeschränkt anzusehen, vor allem im Verfahren um Aufenthalt, Pflegegeld, einschließlich sozialgerichtlichem Verfahren, im Sinne auch eines "Nicht-mehr-erkennen-Könnens" für Setzen von Schritten zur Wahrung seiner sozialen Situation. Zusammenfassend entspreche das festgestellte Zustandsbild einem psychisch krankheitswertigen Geschehen - Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis mit Selbstfürsorgedefiziten - psychosoziale Funktionseinschränkung sowie einer schwer herabgesetzten Informationsverarbeitung. Im Gesamtbild zeigen sich auch eine schwere Verhaltensstörung und eine schwer beeinträchtigte Realitätswahrnehmung.
Die Voraussetzungen für eine Sachwalterschaft würden vorliegen, diese werde empfohlen für Vertretung vor Ämtern, Behörden, Gerichten und Sozialversicherungsträgern, Rechtsgeschäfte, die über jene des täglichen Lebens hinausgehen; Bestimmung des Aufenthaltsortes.
Das Beisein bei einer Verhandlung sei dem Wohle des Betroffenen nicht abträglich anzusehen, er bräuchte aber eine Begleitung.
Die Testierfähigkeit sei nur eingeschränkt vorhanden im Rahmen der psychischen Erkrankung. Sollte ein Testament gemacht werden, sollte dies vor einem Notar oder Gericht gemacht werden, um zum gegebenen Zeitpunkt die Freiheit des Willensentschlusses zu prüfen und zu prüfen, ob der Beschwerdeführer frei von Einflüssen etwaiger Dritter sei und ob er fähig sei, den Inhalt eines Testamentes von sich aus zu bestimmen und auszudrücken.
4. Mit Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 10.05.2016 wurde der Beschwerdeführer für die Vertretung vor Gerichten, Ämtern, Behörden und Sozialversicherungsträgern sowie für die Bestimmung seines Aufenthaltes besachwaltert, da der Beschwerdeführer nicht in der Lage sei, diese Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich zu besorgen.
5. Mit Stellungnahme vom 13.05.2016 führte die Sachwalterin des Beschwerdeführers aus, dass der Beschwerdeführer schwerstens psychisch erkrankt sei und im gemeinsamen Haushalt mit seiner in Österreich daueraufenthaltsberechtigten Mutter lebe, die sich rund um die Uhr um ihn kümmere. Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) habe mehrfach betont, dass die jeweiligen Umstände des Einzelfalles zu prüfen wären, ob eine Aufenthaltsbeendigung eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten würde. Der Beschwerdeführer interagiere wegen seiner Erkrankung nicht mit anderen Menschen, ohne die Unterstützung der Mutter in allen Lebenslagen wäre er nicht lebensfähig. Familiäre Beziehungen kranker Personen könnten besondere Bedeutung beigemessen werden, wenn die Beibehaltung einer stabilen familiären Umgebung medizinisch indiziert sei. Aus dem eingeholten Gutachten sei ersichtlich, dass dem Beschwerdeführer eine Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis mit Selbstfürsorgedefiziten, eine psychosoziale Funktionseinschränkung sowie eine schwer herabgesetzte Informationsverarbeitung diagnostiziert worden seien. Das Bezirksgericht habe dem Beschwerdeführer daher einen Sachwalter zur Seite gestellt. Zum Integrationsgrad sei die familiäre Bindung zur Mutter, die enge lebensnotwendige psychiatrische Behandlung und seine passiven Deutschkenntnisse zu berücksichtigen. Auf Grund seines hohen Bildungsgrades, den er bei noch besserer psychischer Gesundheit in Russland erlangen habe können, erfülle der Beschwerdeführer auch das Modul 2 der Integrationsvereinbarung des NAG, weil er einen Schulabschluss und ein Studium absolviert habe, womit er über die allgemeine Universitätsreife in Österreich verfüge. In der Russischen Föderation gebe es keine Verwandten mehr, seine Großmutter sei bereits verstorben, auch das Wohnhaus in dem er mit der Großmutter gelebt habe, habe die Familie nicht mehr. Zwischen 2010 und 2014 sei der Beschwerdeführer rund drei Mal aufgrund seines krankheitsbedingten auffälligen Verhaltens festgenommen und misshandelt worden. Es sei unter dem Gesichtspunkt des § 9 Abs. 2 Z 5 BFA-VG unter dem Aspekt der Bindungen zum Heimatstaat auch auf die Frage der Möglichkeiten zur Schaffung einer Existenzgrundlage bei einer Rückkehr in den Heimatstaat Bedacht zu nehmen. Er hätte dort keine Versicherung, würde keine soziale Unterstützung erhalten und liefe Gefahr diskriminiert, misshandelt oder zwangsbehandelt zu werden. Bei der Beurteilung sei auch zu beachten, ob eine Fortsetzung des gemeinsamen Familienlebens außerhalb Österreichs möglich sei bzw. ob zB auf Grund einer aus Asylgründen bedingten Trennung der Eingriff in das Familienleben als unzulässig zu werten sei. Der Mutter des Beschwerdeführers wäre es nicht möglich, mit ihm nach Russland zu übersiedeln und ihn dort zu pflegen. Sie habe keinerlei Existenzgrundlage, es würden auch die finanziellen Mittel fehlen, um die erforderlichen medizinischen Leistungen in Anspruch zu nehmen. Sie wäre auch von ihrem österreichischen Ehemann getrennt, der sie aus gesundheitlichen und finanziellen Gründen nicht in die Russische Föderation begleiten könnte. Österreich sei damit der einzig mögliche und zumutbare Ort für ein gemeinsames Familienleben des Beschwerdeführers mit seiner Mutter und seinem Stiefvater.
6. Mit letztmaligem Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 20.03.2018 wurde Edward W. DAIGNEAULT zum Sachwalter des Beschwerdeführers bestellt.
7. Einem Schreiben des polizeiärztlichen Dienstes vom 01.02.2018 ist zu entnehmen, dass eine Ladung des Beschwerdeführers auf Grund der vorliegenden Befunde nicht möglich sei. Die Behandlung der Erkrankung "paranoide Schizophrenie" sei laut Staatendokumentation auch in Russland möglich, weshalb eine Rückführung des Beschwerdeführers durchaus möglich sei.
8. In einer Stellungnahme vom 14.02.2018 führte der Sachwalter des Beschwerdeführers aus, dass der Beschwerdeführer auf Grund seiner Erkrankung die Wohnung nicht verlassen und Besorgungen des täglichen Lebens oder notwendige Behördengänge nicht erledigen könne. Es sei ihm daher auch nicht möglich gewesen, den Termin am 16.01.2018 beim Bundesamt wahrzunehmen. Es sei festgestellt worden, dass keine Angehörigen des Beschwerdeführers in der Heimat leben und auch eine Besachwalterung des Beschwerdeführers im Heimatstaat nicht möglich wäre. Aufgrund seiner Erkrankung sei er nicht in der Lage, sich um sich selbst zu kümmern und es gebe niemanden, der dies für ihn in der Russischen Föderation übernehmen würde. Eine zielführende Behandlung in Form einer Therapie sei ebenfalls nicht möglich, die einzige Behandlungsmöglichkeit erfolge mittels Psychopharmaka zur Unterdrückung der Symptome.
9. Mit Bescheid vom 07.03.2018, Zl. IFA: 1073910907/150687980 ATB wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.) und erließ gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG (Spruchpunk II). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt III.) und ausgesprochen, dass die Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).
Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl darin aus, dass der Beschwerdeführer in Russland aufgewachsen, dort zur Schule gegangen sei und einen Hochschulabschluss gemacht habe, in Österreich sei er hingegen nicht integriert und spreche kaum Deutsch. Er sei mit einem Schengen Visum nach Österreich eingereist, halte sich jedoch seit dem 01.10.2015 illegal in Österreich auf und habe somit versucht, die Einwanderungsvorschriften zu umgehen. Der Beschwerdeführer sei volljährig und lebe mit seiner Mutter in einer Wohnung in XXXX, am sozialen Leben nehme er nicht teil und lehne medizinische Angebote weitgehend ab. Er leide an einer paranoiden Schizophrenie. Sein Privatleben sei zu einem Zeitpunkt entstanden, in der ihm sein unsicherer Aufenthalt bewusst gewesen sein müsste. Eine Einvernahme des Beschwerdeführers durch das Bundesamt habe nicht realisiert werden können. Aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation gehe hervor, dass eine Behandlung und Betreuung sowie Therapie seiner Erkrankung in Russland möglich sei. Die medizinischen Voraussetzungen wären gegeben und die Medikamente verfügbar. Eine polizeiärztliche Stellungnahme des polizeiärztlichen Dienstes habe die Unbedenklichkeit einer Behandlung seiner Erkrankung in Russland bescheinigt, weshalb eine Rückführung nach Russland möglich sei. Es lägen keine derart außergewöhnlichen Umstände vor, die eine Außerlandesschaffung des Beschwerdeführers mit Art. 3 EMRK nicht vereinbar erscheinen ließen. Er sei in Österreich nie in stationärer Behandlung gewesen und zeige nur bedingt eine Krankheitseinsicht. Es bestehe weder ein dringender Bedarf oder rechtlicher Anspruch auf eine Behandlung durch das österreichische Gesundheitssystem noch auf die Betreuung durch die Mutter.
Es habe weder ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis zu seiner Mutter festgestellt werden können, noch sei eine Beibehaltung dieser familiären Umgebung medizinisch indiziert. Auch aus der Dauer seines illegalen Verbleibs in Österreich könne kein Anspruch auf einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK erwachsen.
10. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 10.04.2018 fristgerecht Beschwerde, mit welcher er den Bescheid in vollem Umfang anfocht. Begründend führte er aus, dass seine Mutter die einzige Verwandte sei, die er habe und die sich um ihn kümmere, was für ihn lebenswichtig sei, weil er nicht einsichtsfähig sei und sich für gesund halte. Er könne sich nicht selbst versorgen, kein Essen zubereiten oder die Wohnung sauber halten. Seine Mutter könne ihn dazu bringen seine Medikamente einzunehmen, wodurch er weniger aggressiv reagiere und auch gegenüber Nachbarn nicht als aggressiv auffalle. Er gehe nicht aus dem Haus, weil er in Russland von Leuten zusammen geschlagen worden sei, die sich vor ihm gefürchtet hätten. Deshalb sei er in Russland auch öfter in der Psychiatrie gewesen, wo sie ihn "niedergespritzt" hätten. Er habe in XXXX gelebt, das außerhalb Moskaus liege, wo die psychiatrische Betreuung nicht so gut wie in Moskau sei. Seine Großmutter habe den Ärzten Geld zugesteckt, so habe er eine gute Behandlung bekommen, nun wäre dies nicht mehr möglich und man würde ihn ums Leben bringen. Sein Vater, der ebenfalls psychiatrisch auffällig gewesen sei, sei in einem psychiatrischen Krankenhaus verschwunden. Es bedürfe eines Gutachtens zur psychiatrischen Versorgung am Land. Da er nicht in Moskau registriert sei, würden ihn die Kliniken, die in einem besseren Zustand wären, nicht aufnehmen. Der Beschwerdeführer verweise auf einen youtube link, in welchem die Zustände der psychiatrischen Anstalten in Russland beschrieben würden. Es könne nicht gesagt werden, dass psychiatrische Krankheiten in der gesamten Russischen Föderation behandelt werden könnten, jedenfalls sei eine Behandlung kostenintensiv.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 01.06.2015, der schriftlichen Stellungnahmen des Beschwerdeführers, des Bescheides vom 07.03.2018, der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der Einsichtnahme in die bezughabenden Gerichts- und Verwaltungsakten sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, Zentrale Fremdenregister, Strafregister und Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, seine Identität steht fest und ist aus dem Spruchkopf der vorliegenden Entscheidung ersichtlich.
Der Beschwerdeführer reiste mit einem gültigen Schengen Visum im Mai 2015 nach Österreich ein und stellte am 01.06.2015 den gegenständlichen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 aus Gründen des Art. 8 EMRK zum Zwecke der Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens (Aufenthaltsberechtigung).
Vor seiner Ausreise lebte der Beschwerdeführer bei seiner Großmutter in XXXX, naheXXXX. Er besuchte in der Russischen Föderation die Schule und schloss ein Hochschulstudium (Geographie Lehramt) ab. Der Beschwerdeführer leidet unter paranoider Schizophrenie, die Diagnose wurde bereits in seinem Herkunftsstaat gestellt, er befand sich auch bereits dort in psychiatrischer Behandlung und war mehrmals in psychiatrischen Anstalten aufhältig. Der Beschwerdeführer lebte mit seiner Großmutter, die Ärztin war, im gemeinsamen Haushalt, sie kümmerte sich um den Beschwerdeführer. Nach deren Tod verschlimmerte sich der psychische Zustand des Beschwerdeführers drastisch, so dass seine Mutter ihn nach Österreich holte, um sich um ihn zu kümmern. Die Mutter verfügt in Österreich über einen Aufenthaltstitel Daueraufenthalt EU und ist seit 2003 mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet, seit dem Jahr 2010 bezieht sie in Österreich Notstandshilfe.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
Für den Beschwerdeführer wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts XXXXvom 10.05.2016 gemäß § 268 ABGB ein Sachwalter für die Besorgung folgender Angelegenheiten bestellt: Vertretung vor Gerichten, Ämtern, Behörden und Sozialversicherungsträgern und Bestimmung des Aufenthaltes. Er ist nicht in der Lage diese Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich zu besorgen. Er ist nicht einvernahme - bzw. verhandlungsfähig.
Der Beschwerdeführer leidet seit vielen Jahren an einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis, am ehesten zuzuordnen einer paranoiden Schizophrenie mit Chronifizierungscharakter bzw. undifferenziertes schizophrenes Geschehen. Außerdem bestehen eine schwere Verhaltensstörung sowie eine schwer beeinträchtigte Realitätswahrnehmung. Bei ihm liegen schwerste kognitive Basis- und Primärstörungen im Rahmen des schizophrenen Störungsgeschehens vor. Durch seine sehr gestörte Anpassung sind auch seine sozialen Fähigkeiten stark eingeschränkt.
Im Rahmen seiner psychischen Erkrankung, einer nicht ausreichenden Kritikfähigkeit, Realitätserfassung sowie Überblicksgewinnung und Planungsfähigkeit und vor allem des Nichterkennens der damit verbundenen Selbstfürsorgedefizite ist der Beschwerdeführer insgesamt in seiner exekutiven Funktionsfähigkeit in höherem Maße eingeschränkt, vor allem im Verfahren um Aufenthalt, Pflegegeld, einschließlich sozialgerichtlichem Verfahren und "Nicht-mehr-erkennen-Könnens" für Setzen von Schritten zur Wahrung seiner sozialen Situation.
Der Beschwerdeführer befindet sich in psychiatrischer Behandlung und ist auf die Einnahme von Medikamenten angewiesen.
Der Beschwerdeführer lebt gemeinsam mit seiner Mutter in einer Einzimmerwohnung. Er befindet sich seit 08.06.2016 in Grundversorgung und ist seitdem krankenversichert. Die Mutter bezieht monatlich ca. € 780,- in Form von Notstandshilfe.
Der Beschwerdeführer verlässt die Wohnung nicht und lehnt regelmäßige ärztliche Behandlung ab, Krankheitseinsicht ist nicht gegeben. Seine Mutter ist seine einzige Bezugsperson, sie hat einen Zugang zum Beschwerdeführer gefunden und kümmert sich in allen Angelegenheiten des täglichen Lebens um ihn. Dennoch fällt auch ihr der Umgang mit ihm schwer, es kommt beim Beschwerdeführer oft zu einer Impulskontrollstörung, in der er auch aggressiv gegenüber der Mutter ist.
Es liegt ein deutliches Selbstfürsorgedefizit des Beschwerdeführers vor, er ist nicht fähig, alleine für sich zu sorgen und auf die tägliche Versorgung durch seine Mutter angewiesen, die im Haushalt alles erledigt. Der Beschwerdeführer ist lediglich in der Lage sich selbst zu waschen, alles andere übernimmt seine Mutter für ihn. Die Medikamenteneinnahme muss überwacht werden, da er diese sonst nicht einnimmt, was eine gravierende Verschlechterung seines Gesundheitszustandes zur Folge hätte.
In der Russischen Föderation leben keine Verwandten oder nahen Angehörigen des Beschwerdeführers.
Die Erkrankung des Beschwerdeführers ist in der Russischen Föderation behandelbar. Auf Grund seines Krankheitsbildes und der damit verbundenen psychosozialen Funktionseinschränkung, sowie einer schwer herabgesetzten Informationsverarbeitung würde er im Falle seiner Rückkehr in die Russische Föderation mit erheblicher Wahrscheinlichkeit in eine schwere Notsituation geraten.
2. Beweiswürdigung:
Der festgestellte sowie oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsakts des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsakts des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers und seiner Staatsangehörigkeit gründen sich auf seinen in Vorlage gebrachten russischen Auslandreisepass. Das Verwandtschaftsverhältnis zu seiner Mutter konnte aufgrund der vorlegten russischen Geburtsurkunde des Beschwerdeführers festgestellt werden.
Die Feststellungen zur persönlichen und familiären Situation des Beschwerdeführers ergeben sich aus den Angaben seiner Mutter und den vorgelegten Unterlagen sowie den eingeholten und im Akt einliegenden Sachverständigengutachten.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen sich auf das vom Bezirksgericht XXXX im Sachwalterschaftsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten vom 10.05.2016, das ausführlich und nachvollziehbar auf alle relevanten Punkte eingeht.
Die endgültige Bestellung eines Sachwalters für den Beschwerdeführer ergibt sich aus dem Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 10.05.2016 bzw. dem aktuellsten Beschluss des Bezirksgerichts vom 20.03.2018.
Die Feststellung zur strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zur dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung sowie Erteilung eines Aufenthaltstitels:
3.1.1. Das AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017, lautet auszugsweise:
"Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme
§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.
(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.
Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK
§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn
1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.
(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine ‚Aufenthaltsberechtigung' zu erteilen."
[...]
"Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz
§ 57 (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt."
"Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln
Antragstellung und amtswegiges Verfahren
§ 58 (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,
4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder
5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.
(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitel gemäß § 55 von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.
(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 oder 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Abs. 3) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Abs. 11 gilt.
(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.
(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.
(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.
(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige
1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,
2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder
3. gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist
soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.
(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.
(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist
1. das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder
2. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.
Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.
(12) Aufenthaltstitel dürfen Drittstaatsangehörigen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur persönlich ausgefolgt werden. Aufenthaltstitel für unmündige Minderjährige dürfen nur an deren gesetzlichen Vertreter ausgefolgt werden. Anlässlich der Ausfolgung ist der Drittstaatsangehörige nachweislich über die befristete Gültigkeitsdauer, die Unzulässigkeit eines Zweckwechsels, die Nichtverlängerbarkeit der Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 56 und die anschließende Möglichkeit einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu erlangen, zu belehren.
(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn
1. ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und
2. die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben."
3.1.2. Das Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017, lautet auszugsweise:
"Rückkehrentscheidung
§ 52 (1) [...]
(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,
2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.
[...]"
3.1.3. Das BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 145/2017 lautet auszugsweise:
"Schutz des Privat- und Familienlebens
§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
der Grad der Integration,
die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
[...]"
3.1.4. § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 86/2017 lautet:
"Modul 1 der Integrationsvereinbarung
§ 9. (1) Drittstaatsangehörige (§ 2 Abs. 1 Z 6 NAG) sind mit erstmaliger Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 NAG zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung verpflichtet. Diese Pflicht ist dem Drittstaatsangehörigen nachweislich zur Kenntnis zu bringen.
(2) Der Erfüllungspflicht gemäß Abs. 1 haben Drittstaatsangehörige binnen zwei Jahren ab erstmaliger Erteilung des Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 NAG nachzukommen. Unter Bedachtnahme auf die persönlichen Lebensumstände des Drittstaatsangehörigen kann der Zeitraum der Erfüllungspflicht auf Antrag mit Bescheid verlängert werden. Diese Verlängerung darf die Dauer von jeweils zwölf Monaten nicht überschreiten; sie hemmt den Lauf der Fristen nach § 14.
(3) Für die Dauer von fünf Jahren ab Ablauf der Gültigkeit des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 NAG werden bereits konsumierte Zeiten der Erfüllungspflicht auf den Zeitraum der Erfüllungspflicht gemäß Abs. 2 angerechnet.
(4) Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige
1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt,
2. einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 11 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt,
3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht,
4. einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt oder
5. als Inhaber eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung - Künstler" gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.
Die Erfüllung des Moduls 2 (§ 10) beinhaltet das Modul 1.
(5) Ausgenommen von der Erfüllungspflicht gemäß Abs. 1 sind Drittstaatsangehörige,
1. die zum Ende des Zeitraums der Erfüllungspflicht (Abs. 2) unmündig sein werden;
2. denen auf Grund ihres physischen oder psychischen Gesundheitszustands die Erfüllung nicht zugemutet werden kann; der Drittstaatsangehörige hat dies durch ein amtsärztliches Gutachten nachzuweisen;
3. wenn sie schriftlich erklären, dass ihr Aufenthalt die Dauer von 24 Monaten innerhalb von drei Jahren nicht überschreiten soll; diese Erklärung enthält den unwiderruflichen Verzicht auf die Stellung eines weiteren Verlängerungsantrags im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 11 NAG nach dem ersten Verlängerungsantrag.
(6) Die Behörde kann von Amts wegen mit Bescheid feststellen, dass der Drittstaatsangehörige trotz Vorliegen eines Nachweises gemäß Abs. 4 Z 1 oder 2 das Modul 1 der Integrationsvereinbarung mangels erforderlicher Kenntnisse gemäß § 7 Abs. 2 Z 1 nicht erfüllt hat.
(7) Der Nachweis über die Erfüllung des Moduls 1 gemäß Abs. 4 Z 1 bzw. 2 oder Abs. 4 iVm. § 10 Abs. 2 Z 1 bzw. 2 darf zum Zeitpunkt der Vorlage im Rahmen eines Verlängerungsverfahrens (§ 24 NAG) nicht älter als zwei Jahre sein.
[...]"
3.2. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).
Es ist daher zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist.
Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).
Eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen fällt - auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) - nur dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. dazu etwa VwGH vom 19.11.2010, Zl. 2008/19/0010 mwN).
Nach der Judikatur des EGMR sind Beziehungen zwischen Eltern und ihren erwachsenen Kindern, die wegen des Fehlens von über die üblichen Bindungen hinausgehenden Merkmalen der Abhängigkeit nicht (mehr) unter den Begriff des Familienlebens fallen, unter den Begriff des ebenfalls von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten Privatlebens zu subsumieren (vgl. dazu die Urteile des EGMR vom 09.10.2003, Slivenko gegen Lettland, Beschwerde Nr. 48321/99, Randnr. 97, vom 15.06.2006, Shevanova gegen Lettland, Beschwerde Nr. 58822/00, Randnr. 67, vom 22.06.2006, Kaftailova gegen Lettland, Beschwerde Nr. 59643/00, Randnr. 63, und vom 12.01.2010, A.W. Khan gegen das Vereinigte Königreich, Beschwerde Nr. 47486/06, Randnr. 31 ff).
Zur Berücksichtigung konkreter Auswirkungen im Falle der Ausreise im Rahmen der Interessenabwägung iSd Art. 8 EMRK siehe auch VfGH vom 14.03.2018, E 3964/2017-12.
Psychische Beeinträchtigungen des Beschwerdeführers können zu einer höheren Schutzwürdigkeit ihres im Bundesgebiet entfalteten Familienleben führen (vgl. VfGH vom 11.06.2014 B623/2013, wo im gegenständlichen Fall die Beibehaltung eines stabilen familiären Umgebung medizinisch indiziert war).
Ob außerhalb des Bereiches des insbesondere zwischen Ehegatten und ihren minderjährigen Kindern ipso iure zu bejahenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK ein Familienleben vorliegt, hängt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschrechte jeweils von den konkreten Umständen ab, wobei für die Prüfung einer hinreichend stark ausgeprägten persönlichen Nahebeziehung gegebenenfalls auch die Intensität und Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung sind. Familiäre Beziehungen unter Erwachsenen fallen dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. zuletzt etwa VwGH vom 02.08.2016, Zl. Ra 2016/20/0152, vom 02.12.2014, Zl. Ra 2014/18/0100, jeweils mwN).
Der VwGH führte in einer rezenten Entscheidung vom 18.04.2018, Ro 2017/22/0002, in einer anders gelagerten Konstellation an, dass sich aus einer Behinderung ein besonderes familiäres Abhängigkeitsverhältnis ableiten kann bzw. damit Schwierigkeiten bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat einhergehen. Allerdings stellt eine Behinderung auch diesfalls nur einen Aspekt unter vielen dar und hat daher nicht jedenfalls zur Folge, dass bei Vorliegen einer Behinderung - bzw. allgemein bei einer unverschuldeten Notlagegleichsam im Wege eines Automatismus bzw. im Regelfall von einem Überwiegen der persönlichen Interessen auszugehen und der beantragte Aufenthaltstitel daher zu erteilen ist.
In diesem Zusammenhang ist auch eine kürzlich ergangene Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH 09.03.2016, E22/2016) zu berücksichtigen, in welcher in einem ähnlich gelagerten Fall das Vorliegen eines nach Art. 8 EMRK schützenswerten Familienlebens angenommen wurde, obwohl es sich um eine Person gehandelt hat, die gerade nicht (mehr) zur Kernfamilie zählt.
3.2.1. Der Beschwerdeführer verfügt mit seiner in Österreich zum Daueraufenthalt berechtigten Mutter jedenfalls über familiäre Bindungen im Bundesgebiet. Beim Beschwerdeführer liegen schwere psychische Störungen vor, die einer dauerhaften Pflege erfordern und die durch die Mutter des Beschwerdeführers geleistet wurde und aktuell auch wird. Die Mutter stellt für ihn eine besondere Bezugsperson dar und liegt im gegenständlichen Fall eine besondere Schutzbedürftigkeit des Beschwerdeführers vor, dem ein besonderes Gewicht zukommt (zur Bedeutung einer durch die Pflegebedürftigkeit eines Familienmitgliedes indizierten besonderen Beziehungsintensität vgl. zB VfSlg 16.958/2003; 19.044/2010). Wenn die Behörde im Bescheid argumentiert, dass die Erkrankung des Beschwerdeführers, paranoide Schizophrenie, auch in der Russischen Föderation behandelbar ist, greift diese Beurteilung im gegenständlichen Fall zu kurz. Dem umfangreichen und schlüssigen psychiatrisch-neurologischen Sachverständigengutachten vom 10.03.2016 ist zu entnehmen, dass beim Beschwerdeführer schwerste Basis- und Primärstörungen und eine sehr gestörte Anpassung, die mit mangelnden sozialen Fähigkeiten einhergeht, vorliegen. Durch das Zusammentreffen mehrerer Faktoren ist es ihm durch sein vorliegendes Krankheitsbild nicht möglich, Selbstfürsorgedefizite zu erkennen, womit er im hohen Maße bei einer Überstellung in die Russische Föderation in eine Notsituation geraten würde, da er dort keine Angehörigen oder Verwandte mehr hat, die diese Fürsorge für ihn wahrnehmen könnten. Durch seine psychosoziale Funktionseinschränkung und dem Nichteinsehen seiner Krankheit ist es ihm nicht möglich alleine Schritte zur Wahrung seiner sozialen Situation zu setzen. Trotz der engmaschigen Betreuung durch seine Mutter, die sein Vertrauen gewonnen hat und die als einzige Bezugsperson "an den Beschwerdeführer rankommt", gelingt es auch ihr nicht, dass der Beschwerdeführer regelmäßig seine Medikamente einnimmt, weshalb es des Öfteren zu Impulsdurchbruchsstörungen bei ihm kommt. Wenn jedoch bereits diese sehr enge Vertrauens- und Bezugsperson des Beschwerdeführers manchmal Probleme bei dessen Betreuung hat, so kann davon ausgegangen werden, dass eine Betreuung durch dem Beschwerdeführer fremde Personen erhebliche Schwierigkeiten und insbesondere Einbußen im Behandlungsfortschritt erwarten ließe.
Zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Mutter besteht somit eine intensive familiäre Nahebeziehung iSd. Art. 8 EMRK, die über das normale Ausmaß einer Beziehung zwischen erwachsenen Verwandten hinausgeht. Es ist krankheitsbedingt von einer besonderen Beziehungsintensität und einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis des Beschwerdeführers zu seiner Mutter auszugehen.
In einer derartigen Ausnahmesituation, wie sie im gegenständlichen Fall vorliegt, erhält somit das im Hinblick auf Art. 8 EMRK nachgewiesene Interesse des Beschwerdeführers an der Fortführung des konkret bestehenden Familienlebens im Bundesgebiet ein Gewicht, das jenes der öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet überwiegt (vgl. VfGH 09.03.2016, E22/2016).
3.2.2. Im gegenständlichen Fall kam die erkennende Richterin im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung mit den öffentlichen Interessen im konkreten Fall somit zum Ergebnis, dass das Interesse des Beschwerdeführers an der - nicht nur vorübergehenden - Fortführung seines Familienlebens und, hinsichtlich der medizinischen Betreuung auch bestehenden, Privatlebens in Österreich dennoch höher zu bewerten ist als das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung. Es wird dabei nicht verkannt, dass dem Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, insbesondere der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften grundsätzlich ein hoher Stellenwert zukommt, doch überwiegen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes im vorliegenden Fall die familiären Interessen des Beschwerdeführers an der Fortführung des konkret bestehenden Familienlebens im Bundesgeiet.
Des Weiteren ist davon auszugehen, dass die drohende Verletzung des Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend, sondern auf Dauer sind, weshalb gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festzustellen war, dass die Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer auf Dauer unzulässig ist.
3.2.3. Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird. Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist gemäß Abs. 2 eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.
Der Beschwerdeführer besuchte in der Russischen Föderation laut Stellungnahmen die Schule und verfügt auch über einen Hochschulabschluss in der Russischen Föderation. Er legte jedoch weder vor dem Bundesamt, noch vor dem Bundesverwaltungsgericht konkrete Unterlagen vor, die dies belegen. Es kann somit im gegenständlichen Fall nicht überprüft werden, ob der Beschwerdeführer gemäß § 9 Abs. 4 Z. 3 über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht und er somit Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt.
Weiters wurde vom Beschwerdeführer auch kein amtsärztliches Gutachten vorgelegt, welches nachweist, dass dem Beschwerdeführer auf Grund seines physischen oder psychischen Gesundheitszustandes die Erfüllung des Moduls nicht zugemutet werden kann (§ 9 Abs. 5 IntG).
Dem Beschwerdeführer gelang es daher nicht, die Erfüllungsvoraussetzungen des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG nachzuweisen. Ebenso wenig übt er derzeit eine erlaubte Beschäftigung entsprechend § 55 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus. Mangels Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 war dem Beschwerdeführer daher eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen und spruchgemäß zu entscheiden.
3.2.4. Die entsprechende Kompetenz des Bundesverwaltungsgerichts, diesen Ausspruch zu tätigen ergibt sich daraus, dass § 55 AsylG 2005 im Wesentlichen die Kehrseite der Überprüfung einer Rückkehrentscheidung iSd § 52 FPG darstellt und daher die Verfahrensgegenstände als nicht trennbare erscheinen (vgl. VwGH 23.02.2017, Ra 2016/21/0325, 23.02.2017, Ra 2017/20/0029; 22.02.2017, Ra 2017/19/0043) Eine entsprechende Interpretation des § 58 Abs. 2 AsylG 2005 ergibt sich schon aus Effizienzgründen (vgl. VwGH 15.12.2016, Ra 2016/18/0343). Die faktische Ausstellung der entsprechenden Karte unterfällt der Kompetenz des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat dem Beschwerdeführer den Aufenthaltstitel gemäß § 58 Abs. 7 AsylG 2005, auszufolgen, welche gemäß § 54 Abs. 2 AsylG 2005 für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen sind; der Beschwerdeführer hat hieran gemäß § 58 Abs. 11 AsylG 2005 mitzuwirken.
In Hinblick auf die zu erteilende Aufenthaltsberechtigung wird der Vollständigkeit halber ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" nach § 57 AsylG nicht gegeben sind. Weder basiert der Aufenthalt des Beschwerdeführers auf einer Duldung nach § 46a Abs.1 Z 1 oder Abs. 1 a FPG, noch ist sein Aufenthalt zur Gewährleistung der Strafverfolgung im Sinne des § 57 Abs. 1 Z 2 AsylG notwendig. Schließlich konnte im Laufe des Verfahrens nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt im Sinne der Z 3 der oben zitierten Bestimmung wurde.
3.3. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann - unter anderem - eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist - das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.
Gemäß der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 EMRK, dessen Garantien nach Art. 47 Abs. 2 GRC auch im vorliegenden Fall Anwendung finden, kann eine mündliche Verhandlung unter bestimmten Voraussetzungen unterbleiben, etwa wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Äußerungen der Parteien angemessen entschieden werden kann (EGMR 12.11.2002, 28.394/95, Döry vs. Schweden; 8.2.2005, 55.853/00, Miller vs. Schweden).
3.3.1. Der Verfassungsgerichtshof hat betreffend die Anwendung des § 41 Abs. 7 AsylG 2005, BGBl. I 100/2005 idF BGBl. I 4/2008, (also zur wortidenten Vorgängerbestimmung des § 21 Abs. 7 BFA-VG) unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm Art. 52 GRC ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat der Asylwerber hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor dem Bundesasylamt releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof erforderlich, wenn die vom betroffenen Asylwerber bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde an den Asylgerichtshof aufgeworfenen Fragen - allenfalls mit ergänzenden Erhebungen - nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfSlg. 19.632/2012).
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017, mit der Frage des Entfalls einer mündlichen Verhandlung unter Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-VG befasst, wobei dem Grunde nach die zuvor zitierte Judikaturlinie der Höchstgerichte beibehalten wird. Daraus resultierend ergeben sich für die Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-VG folgende maßgeblichen Kriterien: Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht bleibt wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.
3.3.2. Eine mündliche Verhandlung konnte im Fall des Beschwerdeführers deshalb unterbleiben, weil aus dem Inhalt der dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakten die Grundlage der bekämpften Bescheide unzweifelhaft nachvollziehbar ist. Die belangte Behörde kam ihrer Ermittlungspflicht durch Aufforderung zur Vorlage neuer Unterlagen zum Privat- und Familienleben in Österreich ausreichend nach. Es hat sich auch in der Beschwerde kein zusätzlicher Hinweis auf die Notwendigkeit ergeben, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer zu erörtern. Darüber hinaus könnte eine Verhandlung bedingt durch die bestehende Sachwalterschaft, die auch die Vertretung vor Gericht umfasst, lediglich durch Einvernahme des Sachwalters stattfinden, da der Beschwerdeführer selbst nicht einvernahmefähig ist.
Die Lebensumstände des Beschwerdeführers in Österreich waren aus dem verwaltungsbehördlichen Verfahren sowie den vorgelegten Dokumenten umfassend zu entnehmen.
Vor diesem Hintergrund konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.
3.4. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchpunkt A. wiedergegeben. Insoweit die dort angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
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