BVwG W212 2132973-1

BVwGW212 2132973-130.1.2017

AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs5 Satz1
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61
AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs5 Satz1
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W212.2132973.1.00

 

Spruch:

W212 2132973-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Eva SINGER über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX, Zl:

XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

Gemäß § 21 Abs. 5 Satz 1 BFA-VG wird festgestellt, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig war.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 06.06.2016 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz.

2. Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass der Beschwerdeführer am 24.05.2016 in Ungarn erkennungsdienstlich behandelt wurde und am 25.05.2016 dort einen Asylantrag stellte.

3. Bei der Erstbefragung am 06.06.2016 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass er keine Beschwerden oder Krankheiten habe, die ihn an der Einvernahme hindern oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigen würden. Seine Mutter, seine Geschwister und seine Großeltern würden sich in Österreich aufhalten. Er sei über die Türkei, Bulgarien, Serbien und Ungarn nach Österreich gereist. In Bulgarien und Ungarn sei er von den Behörden schlecht behandelt worden und habe nichts zu essen erhalten. Er habe in Ungarn nicht freiwillig um Asyl angesucht, sondern sei von der Polizei unter Druck gesetzt worden.

Als Fluchtgründe gab er an, dass sein Vater von den Taliban ermordet und er selbst von ihnen entführt worden sei. Seine Familie sei nach Österreich geflüchtet. Er habe sich befreien können und sei, da seine Familie das Land bereits verlassen habe, nach Indien gereist, wo er sein Studium beendet habe. Nach seiner Rückkehr nach Afghanistan habe er beschlossen seiner Familie zu folgen.

4. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA) richtete am 07.06.2016 einen auf Art. 18 Abs. 1 lit b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (in Folge: Dublin-III-VO) gestützten Wiederaufnahmeantrag an Ungarn. Mit Schreiben vom 30.06.2016 teilten die österreichischen Dublin-Behörden Ungarn mit, dass auf Grund der nicht fristgerecht erfolgten Antwort gemäß Artikel 22 Absatz 7 der Dublin III-Verordnung eine Verfristung eingetreten und Ungarn nunmehr zuständig für die Durchführung der gegenständlichen Asylverfahren sei.

5. Am 22.07.2016 erfolgte die Einvernahme des Beschwerdeführers durch das BFA in Anwesenheit eines Rechtsberaters. Dabei gab er an, gesund zu sein. Seine Mutter, seine Brüder, seine Schwester, seine Großeltern, vier Onkel und drei Tanten würden in Österreich leben. Er wohne mit Mutter und Geschwistern in einem Haushalt. Vor seiner Einreise nach Österreich habe er seine Familie zwei Jahre lang nicht gesehen. In Afghanistan lebten noch drei weitere Schwestern mit ihren Familien. Seine Geschwister würden ihm die deutsche Sprache beibringen. Er sehe für sich kein Leben in Ungarn. Die Bedingungen dort seien sehr schlecht, er habe nur einmal am Tag etwas zu essen bekommen. 50 bis 60 Personen seien in einem Zelt untergebracht gewesen. Er habe sich elf Tage dort aufgehalten.

6. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde I. der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Ungarn gemäß Art. 18 Abs. 1 lit b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 zur Prüfung des Antrages zuständig ist, sowie II. gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF die Außerlandesbringung des Antragstellers angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gem. § 61 Abs. 2 FPG dessen Abschiebung nach Ungarn zulässig sei.

Die Sachverhaltsfeststellungen zur Lage in Ungarn (Stand Juni 2016) wurden im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst (unkorrigiert und gekürzt durch das Bundesverwaltungsgericht):

Statistisches

 

Antragsteller 2014

Ungarn

42.770

  

Die Daten werden auf die Endziffern 5 oder 0 auf- bzw. abgerundet.

(Eurostat 19.3.2015)

Erstinstanzliche Entscheidungen 2014

Gesamt

Flüchtlings-status

Subsidiärer Schutz

Humanitäre Gründe

NEGATIV

 

5.445

240

250

20

4.935

      

Die Daten

werden auf die Endziffern 5 oder 0 auf- bzw. abgerundet.

(Eurostat 19.3.2015)

 

Antragsteller 1.Qu. 2015

Antragsteller 2.Qu. 2015

Antragsteller 3.Qu. 2015

Antragsteller 4.Qu. 2015

Ungarn

33.545

33.240

109.175

1.170

     

Die Daten werden auf

die Endziffern 5 oder 0 auf- bzw. abgerundet.

(Eurostat 26.11.2015; vgl. Eurostat 10.2.2016)

Erstinstanzliche Entscheidungen

Gesamt

Flüchtlings-status

Subsidiärer Schutz

Humanitäre Gründe

NEGATIV

1. Qu. 2015

1.255

30

95

5

1.130

2. Qu. 2015

690

40

65

0

585

3. Qu. 2015

530

35

75

0

420

4. Qu. 2015

940

40

120

0

785

GESAMT

3.415

145

355

5

2.920

      

Die Daten

werden auf die Endziffern 5 oder 0 auf- bzw. abgerundet.

(Eurostat 18.9.2015a; Eurostat 18.9.2015b; Eurostat 10.12.2015; Eurostat 3.3.2016b)

Von den über 390.000 illegalen Grenzgängern 2015 stellten über 176.000 einen Asylantrag, von denen rund die Hälfte bis 1.11.2015 bearbeitet wurde. Mehr als 95% wurden wegen Abwesenheit eingestellt (VB 4.11.2015a; vgl. VB 24.11.2015).

2015 war somit die Anzahl der illegalen Grenzübertritte wesentlich höher, als die Anzahl der registrierten Asylwerber. Zwischen 1.1.2016 und 12.6.2016 erfolgten weniger illegale Grenzübertritte als registrierte Asylantragstellungen. Diese Tendenz erklärt sich mit der Möglichkeit der Asylantragsstellung in der Transitzone. Doch auch von den legal eingereisten Antragstellern tauchen viele nach der Antragsstellung unter (BFA 24.6.2016).

Anträge

2016 (Stand 29.6.)

 

22.092

  

(VB 29.6.2016)

2016 wurde bis 13.6.2016 in 87 Fällen Asylstatus gewährt (6 davon über den Beschwerdeweg), in 154 Fällen subsidiärer Schutz, 5 Personen erhielten eine Duldung. Weiters wurden 1.622 Asylanträge abgelehnt und 38.059 Verfahren wurden eingestellt. Die hohe Anzahl der eingestellten Fälle deutet darauf hin, dass die meisten Antragssteller während des Verfahrens untertauchen (BFA 24.6.2016).

2015 gab es 42.919 Anfragen auf Dublin-Überstellung aus anderen Staaten, davon konnten 1.402 Transfers erfolgreich durchgeführt werden, 2.152 angekündigte Transfers scheiterten weil der Betreffende entweder untergetaucht ist oder eine Beschwerdeinstanz entschied, dass das Asylverfahren vor Ort zu führen sei (BFA 24.6.2016).

2016 gab es bis 9.6.2016 12.579 Anfragen auf Überstellung aus anderen Staaten, davon konnten 315 Transfers erfolgreich durchgeführt werden, 1.058 angekündigte Transfers scheiterten weil der Betreffende entweder untergetaucht ist oder aufgrund einer dahingehenden Entscheidung einer Beschwerdeinstanz (BFA 24.6.2016).

Quellen:

Allgemeines zum Asylverfahren

Das Büro für Immigration und Nationalität (Office of Immigration and Nationality, OIN; ungarisch: Bevándorlási és Állampolgársági Hivatal, BAH) hat die Verantwortung für Entscheidungen in Asylverfahren und das Management der Unterbringungszentren und der Asylhaftzentren. Es untersteht dem ungarischen Innenministerium (AIDA 11.2015).

Die Europäische Kommission hat am 10.12.2015 an Ungarn ein Aufforderungsschreiben (formal notice) übermittelt, das die erste Stufe eines Vertragsverletzungsverfahrens wegen der kürzlich verabschiedeten ungarischen Asylrechtsvorschriften darstellt. Die ungarischen Behörden haben nach dem Aufforderungsschreiben zwei Monate Zeit, um auf die Argumente der Europäischen Kommission zu reagieren. Erhält die Kommission keine zufriedenstellende Antwort, kann sie die nächste Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens einleiten und Ungarn eine mit Gründen versehene Stellungnahme übermitteln. Erforderlichenfalls kann die Kommission anschließend beim Gerichtshof der Europäischen Union Klage einreichen (EK 10.12.2015).

Asylverfahren

Das ungarische Parlament hat im Juli 2015 eine Reihe von Änderungen des Asylgesetzes beschlossen. Wichtigste Neuerungen sind u.a. umfassende Mitwirkungspflichten; klarere Formulierung der Asylhaftgründe; Verbesserungen bei der Bestellung eines Vormunds für UM; Aufhebung der aufschiebenden Wirkung bei Folgeanträgen; Unzulässigkeit des Antrags bei Einreise aus sicherem Drittstaat usw. (VB 2.7.2015). Seit 1.8.2015 ist das neue Asylgesetz in Kraft. Weitere Änderungen vom 15.9.2015 regeln die Einrichtung der sogenannten Transitzonen an den Grenzen (BAH 16.9.2015; HHC 18.9.2015).

Ein Antrag soll binnen 15 Tagen auf Zulässigkeit, Dublin-Relevanz oder Eignung für das beschleunigte Verfahren geprüft werden. Das beschleunigte Verfahren soll binnen 15 Tagen abgeschlossen sein, das ordentliche Verfahren binnen 60 Tagen. Das beschleunigte Verfahren ist anwendbar, wenn der Antrag offensichtlich unbegründet ist (Antragsteller ist EU-Bürger oder hat einen Schutzstatus in einem EU-Staat; ist anerkannter Flüchtling in einem Drittstaat; bei Folgeantrag ohne neue Elemente; bei Drittstaatsicherheit); wenn der Antragsteller keine asylrelevanten Informationen preisgibt; aus einem Land kommt das auf der EU-Liste der sicheren Herkunftsstaaten steht; seine Identität verschleiert; falsche Informationen oder Dokumente vorlegt; seinen Reisepass zerstört oder weggeworfen hat; bei Verweigerung der Daktyloskopie; wenn der Antragsteller eine Bedrohung für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt; bei illegaler Einreise bzw. illegalem Aufenthalt in Ungarn ohne Asylantragstellung (wobei letzteres nicht als alleiniger Grund für eine Zurückweisung ausreicht) und bei Folgeanträgen mit neuen Elementen. Wenn dem ASt. mitgeteilt wird, dass geplant ist, seinen Antrag wegen Drittstaatsicherheit oder illegaler Einreise bzw. illegalem Aufenthalt in Ungarn ohne Asylantragstellung zurückzuweisen, hat der Antragsteller 3 Tage Zeit, um darzulegen, warum der betreffende Staat in seinem spezifischen Fall nicht sicher ist. Nehmen der sichere Dritt- oder Herkunftsstaat den Antragsteller nicht zurück, ist die Entscheidung zurückzunehmen und das Verfahren zu führen (Act LXXX 14.9.2015, §47, 51, 51/A).

Wird ein Fremder in Ungarn aufgegriffen, führt die Polizei wegen illegaler Einreise eine Ersteinvernahme durch. Sie informiert und registriert die Betroffenen und legt eine Unterkunft fest. Ein Asylantrag während der ersten 48 Stunden wird durch die Polizei registriert, zuständig für dessen Bearbeitung ist BAH. Die meisten Antragsteller entziehen sich aber bereits vor dem inhaltlichen Interview dem Verfahren, womit keine inhaltliche Entscheidung möglich ist. Grundsätzlich gibt es die Möglichkeit einer Entscheidung in Abwesenheit, wenn genügend Informationen vorliegen, dies wird aber nur sehr selten angewandt (BAH 16.9.2015).

Mit 1.7.2016 werden Gesetzesänderungen in Kraft treten, denen zufolge illegal eingereiste Migranten, die in einer 8 km von der Staatsgrenze ins Landesinnere reichenden Kontrollzone betreten werden, Asylanträge nicht im Landesinneren stellen können, sondern durch das nächstgelegene Tor des Grenzzauns zurückgeführt und aufgefordert werden, offiziell durch die nächstgelegene Transitzone einzureisen und dort ihren Antrag zu stellen (VB 23.5.2016; vgl. VB 28.6.2016; vgl. ECRE 17.6.2016).

Die Behörde kann ein Verfahren einstellen oder aufgrund bereits vorhandener Informationen entscheiden, u.a. wenn der Antragsteller nicht zum Interview erscheint oder die festgelegte Unterkunft ohne Genehmigung für mehr als 48 Stunden verlässt. Der ASt. kann in diesen Fällen aber bis zu 9 Monate nach Beendigung die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen (Act LXXX 14.9.2015, §66).

(Weitere Informationen in Kap. "Dublin-Rückkehrer")

Anträge nach abschließender beendender oder zurückweisender Entscheidung gelten als Folgeantrag. Hier ist zu prüfen, ob neue Elemente vorliegen. Neue Elemente sind Bedingung für die Zulässigkeit. Zulässige Folgeanträge werden im beschleunigten Verfahren geprüft. Für den dritten und weitere Folgeanträge besteht kein Recht auf Aufenthalt und Unterbringung in Ungarn. Beschwerde gegen Zurückweisung von Folgeanträgen hat aufschiebende Wirkung, außer der Folgeantrag wurde direkt vor einer Abschiebung gestellt und enthält keine neuen Elemente. In jenem Fall besteht kein Recht auf Aufenthalt und Unterbringung in Ungarn (AIDA 11.2015; vgl. Act LXXX 14.9.2015, §54).

Beschwerde

Im beschleunigten Verfahren gilt eine Rechtsmittelfrist von 7 Tagen. (Für zwischen 1.8. und 15.9.2015 gestellte Anträge gilt weiterhin die später geänderte Beschwerdefrist von 3 Tagen) Dieses Rechtsmittel besitzt nur in bestimmten Fällen aufschiebende Wirkung (u.a. bei Unzulässigkeit wegen Drittstaatsicherheit) (ECRE/HHC 1.10.2015; vgl. BAH 23.11.2015). Das Gericht soll binnen 8 Tagen inhaltlich entscheiden, wenn nötig mit Anhörung des Beschwerdeführers. Das Gericht kann die erstinstanzliche Entscheidung aufheben und ein erneutes Verfahren anordnen, aber es kann die erstinstanzliche Entscheidung nicht abändern. Weitere Rechtsmittel sind nicht vorgesehen. Nehmen der sichere Dritt- oder Herkunftsstaat den Antragsteller nicht zurück, ist die Entscheidung zurückzunehmen und das Verfahren zu führen (Act LXXX 14.9.2015, §53).

Beschwerdefrist im ordentlichen Verfahren sind 8 Tage und das zuständige Gericht soll binnen 60 Tagen darüber entscheiden, wenn nötig mit Anhörung des Beschwerdeführers. Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Ist der Bf. in Haft soll das Gericht prioritär entscheiden. Ist der Bf. in Asylhaft, ist seine Anhörung vor Gericht verpflichtend. Das Gericht kann die erstinstanzliche Entscheidung aufheben und ein erneutes Verfahren anordnen, aber es kann die erstinstanzliche Entscheidung nicht abändern. Weitere Rechtsmittel sind nicht vorgesehen (Act LXXX 14.9.2015, §68; vgl. AIDA 11.2015).

Antragsteller haben im Rahmen des Gesetzes über die Rechtshilfe (wenn sie bedürftig sind) während des erstinstanzlichen Verfahrens das Recht auf kostenlose Rechtsberatung, nicht aber auf kostenlose Vertretung. Im Beschwerdeverfahren haben bedürftige ASt. das Recht auf kostenlose Rechtsberatung und -vertretung. Trotzdem haben bisher nur wenige ASt. freie Rechtshilfe in Anspruch genommen. Zum einen, weil die ASt. kaum etwas darüber wissen, zum anderen, weil das ungarische Rechtshilfesystem keine Übersetzerkosten abdeckt und die wenigen Asylanwälte die relevanten Fremdsprachen nicht sprechen. HHC bietet weiterhin Rechtsberatung in den Unterbringungszentren und Hafteinrichtungen an (AIDA 11.2015; vgl. HHC 18.9.2015).

Quellen:

Grenzverfahren / Transitzonen

(VB 28.9.2015)

Das Grenzverfahren in den neugeschaffenen Transitzonen betrifft nur dort aufgegriffene Fremde. Dublin-Rückkehrer sind davon nicht betroffen (BAH 16.9.2015). Dublin-Rückkehrer sind somit auch nicht vom Grenzverfahren betroffen. Kapazitäten und andere Bedingungen der Transitzonen - auch allfällige Sonderverfahrensbestimmungen - sind für Dublin-Rückkehrer nicht relevant. Dazu sind auch im jüngst beschlossenen Gesetz zur Rückführung illegaler Migranten keine Änderungen vorgesehen (BFA 24.6.2016), gemäß dem, illegal eingereiste Migranten, die in einer 8 km ins Landesinnere reichenden Kontrollzone betreten werden, Asylanträge nicht im Landesinneren stellen können, sondern durch das nächstgelegene Tor des Grenzzauns zurückgeführt und aufgefordert werden, offiziell durch die nächstgelegene Transitzone einzureisen und dort ihren Antrag zu stellen. Dies wird mit 5.7.2016 in Kraft treten (VB 23.5. 2016; vgl. VB 28.6.2016; vgl. ECRE 17.6.2016).

Zwischen 15.9.2015 und 29.5.2016 wurden 4.772 Asylwerber, davon

3.824 Vulnerable, in den Transitzonen registriert. Vulnerable (Familien, Schwangere, UMA, ...) werden sofort zum Asylverfahren zugelassen und aus den Transitzonen in offene Unterbringungszentren bzw. Kinderheime verlegt und ihre Asylanträge im Inland bearbeitet. Alleinstehende Männer bleiben hingegen bisweilen einige Wochen in den Zonen. Sie werden in der Regel nur dann ins Landesinnere verlegt, wenn ihr Verfahren nicht binnen eines Monats abgeschlossen werden kann (inklusive etwaige gerichtliche Überprüfung). 80% der Verfahren werden also im Land durchgeführt. Viele nützen dies, um ihre Reise fortzusetzen. Eine asylrechtliche Haft im Anschluss an den Aufenthalt in der Zone wäre zwar möglich, wird jedoch nicht angewandt, da es ein negatives Signal senden und einen Anreiz zur illegalen Einreise unter Vermeidung der Transitzonen setzen würde (BFA 24.6.2016; vgl. FRA 6.2016).

Im Mai 2016 haben 92 Personen vor dem zuständigen Gericht in Szeged gegen Zurückweisung ihres Asylantrags in den Transitzonen Beschwerde eingelegt. In 77 anhängigen derartigen Fällen hat das Gericht die erstinstanzliche Entscheidung gestützt, in weiteren 78 Fällen wurde der Beschwerde stattgegeben und BAH angewiesen den Fall neu zu beurteilen anstatt die Drittstaatsicherheit automatisch anzunehmen. 9 Fälle wurden eingestellt, weil der Beschwerdeführer das Land verlassen hatte. In der Praxis übernimmt Serbien von Ungarn im Rahmen des Rückübernahmeabkommens aber nur eigene Staatsbürger (FRA 6.2016).

Im Juni 2016 stellt die ungarische Regierung den in und um die Transitzonen tätigen NGOs HUF 250 Mio. für ihre humanitäre Arbeit zur Verfügung. 5 Organisationen (Ungarischer Malteser Hilfedienst, Ökumenische Hilfsorganisation, Ungarisches Rotes Kreuz, Caritas, Mission der Reformierten Kirche) erhalten eine finanzielle Unterstützung (BFA 24.6.2016).

(Zur praktischen Durchführbarkeit von Rücküberstellungen nach Serbien siehe Kap. 5.1. "Dublin-Rückkehrer und die Drittstaatsicherheit Serbiens".)

Quellen:

Krisensituationen durch Massenimmigration

Die Änderungen des ungarischen Asylgesetzes von August/September 2015 enthalten auch Bestimmungen für den Fall einer "Krisensituation durch Massenimmigration". Eine solche liegt vor, wenn die Zahl der in Ungarn ankommenden Migranten monatlich im Durchschnitt 500 Personen oder 750 Personen durchschnittlich am Tag in zwei aufeinanderfolgenden Wochen oder 800 Personen pro Tag im Wochenschnitt beträgt, bzw. wenn die Zahl der Migranten in einer Transitzone monatlich im Durchschnitt 1.000 Personen oder 1.500 Personen durchschnittlich am Tag in zwei aufeinanderfolgenden Wochen oder 1.600 Personen pro Tag im Wochenschnitt beträgt. Auch liegt eine derartige Krisensituation vor, wenn Umstände entstehen, die die öffentliche Sicherheit, Ordnung oder Gesundheit gefährden, vor allem durch Unruhen und Gewalt in einer Unterbringung. Eine Krisensituation kann per Regierungsdekret für max. 6 Monate (verlängerbar) ausgerufen werden. Während solcher Krisensituationen kann die Regierung Immobilien im öffentlichen Besitz beschlagnahmen und nutzen. Auch können Polizei und Armee für Registrierungsaufgaben im weitesten Sinne herangezogen werden (Act LXXX 14.9.2015, §§80/A-80/G).

Quellen:

Drittstaatsicherheit Serbiens

Die im neuen Asylgesetz umrissene Einführung von sicheren Dritt- und Herkunftsstaaten wird durch Regierungsdekret 191/2015 vom 21.7.2015 und Regierungsdekret 63/2016 umgesetzt. Damit sind seit 1.8.2015 Serbien, Albanien, Mazedonien, Montenegro, Bosnien-Herzegowina, Kosovo sowie Australien, Kanada, Neuseeland, die Schweiz und jene US-Bundesstaaten, die keine Todesstrafe verhängen und darüber hinaus seit 1.4.2016 auch die Türkei sichere Dritt- und Herkunftsstaaten. Das heißt„ in der Praxis sind von BAH Asylanträge als unzulässig abzulehnen, wenn der Antragssteller aus einem dieser Länder stammt, durch ein solches gereist ist und dort die Möglichkeit zur Stellung eines Asylantrags hatte oder in einem dieser Länder Verwandte hat (VB 3.8.2015, VB 4.4.2016).

Die Verantwortung Serbiens, im Rahmen der Drittstaatsicherheit Personen von Ungarn zurückzunehmen, endet nach 12 Monaten. Rechtliche Grundlage ist entweder das bilaterale Rückübernahmeabkommen zwischen Serbien und Ungarn, oder jenes der EU mit Serbien (2007/819/EG ). Wenn bei einem nach Ungarn Zurückkehrenden diese 12 Monate verstrichen sind, ist die Entscheidung zurückzunehmen und das Verfahren zu führen (BAH 16.9.2015; vgl. Act LXXX 14.9.2015, §51/A, VB 4.11.2015b, ECRE/HHC 1.10.2015, AIDA 11.2015).

Ungarn betrachtet Serbien zwar grundsätzlich als sicheres Drittland, dies ist aber eine im Einzelfall widerlegbare Vermutung und wird durch die Gerichte geprüft. Asylwerber haben die Möglichkeit innerhalb von drei Tagen Beweise vorzulegen oder Aussagen zu machen, wonach Serbien in ihrem Fall kein sicherer Drittstaat ist. Für die Gerichte gibt es 2 Hauptbehebungsgründe: entweder weitere Ermittlungsaufträge oder die fehlende Zustimmung der serbischen Behörden zur Übernahme. Es gibt noch keine finale und abschließende Beurteilung zu dieser Frage durch ein ungarisches Höchstgericht (VB 17.2.2016; vgl. BFA 24.6.2016).

Es gibt viele Beispiele dass z.B. das Gericht in Szeged Entscheidungen der ersten Instanz behoben und BAH angewiesen hat, ein neues Verfahrens zu führen, anstatt automatisch die Drittstaatsicherheit Serbiens anzunehmen (FRA 12.2015; vgl. FRA 2.2016, FRA 6.2016).

Zwischen 1.8.2015 und 31.3.2016 wies BAH 1.184 Asylanträge (im ganzen Land einschließlich Transitzonen) als unzulässig zurück (wobei nicht klar ist, ob immer Drittstaatsicherheit der Grund war). Im selben Zeitraum erhoben 387 ASt. dagegen Beschwerde (davon 114 in den Transitzonen). Ungarische Gerichte hoben in 246 Fällen die erstinstanzlichen Entscheidungen auf und ordneten die Neubewertung an. Die Begründung der Gerichte ist meist, dass Serbien kein sicherer Drittstaat sei, oder, dass die Behörde ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen sei, sich zu vergewissern, ob Serbien den ASt. auch wirklich zurücknehmen würde (UNHCR 5.2016).

Personen, die Ungarn verlassen sollen, werden von der Fremdenpolizei übernommen, welche dann versucht die Bedingungen für die Außerlandesbringung zu schaffen. Eine Außerlandesbringung kann entweder ins Herkunftsland oder in ein für den Fremden zuständiges Drittland (z.B. Serbien) erfolgen. Für alle Fälle, in welchen die Rückübernahme nach Serbien faktisch nicht funktioniert und wenn der Herkunftsstaat den Fremden nicht übernimmt, ist eine Abschiebung nicht möglich. In diesem Fall bleibt die Person in Ungarn, das Asylverfahren wird automatisch fortgesetzt und der Asylantrag inhaltlich geprüft (BFA 24.6.2016).

(Für mehr Informationen hierzu siehe Kap. 5.1. "Dublin-Rückkehrer und die Drittstaatsicherheit Serbiens".)

Quellen:

Dublin-Rückkehrer

Ein Asylverfahren wird, unabhängig vom Verfahrensstand, 30 Tage nachdem sich der Antragsteller dem Verfahren entzogen hat (z.B. durch Verlassen des Landes), eingestellt (BAH 29.10.2015).

Entzieht sich also ein Antragsteller, der seinen Antrag nach dem 1.8.2015 (also nach neuer Rechtslage) gestellt hat, dem Verfahren, wird dieses eingestellt. Innerhalb von 9 Monaten kann er (einmalig) die Wiedereröffnung des Verfahrens beantragen. Der Antrag auf Wiedereröffnung des eingestellten Verfahrens ist z.B. bei der Registrierung durch die Polizei nach Dublin-Rücküberstellung möglich (BAH 16.9.2015).

* Verweigerte ein Antragsteller im Erstverfahren in Ungarn inhaltliche Angaben und behinderte damit die Prüfung des Antrags, ist innerhalb der 9-Monats-Frist eine Wiedereröffnung des Verfahrens möglich.

* Entzog sich der Antragsteller seinem Erstverfahren in Ungarn vor dem inhaltlichen Interview, ist innerhalb der 9-Monats-Frist eine Wiedereröffnung des Verfahrens möglich.

* Verließ ein Antragsteller die für ihn festgelegte Unterkunft während des Erstverfahrens in Ungarn für mehr als 48 Stunden ohne Erklärung, ist innerhalb der 9-Monats-Frist eine Wiedereröffnung des Verfahrens möglich (BAH 18.9.2015).

* Hat ein Antragsteller seinen Erstantrag in Ungarn schriftlich zurückgezogen, ist auch innerhalb der 9-Monats-Frist keine Wiedereröffnung des Verfahrens mehr möglich.

* Wenn ein Antragsteller die Abgabe seiner Fingerabdrücke oder das Fotografieren verweigerte, ist innerhalb der 9-Monats-Frist keine Wiedereröffnung des Verfahrens möglich.

* Nach erfolgreicher Dublin-OUT- Überstellung aus Ungarn ist keine Wiedereröffnung des Verfahrens möglich.

* Bei rechtskräftig negativ abgeschlossenem Verfahren ist keine Wiedereröffnung, sondern nur ein neuer Antrag möglich - enthält der keine neuen Elemente, gilt er als unzulässiger Folgeantrag.

(BAH 16.9.2015; vgl. AIDA 11.2015)

Ist die 9-Monats-Frist verstrichen und der Rückkehrer hatte in seinem Erstverfahren bereits eine inhaltliche Entscheidung, kann er nur einen neuen Antrag stellen, der neue Elemente enthalten muss, um nicht als unzulässiger Folgeantrag zu gelten. Gab es im früheren Verfahren aber keine inhaltliche Entscheidung, müssen keine neuen Elemente vorgebracht werden damit der Antrag zulässig ist (BAH 22.6.2016; vgl Act LXXX 14.9.2015, § 51 (2)d, § 51 (3), § 53 (1); vgl. BFA 24.6.2016). (Für mehr Informationen zu Folgeanträgen siehe Kap. 3. "Allgemeines zum Asylverfahren")

Wurde der Antrag vor dem 1.8.2015 gestellt und ist noch offen (was sehr unwahrscheinlich ist), wird das Verfahren nach der alten Gesetzeslage weitergeführt. Wurde das Verfahren beendet (weil der ASt. sich abgesetzt hat oder in Abwesenheit entschieden wurde), wird bei Rückkehr ein neues Verfahren gemäß neuer Rechtslage geführt (BAH 13.11.2015). Nach der neuen Rechtslage gilt ein Folgeantrag der keine neuen Elemente enthält, als unzulässig. Wird kein Antrag gestellt, beginnt ein fremdenpolizeiliches Verfahren (BAH 16.9.2015).

In der Regionaldirektion Gyor des BAH kommen alle Dublin-Rückkehrer an, die von Österreich in Nickelsdorf an die ungarischen Behörden übergeben werden. Auch die ungarische Fremdenpolizei ist dort vertreten. In Gyor werden Rückkehrer durch die Polizei erfasst und es wird geprüft, ob der Betreffende bereits ein Verfahren in Ungarn hatte und welchen Stand dieses hat, ob der Rückkehrer spezielle Bedürfnisse hat usw. Gegebenenfalls kann ein Asylantrag gestellt werden. Danach wird den Rückkehrern entsprechend ihrem Verfahrensstand eine Unterbringung zugewiesen (offene Unterbringung oder Asylhaft etc.). Asylhaft ist in jedem Fall eine Einzelfallentscheidung. Kranke Rückkehrer werden, bei entsprechender Ankündigung, an der Grenze bereits mit einem Ambulanzwagen abgeholt. Die Versorgung der Rückkehrer in Gyor ist dieselbe wie in anderen Unterbringungseinrichtungen und entspricht den ungarischen Gesetzen. Wenn die Rückkehrer länger als 5 Stunden in der Einrichtung in Gyor verbringen müssen, besteht die gesetzliche Verpflichtung, ihnen Betreuung und Verpflegung zur Verfügung zu stellen. In der Regel sind die Rückkehrer aber nur 1-2 Stunden dort, wenn offene Unterbringung geboten ist, bzw. bis zu einen Arbeitstag lang, wenn Asylhaft nötig ist (weil hier mit dem Transport zugewartet wird, ob noch Fälle hinzukommen). Die Führung eines etwaigen Asylverfahrens geht nach dem Transfer auf jene Regionaldirektion über, in deren Zuständigkeitsbereich der Betreffende untergebracht bzw. inhaftiert wird. Übersetzerleistungen sind laut BAH während der Abwicklung in Gyor dauernd verfügbar. Gängige Sprachen sind Afghanisch, Arabisch etc. Sollte für eine Sprache kein Dolmetscher vor Ort sein, wird per Computer eine Fernübersetzung zugeschaltet (BAH 16.9.2015; vgl. BFA 24.6.2016).

Die Entscheidung zur Verhängung der Asylhaft ist eine Einzelfallentscheidung. Untertauchen ist ein möglicher Grund für ihre Verhängung und da Dublin-Rückkehrer sich per se dem Verfahren entzogen haben, ist es grundsätzlich möglich, sie in Asylhaft zu nehmen. BAH erläuterte zwar es würden auch noch andere Gründe geprüft, es wurde aber auch nicht dezidiert gesagt, dass Untertauchen alleine als Haftgrund nicht ausreicht. Es wurde viel Wert auf die Feststellung gelegt, dass die Haft eine Einzelfallentscheidung sei. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass BAH die Haft nur für die ersten 72 Stunden verhängen kann und danach eine richterliche Überprüfung stattfinde (BAH 16.9.2015; vgl. BFA 24.6.2016).

Dublin-Rückkehrer haben Zugang zu Unterbringung und Versorgung solange ihr Verfahren nicht abgeschlossen ist. In jeder Einrichtung gibt es eine medizinische Versorgung. Falls nötig ist, werden Personen von einem Facharzt untersucht. Kinder bekommen eine besondere Versorgung (BFA 24.6.2016).

Quellen:

Dublin-Rückkehrer und die Drittstaatsicherheit Serbiens

Die von Ungarn angenommene Drittstaatssicherheit Serbiens widerspricht der Position des ungarischen Höchstgerichts (Kuria) und einer Empfehlung von UNHCR (beide 2012), die nie zurückgenommen wurden (und welche von UNHCR im Mai 2016 bekräftigt wurde (UNHCR 5.2016)). Dies und die Anwendbarkeit der Drittstaatsicherheit auf Dublin-Rückkehrer hat ECRE/HHC zu der Empfehlung bewogen, von Dublin-Überstellungen nach Ungarn Abstand zu nehmen. BAH steht auf dem Standpunkt, dass die Drittstaatsicherheit Serbiens so oder so auf ältere Fälle (Antragstellung vor dem 1.8.2015) anwendbar wäre, da die Rechtsgrundlage dafür auch schon zuvor bestanden habe (ECRE/HHC 1.10.2015; vgl. BAH 23.11.2015).

NGOs behaupten bereits seit längerem, dass Dublin-Rückkehrer akut von Rückschiebungen nach Serbien bedroht seien (vgl. ECRE/HHC 1.10.2015). Auf der anderen Seite gibt es zahlreiche Berichte, dass Serbien nur bestimmte Staatsangehörige (türkische und kosovarische Staatsbürger mit entsprechenden Ausweisdokumenten bzw. Durchbeförderung abgelehnter Kosovaren) (VB 4.11.2015b), bzw. nur eigene Staatsangehörige zurücknimmt (FRA 6.2016). Gemäß UNHCR wurden zwischen 15.9.2015 und 31.3.2016 298 Personen im Rahmen des Rückübernahmeabkommens nach Serbien rücküberstellt (78 Serben, 72 Türken, 34 Albaner, 5 Mazedonier und 31 Kosovaren, sowie 31 Syrer, 31 Afghanen, 14 Iraker, 2 Somalier und 6 Andere). Es ist aber unklar, wie viele davon aus den Transitzonen zurückgewiesen wurden und wie viele aus dem Inland bzw. ob Dublin-Rückkehrer darunter waren (UNHCR 5.2016). Die serbischen Behörden selbst bestätigen, dass aufgrund des bilateralen Rückübernahmeabkommens mit Ungarn nur serbische Staatsbürger, Staatenlose und Drittstaatsangehörige zurückgenommen werden, bei denen die Identität geklärt ist und die Tatsache geklärt ist, dass sie zuvor aus Serbien kommend nach Ungarn eingereist sind (VB 29.3.2016).

Um die praktischen Auswirkungen der ungarischen Gesetzesänderungen seit 1.8.2015 auf Dublin-Rückkehrer einschätzen zu können, wurde mit BAH ein Monitoring einiger Fälle vereinbart. Von Interesse waren bei diesem Monitoring insbesondere folgende Punkte:

• Zeitpunkt der Asylantragstellung (vor oder nach 1.8.)

• davon abhängig: besteht Zugang zum Asylverfahren nach Dublin-Transfer?

• Klärung der Frage: werden Dublin-Rückkehrer nach Serbien rücküberstellt?

Dem Monitoring unterzogen wurden die letzten 41 Fälle, die zwischen 1. und 24. September 2015 von Ö nach HU überstellt worden sind, sowie 25 Personen, die zwischen 12.10.2015 und 28.1.2016 aus DE, SE, UK, SK, CZ, CH nach HU überstellt worden sind. Bei den von Ö nach HU Überstellten handelt es sich um 24 erwachsene Männer, 4 erwachsene Frauen und 13 Minderjährige. Gemäß dem Monitoring konnte kein Fall einer Rücküberstellung eines Dublin-Rückkehrers von Ungarn nach Serbien festgestellt werden (BFA 23.3.2016).

Mitte Juni 2016 fand ein Expertentreffen zwischen BFA und BAH in Budapest statt, um offene Fragen zu klären. Es konnte im Zuge dessen klargestellt werden, dass Serbien zwischen 1.1. und 13.6.2016 113 Personen zurückgenommen hat, darunter befanden sich keine Dublin-Rückkehrer (Staatsangehörige Serbiens, Kosovos, Albaniens, usw.). Serbien steht (wie auch weiter oben bereits dargestellt) auf dem Standunkt, dass das Rückübernahmeabkommen nur für serbische und ehemalige jugoslawische Staatsbürger anwendbar sei (BFA 24.6.2016; vgl. TT 14.6.2016, FRA 6.2016). Die Ergebnisse des Monitorings von Februar 2016, wonach kein Fall einer Rücküberstellung eines Dublin-Rückkehrers von Ungarn nach Serbien festgestellt werden konnte, wurden damit bestätigt. Es wurde vereinbart, dass es bald ein weiteres Monitoring von aus Österreich nach Ungarn überstellten Dublin-Fällen geben soll, um die weitere Entwicklung beobachten zu können (BFA 24.6.2016).

Nach der Rückübernahme von Dublin-Rückkehrern hängt das weitere Verfahren davon ab, ob der Rückkehrer bereits einen Asylantrag gestellt hat, der inhaltlich behandelt wurde und, ob er sich innerhalb der 9-monatigen Frist für eine Wiedereröffnung des Verfahrens befindet. Wenn der Antrag aufgrund der Einreise durch Serbien als unzulässig entschieden wird und Serbien sich nicht bereit erklärt, den Rückkehrer zu übernehmen, wird der Antrag inhaltlich geprüft (BFA 24.6.2016; vgl. Act LXXX 14.9.2015, §51/A).

Der EuGH hat am 17.3.2016 in der Rechtssache C-695/15 P PU (Shiraz Baig Mirza) entschieden, dass Ungarn einen Asylwerber ohne inhaltliche Prüfung des Antrags in einen sicheren Drittstaat (hier Serbien) zurückweisen kann. Dies gilt auch dann, wenn Ungarn zuständiger Mitgliedstatt gemäß Dublin-III-VO ist. HU muss den überstellenden MS nicht über diese Regelung informieren oder den ersten Asylantrag in einem gewissen Verfahrensstadium weiterführen. Der Asylwerber hat das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und dass über seinen Antrag abschließend entschieden wird - das hindert Ungarn aber nicht daran, den Antrag als unzulässig zurückzuweisen. Der EuGH wurde nicht gefragt, ob Serbien als sicherer Drittstaat gelten kann, daher wurde darüber auch nicht ausdrücklich entschieden. Andererseits hat der EuGH aber auch keine Zweifel an Serbiens Drittstaatsicherheit im Urteil angesprochen und auch die Rückweisung nicht untersagt (EuGH 17.3.2016).

Quellen:

Haft

Fremdenpolizeiliche Haft

Für fremdenpolizeiliche Maßnahmen (Aufgriff und Verhaftung illegaler Migranten, Rückführungen) ist in Ungarn die Aliens Policing Unit der ungarischen Polizei zuständig. Die Polizei kann einen Ausländer für bis zu 72 Stunden inhaftieren, danach kann ein Gericht die Haftdauer um jeweils 30 Tage bis zu insgesamt einem Jahr verlängern (Info Stdok 05.2012).

Aufgrund der 2013 neu eingeführten Asylhaft nahm die fremdenpolizeiliche Haft ab. Einige ihrer Hafteinrichtungen wurden geschlossen, oder dem BAH übergeben. Seit Jänner 2014 kann fremdenpolizeiliche Haft nur noch auf jene Folgeantragsteller angewendet werden, deren Folgeanträge keine aufschiebende Wirkung haben. Ansonsten ist nur Asylhaft anwendbar (AIDA 17.2.2015).

Die Polizei verfügt über fremdenpolizeiliche Haftzentren in Gyor, Budapest Airport, Nyírbátor und Kishkunhalas mit zusammen 268 Plätzen. Es sind Sozialarbeiter und Psychologen der NGO Menedék verfügbar und es gibt damit gute Erfahrungen (HHC 5.2014; vgl. AIDA 17.2.2015).

Von 1.1.2016 bis 13.6.2016 befanden sich 682 Personen in fremdenpolizeilicher Haft, 10 Personen in Haft vor Ausweisung und 1 Person in Haft vor Abschiebung (BFA 24.6.2016).

Quellen:

Asylrechtliche Haft

Das ungarische Parlament hat im Juli 2015 eine Reihe von Änderungen des Asylgesetzes beschlossen. Unter anderem wurden die Asylhaftgründe (eingeführt 1.7.2013) klarer formuliert. Die asylrechtliche Haft erlaubt demnach die Inhaftierung von AW in folgenden Fällen:

a) bei ungeklärter Identität oder Nationalität.

b) wenn ein Ausweisungsverfahren gegen den Antragsteller läuft und aufgrund objektiver Kriterien nachgewiesen werden kann, dass es dem Antragsteller im Vorfeld möglich gewesen wäre, einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen - oder es liegen triftige Gründe für die Annahme vor, dass der Antrag nur gestellt wurde, um den Vollzug der Ausweisung zu verhindern.

c) wenn weitere Fakten erhoben werden müssen und das ohne Haft nicht möglich ist und angenommen werden muss, dass sich der ASt. dem Asylverfahren entziehen wird.

d) wenn die Haft notwendig ist zum Schutz der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung.

e) bei einem Antrag am Flughafen.

f) um das Dublin-Verfahren zu sichern, wenn ernste Absetzgefahr besteht.

(VB 2.7.2015; vgl. Act LXXX 14.9.2015, §§31/A ff.).

Die Verhängung der Asylhaft ist in jedem Einzelfall abzuwägen und nur anzuwenden, wenn der Zweck nicht anders erreicht werden kann (z.B. Kaution). Die Haft kann von BAH für max. 72 Stunden verhängt werden. Binnen der ersten 24 Stunden kann BAH die Verlängerung der Haft beim zuständigen Bezirksgericht beantragen. Das Gericht kann dem Antrag folgen und die Haft um max. 60 Tage verlängern, bis zu einer Maximaldauer von 6 Monaten. BAH muss alle Verlängerungsanträge begründen. Haft von unbegleiteten Minderjährigen darf nicht angeordnet werden. Die asylrechtliche Haft für Familien mit Kindern (als letztes Mittel unter Bedachtnahme auf das beste Interesse des Kindes) ist grundsätzlich für max. 30 Tage erlaubt. Rechtsmittel gegen die Anordnung der Asylhaft sind nicht vorgesehen, der ASt. kann aber Einspruch erheben (may file an objection), über den das Gericht binnen 8 Tagen entscheiden soll. Eine persönliche Anhörung des Inhaftierten hat bei der ersten Verlängerung oder im Falle eines Einspruchs zwingend zu erfolgen. Bei weiteren Verlängerungen der Haft kann eine Anhörung erfolgen, wenn der Betroffene das beantragt. Gegen Bedingungen der Haft ist Beschwerde an den Leiter der Asylhafteinrichtung bzw. in weiterer Folge an die Leitung des BAH möglich. Wenn die Antragszahlen außergewöhnlich hoch sind und die Kapazitäten der Asylhaftzentren entsprechend ausgereizt sind, ist Asylhaft auch in nicht dafür vorgesehenen Einrichtungen möglich. Alle anderen Vorkehrungen, wie Geschlechtertrennung und Unterbringungsbedingungen, sind einzuhalten (Act LXXX 14.9.2015, §31/A, §31/B, 31/G, 31/H, 31/I).

Es gibt Asylhaftzentren in Békéscsaba, Debrecen und Nyírbátor mit zusammen 456 Plätzen (VB 13.10.2015b) und 500 Asylhaftplätze in Kiskunhalas (VB 25.5.2016).

Für Antragsteller in Asylhaft haben dieselben materiellen Bedingungen zu gelten wie in der offenen Unterbringung (Act LXXX 14.9.2015, §28).

Die medizinische Betreuung in den Asylhaftzentren stellt sich im Einzelnen wie folgt dar:

o Békéscsaba: 2 PA abwechselnd für 2 Stunden wochentags, 6 PflegerInnen abwechselnd die ganze Woche/24 Std. Am Wochenende werden die PA auf Abruf tätig. Psychologische Hilfe erfolgt durch die CF nach Bedarf (VB 7.9.2015).

o Debrecen: 5x pro Woche 2 PA, 6 PflegerInnen abwechselnd die ganze Woche/24 Std., PA am Wochenende auf Abruf, ebenso ein psychologischer Dienst bei Bedarf (VB 7.9.2015).

o Nyírbátor: 1 PA für 2 Stunden an Werktagen, am Wochenende auf Abruf, medizinische Pflege wird von der Bezirkspolizei bereitgestellt, psychologische Hilfe von einer örtlichen Klinik (VB 7.9.2015).

o Kiskunhalas: Der Gesundheitsdienst arbeitet rund um die Uhr. Es kommen regelmäßig Ärzte. An Arbeitstagen gibt es eine Sprechstunde (3-4 Stunden). Die gesundheitliche Grundversorgung erfolgt vor Ort, eine entsprechende Fachversorgung ist im Krankenhaus Kiskunhalas möglich. Mitarbeiter der Cordelia Foundation kommen für psychologische Betreuung, wofür Ihnen das Ärztezimmer zur Verfügung gestellt wird (VB 25.5.2016).

Darüber hinausgehende ärztliche Versorgung ist in den Krankenhäusern der Umgebung möglich (VB 7.9.2015).

Vulnerable sind von der Asylhaft auszunehmen. Das umfasst UM, Schwangere, Familien mit Kindern unter 5 Jahren und AW, die unter PTBS leiden. Die Ausnahme der UM ist im Gesetz festgeschrieben, die restlichen Ausnahmen sind Verwaltungspraxis. Die Identifizierung der Personen mit PTBS übernimmt die NGO Cordelia, welche die Asylhafteinrichtungen einmal die Woche besucht. Am 30.9.2015 waren in Békéscsaba 24 von 65 Personen Teil einer Familie, darunter 8 Kinder (ECRE/HHC 1.10.2015).

Es gibt Alternativen zur Haft, wie festgelegten Aufenthaltsort und Kaution. Ersteres wird offenbar nicht angewendet, da sich 89-90% der AW in offener Unterbringung ohnehin absetzen. Kaution wurde seit 1.7.2014 in 143 Fällen verhängt (in Höhe von EUR 500 - 5.000). In 113 Fällen setzten sich die Betroffenen ab. Ihre Kautionen fielen in 104 Fällen an den Staat, in 9 Fällen konnte die Kaution rückerstattet werden (EASO 03.2015). Gegen Zahlung der Kaution in og. Höhe kann die Asylhaft im Wege einer Einzelfallentscheidung ausgesetzt werden. Die Kaution kann in jeder Phase des Asylverfahrens beantragt werden. Die Genehmigung erfolgt gegebenenfalls durch das BAH. Die Kaution verfällt, wenn der Antragsteller die ihm zugewiesene offene Aufnahmeeinrichtung und in weiterer Folge Ungarn verlässt, bevor eine Entscheidung über seinen Antrag ergangen ist. Das geschieht in einem Großteil der Fälle (VB 25.5.2016).

Von 1.1.2016 bis 13.6.2016 befanden sich 1.536 Personen in asylrechtlicher Haft. Dies stellt lediglich einen geringen Anteil von bislang rund 20.000 gestellten Asylanträgen im Jahr 2016 dar. Es wird immer überprüft, ob eine Alternative zu asylrechtlicher Haft (z.B. Kaution oder gelinderes Mittel) möglich ist. Die Maximaldauer der asylrechtlichen Haft beträgt 6 Monate, die Durchschnittsdauer liegt jedoch bei 39 Tagen. Die Haftzeit hängt immer vom Verfahren und vom Einzelfall ab. Die Abschiebung kann auch mit anderen Mitteln als Haft gesichert werden (z.B. gelinderes Mittel oder Kaution). Unter den 1.536 Personen in asylrechtlicher Haft sind auch Dublin-Rückkehrer. Genaue Zahlen konnte BAH nicht nennen, es sind aber jedenfalls unter 10%. Dublin-Relevanz alleine bedeutet keinen Haftgrund. Hauptgrund für Haft in Dublin-Fällen ist u.a. mangelnde Mitwirkung am Verfahren bzw. Sicherungshaft für Dublin-Out-Fälle. Ein Strafverfahren gegen Dublin-Rückkehrer wird nur dann eingeleitet, wenn sie in Ungarn eine Straftat begehen. Strafverfahren wegen etwaiger früherer Verletzung des Grenzzauns werden nicht eingeleitet (BFA 24.6.2016).

Mit Stand 29.6.2016 befinden sich 738 Personen in geschlossener Unterbringung (VB 29.6.2016). Im Mai 2016 befanden sich in ganz Ungarn nur alleinstehende Männer in Asylhaft (VB 25.5.2016).

Quellen:

Illegaler Grenzübertritt / Beschädigung des Grenzzauns

Die Änderungen des ungarischen Asylgesetzes von August/September 2015 enthalten auch Bestimmungen für den Fall, dass Migranten den Grenzzaun illegal überqueren bzw. beschädigen. Illegale Überwindung des Zauns ist mit Haft in Höhe von bis zu 3 Jahren strafbar. Geschieht die Überwindung bewaffnet oder als Teil einer Ausschreitung beträgt das Strafausmaß 1-5 Jahre Haft. Geschieht die Überwindung bewaffnet und als Teil einer Ausschreitung sind 2-8 Jahre Haft möglich; kommt jemand zu Tode drohen 2-10 Jahre. Wird der Grenzzaun beschädigt ist das mit Haft in Höhe von bis zu 5 Jahren strafbar. Geschieht die Beschädigung bewaffnet oder als Teil einer Ausschreitung beträgt das Strafmaß 2-8 Jahre Haft. Geschieht die Beschädigung bewaffnet und als Teil einer Ausschreitung sind 5-10 Jahre Haft möglich; kommt jemand zu Tode drohen 20 Jahre bis lebenslange Haft. Im Zusammenhang mit Vergehen betreffend illegalen Grenzübertritt und Beschädigung des Grenzzauns sind bis zu einem Strafmaß von 5 Jahren Bewährungsstrafen möglich (anstatt bis 2 Jahre wie sonst üblich) und die Länge der Bewährung kann 2-10 Jahre betragen. Eine Ausweisung muss in jedem den Grenzzaun betreffenden Fall ausgesprochen werden, wenn eine Haftstrafe verhängt wird. Die NGO HHC meint, dass einige der Bestimmungen gegen internationale Verpflichtungen Ungarns verstoßen (HHC 16.9.2015; vgl. HHC 18.9.2015).

Zwischen 15. September und 31. Dezember 2015 wurden insgesamt 1.064 Strafverfahren gegen Migranten eröffnet, die alle schnell zu Ende gebracht werden konnten. Die Strafe ist meist ein ein- oder mehrjähriges Einreiseverbot, dessen Höhe sich nach Geschlecht, und Alter des Angeklagten richtet. Frauen und junge Erwachsene erhalten in der Regel nur ein Jahr. Die wenigen Haftstrafen für Wiederholungstäter wurden zur Bewährung ausgesetzt. Die meisten akzeptieren die Strafe. (FRA 12.2015). Im Februar 2016 gab es wieder mehr illegale Grenzübertritte. Daraus resultierten 775 Strafverfahren, von denen 771 mit Verurteilungen zur Ausweisung und endeten. Die wenigen Haftstrafen für Wiederholungstäter wurden zur Bewährung ausgesetzt (FRA 2.2016).

Laut Bericht des VB von Ende Februar ist die Kriminalisierung des illegalen Grenzübertritts strafrechtlich eher unbedeutend: Bei der großen Mehrheit der Verfahren wurden lediglich Aufenthaltsverbote verhängt, eine strafrechtliche Verurteilung gab es in nur knapp 1% aller Fälle, in der Regel dann, wenn eine Zerstörung des Grenzzauns auch mit Widerstand gegen die Staatsgewalt etc. einherging (VB 22.2.2016).

Quellen:

Non-Refoulement

Die NGO Hungarian Helsinki Committee betrachtet die ungarischen Gesetzesänderungen vom August und September 2015 als Verletzung mehrerer internationaler Verpflichtungen Ungarns, unter anderem auch des Non-Refoulement-Prinzips durch die angenommene Drittstaatsicherheit Serbiens (HHC 18.9.2015; vgl. USDOS 13.4.2016).

BAH hat zu prüfen, ob ein ASt. aufgrund von Non-Refoulement-Erwägungen für internationalen Schutz, subsidiären Schutz oder geduldeten Aufenthalt infrage kommt (AIDA 11.2015).

(Näheres dazu in Kap. 4. "Drittstaatsicherheit Serbiens")

Quellen:

Versorgung

Bedürftige Erstantragsteller sind während des gesamten Asylverfahrens, ab Antragstellung bis zum Vorliegen einer endgültigen Entscheidung, zu materieller Unterstützung berechtigt. Diese umfasst Unterbringung und Verpflegung. Die Bedürftigkeit ist mittels Eigendeklaration nachzuweisen (AIDA 11.2015).

BAH kann eine private Unterbringung oder ein Unterbringungszentrum, oder eine andere geeignete Unterbringung als Ort des verpflichtenden Aufenthalts eines Antragstellers festlegen. Offene Unterbringungseinrichtungen können nur mit Genehmigung für mehr als 24 Stunden verlassen werden (Act LXXX 14.9.2015, §48).

Die Versorgung von Asylwerbern umfasst neben den gesetzlich garantierten Rechten, Krankenversorgung, soziale Versorgung und Bildung. Dabei ist auf die Bedürfnisse Vulnerabler Rücksicht zu nehmen. Die Unterbringungsbedingungen können in Einzelfällen reduziert oder ganz gestrichen werden (unangemeldete Abwesenheit für mehr als 15 Tage; Folgeanträge ohne neue Elemente; mangelnde Mitarbeit am Verfahren; Verschweigen von Geldmitteln), das Recht auf medizinische Nothilfe bleibt aber bestehen (Act LXXX 14.9.2015, §§26-30; vgl. AIDA 11.2015).

In Unterbringungszentren untergebrachte AW erhalten 3 Mahlzeiten am Tag (AIDA 11.2015). Das monatliche Taschengeld für Asylwerber wurde mit 1.4.2015 abgeschafft, genauso wie die Sonderzulage für Schulungsmaßnahmen (z.B. für Spracherwerb) und die Sonderzulage für Wohnraumbeschaffung (VB 4.4.2016; vgl. HHC 15.6.2016).

Quellen:

Unterbringung

In 1. Instanz haben alle bedürftigen AW Zugang zu Unterbringung und Versorgung. Folgeantragssteller bekommen Unterbringung und Versorgung bis in ihrem Fall eine nicht mehr anfechtbare rechtskräftige Entscheidung getroffen ist (BFA 24.6.2016).

Momentan gibt es in Ungarn 4 offene Unterbringungszentren für AW mit zusammen etwa 1.000 Unterbringungsplätzen:

1. Unterbringungszentrum Bicske.

2. Gemeinschaftsunterkunft Balassagyarmat: für Folgeantragsteller, Geduldete, Personen im fremdenrechtlichen Verfahren, usw.

3. Unterbringungszentrum Vámosszabadi.

4. Temporäres Unterbringungszentrum Körmend (Zeltlager)

(HHC 6.2016)

Die Kinderheime in Fót und Hódmezovásárhely beherbergten im März 2016 etwa 10-15 Kinder, bei eine Kapazität von insgesamt 88 Plätzen. Die Fluktuation ist sehr hoch, 95% der Jugendlichen verlassen die Einrichtungen bereits nach einigen Tagen (FRA 4.2016).

Außerdem sind folgende Einrichtungen geplant:

* Temporäres Unterbringungszentrum Szentgotthárd (Zeltlager) bis auf weiteres nicht in Betrieb

* Temporäres Unterbringungszentrum Kiskunhalas: voraussichtlich ab 1.7.2016 in Betrieb

* Temporäres Unterbringungszentrum Kapuvár: Eröffnung im Laufe des Jahres geplant

(BFA 24.6.2016)

Geplant sind weiterhin die Schließung von Bicske und Vámosszabadi, aber es liegt diesbezüglich derzeit noch keine konkrete Entscheidung seitens der Regierung vor. Die Schließung von Unterbringungszentren hängt von der aktuellen Migrationslage und der jeweiligen Gesetzeslage ab. Die Entscheidung der Regierung über die Schließung eines Zentrums wird laut Aussage von BAH stark von der Stimmung in der Bevölkerung geprägt. Nach der Schließung der Aufnahmestelle in Debrecen wurden mehrere temporäre Stellen als Ersatz eröffnet (BFA 24.6.2016).

Die Ausgaben für Asylwerber steigen seit Jahren (2013: EUR 6,1 Mio., 2014: EUR 8,8 Mio., 2015: EUR 18,1 Mio., 2016: EUR 13.3 Mio.). In den Transitzonen wurden von März bis Mai Essenspakete für über HUF 18 Mio. ausgegeben (BFA 24.6.2016).

Die Zentren unterstehen BAH. NGOs, die mit BAH kooperieren und Dienstleistungen in den Zentren anbieten, werden von BAH koordiniert. Es ist noch nicht vorgekommen, dass AW wegen Platzmangel obdachlos geworden wären. Vulnerable werden nach Möglichkeit gesondert untergebracht (VB 4.3.2016; vgl. AIDA 11.2015; ÖB 9.9.2015, VB 25.5.2016). Alleinstehende Frauen werden üblicherweise zusammen mit Familien auf eigenen Stockwerken untergebracht. Familien werden während des Asylverfahrens nicht getrennt. AW mit speziellen Bedürfnissen sollen getrennt untergebracht werden (AIDA 11.2015).

Mit Stand 29.6.2016 sind in Ungarn 1.132 Personen in offener Unterbringung (VB 29.6.2016).

Quellen:

Medizinische Versorgung

Die Versorgung von Asylwerbern umfasst auch Krankenversorgung. Dabei ist auf die Bedürfnisse Vulnerabler Rücksicht zu nehmen. Wenn, aus welchen Gründen auch immer, Leistungen reduziert oder gestrichen werden, bleibt das Recht auf medizinische Notversorgung bestehen (Act LXXX 14.9.2015, §§26-30; vgl. AIDA 11.2015).

AW haben mehrmals die Woche Zugang zu Allgemeinmedizinern und täglichen Zugang zum Krankenpflegepersonal in den Unterbringungszentren. Der Zugang wird allerdings durch die Sprachbarriere geschmälert. Übersetzer sind nicht immer verfügbar. Medizinische Spezialbehandlung wird in den umliegenden Spitälern gewährleistet. Aber auch dort gibt es Verständigungsprobleme (AIDA 11.2015).

Da EASO und der aktuelle AIDA-Bericht im Februar bzw. März des 2015 zu dem Schluss kamen, dass die psychologische Betreuung (Folteropfer, PTBS, geistig stark Behinderte und Suchtkranke) in ungarischen Zentren nicht abgedeckt werden könne (AIDA 17.2.2015; EASO 03.2015), wurde dieser Punkt im Zuge eines Arbeitsgespräch mit BAH am 16.9.2015 gezielt nachgefragt. Laut BAH ist in allen Unterbringungszentren medizinische Basisversorgung gegeben. Wenn kein Psychologe im Zentrum anwesend sein sollte, hätten die Ärzte des Zentrums die Möglichkeit den Betreffenden zu einem Spezialisten zu überweisen. Auch NGOs hätten Zugang zu den Zentren und böten psychologische und soziale Hilfe. Dies sei in eigenen Kooperationsabkommen niedergelegt. Sozialarbeiter gebe es in jedem Zentrum und diese seien sehr engagiert (BAH 16.9.2015). Der AIDA-Bericht von November 2015 besagt, dass ein Mangel an spezialisierten Diensten bestehe und nur wenige Experten die relevanten Sprachen sprächen oder Erfahrung mit Folteropfern hätten. Die NGO Cordelia sei die einzige Organisation mit der notwendigen Erfahrung in der psychologischen Betreuung von Folteropfern in den Unterbringungszentren. Ihre Kapazität sei jedoch begrenzt und ihre Finanzierung von Projekten abhängig. Die medizinische Betreuung ernsthaft psychisch Kranker wird weiterhin als ungelöstes Problem beschrieben. Suchtkranke haben angeblich keinen Zugang zu relevanten Behandlungen (AIDA 11.2015).

Notwendige Medikamente erhält ein Patient ebenfalls kostenfrei. Zahnarztbehandlungen werden in Notfällen gewährt. (BT 2.3.2012)

Die EU-Grundrechtsagentur FRA bezeichnet Ende Februar 2016 die Krankenversorgung in den Unterbringungszentren als zufriedenstellend und nennt keine Beschwerden über Verfügbarkeit bzw. Professionalität von Behandlung und Medikation. Sogar die ernstesten medizinischen Probleme seien in naheliegenden Spitälern behandelt worden. FRA zitiert NGOs, welche sich über die medizinische Versorgung in Hafteinrichtungen beschwerten, die nur sehr grundlegender Natur und schwerfällig sei, wovon auch Kinder betroffen seien (FRA 2.2016).

Quellen:

Schutzberechtigte

Im März 2016 wurde ein Paket von Änderungen zum ungarischen Asylgesetz präsentiert, dessen Ziel es war, Verschärfungen bei der Versorgung von AW und Schutzberechtigten durchzusetzen. Zentraler Punkt ist dabei der Aspekt, dass Schutzberechtigte zwar ein Recht auf dieselben sozialen Leistungen haben sollen, wie ungarische Staatsbürger, jedoch darüber hinaus nicht bessergestellt werden sollen. Demgemäß sollen weder Asylwerber noch Inhaber eines Schutzstatus ein Recht auf jedwede Art von Barzuschüssen haben. Die Änderungen traten am 1.4.2016 in Kraft und sind ab 1.6.2016 umzusetzen. Relevante Punkte der sogenannten "Integration Care" sind die Abschaffung des Integrationsvertrages (d.h. keine Mehrzahlungen für Integration, Spracherwerb etc.) und Einführung automatischer Kontrolle des Schutzstatus (subsidiärer wie auch internationaler Schutz (Fortbestehen der Asylgründe und Überprüfung von Integrationsfortschritten) alle 3 Jahre. Bedürftige Schutzberechtigte dürfen 30 Tage nach Statuszuerkennung im Aufnahmezentrum bleiben (bisher 60 Tage). Nicht sozialversicherte Schutzberechtigte sollen hinkünftig für 6 Monate das Recht auf medizinische Versorgung haben (bisher 12 Monate). Wohnkostenzuschuss und Ausbildungszuschuss für Schutzberechtigte werden gestrichen, ebenso Streichung der finanziellen Unterstützung für Geduldete. Die ungarische Regierung sieht dies lediglich als Anpassung an Regelungen, wie sie in Westeuropa bereits gelten. In Ungarn gibt es diverse NGOs, Sozialzentren etc., die kostenlos Leistungen anbieten (z.B. Sprachkurse), aber es besteht auf solche Unterstützung kein Rechtsanspruch (VB 11.3.2016; VB 4.4.2016; vgl. FRA 6.2016; HHC 15.6.2016).

Geduldete können in der Gemeinschaftsunterkunft Balassagyarmat untergebracht werden (AIDA 11.2015).

Quellen:

Beweiswürdigend wurde seitens der belangten Behörde zusammenfassend festgehalten, dass die Identität des Beschwerdeführers in Ermangelung der Vorlage identitätsbezeugender Dokumente nicht habe festgestellt werden können. Der Mutter und den Geschwistern des Beschwerdeführers sei der Status der Asylberechtigten zuerkannt worden. Es bestehe weder ein finanzielles noch ein sonstiges Abhängigkeitsverhältnis. Daher sei von keinem schützenswerten Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK auszugehen. Die Außerlandesbringung stelle daher keinen Eingriff in das Recht auf Achtung des Familienlebens dar.

Bezüglich des Vorbringens unzureichender Versorgung in Ungarn sei auf die Feststellungen zu Ungarn hinzuweisen, woraus sich jedenfalls eine unbedenkliche Versorgungslage für Asylwerber in Ungarn ergebe. Der in den Feststellungen angeführten und in Ungarn gegebenen Versorgungssituation für Asylwerber sei der Beschwerdeführer im Verfahren nicht in der Form substantiiert entgegengetreten, dass sich daraus im Falle seiner Überstellung nach Ungarn Hinweise auf eine mögliche Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte in diesem Land ableiten ließen. Unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Umstände gehe das Bundesamt daher zweifelsfrei von einer ausreichend gegebenen Versorgungslage für Asylwerber im Mitgliedstaat Ungarn aus.

In rechtlicher Hinsicht wurde insbesondere festgehalten, dass sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers und dem amtswegigen Ermittlungsverfahren die formelle Erfüllung des Artikel 18 Absatz 1 lit b Dublin III-VO ergebe. Eine Außerlandesbringung des Beschwerdeführers würde nicht zu einer Verletzung der Dublin III-VO sowie von Art 7 GRC bzw. Art 8 EMRK führen.

7. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 02.08.2016 persönlich ausgefolgt.

7. Dieser Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde fristgerecht am 05.08.2016 mit gegenständlicher Beschwerde angefochten, in welcher der Beschwerdeführer im Wesentlichen ausführte, dass er mit seiner Familie in Österreich leben wolle. Der in Ungarn gestellte Asylantrag sei mit Drohungen erpresst worden. Er sei der einzige erwachsene Mann in seiner Familie und sei nach Österreich gekommen, um sich um seine minderjährigen Geschwister zu kümmern. Ohne ihn würde die gesamte Belastung der Alleinerziehung auf den Rücken seiner Mutter fallen, die schon über 50 Jahre alt sei. Die Trennung der Familie sei nicht freiwillig erfolgt, Er habe sich auf den Weg zu ihnen gemacht, sobald er die Möglichkeit gehabt habe. Abschließend wurde die aufschiebende Wirkung der Beschwerde beantragt.

8. Die hiergerichtliche Beschwerdevorlage im Sinne des § 16 Abs. 4 BFA-VG an die zuständige Gerichtsabteilung erfolgte am 22.08.2016.

9. Der Beschwerdeführer wurde am 14.12.2016 nach Ungarn überstellt.

10. Der Beschwerdeführer reiste erneut nach Österreich ein und stellte am 24.12.2016 einen Folgeantrag. Über ihn wurde am 19.01.2016 die Schubhaft verhängt, die erneute Überstellung nach Ungarn ist für den 23.02.2016 geplant.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer reiste im Mai 2016 nach Ungarn ein, wo er am 25.05.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. In der Folge begab er sich nach Österreich und brachte hier am 06.06.2016 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz ein. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 07.06.2016 ein Wiederaufnahmeersuchen betreffend den Beschwerdeführer an Ungarn. Mit Schreiben vom 30.06.2016 teilten die österreichischen Dublin-Behörden Ungarn mit, dass auf Grund der nicht fristgerecht erfolgten Antwort gemäß Artikel 22 Absatz 7 der Dublin III-Verordnung eine Verfristung eingetreten und Ungarn nunmehr zuständig für die Durchführung der gegenständlichen Asylverfahren sei.

Besondere, in der Person der beschwerdeführenden Partei gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Ungarn sprechen, liegen nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Lage im Mitgliedstaat an.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen akut lebensbedrohenden Krankheiten.

Die Mutter sowie die Geschwister des Beschwerdeführers (15, 17 und 18 Jahre alt) sind in Österreich asylberechtigt. Die Familie lebt in Österreich in einem gemeinsamen Haushalt. Großeltern, Onkeln und Tanten des Beschwerdeführers leben ebenfalls in Österreich.

Der - ua die Anordnung zur Außerlandesbringung enthaltende - angefochtene Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 02.08.2016 zugestellt und er am 14.12.2016 nach Ungarn überstellt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Reiseweg des Beschwerdeführers ergeben sich aus den vorliegenden Eurodac-Treffermeldungen zu Ungarn vom 24.05.2016 und 25.05.2016. Die Antragstellung auf internationalen Schutz in Ungarn ist durch den EURODAC-Treffer hinreichend objektiviert. Dass er, wie später vorgetragen, zu einer Antragstellung gegen seinen Willen in Ungarn gezwungen wurde, kann nicht als glaubhaft angesehen werden.

Die Feststellung über das Wiederaufnahmeersuchen seitens der österreichischen Dublin-Behörde und den erfolgten Eintritt der Verantwortung Ungarns zur Prüfung des vorliegenden Antrags auf internationalen Schutz wegen Unterlassung einer Beantwortung dieses Ersuchens beruht auf dem - im Verwaltungsakt dokumentierten - durchgeführten Konsultationsverfahren.

Da der Beschwerdeführer aus Ungarn vor einer Einvernahme in seinem Asylverfahren ausgereist ist, muss - nach dem dem hiergerichtlichen Verfahren zugrundeliegenden Quellenmaterial - davon ausgegangen werden, dass das Verfahren in seiner Abwesenheit nicht inhaltlich entschieden, sondern 30 Tage nach Verlassen des Landes eingestellt wurde; diesfalls frühestens ab etwa Ende Juni 2016, weshalb die 9 Monatsfrist erst Ende März 2017 abliefe und daher das Verfahren des Beschwerdeführers wegen internationalen Schutzes in Ungarn auf Antrag (einmal) als fortgesetzt und nicht als Folgeverfahren (mit damit allenfalls in Verbindung stehenden Problemen) gälte.

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat ergibt sich aus den Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheids (Länderinformation der Staatendokumentation vom Juni 2016). Das BFA hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Ungarn auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin-VO) samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelweg getroffen. Der Beschwerdeführer hat die Richtigkeit dieser Feststellungen in einer Gesamtschau nicht hinreichend in Zweifel gezogen und auch keine dem (tatsächlichen) Inhalt dieser Quellen (fundamental) entgegenstehenden Berichte zitiert oder bezeichnet.

Aus den im angefochtenen Bescheid dargestellten Länderinformationen in Zusammenschau mit laufender Medienbeobachtung ergeben sich somit (bei einer Vielzahl einzelner Kritikpunkte) keine ausreichend begründeten Hinweise darauf, dass das ungarische Asylwesen für Personen, die dort in einem Asylverfahren stehen, insgesamt grobe systemische Mängel aufweisen würde.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur privaten und familiären Situation des Beschwerdeführers ergeben sich aus dessen eigenen Angaben.

Die Überstellung des Beschwerdeführers nach Ungarn ergibt sich aus der diesbezüglichen Mitteilung des BFA, das Zustelldatum des angefochtenen Bescheides ist aktenkundig (Übernahmebestätigung).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Das Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist im vorliegenden Fall in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 70/2015 anzuwenden.

Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:

"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuwiesen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzuhalten, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

...

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

...

§10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

...

und in den Fällen der Z1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

...

3.2. § 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idF BGBl. I Nr. 70/2015 lautet:

"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war.

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, indem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."

3.3. § 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idf BGBl. I Nr. 70/2015 lautet:

"§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4 a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. ...

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird."

3.4. Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin-III-Verordnung (§ 2 Abs. 1 Z 8 AsylG 2005) lauten:

Gemäß Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-Verordnung prüfen die Mitgliedstaaten jeden Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen eines Mitgliedstaats stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung normiert für den Fall, dass sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen lässt, der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde für dessen Prüfung zuständig ist.

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedsstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass die Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtscharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedsstaat oder an den ersten Mitgliedsstaats, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

Gemäß Art 3 Abs. 3 der Dublin-III-Verordnung behält jeder Mitgliedstaat das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

In Kapitel 3 bzw. den Artikeln 7 ff der Dublin-III-VO werden die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats sowie deren Rangfolge aufgezählt.

Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-Verordnung lautet: "Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Art. 22 Abs. 3 genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts."

Gemäß Art. 18 Abs. 1 Dublin-III-VO ist der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat verpflichtet:

a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Art. 21, 22 und 29 aufzunehmen;

b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrages in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Art. 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Art. 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Art. 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.

Gemäß Art. 18 Abs. 2 der Dublin-III-VO prüft der zuständige Mitgliedstaat in allen dem Anwendungsbereich des Abs. 1 lit. a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab.

Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Abs. 1 lit. c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrages abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird. In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird.

In den in den Anwendungsbereich des Abs. 1 lit. d d fallenden Fällen, in denen der Antrag nur in erster Instanz abgelehnt worden ist, stellt der zuständige Mitgliedstaat sicher, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat oder hatte, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 der Richtlinie 2013/32/EU einzulegen.

Zur Frage der Unzuständigkeit Österreichs für die Durchführung des gegenständlichen Verfahrens pflichtet das Bundesverwaltungsgericht der Verwaltungsbehörde bei, dass sich aus dem festgestellten Sachverhalt die Zuständigkeit Ungarns zur Wiederaufnahme des Beschwerdeführers gemäß Art. 13 Abs. 1 iVm Art. 18 Abs. 1 lit b und Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO (nachdem der Beschwerdeführer in Ungarn einen Asylantrag gestellt hat und die ungarischen Behörden das Wiederaufnahmegesuch des BFA nicht fristgerecht beantwortet haben) ergibt.

Es war hierbei eine Auseinandersetzung mit der Frage erforderlich, auf welcher Bestimmung die Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedstaates beruht (VfGH 27.6.2012, U462/12); dies freilich, sofern maßgeblich, unter Berücksichtigung der Urteile des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 10.12.2013 in der Rechtssache C-394/12 , Shamso Abdullahi/Österreich, vom 07.06.2016 in der Rechtssache C-63/15 , Mehrdad Ghezelbash/Niederlande sowie vom 07.06.2016 in der Rechtssache C-155/15 , Karim.

Der EuGH sprach in seinem Urteil vom 10.12.2013, C-394/12 , Shamso Abdullahi/Österreich Rz 60, aus, dass in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO festgelegten Kriteriums zugestimmt hat, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC ausgesetzt zu werden.

Zudem hat der EuGH in seinem Urteil vom 07.06.2016, C-63/15 , Gezelbash (Große Kammer), festgestellt, dass Art. 27 Abs. 1 Dublin III-VO im Licht des 19. Erwägungsgrundes dieser Verordnung dahin auszulegen ist, dass ein Asylbewerber im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung die fehlerhafte Anwendung eines in Kapitel III dieser Verordnung festgelegten Zuständigkeitskriteriums geltend machen kann.

Damit im Einklang steht das Urteil des EuGH ebenfalls vom 07.06.2016, C-155/15 , Karim (Große Kammer), wonach ein Asylbewerber im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung einen Verstoß gegen die Regelung des Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung geltend machen kann.

Zusammengefasst ist festzuhalten, dass sich aus dem festgestellten Sachverhalt die Zuständigkeit Ungarns gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b der Dublin-III-Verordnung ergibt.

Nach der Rechtsprechung des VfGH (zB 17.06.2005, B 336/05;

15.10.2004, G 237/03) und des VwGH (zB 23.01.2007, 2006/01/0949;

25.04.2006, 2006/19/0673) ist aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben, sollte die innerstaatliche Überprüfung der Auswirkungen einer Überstellung ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers bedroht wären.

Das BFA hat von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher zu prüfen, ob von diesem im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK oder der GRC zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.

Mögliche Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK:

Mit der Frage, ab welchem Ausmaß von festgestellten Mängeln im Asylsystem des zuständigen Mitgliedstaates der Union ein Asylwerber von einem anderen Aufenthaltsstaat nicht mehr auf die Inanspruchnahme des Rechtsschutzes durch die innerstaatlichen Gerichte im zuständigen Mitgliedstaat und letztlich den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Wahrnehmung seiner Rechte verwiesen werden darf, sondern vielmehr vom Aufenthaltsstaat zwingend das Selbsteintrittsrecht nach Art 3 Abs 2 Dublin II-Verordnung (nunmehr Art 17 Abs 1 Dublin III-Verordnung) auszuüben ist, hat sich der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10 , N.S./Vereinigtes Königreich, (zu vergleichbaren Bestimmungen der Dublin II-VO) befasst und, ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in der Entscheidung vom 2.12.2008, 32733/08, K.R.S./Vereinigtes Königreich, sowie deren Präzisierung mit der Entscheidung des EGMR vom 21.1.2011, 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland, ausdrücklich ausgesprochen, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechtes durch den zuständigen Mitgliedstaat, sondern erst systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes durch den Aufenthaltsstaat gebieten (Rn 86). An dieser Stelle ist auch auf das damit in Einklang stehende Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 14.11.2013 in der Rechtssache C-4/11 , Bundesrepublik Deutschland/Kaveh Puid zu verweisen (Rn 36, 37).

Der Verwaltungsgerichtshof ist im seinem behebenden Erkenntnis vom 8.9.2015, Ra 2015/18/0113 davon ausgegangen, dass sich die Lage in Ungarn zumindest seit Oktober 2014 schon deshalb deutlich verändert habe, weil in jüngerer Zeit ein massiver Zustrom von Asylwerbern stattgefunden habe, der in hohem Maße auch Ungarn betroffen habe. Deshalb sei ein konkretes Vorbringen, mit dem Asylwerber eine angemessene Unterbringung und Versorgung ihrer Grundbedürfnisse in Ungarn vor dem Hintergrund dieser notorischen Entwicklungen in Frage gestellt haben, einer weitergehenden Prüfung der Lage zu unterziehen.

Dazu ergibt sich aufgrund der inhaltlich nicht in Zweifel gezogenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides, dass sowohl die Anzahl der illegalen Grenzübertritte nach Ungarn wie auch jene der gestellten Asylanträge im ersten Halbjahr 2016 im Vergleich zum Jahr 2015 deutlich zurückgegangen ist, jene der gestellten Asylanträge von 176.000 im Gesamtjahr 2015 auf 22.093 im ersten Halbjahr 2016. Weiters erfolgten 2015 und 2016 eine hohe Anzahl von Einstellungen der Verfahren, was drauf hindeutet, dass die meisten Antragsteller während des Verfahrens untergetaucht sind. Der vom Verwaltungsgerichtshof im genannten Erkenntnis vom 8.9.2015 als notorische Lageänderung umschriebene massive Zustrom von Asylwerbern insbesondere über Ungarn findet daher nach den aktuellen Länderfeststellungen gegenwärtig nicht mehr statt.

Folgerichtig ergibt sich aus den aktuellen Feststellungen des angefochtenen Bescheides auch kein Hinweis darauf, dass die Kapazitäten der ungarischen Behörden zur Unterbringung von Asylwerbern nicht ausreichend wären.

Weiters hat das Verfahren auch keine Hinweise ergeben, dass wegen systemischer Mängel in Ungarn nach Rücküberstellung dem Beschwerdeführer die Geltendmachung seiner Gründe für die Verweigerung internationalen Schutzes verunmöglicht würde (vgl aus der rezenten Rechtsprechung der zuständigen Gerichtsabteilungen des BVwG nur W240 213692-1/4E vom 18.10.2016; aufgrund (auch) schwerer Mängel im Asylwesen in einer signifikanten Zahl von Verfahren ist jedenfalls eine sorgfältige Einzelfallprüfung durchzuführen (vgl etwa W233 2135667 vom 18.10.2016)). Ernsthaft zu befürchtende systemische Mängel in dieser Hinsicht ergeben sich auch nicht mit Blick auf die aktuelle Rechtsprechung des EGMR, insbesondere wurde aktuell nur in sehr wenigen (potentiell vulnerable Antragsteller betreffenden) Verfahren einstweiliger Rechtsschutz gewährt.

Konkretes detailliertes Vorbringen, das geeignet wäre, anzunehmen, dass Ungarn in Hinblick auf Asylwerber aus Afghanistan unzumutbare rechtliche Sonderpositionen vertreten würde, ist nicht erstattet worden.

Wie schon in der Beweiswürdigung dargelegt stünde dem Beschwerdeführer jedenfalls bis Ende März 2017 ein Antrag auf Wiedereröffnung seines Verfahrens auf internationalen Schutz in Ungarn offen. Eine Weiterführung des Verfahrens und erfolgte Entscheidung in Abwesenheit des Beschwerdeführers (diesfalls bestünde die dargelegte Möglichkeit der Beantragung einer Wiederaufnahme des Verfahrens nicht) erweist sich - in Einklang mit den vorliegenden Länderinformationen - insbesondere auch aufgrund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer Ungarn verlassen hat, noch bevor er erstmalig zu seinem Ersuchen um internationalen Schutz einvernommen wurde und sohin die Sachverhaltsbasis für einen Abspruch über seinen Antrag in Abwesenheit fehlte, demgegenüber als unwahrscheinlich. In der Rechtssache Mirza vom 17.3.2016, C 695/15 , sprach der Gerichtshof der Europäischen Union schließlich unter anderem aus, dass Art 18 Abs 2 Dublin III-Verordnung dem zuständigen Mitgliedstaat nicht vorschreibe, die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz in einem bestimmten Verfahrensstadium wiederaufzunehmen oder diesem das Recht zu nehmen, einen Antrag für unzulässig zu erklären.

Sofern der Beschwerdeführer vorbringt, zur Stellung eines Asylantrags gedrängt worden zu sein, kommt dem keine Relevanz zu, als EU-Staaten gehalten sind, behauptetermaßen verfolgten Drittstaatsangehörigen ehebaldigst ein Asylverfahren zu eröffnen.

Insgesamt ergeben sich aus dem Parteivorbringen weder eine systemische, noch eine individuell drohende Gefahr des Beschwerdeführers in Ungarn, welche für die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK sprechen würde, weshalb die Rechtsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG zur Anwendung kommt, wonach ein Asylwerber im zuständigen Mitgliedstaat Schutz vor Verfolgung findet.

Mögliche Verletzung von Art. 7 GRC bzw. Art. 8 EMRK:

Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Der Beschwerdeführer hat familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich. Während seines Aufenthaltes in Österreich lebte er mit seiner Mutter und seinen Geschwistern im selben Haushalt. Darüber hinaus leben auch Großeltern, Onkeln und Tanten des Beschwerdeführers in Österreich.

Nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR fällt eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen nur dann unter den Schutz des Familienlebens im Sinn des Art. 8 Abs. 1 EMRK fallen, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (EGMR 12.01.2010, 47486/06, A. W. Khan, Rn. 32; 17.02.2009, 27319/07, Onur, Rn. 43-45; 09.10.2003, Große Kammer, 48321/99, Slivenko, Rn. 97; aber auch VfGH 09.06.2006, B 1277/04; VfGH 06.06.2013, U 682/2013 und VwGH 16.11.2012, 2012/21/0065). Auch wenn man davon ausgeht, dass in das von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützte Familienleben eingegriffen wird, dann verstößt ein solcher Eingriff nur dann gegen die EMRK, wenn er nicht die Erfordernisse des Art. 8 Abs. 2 erfüllt. Die gegenständliche aufenthaltsbeendende Maßnahme stützte sich unbestrittenermaßen auf eine gesetzliche Bestimmung und sie verfolgt Ziele, die mit der EMRK in Einklang stehen, nämlich insbesondere die Verteidigung der Ordnung im Bereich des Fremden- und Asylwesens sowie das wirtschaftliche Wohl des Landes. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass zwischen dem Beschwerdeführer, seiner Mutter und den Geschwistern eine über die üblichen Bindungen hinausgehenden Abhängigkeitsmerkmale, wie ein gegenseitiger Pflegebedarf vorliegen würden. Die Geschwister des Beschwerdeführers sind bereits 15, 17 und 18 Jahre alt, sodass eine besondere Belastung der alleinerziehenden Mutter, wie in der Beschwerde behauptet, nicht vorliegt. Darüber hinaus leben die Mutter und die Geschwister des Beschwerdeführers bereits seit zwei Jahren in Österreich. Der Beschwerdeführer gab an, erst sein Studium in Indien beendet und dann seiner Familie gefolgt zu sein, was nicht auf ein Abhängigkeitsverhältnis schließen lässt.

Im vorliegenden Fall ergaben sich auch keine Hinweise auf eine bereits fortgeschrittene Integration des Beschwerdeführers in Österreich, etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer. Es liegen keine Kenntnisse der deutschen Sprache vor, ein Beschäftigungsverhältnis oder Selbsterhaltungsfähigkeit besteht auch nicht. Etwaige sonstige Integrationsschritte des Beschwerdeführers oder ein Versuch der legalen Einreise oder Einwanderung nach Österreich wurden nicht einmal behauptet.

Diese Maßnahme ist daher notwendig und insbesondere in Bezug auf das verfolgte legitime Ziel verhältnismäßig (EGMR 02.08.2001, 54273/00, Boultif, Rn. 46; 18.10.2006, Große Kammer, 46410/99, Üner, Rn. 57f; 16.04.2013, 12020/09, Udeh, Rn. 45; VfGH 29.09.2007, B 1150/07). Gemäß Art. 3 Abs. 1 letzter Satz Dublin III-Verordnung wird jeder Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Daher stellt die rechtswidrige Weiterreise innerhalb der Union zwecks Einbringung eines Asylantrages gerade jenes Verhalten dar, das durch die Rechtsvorschriften des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems verhindert werden soll, um eine zügige Bearbeitung von Asylanträgen zu ermöglichen. Das genannte Grundprinzip ist jenes, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, jedoch nur ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt. Die Dublin-VO wurde insbesondere auch deswegen eingeführt, um ein festes Zuständigkeitssystem der einzelnen Mitgliedsstaaten zur Prüfung eines Asylantrages zu verankern und derart einen so genannten Asyltourismus (Asylum Shopping) zu verhindern.

Die Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz stellen in Österreich hingegen den gesetzlich vorgesehenen Weg für einwanderungswillige Drittstaatsangehörige dar, die einen Aufenthaltstitel erlangen wollen, etwa auch zwecks Familienzusammenführung. Gegen die Entscheidung der zuständigen Einwanderungsbehörde stehen letztlich auch noch Rechtsbehelfe an ein Verwaltungsgericht sowie an den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof offen. Hingegen kann nach der maßgeblichen Rechtsprechung ein allein durch Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt keinen Rechtsanspruch aus Art. 8 EMRK bewirken. Eine andere Auffassung würde sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu verhaltenden Drittstaatsangehörigen führen (EGMR 08.04.2008, 21878/06, Nnyanzi; VfGH 12.06.2010, U 613/10). Da es sich im vorliegenden Fall zudem um eine aufenthaltsbeendende Maßnahme innerhalb der Union handelt, besteht auch durchaus die rechtliche und faktische Möglichkeit von regelmäßigen Besuchen oder einer finanziellen Unterstützung im zuständigen Mitgliedstaat.

Wenn es also letztlich zwar auf der Hand liegt, dass für den Beschwerdeführer ein Aufenthalt in Österreich und somit in größerer Nähe zu seinen zahlreichen Verwandten vorteilhafter wäre, so überwiegen bei der Interessenabwägung dennoch klar die Interessen an der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremden- und Asylwesens sowie am wirtschaftlichen Wohl des Landes.

Dem Beschwerdeführer kann jedenfalls zugemutet werden, den Wunsch nach Einwanderung und Familienzusammenführung in Österreich im Einklang mit den einschlägigen unionsrechtlichen und österreichischen Rechtsvorschriften zu verwirklichen.

Das Bundesverwaltungsgericht gelangt daher insgesamt zum Ergebnis, dass im vorliegenden Fall keine Verletzung von Bestimmungen der GRC oder der EMRK zu befürchten ist. Daher bestand auch keine Veranlassung, von dem in Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO vorgesehenen Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen und eine inhaltliche Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz vorzunehmen.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 61 Abs. 1 FPG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt. Wie bereits ausgeführt, stellt die Anordnung zu ihrer Außerlandesbringung keinen unzulässigen Eingriff in das Recht der beschwerdeführenden Partei auf Achtung seines Privat- und Familienlebens dar, sodass die Anordnung gemäß § 9 BFA-VG zulässig ist. Die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 61 Abs. 2 FPG ist gegeben, da oben festgestellt wurde, dass dadurch keine Verletzung von Art. 3 EMRK bewirkt wird, und auch sonst keinerlei Hinweise auf eine Bedrohungssituation im Sinne des § 50 FPG vorliegen.

§ 21 Abs. 5 Satz 1 BFA-VG lautet:

"Wird gegen eine aufenthaltsbeendende Maßnahme Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht erhoben und hält sich der Fremde zum Zeitpunkt der Erlassung der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet auf, so hat das Bundesverwaltungsgericht festzustellen, ob die aufenthaltsbeendende Maßnahme zum Zeitpunkt der Erlassung rechtmäßig war."

Da die beschwerdeführende Partei zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt bereits überstellt wurde, war gemäß § 21 Abs. 5 Satz 1 BFA-VG festzustellen, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig war.

Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 17 BFA VG lagen zu keinem Zeitpunkt des gegenständlichen Verfahrens vor.

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG unterbleiben, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF

BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet ist.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes bzw. auf eine ohne klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

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