BVwG G307 2121525-1

BVwGG307 2121525-117.5.2016

AsylG 2005 §55 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
AsylG 2005 §55 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:G307.2121525.1.00

 

G307 2121525-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, StA. Serbien, vertreten durch die XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.01.2016, Zl XXXX nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am XXXX zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

Gleichzeitig wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Aufenthaltsberechtigung plus" nach § 55 Abs. 1 AsylG 2005 vorliegen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben vom 28.01.2014 verständigte die XXXX des Amtes der XXXX das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) über den von Seiten des Beschwerdeführers (im Folgenden: BF) am 06.05.2013 eingebrachten Antrag auf Verlängerung seines Aufenthaltstitels.

2. Am 04.05.2015 forderte das BFA den BF im Rahmen einer Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme auf, zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung binnen 14 Tagen Stellung zu beziehen und Anhaltspunkte für seine Integration bekannt zu geben.

3. Der BF kam der unter I.2. angeführten Aufforderung mit Schreiben vom 19.05.2015 nach.

4. Am 27.11.2015 wurde der BF vor dem BFA, Regionaldirektion Wien zur in Aussicht genommenen Erlassung einer Rückkehrentscheidung einvernommen.

5. Am 11.12.2015 erstattete der BF zu seiner Situation in Österreich neuerlich eine Stellungnahme an das BFA.

6. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des BFA, Regionaldirektion Wien wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt, gegen diesen gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß 46 FPG nach Serbien zulässig sei (Spruchpunkt II.) und dem BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist zur freiwilligen Ausreise im Ausmaß von 14 Tagen eingeräumt (Spruchpunkt III.).

7. Dagegen erhob der BF durch seine nunmehrige Rechtsvertretung (im Folgenden: RV) fristgerecht Beschwerde. Darin wurde beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften zu beheben und dem BF einen Aufenthaltstitel zu erteilen.

8. Die Beschwerde samt Verwaltungsakt wurde vom BFA dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 15.02.2016 vorgelegt und ist dort am 17.02.2016 eingelangt.

9. Am 15.04.2016 fand vor dem BVwG, Außenstelle Graz eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an welcher der BF, seine Mutter und sein Stiefvater teilnahmen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist Staatsbürger der Republik Serbien, führt die im Spruch angegebene Identität (Namen und Geburtsdatum) und ist somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Er ist ledig, hat keine Sorgepflichten und lebt mit seiner arbeitslosen Mutter, seinem Stiefvater, seinem jüngeren Bruder und seiner Schwester im gemeinsamen Haushalt. Sein jüngerer Bruder XXXX leidet an Thrombose und primärer Thrombophilie. Er ist deshalb pflegebedürftig (Stufe 7).

1.2. Der BF war vom XXXX bis XXXX im Besitz eines von der XXXX der Stadt XXXX Aufenthaltstitels "Familienangehöriger". Am 16.05.2013 stellte er einen diesbezüglichen Verlängerungsantrag, über welchen bis dato noch nicht entschieden wurde.

1.3. Der BF befindet sich seit 23.12.2009 durchgehend in Österreich und wohnte während dieser Zeitspanne immer bei seiner Mutter. In Serbien absolvierte er 4 Jahre lang die Grundschule, in Österreich 6 Monate einen polytechnischen Lehrgang. Er spricht sehr gut Deutsch. Zu in Serbien aufhältigen Personen pflegt der BF keine Kontakte mehr.

1.4. Der BF verfügt über einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag und eine Einstellungszusage der XXXX. Der BF ist derzeit arbeitslos und war zwischen 25. und 26.09.2015 sowie 08.10. und 23.10.2015 legal beschäftigt. Er ist seit XXXX bei der XXXX Gebietskrankenkasse (WGKK) selbstversichert. Der BF unternahm bis dato zahlreiche Versuche, eine Beschäftigung zu erlangen, welche jedoch bisher in Ermangelung eines Aufenthaltstitels scheiterten.

1.5. Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Der oben festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht und auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und wird in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zu Identität und Staatsbürgerschaft des BF getroffen wurden, ergeben sich diese aus dem unstrittigen Akteninhalt. Der BF legte zum Beweis seiner Identität einen auf seinen Namen ausgestellten serbischen Reisepass vor, an dessen Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel aufgekommen sind.

Die Angaben zu den persönlichen Verhältnissen des BF ergeben sich aus dem Akteninhalt, decken sich mit den eigenen Ausführungen des BF und jenen seiner Mutter wie seines Stiefvaters. Die Schulausbildung in Österreich und Serbien folgen den Angaben des BF und dem vorgelegten Zeugnis des polytechnischen Lehrgangs Favoriten.

Der seit Dezember 2009 durchgehende Aufenthalt wie der seither gemeinsame Wohnsitz mit seiner Mutter folgt den Daten des Zentralen Melderegisters (ZMR) und deckt sich mit dem Vorbringen des BF wie seiner Mutter. Die fehlenden Kontakte nach Serbien ergeben sich aus den Ausführungen des BF und sind auch mit der durchgehenden Meldung in Österreich in Einklang zu bringen.

Der Besitz eines Aufenthaltstitels bis Mai 2013 ergibt sich aus der Bestätigung der XXXX, das Stellen eines Verlängerungsantrages ergibt sich aus dem Akteninhalt.

Die strafrechtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus dem Amtswissen des BVwG (Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich).

Die bisherigen Beschäftigungen und die aktuelle Arbeitslosigkeit sind dem Sozialversicherungsdatenauszug zu entnehmen. Die Einstellungszusage wie der arbeitsrechtliche Vorvertrag ergeben sich aus den diesbezüglichen Dokumenten im Akt.

Die Schwierigkeiten, einen Arbeitsplatz zu erlangen, folgen den Ausführungen des BF und decken sich auch mit dem Akteninhalt, insbesondere der Absage der Firma XXXX.

Die Selbstversicherung ist der Bestätigung der XXXX vom XXXX zu entnehmen.

Die Deutschkenntnisse ergeben sich aus der erfolgten Bestätigung des XXXX vom 14.04.2016 sowie den in der mündlichen Verhandlung dargelegten Sprachkenntnissen, zumal die gesamte Verhandlung in Deutsch durchgeführt wurde.

Der schlechte Gesundheitszustand des Bruders des BF ergibt sich aus der Bestätigung des XXXX und den Schreiben der Pensionsversicherungsanstalt XXXX. Der Umstand der Arbeitslosigkeit der Mutter des BF ist deren eigenen Angaben zu entnehmen und hat seine Ursache in der intensiven Pflegebedürftigkeit des jüngsten Sohnes.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

3.1.1. Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Zu Spruchteil A):

3.2. Zur Stattgebung der Beschwerde

3.2.1. Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen wird, diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.

Gemäß § 52 Abs. 3 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

Gemäß § 52 Abs. 4 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels, Einreisetitels oder der erlaubten visumfreien Einreise entgegengestanden wäre,

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr, aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgeiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

6. Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet, dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen.

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das BFA mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden, wenn

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, eine der Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes von mehr als fünf Jahren gemäß § 53 Abs. 3 Z 6, 7 oder 8 FPG liegt vor, oder

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

3.2.3. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

Der BF hält sich nunmehr seit rund 6 1/2 Jahren im Bundesgebiet auf und war dieser Aufenthalt bis dato nicht rechtswidrig. Diese Zeitspanne entspricht rund einem Drittel seines bisherigen Lebens. Mit seiner Mutter bestand und besteht noch immer ein gemeinsames Familienleben. Dieses hatte in der genannten Form auch schon in Serbien Bestand. Der BF verfügt über sehr gute Kenntnisse der deutschen Sprache und zeigte sich bisher in seiner Arbeitssuche bemüht, was in zwei Fällen, wenn auch nur für kurze Zeit, erfolgreich war. Aktuell verfügt der BF über einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag. Der BF ist auch selbstversichert und strafrechtlich unbescholten. Über Bindungen zu seiner Heimat verfügt der BF nicht mehr. Schließlich ist nicht außer Acht zu lassen und auch nicht nachvollziehbar, weshalb das Verfahren vor der belangten Behörde über zwei Jahre bis zur Entscheidungsreife in Anspruch genommen hat. Dieser Umstand kann dem BF nicht angelastet werden.

Aus den dargelegten Umständen ergibt sich unzweifelhaft, dass der BF zahlreiche der oben angeführten Kriterien, die bei der Abwägung der betroffenen Interessen maßgeblich zu berücksichtigen sind, erfüllt und diese besonders intensiven familiären und privaten Interessen auch die öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts in Österreich überwiegen.

Es wird nicht verkannt, dass dem Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, insbesondere der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften im Rahmen einer Güterabwägung grundsätzlich ein hoher Stellenwert zukommt, doch ist im gegenständlichen Fall aus den eben dargelegten Gründen in einer Gesamtschau und Abwägung aller Umstände das Interesse an der - nicht nur vorübergehenden - Fortführung des Privat- und Familienlebens des BF in Österreich dennoch höher zu bewerten als das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung.

Des Weiteren ist festzuhalten, dass das BFA als belangte Behörde auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung verzichtet und auch sonst im gegenständlichen Beschwerdeverfahren keine Umstände vorgebracht hat, die allenfalls eine andere rechtliche Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes zum Entscheidungszeitpunkt bedeutet hätten.

Da im Hinblick auf die oben dargelegten Abwägungen zum Entscheidungszeitpunkt das Interesse der beschwerdeführenden Partei an der Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens in Österreich im konkreten Fall die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen überwiegt und die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen nicht nur vorübergehenden Eingriff in das Recht auf Privat- und Familienleben darstellen würde, war der Beschwerde stattzugeben und gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist, sowie gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG der angefochtene Bescheid insoweit aufzuheben.

3.2.4. Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 ("Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK") von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wird.

Auch das BVwG darf - in jeder Verfahrenskonstellation - über einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 absprechen. Die Frage der Erteilung des Aufenthaltstitels ist vom Prüfungsgegenstand einer angefochtenen Rückkehrentscheidung mitumfasst, weshalb in einem zu entscheiden ist (siehe ErläutRV 582 BlgNR 25. GP ).

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

Gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen, wenn nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vorliegt.

Die beschwerdeführende Partei hat einen Nachweis über die Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG vorgelegt (z.B. Abschluss eines Deutsch-Integrationskurses oder allgemein anerkannter Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse zumindest auf dem A2-Sprachniveau) und ist der Verbleib des BF in Österreich zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens geboten.

Es war daher gleichzeitig festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Aufenthaltsberechtigung plus" gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 vorliegen.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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