BVwG L503 2010098-1

BVwGL503 2010098-110.6.2015

B-VG Art.133 Abs4
GSVG §2 Abs1 Z1
GSVG §4 Abs1 Z7
B-VG Art.133 Abs4
GSVG §2 Abs1 Z1
GSVG §4 Abs1 Z7

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2015:L503.2010098.1.00

 

Spruch:

L503 2010098-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DIEHSBACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, vertreten durch RA XXXX, gegen den Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Landesstelle Oberösterreich, vom 20.06.2014 zur Versicherungsnummer XXXX, zu Recht erkannt:

A.) Der Beschwerde wird stattgegeben und ausgesprochen, dass XXXX im Zeitraum vom 01.01.2012 bis zum 31.07.2012 aufgrund der Innehabung einer Gewerbeberechtigung als Unternehmensberater und der daraus resultierenden Mitgliedschaft bei der Wirtschaftskammer nicht der Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung nach dem GSVG unterlag.

B.) Die Revision ist gem. Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der nunmehrige Beschwerdeführer (im Folgenden kurz: "BF"), ein Rechtsanwalt, meldete am 6.5.2010 das Gewerbe der Unternehmensberatung einschließlich der Unternehmensorganisation an. Am selben Tag stellte der BF bei der SVA der gewerblichen Wirtschaft einen Antrag auf Ausnahme von der Pflichtversicherung aufgrund geringer Einkünfte und Umsätze gemäß § 4 Abs 1 Z 7 GSVG.

2. Mit Schreiben der SVA vom 17.5.2010 wurde dem BF mitgeteilt, dass die Voraussetzungen für die Ausnahme von der Pflichtversicherung nach dem GSVG vorliegen würden und seinem Antrag stattgegeben werden könne; der BF sei daher ab dem 6.5.2010 vorläufig von der Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung nach dem GSVG ausgenommen. Weiters wurde der BF auch darauf hingewiesen, dass die Ausnahme nachträglich anhand von Steuerbescheiden oder sonstigen Einkommens- und Umsatznachweisen überprüft werde; falls seine Einkünfte oder die Umsätze aus der selbstständigen Tätigkeit über der betreffenden Einkommens- oder Umsatzgrenze liegen würde, dann falle die Ausnahme rückwirkend weg und es seien Beiträge nachträglich vorzuschreiben. Der BF werde um Mitteilung innerhalb eines Monats gebeten, wenn während eines Kalenderjahres die Höhe seiner selbstständigen Einkünfte € 4395,96 überschreite beziehungsweise sein Umsatz über € 30.000 liege.

3. Mit Schreiben vom 16.1.2014 teilte die SVA dem BF mit, dass eine Überprüfung ergeben hätte, dass die Umsätze und Einkünfte des BF aus seiner selbstständigen Tätigkeit im Jahr 2012 die entsprechenden Grenzbeträge gemäß § 4 Abs 1 Z 7 GSVG überschritten hätten und somit die Ausnahme rückwirkend weggefallen sei.

4. Mit Schreiben vom 20.1.2014 teilte der BF der SVA mit, dass es unzutreffend sei, dass die Voraussetzungen für die Ausnahme von der Pflichtversicherung für das Jahr 2012 nicht bestanden hätten. Vielmehr habe er im Jahr 2012 mit seinem Unternehmensberatungsbetrieb ein negatives Ergebnis von € 199 erzielt und gehe dies auch aus einer beigelegten Einkommensteuererklärung für 2012 hervor. Somit sei die Ausnahme von der Pflichtversicherung für 2012 gegeben, da der BF klar unter den Umsatz- beziehungsweise Gewinngrenzen gelegen sei.

Beigelegt wurde dem Schreiben vom BF seine Einkommensteuererklärung 2012, aus der hervorgeht, dass er (nur) aus seiner anwaltlichen Tätigkeit Einkünfte in Höhe von knapp € 10.000 erzielt hat, während hingegen er im Rahmen seines Unternehmensberatungsgewerbes lediglich Aufwendungen in Höhe von € 199 zu verzeichnen hatte.

5. Mit Schreiben vom 23.1.2014 ersuchte die SVA den BF um Vorlage des Umsatzsteuerbescheides für das Jahr 2012. Mit Schreiben vom 27.1.2014 brachte der BF den Umsatzsteuerbescheid in Vorlage und betonte nochmals, dass er im Jahr 2012 keine Umsätze und somit auch keinen Gewinn aus seinem Unternehmensberatungsgewerbe erzielt habe.

Aus dem vorgelegten Umsatzsteuerbescheid geht hervor, dass die Umsatzsteuer für das Jahr 2012 mit € 8.580,42 festgesetzt wurde; der Gesamtbetrag der steuerpflichtigen Lieferungen, sonstigen Leistungen und Eigenverbrauch betrug € 59.387,03.

6. Mit Aktenvermerk vom 29.1.2014 wurde seitens der SVA festgehalten, dass dem BF telefonisch mitgeteilt wurde, dass § 4 Abs 1 Z 7 GSVG im Jahr 2010 dahingehend novelliert worden sei, dass nunmehr die Umsätze aus sämtlichen unternehmerischen Tätigkeiten die Umsatzgrenze von € 30.000 nicht überschreiten dürften; auch in den Materialien zur Regierungsvorlage sei eindeutig klargestellt worden, dass die Umsätze aus allen unternehmerischen Tätigkeiten heranzuziehen seien, damit die Ausnahmeregelung tatsächlich nur Kleinunternehmern zugutekomme. Der BF habe daraufhin angegeben, dass er den Gewerbeschein nur deshalb besitze, weil er auch Funktionär bei der Wirtschaftskammer sei und dies ohne Gewerbeschein nicht möglich sei; tatsächlich habe er mit seinem Gewerbe keine Einkünfte und keine Umsätze erzielt beziehungsweise habe er die Tätigkeit gar nicht ausgeübt. Der BF werde versuchen, sein Gewerbe soweit wie möglich rückwirkend ruhend zu melden.

7. Mit Aktenvermerk der SVA vom 31.1.2014 wurde festgehalten, dass der BF telefonisch mitgeteilt habe, dass er bei der Wirtschaftskammer für 18 Monate rückwirkend das Ruhen seines Gewerbes angezeigt habe. Hinsichtlich des Überschreitens der Umsatzgrenze habe der BF auf ein Erkenntnis des VwGH, Zahl:

2007/08/0147, verwiesen, in welchem explizit auf einen Rechtsanwalt Bezug genommen werde.

8. Am 4.2.2014 langte seitens des BF bei der SVA die Nichtbetriebsmeldung der Wirtschaftskammer Oberösterreich ein, der zufolge bestätigt wird, dass der BF sein Gewerbe gemäß § 93 GewO ab dem 31.7.2012 ruhend gemeldet habe.

Weiters wies der BF nochmals darauf hin, dass er die Rechtsansicht der SVA als rechtswidrig halte, da er im Jahr 2012 aus dem Unternehmensberatungsgewerbe einen Umsatz von € 0 sowie ein negatives Betriebsergebnis von € 199 erzielt habe; die maßgeblichen Grenzbeträge gemäß § 4 Abs 1 Z 7 GSVG seien somit nicht überschritten worden. Insbesondere habe auch der VwGH explizit ausgesprochen, dass im gegenständlichen Fall nicht auf die Umsätze beziehungsweise Einkünfte des BF als Rechtsanwalt abzustellen sei, da bei einer gleichheits- und damit verfassungskonformen Interpretation von § 4 Abs 1 Z 7 GSVG nur solche Umsätze gemeint sein könnten, die aus der Erwerbstätigkeit nach § 2 Abs 1 Z 1 GSVG herrühren würden. Es sei somit insoweit eine teleologische Reduktion der strengen Wortbedeutung der Verweisung auf § 6 Abs 1 Z 27 UStG vorzunehmen, woran auch die von der SVA erwähnte Gesetzesänderung in § 4 Abs 1 Z 7 GSVG nichts zu ändern vermöge.

Er stelle somit einen Antrag auf Ausstellung eines Bescheids.

9. Am 28.4.2014 richtete die SVA ein Schreiben an den BF zur Wahrung des Parteiengehörs. Darin wird nochmals der bisherige Verfahrensgang festgehalten; insbesondere wird darauf hingewiesen, dass aus der Einkommensteuererklärung des BF für das Jahr 2012 ersichtlich sei, dass er im Zeitraum vom 1.1.2012 bis zum 31.12.2012 aus seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt Erträge/Betriebseinnahmen bzw. Umsätze in Gesamthöhe von € 60.603,03 erzielt habe.

Eine Stellungnahme des BF ist nicht aktenkundig.

10. Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 20.6.2014 sprach die SVA aus, dass der BF aufgrund seiner Mitgliedschaft zur Wirtschaftskammer jedenfalls im Zeitraum vom 1.1.2012 bis zum 31.7.2012 der Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung nach dem GSVG unterlag.

Begründend führte die SVA nach Darstellung des bisherigen Verfahrensgangs in rechtlicher Hinsicht zusammengefasst aus, dass mit dem Sozialrechtsänderungsgesetz 2010, BGBl I 2010/62, in Kraft seit 1.8.2010, die Bestimmung des § 4 Abs 1 Z 7 GSVG um den Passus "Umsätze aus sämtlichen unternehmerischen Tätigkeiten" erweitert worden sei, sodass sich ab dem 1.8.2010 die Umsatzprüfung auf alle Umsätze aus unternehmerischen Tätigkeiten beziehe. Zudem ergebe sich auch aus den Erläuterungen zu Regierungsvorlage, dass sich die Umsatzgrenze auf den einzelnen Unternehmer und nicht auf einzelne Tätigkeiten oder Betriebe beziehe, wobei der Grundsatz der Unternehmenseinheit zu beachten sei. Da die Tätigkeit als selbstständiger Rechtsanwalt mit Umsatzsteuerpflicht jedenfalls eine unternehmerische Tätigkeit sei, seien die Umsätze aus dieser unternehmerischen Tätigkeit seit Inkrafttreten des Sozialrechtsänderungsgesetzes 2010 jedenfalls bei der Umsatzprüfung des § 4 Abs 1 Z 7 GSVG mit einzubeziehen. Da die Umsätze des BF aus sämtlichen unternehmerischen Tätigkeiten (Gewerbe und Rechtsanwalt) im Jahr 2012 die Umsatzgrenze des § 6 Abs 1 Z 27 UStG überschritten hätten, sei die Ausnahme von der Pflichtversicherung im Sinne des § 4 Abs 1 Z 7 GSVG für den Zeitraum vom 1.1.2012 bis zum 31.7.2012 zum Wegfall zu bringen und der Bestand der Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 GSVG den Zeitraum vom 1.1.2012 bis zum 31.7.2012 festzustellen gewesen.

11. Mit Schriftsatz vom 11.7.2014 erhob der BF fristgerecht Beschwerde. Darin verwies der BF insbesondere nochmals darauf, dass er im Jahr 2012 als Unternehmensberater keinerlei Umsätze erzielt habe beziehungsweise ein negatives Betriebsergebnis von € 199 aufweise. Er habe somit keinerlei Gewinn beziehungsweise keinerlei Erträge aus seinem Gewerbe als Unternehmensberater; seine Umsätze im Jahr 2012 würden ausschließlich aus seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt stammen. Er sei daher in Bezug auf das Unternehmensberatungsgewerbe Kleinunternehmer in Sinne des § 4 Abs 1 Z 7 GSVG.

Im Übrigen habe bereits der VwGH (Zl. 2007/08/0147) explizit ausgesprochen, dass gegenständlich jedenfalls nicht auf die Umsätze beziehungsweise Einkünfte als Rechtsanwalt abzustellen sei, da bei einer gleichheits- und damit verfassungskonformen Interpretation von § 4 Abs 1 Z 7 GSVG nur solche Umsätze beziehungsweise Einkünfte gemeint sein könnten, die aus der Erwerbstätigkeit des § 2 Abs 1 Z 1 GSVG herrühren, somit aus der Tätigkeit als Unternehmensberater. Es sei somit eine teleologische Reduktion der strengen Wortbedeutung der Verweisung auf § 6 Abs 1 Z 27 UStG vorzunehmen, woran auch die von der belangten Behörde geäußerte Gesetzesänderung in § 4 Abs 1 Z 7 GSVG nichts zu ändern vermöge. Der VwGH spreche sogar in seiner Entscheidung 2007/08/0147 explizit die Situation eines selbstständigen Rechtsanwalts an, der infolge der geäußerten Rechtsansicht der belangten Behörde gegenüber einem angestellten Rechtsanwalt gleichheitswidrig benachteiligt wäre.

Der BF stelle daher den Antrag, das BVwG möge den angefochtenen Bescheid aufheben beziehungsweise in eventu eine mündliche Verhandlung durchführen.

12. Am 25.7.2014 langte der Akt beim BVwG ein.

13. Mit Schriftsatz vom 2.6.2015 stellte der BF einen Fristsetzungsantrag gem. § 38 VwGG.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF - ein Rechtsanwalt - meldete am 6.5.2010 das Gewerbe der Unternehmensberatung einschließlich der Unternehmensorganisation an.

Im Jahr 2012 erzielte der BF mit seinem Unternehmensberatungsgewerbe keine Umsätze und lag diesbezüglich ein negatives Betriebsergebnis in Höhe von € 199 vor; die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer aus seiner anwaltlichen Tätigkeit betrug ca. € 60.000.

Am 30.01.2014 meldete der BF sein Unternehmensberatungsgewerbe rückwirkend ab dem 31.07.2012 ruhend.

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich unstrittig aus dem vorliegenden Verwaltungsakt, in dem sich insbesondere auch die Einkommensteuererklärung 2012 des BF, in welcher zwischen der Tätigkeit des BF als Rechtsanwalt einerseits und als Unternehmensberater andererseits differenziert wird, sowie der Umsatzsteuerbescheid 2012 des BF befinden. Angemerkt sei, dass seitens der SVA nicht bestritten wurde, dass der BF im Jahr 2012 mit seinem Unternehmensberatungsgewerbe keine Umsätze bzw. Einkünfte erzielte.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgebung der Beschwerde

3.1. Allgemeine rechtliche Grundlagen:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter.

Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache gem. § 28 Abs 1 VwGVG durch Erkenntnis zu erledigen.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Rechtliche Grundlagen im GSVG

§ 2 GSVG lautet auszugsweise:

§ 2. (1) Auf Grund dieses Bundesgesetzes sind, soweit es sich um

natürliche Personen handelt, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen pflichtversichert:

1. die Mitglieder der Kammern der gewerblichen Wirtschaft;

[...]

§ 4 GSVG in der geltenden Fassung lautet auszugsweise:

§ 4. (1) Von der Pflichtversicherung in der Kranken- und

Pensionsversicherung sind ausgenommen:

[...]

7. auf Antrag Personen gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 oder § 2 Abs. 2 FSVG, die glaubhaft machen, dass ihre Umsätze aus sämtlichen unternehmerischen Tätigkeiten die Umsatzgrenze des § 6 Abs. 1 Z 27 des Umsatzsteuergesetzes 1994, BGBl. Nr. 663, und ihre Einkünfte aus dieser Tätigkeit jährlich das 12fache des Betrages nach § 25 Abs. 4 Z 2 lit. b nicht übersteigen. Treffen diese Voraussetzungen nach Ablauf des Kalenderjahres, für das sie glaubhaft gemacht wurden, tatsächlich nicht zu, ist der Wegfall der Ausnahme von der Pflichtversicherung im nachhinein festzustellen. [...]

3.3. Im konkreten Fall bedeutet dies:

Entscheidungsrelevant ist im gegenständlichen Fall ausschließlich eine Rechtsfrage: Konkret geht es darum, ob anlässlich der Beurteilung der Frage, ob der BF die Umsatz- und Einkunftsgrenze gem. § 4 Abs 1 Z 7 GSVG im Jahr 2012 unterschritten hat - was bejahendenfalls zu einer Ausnahme von der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach dem GSVG führen würde - lediglich auf seine Umsätze und Einkünfte aus seiner unternehmerischen Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs 1 Z 1 GSVG (das heißt: aus seinem Unternehmensberatungsgewerbe) abzustellen ist oder aber auch die Umsätze und Einkünfte aus seiner anwaltlichen Tätigkeit zu addieren sind.

Auf den ersten Blick spricht der Wortlaut des § 4 Abs 1 Z 7 GSVG für Letzteres, wird in dieser Bestimmung doch auf "sämtliche unternehmerische Tätigkeiten" verwiesen. Allerdings darf in diesem Zusammenhang auch die "Vorgeschichte" von § 4 Abs 1 Z 7 GSVG und dazu bereits ergangene Rechtsprechung des VwGH nicht außer Acht gelassen werden. So hatte § 4 Abs 1 Z 7 GSVG in der Fassung vor dem Sozialrechtsänderungsgesetz 2010, BGBl I 2010/62, den identischen Wortlaut, wobei seinerzeit lediglich die Wortfolge "aus sämtlichen unternehmerischen Tätigkeiten" fehlte. Dazu hat der VwGH hinsichtlich der im gegenständlichen Verfahren vorliegenden Konstellation in seinem Erkenntnis vom 21.01.2009, Zl. 2007/08/0147, wörtlich ausgeführt:

"Wenn die Regelung, dass die Umsatzgrenze des § 6 Abs. 1 Z. 27 UStG ("Kleinunternehmer-Grenze") nicht überschritten werden darf, dahingehend zu verstehen sein sollte, dass die gesamte wirtschaftliche und soziale Lage des Antragstellers eine Bedeutung haben soll, dann wäre es schon aus gleichheitsrechtlichen Gründen notwendig gewesen, nicht nur Einkünfte aus "dieser Tätigkeit", sondern auch andere Einkünfte, insbesondere solche aus einer unselbständigen Erwerbstätigkeit ebenso zu berücksichtigen. Das Gesetz stellt aber auf derartige Einkünfte nicht ab. Dies könnte dazu führen, dass z.B. bei einem selbständig tätigen Rechtsanwalt wegen entsprechend hoher Umsätze aus dieser Tätigkeit eine Ausnahme von der Pflichtversicherung nicht in Betracht kommt, während auch hohe Einkünfte eines angestellten Rechtsanwaltes einer Ausnahme nicht im Wege stünden. Diese Überlegung führt dazu, dass bei einer Gleichheits- und damit verfassungskonformen Interpretation des § 4 Abs. 1 Z. 7 GSVG nur solche Umsätze gemeint sein können, die aus der Erwerbstätigkeit gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 GSVG herrühren. Es ist somit insoweit eine teleologische Reduktion der strengen Wortbedeutung der Verweisung auf § 6 Abs. 1 Z. 27 UStG vorzunehmen."

Zusammengefasst kam somit der VwGH unmissverständlich zum Ergebnis, dass es aus verfassungsrechtlichen Gründen zwingend geboten sei, anlässlich der Berechnung der entsprechenden Grenzen nach § 4 Abs 1 Z 7 GSVG ausschließlich auf Umsätze und Einkünfte aus der unternehmerischen Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs 1 Z 1 GSVG abzustellen und nicht auch zusätzlich - wobei dies der VwGH explizit festhielt - auf die als Rechtsanwalt erzielten Umsätze und Einkünfte. Diese Ansicht entsprach seinerzeit zudem offensichtlich der gängigen Rechtspraxis, teilte die SVA dem BF doch beispielsweise mit Schreiben vom 17.05.2010 mit, dass der BF antragsgemäß vorläufig von der Pflichtversicherung ausgenommen werde und erfolgte diesbezüglich seitens der SVA bis zum Anfang 2014 auch keine Beanstandung.

Freilich wird vom BVwG nicht verkannt, dass der Gesetzgeber mit dem Sozialrechtsänderungsgesetz 2010, BGBl I 2010/62, in Kraft seit 01.08.2010, die die Wortfolge "aus sämtlichen unternehmerischen Tätigkeiten" in § 4 Abs 1 Z 7 GSVG einfügte. In den EB zur RV wird diesbezüglich ausgeführt, dass es sich dabei lediglich um eine "redaktionelle Klarstellung" handle, wiewohl ebenfalls ausgeführt wird, dass hinsichtlich der Umsatzgrenze auf die Gesamtumsätze einer Person abzustellen sei (785 BlgNR XXIV. GP ).

Diese "redaktionelle Klarstellung" ändert allerdings nichts an den zur gegenständlichen Frage getätigten Äußerungen des VwGH in seinem Erkenntnis vom 21.01.2009, Zl. 2007/08/0147, wonach es verfassungsrechtlich ausschließlich zulässig sei, hier auf die Umsätze bzw. Einkünfte aus Tätigkeiten im Sinne von § 2 Abs 1 Z 1 GSVG abzustellen. Vielmehr stellt sich die Frage, ob § 4 Abs 1 Z 7 GSVG auch weiterhin einer entsprechenden verfassungskonformen Interpretation zugänglich ist. Dagegen würden zunächst die Ausführungen in den EB zur RV sprechen, wird hier doch betont, dass auf sämtliche unternehmerische Tätigkeiten einer Person abzustellen sei. Andererseits sprechen die EB zur RV aber explizit von einer "redaktionellen Klarstellung", was doch indiziert, dass es zu keiner Änderung der bisher geltenden Rechtslage kommen solle. In Anbetracht dessen erscheint dem BVwG aber gerade noch eine verfassungskonforme Interpretation dahingehend möglich, dass unter "sämtlichen unternehmerischen Tätigkeiten" eben (nur) sämtliche unternehmerische Tätigkeiten verstanden werden dürfen, die aus einer Erwerbstätigkeit gemäß § 2 Abs 1 Z 1 GSVG herrühren.

Somit hat der BF aber die entsprechenden Grenzen des § 4 Abs 1 Z 7 GSVG nicht überschritten, sodass er entgegen der Ansicht der SVA im beschwerdegegenständlichen Zeitraum in den Genuss dieser Ausnahmeregelung kam, weshalb der Beschwerde spruchgemäß stattzugeben und festzustellen war, dass der BF im Zeitraum vom 01.01.2012 bis zum 31.07.2012 aufgrund der Innehabung einer Gewerbeberechtigung als Unternehmensberater und der daraus resultierenden Mitgliedschaft bei der Wirtschaftskammer nicht der Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung nach dem GSVG unterlag.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gem. § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gem. Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig, da - soweit ersichtlich - eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehlt, ob § 4 Abs 1 Z 7 GSVG auch nach der "redaktionellen Klarstellung" durch das Sozialrechtsänderungsgesetz 2010, BGBl I 2010/62, weiterhin dergestalt einer verfassungskonformen Interpretation im Sinne des Erkenntnisses des VwGH vom 21.01.2009, Zl. 2007/08/0147 zugänglich ist, dass unter "sämtlichen unternehmerischen Tätigkeiten" (nur) sämtliche unternehmerische Tätigkeiten zu verstehen sind, die aus einer Erwerbstätigkeit gemäß § 2 Abs 1 Z 1 GSVG herrühren.

Absehen von einer Beschwerdeverhandlung:

Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.

Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC] entgegenstehen.

Die Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung ist am Maßstab des Art 6 EMRK zu beurteilen. Dessen Garantien werden zum Teil absolut gewährleistet, zum Teil stehen sie unter einem ausdrücklichen (so etwa zur Öffentlichkeit einer Verhandlung) oder einem ungeschriebenen Vorbehalt verhältnismäßiger Beschränkungen (wie etwa das Recht auf Zugang zu Gericht). Dem entspricht es, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung für gerechtfertigt ansieht, etwa wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Stellungnahmen der Parteien angemessen entschieden werden kann (vgl. EGMR 12.11.2002, Döry / S, RN 37). Der Verfassungsgerichtshof hat im Hinblick auf Art 6 EMRK für Art 47 GRC festgestellt, dass eine mündliche Verhandlung vor dem Asylgerichtshof im Hinblick auf die Mitwirkungsmöglichkeiten der Parteien im vorangegangenen Verwaltungsverfahren regelmäßig dann unterbleiben könne, wenn durch das Vorbringen vor der Gerichtsinstanz erkennbar werde, dass die Durchführung einer Verhandlung eine weitere Klärung der Entscheidungsgrundlagen nicht erwarten lasse (vgl. VfGH 21.02.2014, B1446/2012; 27.06.2013, B823/2012; 14.03.2012, U466/11; VwGH 24.01.2013, 2012/21/0224; 23.01.2013, 2010/15/0196).

Im gegenständlichen Fall ergab sich aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung des Sachverhalts zu erwarten war; der entscheidungswesentliche Sachverhalt erweist sich aufgrund der Aktenlage als geklärt. Vielmehr ging es hier ausschließlich um die Lösung einer Rechtsfrage.

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