BVwG W196 2013633-1

BVwGW196 2013633-129.12.2014

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2014:W196.2013633.1.00

 

Spruch:

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Ursula SAHLING als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, StA Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.10.2014, Zl 821771304 - 1592631, zu Recht erkannt:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Ursula SAHLING als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX, geboren am XXXX, StA Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.10.2014, Zl 830261206 - 1623367, zu Recht erkannt:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Ursula SAHLING als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, StA Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.10.2014, Zl 821771402 - 1592623, zu Recht erkannt:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Ursula SAHLING als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, StA Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.10.2014, Zl 821771500 - 1592615, zu Recht erkannt:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Ursula SAHLING als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX, geboren am XXXX, StA Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.10.2014, Zl 830261304 - 1623359, zu Recht erkannt:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Ursula SAHLING als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX, geboren am XXXX, StA Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.10.2014, Zl 1027025908 - 14840068, zu Recht erkannt:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Die Erst, Dritt- und Viertbeschwerdeführer, Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe, reisten am 04.12.2012 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten an demselben Tag die dem gegenständlichen Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Anträge auf internationalen Schutz.

Anlässlich der niederschriftlichen Erstbefragung vor der Polizeiinspektion Traiskirchen am 04.12.2012 brachte der Erstbeschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt vor, dass sein Zwillingsbruder Hossein im März 2012 von der Polizei getötet worden sei und der Erstbeschwerdeführer seitdem und auch schon davor verfolgt, geschlagen und misshandelt worden sei. Er habe Angst um sein Leben und sei deshalb geflüchtet.

Der Erstbeschwerdeführer legte im Zuge der Erstbefragung Fotos, auf denen sein Zwillingsbruder und ein weiterer Bruder zu sehen seien, sowie DVDs, auf denen man seinen Zwillingsbruder sehe, wie er lebe und wie er am Totenbett liege, vor. Darüber hinaus legte der Erstbeschwerdeführer mehrere Kopien von Dokumenten in russischer Sprache vor, die einer Übersetzung in die deutsche Sprache zugeführt wurden.

Die Zweit- und Fünftbeschwerdeführerinnen, Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe, reisten am 28.02.2013 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten an demselben Tag die dem gegenständlichen Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Anträge auf internationalen Schutz.

Anlässlich der niederschriftlichen Erstbefragung vor der Polizeiinspektion Traiskirchen am 02.03.2013 brachte die Zweitbeschwerdeführerin vor einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes vor, mit ihrem Mann und ihren drei Kindern seit fünf oder sechs Jahren in Nischnevartovsk in Russland gelebt zu haben. Am 10.02.2012 sei ihr Mann mit den beiden Söhnen nach Tschetschenien gefahren, um dort seine kranke Mutter zu besuchen. Die Zweitbeschwerdeführerin habe zurückbleiben müssen, weil ihre Tochter krank gewesen sei. Ihr Mann und die Söhne hätten nach kurzer Zeit wieder nach Russland kommen sollen, was aber nicht geschehen sei. Ihre Schwiegermutter habe ihr dann am Telefon gesagt, dass ihr Ehemann und die beiden Söhne nicht zu Hause seien oder sonst wo unterwegs seien. Die Zweitbeschwerdeführerin habe dann gespürt, dass irgendetwas nicht stimme und sei nach Tschetschenien gefahren. Dort sei ihr erzählt worden, dass ihr Mann dreimal von den tschetschenischen Behörden grundlos mitgenommen und geschlagen worden sei. Die Zweitbeschwerdeführerin habe dann gehört, dass jemand aus ihrem Dorf, ihren Mann in Österreich gesehen habe. Die Schwiegermutter der Zweitbeschwerdeführerin habe ihr darüber hinaus mitgeteilt, dass die Behörden auch nach der Zweitbeschwerdeführerin gefragt hätten. Aus Angst mitgenommen zu werden, habe die Zweitbeschwerdeführerin die Zeit bis zu ihrer Ausreise bei verschiedenen Verwandten väterlicher- und mütterlicherseits verbracht. Als sie sich in der Ukraine befunden habe, hätten ihre Verwandten Geld für ihre weitere Reise gesammelt und nach Kiew geschickt. Aus Angst um ihr Leben sei die Zweitbeschwerdeführerin mit ihrer Tochter aus der Heimat geflüchtet.

Am 05.08.2013 stellte der Erstbeschwerdeführer einen Antrag auf Beigabe eines Dolmetschers für die Sprache tschetschenisch, weil er die russische Sprache nur sehr schlecht beherrsche.

Am 15.07.2014 wurde die minderjährige Sechstbeschwerdeführerin in Graz geboren. Ihr Vater stellte am 30.07.2014 als ihr gesetzlicher Vertreter den dem gegenständlichen Verfahren zugrundeliegenden Antrag auf internationalen Schutz.

Am 28.08.2014 langte ein weiterer Antrag des Erstbeschwerdeführers ein, der für den 30.09.2014 anberaumten Einvernahme einen Dolmetscher für die Sprache tschetschenisch beizuziehen, weil er Verständigungsprobleme in der russischen Sprache habe und er jedenfalls verhindern wolle, dass im Zuge der Einvernahme aufgrund von Verständigungsschwierigkeiten etwaige Missverständnisse entstehen.

Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme des Erstbeschwerdeführers am 30.09.2014 vor dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl führte dieser im Beisein einer Dolmetscherin der russischen Sprache zunächst aus, zweimal einen tschetschenischen Dolmetscher beantragt zu haben und ohne diesem nichts zu sagen. Auf Vorhalt, dass sein Antrag zurückgewiesen werde, weil er bereits bei der Erstbefragung in Russisch einvernommen worden sei und er auch selbst angegeben habe, Russisch und Tschetschenisch gleichermaßen zu beherrschen, gab der Erstbeschwerdeführer an, sich erkundigt zu haben, wer sein Referent sei. Er wisse, wie er Tschetschenen und Afghanen behandle. Er habe noch keinen Bescheid positiv gemacht und kein Pass oder Visum erteilt. Dem Erstbeschwerdeführer sei es wichtig, über seine Probleme in seiner Muttersprache zu erzählen. Auch seine Anwältin habe ihm gesagt, dass er das Recht habe, in seiner Muttersprache einvernommen zu werden. Bei der Caritas habe man dem Erstbeschwerdeführer mitgeteilt, dass es ihnen leid tue, dass er diesen Referenten bekommen habe. Auf Vorhalt, dass ein Dolmetscher anwesend sei, der eine dem Erstbeschwerdeführer geläufige Sprache spreche, es dem Erstbeschwerdeführer nicht möglich sei, sich einen Dolmetscher auszusuchen, die Einvernahme abgebrochen und die Entscheidung ohne seine weiteren Angaben erfolgen würde, gab der Erstbeschwerdeführer an, einen tschetschenischen Dolmetscher haben zu wollen. Es bestehe kein Recht, ohne Anhörung eine Entscheidung zu treffen. Die Dolmetscherin verneinte schließlich die Frage, ob sie den Eindruck habe, dass sich der Beschwerdeführer nicht in russischer Sprache verständigen könne.

Auch die Zweitbeschwerdeführerin wurde nach Zulassung ihres Verfahrens am 30.09.2014 von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl einvernommen, wobei sie zunächst ausführte, die russische Sprache zu verstehen, jedoch nicht so gut sprechen zu können. Auf die Frage, ob sie sich psychisch und physisch in der Lage fühle, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten, gab sie zu Protokoll, dass ihr Vater am Vortag an einem Schlaganfall verstorben sei. Ihre Schwester, die Krebs habe, liege im Sterben. Ansonsten gehe es der Zweitbeschwerdeführerin gut. Die Frage, ob sie aktuell in ärztlicher Behandlung stehe oder an irgendwelchen ernsthaften Krankheiten leide, verneinte die Zweitbeschwerdeführerin. Auf die Frage, wie sie den Anwesenden Dolmetscher verstehe, führte sie aus: "Danke, sehr gut bis jetzt.". Der Dolmetscher verneinte die Frage, ob er den Eindruck habe, dass die Zweitbeschwerdeführerin die russische Sprache nicht oder nur schlecht beherrsche; er habe sogar den Eindruck, dass ihn die Zweitbeschwerdeführerin sehr gut verstehe. Sie spreche jedenfalls ein akzentfreies Russisch. Die Frage, ob sie irgendwelche Dokumente oder sonstige Beweismittel habe, die sie im bisherigen Verfahren noch nicht vorgelegt habe, verneinte die Zweitbeschwerdeführerin; ihr Mann habe aber bereits Papiere vorgelegt. Dazu aufgefordert, die Farbfotos, die der Erstbeschwerdeführer als Beweismittel vorgelegt habe, zu beschreiben, gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass diese Bilder alle vor dem Jahr 2001 aufgenommen worden seien. Auch ihr Schwager sei bereits verstorben, bevor sie geheiratet hätten. Zu ihrem Tagesablauf in Österreich befragt, führte die Zweitbeschwerdeführerin aus, in der Früh ihre beiden Söhne in die Schule zu bringen und anschließend den Haushalt zu führen. Sie würden spazieren gehen und vor der Geburt habe die Zweitbeschwerdeführerin bei OMEGA einen Deutschkurs besucht. Zu ihrem Mann gab sie an, dass dieser ebenfalls zu Hause sei und auch einen Deutschkurs besucht habe. Zu ihren Wohnverhältnissen in der Russischen Föderation brachte die Zweitbeschwerdeführerin vor, dass ihr Mann die letzten fünf bis sechs Jahre in Nischnevartovsk gelebt habe. Die Zweitbeschwerdeführerin habe mit ihren Kindern in Argun gelebt und ihren Mann über die Ferien und über das Wochenende besucht. Nachgefragt, weshalb ihr Mann in Nischnevartovsk gewohnt habe, führte die Zweitbeschwerdeführerin aus, dass dieser 2008 mitgenommen worden sei und zu Hause in Lebensgefahr gewesen sei. Damals sei er stark geschlagen und anschließend liegen gelassen worden, sodass man gedacht habe, dass er tot sei. Danach habe er Angst gehabt, zu Hause zu bleiben und sei dorthin gezogen. Die Frage, ob er dort ohne Probleme habe leben können, bejahte die Zweitbeschwerdeführerin. Er habe sich dort versteckt und in der Ölindustrie gearbeitet. Er habe gut verdient und sei dort nicht in Gefahr gewesen. Zu ihrem Auslandsreisepass führte sie aus, dass ihr dieser unterwegs abgenommen worden sei. Sie habe aber bereits zu Hause eine Kopie angefertigt, die sie den Schleppern verheimlicht habe. Die Frage, ob sie also schon zu Hause gedacht habe, dass man ihr den Reisepass wegenehmen werde, bejahte sie; ihr sei es so gesagt worden. Zu ihren verwandtschaftlichen Bezugspunkten im Heimatland führte sie aus, ihre Mutter, drei Schwestern, einen Bruder, einen Onkel und vier Tanten väterlicherseits, einen Onkel mütterlicherseits, fünf Tanten mütterlicherseits, eine Großmutter sowie Cousins und Cousinen von allen Seiten im Heimatland zu haben. Diese würden alle in Tschetschenien leben. Nachgefragt, wann sie den letzten Kontakt zu ihren Angehörigen gehabt habe, gab die Zweitbeschwerdeführerin an, gestern angerufen zu haben. Heute sei das Begräbnis ihres Vaters. Abgesehen davon, dass ihre Schwester im Sterben liege, gehe es ihnen gut. Auf die Frage, wovon ihre Verwandten leben würden, führte die Zweitbeschwerdeführerin aus, dass ihre Mutter nicht arbeite und ihr Bruder für den Staat arbeite. Zu der Familie ihres Mannes gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass zwei seiner Brüder in Grosny und seine Eltern und der jüngere Bruder im Dorf leben würden. Sein Vater arbeite ebenso wie der ältere Bruder für Gazprom in Argun. Die Frage, ob sie in Österreich familiäre Beziehungen oder sonstige verwandtschaftliche Bindungen habe, verneinte die Zweitbeschwerdeführerin; sie habe eine Tante in Spanien. Dazu aufgefordert, ihre allgemeinen Lebensverhältnisse im Herkunftsland zu beschreiben, gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass sie ihre Söhne in den Kindergarten bzw in die Schule gebracht habe. Anschließend habe sie zu Hause privat als Näherin gearbeitet. Nachgefragt, weshalb sie nicht zu ihrem Mann nach Nischnevartovsk gezogen sei, gab sie an, dass ihr Mann dort den ganzen Tag gearbeitet habe und ihr Sohn ja die Schule besucht habe. Zu ihrer wirtschaftlichen Lage in ihrer Heimat gab sie an, gut gelebt zu haben; sie hätten ein Auto und zwei Wohnungen, eine in Argun und eine in Grosny, gehabt. Nach den Gründen für die Asylantragstellung in Österreich befragt, führte die Zweitbeschwerdeführerin aus, dass ihr Mann insgesamt dreimal wegen seines Bruders mitgenommen worden sei; das erste Mal vor ihrer Ehe, das zweite Mal im Jahr 2008 und das dritte Mal im Jahr 2012. Dazu befragt, was im Jahr 2012 vorgefallen sei, gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass ihrem Mann zunächst telefonisch mitgeteilt worden sei, dass seine Mutter wegen Bluthochdrucks krank sei. Anschließend sei er mit den Söhnen am 10.02. nach Hause gefahren. Die Zweitbeschwerdeführerin sei mit ihrer Tochter nicht mitgekommen. Anschließend habe ihr Mann angerufen und ihr mitgeteilt, dass er gut angekommen sei. Am 16. sei er zum dritten Mal mitgenommen worden. Die Frage, ob sie den Wochentag nennen könne, an dem ihr Mann nach Hause gefahren sei, verneinte die Zweitbeschwerdeführerin; sie wisse das Datum, jedoch nicht den Wochentag. Ihr Mann habe sich Urlaub genommen. Nachgefragt, was konkret der Anlass dafür gewesen sei, dass die Zweitbeschwerdeführerin ihr Heimatland fluchtartig verlassen habe müssen, gab sie an, dass ihr Mann mitgenommen worden sei. Er habe gesagt, dass er für sie arbeiten würde, weil er sonst umgebracht worden wäre. Er sei zunächst gefoltert und geschlagen und dann, als er unterschrieben habe, dass er für sie arbeiten werde, freigelassen worden. Anschließend sei er mit den Söhnen geflüchtet. Die Frage, ob sie also keine eigenen Fluchtgründe habe, verneinte die Zweitbeschwerdeführerin, sie sei wegen ihres Mannes hierhergekommen. Auf die Frage, wie sie erklären könne, dass ihr Mann legal gearbeitet habe, gemeldet gewesen sei und offensichtlich keinerlei Probleme gehabt habe, gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass er in Russland ja keine Schwierigkeiten gehabt habe. Nachgefragt, weshalb sie dann nicht mit der gesamten Familie in Russland habe leben können, führte die Zweitbeschwerdeführerin aus, dass er dort ja hätte gefunden werden können. Er sei nach Hause gefahren und dort mitgenommen worden. Erst dann sei er geflüchtet. Die Frage, ob sie aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Gesinnung verfolgt worden sei, verneinte die Zweitbeschwerdeführerin. Darüber hinaus habe sie keinerlei Probleme gehabt. Ihr Mann habe wegen seines Bruders Probleme bekommen. Wenn sie nach Hause fahren würden, würde er umgebracht werden. Nachgefragt, ob ihre große Tochter wieder gesund sei, gab die Zweitbeschwerdeführerin zu Protokoll, dass sie in Russland behandelt worden sei und man ihr gesagt habe, dass sie gesund sei. Darauf angesprochen, dass sie am Beginn der Einvernahme angegeben habe, die russische Sprache nicht so gut zu beherrschen, nun aber ein akzentfreies Russisch zu sprechen, gab sie an, sich zu bemühen zu sprechen. Sie habe in der Schule zweimal die Woche Russischunterricht gehabt. Darauf angesprochen, dass die Zweitbeschwerdeführerin auf dem Bild ihres Reisepasses westlich gekleidet sei, auffällige sehr große Ohrringe trage und geschminkt sei, sie jedoch bei ihrer Asylantragstellung und heute traditionelle Kleidung und ein Kopftuch getragen habe, brachte die Zweitbeschwerdeführerin vor, dass man beim Fotografieren kein Kopftuch tragen dürfe. Damit konfrontiert, dass sie laut ihren Angaben bei der Erstbefragung, die letzten fünf bis sechs Jahre mit ihrer Familie in Nischnevartovsk / Russland gelebt habe, ihre heutigen Angaben dem eklatant widersprechen würden und auch ihre Aussprache und das Bild auf der Kopie des Reisepasses darauf hinweisen würden, dass sie in Russland gelebt habe, gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dort für einen Monat, für zwei Wochen oder für drei Wochen gewesen zu sein. Sie sei hin und her gefahren und habe dort ja keine Probleme gehabt. Darauf angesprochen dass ihren Kindern nachweislich am 12.10.2012 ein Auslandspass ausgestellt worden sei, dies auch ein Nachweis dafür sei, dass sie keiner staatlichen Verfolgung ausgesetzt gewesen seien und die Zweitbeschwerdeführerin darüber hinaus angegeben habe, legal ausgereist zu sein, brachte sie vor, dass ihr Mann ja Probleme gehabt habe. Auf Vorhalt, dass es glaubhaft sei, dass sie ihr Heimatland mit der Hoffnung auf Migration verlassen habe und versucht habe, einen Fluchtgrund auf Basis des vor mindestens dreizehn Jahren verstorbenen Bruders ihres Mannes zu konstruieren, gab sie an, dass dies nicht der Fall sei. Ihr Mann sei 2008 mitgenommen und geschlagen worden. Man habe gedacht, dass er tot sei. 2012 sei er neuerlich mitgenommen worden. Die Zweitbeschwerdeführerin gab weiters an, 2008, als ihr Mann mitgenommen worden sei, nicht anwesend, sondern bei ihren Eltern gewesen zu sein. Als sie nach Hause gekommen sei, sei die Türe offen gestanden und habe sie am Boden Blut gesehen. Auch seien die Sachen durchwühlt gewesen. Anschließend sei eine Nachbarin gekommen, die der Zweitbeschwerdeführerin erzählt habe, dass maskierte Leute ihren Mann mitgenommen hätten. Dies sei im Sommer 2008 gewesen, den genauen Zeitpunkt könne die Zweitbeschwerdeführerin nicht mehr nennen.

Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.10.2014 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I), den Beschwerdeführern gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat nicht zuerkannt (Spruchpunkt II) und den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei. Außerdem wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt III).

Begründend führte die belangte Behörde zum Erstbeschwerdeführer kurz zusammengefasst aus, dass der Erstbeschwerdeführer seine Mitwirkungspflicht verletzt habe, indem er trotz Belehrung, die Teilnahme an der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verweigert habe. Er habe auf die Beiziehung eines tschetschenischen Dolmetschers, obwohl er der russischen Sprache laut eigenen Angaben gleichermaßen mächtig sei, bestanden.

Zur Zweitbeschwerdeführerin wurde begründend ausgeführt, dass sie selbst keine eigenen Fluchtgründe für sich und ihre Kinder geltend gemacht habe und hinsichtlich der Fluchtgründe ihres Ehemannes auf den zeitgleich ergangenen Bescheid verwiesen werde.

Mit der am 23.10.2014 eingelangten Beschwerde wurden die ergangenen Bescheide in vollem Umfang wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten. Begründend wurde ausgeführt, dass auch im Asylverfahren die AVG-Prinzipien der amtswegigen Erforschung des maßgeblichen Sachverhaltes und der Wahrung des Parteiengehörs gelten würden. Die Art und Weise, in welcher die Behörde dem Erstbeschwerdeführer die Glaubwürdigkeit abgesprochen habe, entspreche nicht den Anforderungen der amtswegigen Ermittlungspflicht. Zunächst könne die belangte Behörde nicht davon ausgehen, dass der Erstbeschwerdeführer russisch und tschetschenisch gleichermaßen beherrsche, nur weil seine Erstbefragung in der Sprache Russisch stattgefunden habe. In der Erstbefragung sei ihm damals gesagt worden, dass er für die detaillierten Ausführungen in der nächsten Einvernahme einen tschetschenischen Dolmetscher bestellen könne, was jedoch nicht der Fall gewesen sei. Ohne Einvernahme des Erstbeschwerdeführers könne der maßgebliche Sachverhalt nicht festgestellt werden. Wenn er einen tschetschenischen Dolmetscher gehabt hätte, hätte er am Asylverfahren mitgewirkt. Seine Angaben bei der Erstbefragung und jene seiner Frau könnten nicht dazu dienen, dass ihm deshalb die Glaubwürdigkeit seines Asylgrundes abgewiesen werde. Zunächst sei darauf hinzuweisen, dass es dem Wesen der Erstbefragung nach § 19 Abs 1 AsylG entspreche, dass diese der Ermittlung der Identität und der Reiseroute eines Fremden dienen solle und sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen habe. Der Erstbeschwerdeführer spreche zwar russisch, könne sich aber in der Sprache Tschetschenisch besser ausdrücken als in Russisch und seien ihm auch einige Wörter in der Sprache russisch nicht bekannt. Der Erstbeschwerdeführer habe zu Hause immer tschetschenisch gesprochen und sei es ein sicheres Gefühl für ihn, in der tschetschenischen Sprache einvernommen zu werden. Er habe sehr viele Beweismittel zu seiner Fluchtgeschichte vorgelegt, wozu er jedoch nicht einvernommen worden sei, weil sein Antrag auf Bestellung eines Dolmetschers der tschetschenischen Sprache abgelehnt worden sei. Die belangte Behörde habe aus den oben genannten Gründen ihre Ermittlungspflichten vernachlässigt bzw das Parteiengehör verletzt. Widersprüchliche Aussagen könnten dem Erstbeschwerdeführer nicht vorgehalten werden, weil er nicht einvernommen worden sei und kein fehlerfreies Verfahren stattgefunden habe. Aus all diesen Gründen ersuche der Erstbeschwerdeführer um Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Zusätzlich führte der Erstbeschwerdeführer Auszüge aus Artikeln an, um zu verdeutlichen, wie real bedrohend die Gefahr ausgehend von der Verfolgung durch die Sicherheitsbeamten wirklich sei und, dass Familienangehörige, die Verbindungen zu Rebellen hätten, sehr gefährdet seien. Darüber hinaus führte der Erstbeschwerdeführer einen Artikel an, wonach die zu verzeichnende Verschlechterung der allgemeinen Sicherheitslage keine guten Prognosen für eine Rückkehr nach Tschetschenien zulasse.

Mit Eingabe vom 18.11.2014 wurde dem Bundesverwaltungsgericht eine Vollmacht der Caritas Rechtsberatung, Mag. Sophie Ederer, übermittelt.

Am 17.12.2014 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Vertreterbekanntgabe des Mag. Martin Sauseng, Rechtsanwalt in 8010 Graz, ein.

Mit Eingabe vom 18.12.2014 langte eine Beschwerdeergänzung der Beschwerdeführer ein, in der erneut ausgeführt wurde, dass weder der Erst- noch sämtliche weitere Beschwerdeführer zu irgendeinem Zeitpunkt des erstinstanzlichen Verfahrens die sie treffende Mitwirkungspflicht verletzt hätten. Der Erstbeschwerdeführer habe in Verwirklichung der ihn treffenden Mitwirkungspflicht im Zuge der Einvernahme durch die belangte Behörde am 30.09.2014 darauf verwiesen, dass die Einvernahme seiner Person in der tschetschenischen Muttersprache sowohl dem Grundsatz der Verfahrensökonomie als auch der Verfahrenseffizienz diene. In rechtlicher Relevanz sei festzuhalten, dass sowohl Tschetschenisch als auch Russisch offizielle Sprachen in der tschetschenischen Republik darstellen würden und bereits aus dem Umstand, dass in der tschetschenischen Republik gegenwärtig 95,1 % ethnische Tschetschenen leben würden, wohlbegründet davon auszugehen sei, dass die tschetschenische Sprache für den Erstbeschwerdeführer als ethnischen Tschetschenen dessen Muttersprache darstelle. Gegenteilige Feststellungen würden sich auch nicht dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde entnehmen lassen und stelle der Umstand, dass diesbezüglich Feststellungen dahingehend fehlen würden, ob der Erstbeschwerdeführer im ausreichenden Maße der Einvernahme in einer anderen Sprache als seiner Muttersprache mächtig sei, auch letztlich eine rechtlich relevante Beurteilung dar. Dass es bei der Erstbefragung zu keinerlei Verständigungsschwierigkeiten gekommen sei, erweise sich nicht als zwingendes Argument, wenn die Fragen weitgehend nur Personaldaten umfassen würden und im Wesentlichen aufgrund des vorgelegten Reisedokumentes haben aufgenommen werden können. Der dargelegte rechtlich relevante Verfahrensmangel greife letztlich auch in die Verfassungssphäre des Erst- sowie sämtlicher weiterer Beschwerdeführer ein. Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreife, liege unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidendem Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes vor. Ein durch den Erstbeschwerdeführer in schriftlicher Form auf insgesamt elf Seiten dargelegtes Fluchtvorbringen sei naturgemäß in tschetschenischer Sprache abgefasst und werde zum Bestandteil der gegenständlichen Beschwerdeergänzung.

II. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergibt sich aus den diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Verwaltungsakten.

III. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A)

Rechtliche Grundlagen:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg cit). Gemäß § 58 Abs 1 VwGVG trat dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 2014 in Kraft. Gemäß Abs 2 leg cit bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß Abs 2 leg cit hat über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Wie oben ausgeführt, sind - zufolge § 17 VwGVG - nach Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des IV. Teiles des AVG nicht (mehr) auf das Verfahren über Beschwerden vor dem Verwaltungsgericht anzuwenden. Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Die Entscheidung des VwG ergeht in Beschlussform (Fister/Fuchs/Sachs; das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, Taschenkommentar, S 153, 154, Anmerkungen 11) und 12)).

§ 28 Abs 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit den Erkenntnissen vom 21.11.2002, Zl 2002/20/0315 und Zl 2000/20/0084 grundsätzliche Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 66 Abs 2 AVG im Asylverfahren im Allgemeinen und durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im Besonderen getätigt. Dabei hat er im letztgenannten insbesondere Folgendes ausgeführt:

"Bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte muss nämlich auch berücksichtigt werden, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Zur Sicherung seiner Qualität hat der Gesetzgeber einen Instanzenzug vorgesehen, der zur belangten Behörde und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt (vgl bereits das Erkenntnis vom 16. April 2002, Zl 99/20/0430). Die der belangten Behörde in dieser Funktion schon nach der Verfassung zukommende Rolle einer obersten Berufungsbehörde (Art 129c Abs 1 B-VG) wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen."

Es besteht kein Grund zur Annahme, dass sich die dargestellte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht auf die neue Rechtslage übertragen ließe. Es liegt weiterhin nicht im Sinne des Gesetzes, wenn das Bundesverwaltungsgericht erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und beurteilt, sodass es seine umfassende Kontrollbefugnis nicht wahrnehmen kann. Eine ernsthafte Prüfung des Antrages soll nicht erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und zugleich enden.

In seinem Erkenntnis vom 26. Juni 2014, 2014/03/0063-4, hat der Verwaltungsgerichtshof unter anderem ausgeführt, dass gemäß den Bestimmungen des

§ 28 Abs 2 Z 1 VwGVG bereits nach dem Wortlaut die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht nicht in Betracht kommt, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht (vgl auch Art 130 Abs 4 Z 1 BVG). Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt. Weiters wird zusammengefasst ausgeführt, dass auch eine an der verfassungsrechtlichen Vorgabe des Art 130 Abs 4 B-VG orientierte Auslegung ergibt, dass eine Aufhebung des Bescheides der Verwaltungsbehörde jedenfalls erst dann in Betracht kommt, wenn die in § 28 Abs 2 VwGVG normierten Voraussetzungen, die eine Pflicht des Verwaltungsgerichtes zur "Entscheidung in der Sache selbst" nach sich ziehen, nicht vorliegen. Aus den Gesetzesmaterialien zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 ist ersichtlich, dass dem Verwaltungsgericht in den in Art 130 Abs 4 B-VG vorgesehenen und in § 28 Abs 2 VwGVG angeordneten Fällen eine kassatorische Entscheidung nicht offensteht. Damit normiere § 28 VwGVG für die überwiegende Anzahl der Fälle die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte, in der Sache selbst zu entscheiden. Derart wird (wie erwähnt) der sich schon aus Art 130 Abs 4 B-VG ergebenden Zielsetzung, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst entscheiden sollen, Rechnung getragen. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

Im vorliegenden Fall erweist sich der angefochtene Bescheid des Erstbeschwerdeführers in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:

Wie bereits aus dem Verfahrensgang ersichtlich, stellte der Erstbeschwerdeführer am 05.08.2013 sowie am 28.08.2014 Anträge, der für den 30.09.2014 anberaumten Einvernahme, einen Dolmetscher für die Sprache Tschetschenisch beizuziehen, weil er Verständigungsprobleme in der Sprache Russisch habe. Als der Erstbeschwerdeführer in seiner Einvernahme am 30.09.2014 verweigerte, in Anwesenheit einer Dolmetscherin der russischen Sprache, Angaben zu seinen Fluchtgründen zu machen, erließ die belangte Behörde umgehend den dem Verfahren zugrundeliegenden Bescheid, ohne eine Einvernahme des Erstbeschwerdeführers durchzuführen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Erstbeschwerdeführer in seiner Erstbefragung angegeben habe, Russisch und Tschetschenisch zu beherrschen und er durch die Verweigerung seiner Aussage seine Mitwirkungspflicht verletzt habe.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss zwar eine Vernehmung nicht in der Muttersprache des Asylwerbers erfolgen, jedoch muss der Asylwerber in ausreichendem Maße der Verständigung in der verwendeten Sprache fähig sein. Die belangte Behörde vermeint zwar, dass der Erstbeschwerdeführer der russischen Sprache ausreichend mächtig gewesen sei, hat aber diesbezüglich keine Feststellungen getroffen, sondern lediglich festgestellt, dass der Erstbeschwerdeführer seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei.

Die belangte Behörde befragte zwar den anwesenden Dolmetscher kurz zu den Sprachkenntnissen des Erstbeschwerdeführers, nähere Ermittlungen dazu, ob der Erstbeschwerdeführer der russischen Sprache in ausreichendem Maße einer Verständigung fähig ist, wurden jedoch nicht getätigt bzw wurden keinerlei Feststellungen dazu getroffen.

Erst bei einer detaillierten Einvernahme des Erstbeschwerdeführers wäre es der belangten Behörde überhaupt möglich gewesen, den entscheidungsrelevanten Sachverhalt und die Glaub- bzw Unglaubwürdigkeit des Erstbeschwerdeführers eindeutig bzw allfällig vorhandene Fluchtgründe nach der Genfer Flüchtlingskonvention feststellen zu können. Mangels Einvernahme hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl keine gravierenden Widersprüche in den Angaben des Erstbeschwerdeführers anzuführen vermocht und kann das erkennende Gericht daher nicht schon deshalb davon auszugehen, dass es sich bei den Angaben des Erstbeschwerdeführers um ein wahrheitswidriges Konstrukt handeln würde.

Die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderte Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens ist im gegenständlichen Fall unterblieben und ist die belangte Behörde nach dem Dafürhalten des Bundesverwaltungsgerichtes ihrer Begründungspflicht nicht in ausreichender Weise nachgekommen. Durch diese Vorgehensweise hat die belangte Behörde gegen das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf Parteiengehör verstoßen.

Die belangte Behörde hätte im vorliegenden Fall feststellen müssen, in welcher Sprache eine Vernehmung des Erstbeschwerdeführers den gesetzlichen Bestimmungen entsprochen hätte. Ohne dies durchgeführt zu haben, durfte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Weigerung des Erstbeschwerdeführers, an der Vernehmung mitzuwirken, nicht von vornherein als Verletzung seiner Mitwirkungsobliegenheit werten.

Damit hat das Bundesamt im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen und sind die im angefochtenen Bescheid beweiswürdigend angeführten Argumente im zu beurteilenden Fall keinesfalls zur Begründung einer negativen Entscheidung geeignet.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht im Sinne des Gesetzgebers liegen.

Die Angelegenheit war somit gemäß § 28 Abs 3 VwGVG zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird daher im fortzusetzenden Verfahren ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchzuführen haben. Dabei wird die Behörde auch allfällig zwischenzeitlich neu aufgetretene Sachverhaltselemente und Beweismittel in ihr fortgesetztes Ermittlungsverfahren miteinzubeziehen haben und diese in hinreichender Weise in ihre Entscheidungsfindung miteinfließen lassen.

Da im gegenständlichen Fall ein Familienverfahren vorliegt und solche Verfahren gemäß § 34 Abs 4 AsylG 2005 unter einem zu führen sind, waren alle Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zu beheben und die Angelegenheiten zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.

Eine Verhandlung konnte im vorliegenden Fall im Sinne des § 24 Abs 2 VwGVG entfallen, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass die mit den Beschwerden angefochtenen Bescheide aufzuheben waren.

Zu B)

Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (VwGH 26.06.2014, 2014/03/0063). Durch das genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes fehlt es auch nicht an einer Rechtsprechung und die zu lösende Rechtsfrage wird in der Rechtsprechung auch nicht uneinheitlich beantwortet. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Behebung und Zurückverweisung eines angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 3 2. Satz VwGVG wegen Ermittlungsmängeln folgt konzeptionell im Wesentlichen der Bestimmung des § 66 Abs Abs 2 AVG (bzw des § 41 Abs 3 AsylG 2005 idF BGBl I Nr 87/2012). Die zu diesen Bestimmungen ergangene Judikatur ist ausführlich und auf den hier in Betracht kommenden § 28 Abs 3 2. Satz VwGG infolge seiner konzeptionellen Ausgestaltung anwendbar (vgl zB 17. 10. 2006, 2005/20/0459 und grundsätzlich zur Anwendbarkeit des § 66 Abs 2 AVG in Asylverfahren VwGH 21. 11. 2002, 2002/20/0315, 2000/20/0084 und insbesondere VwGH vom 21.06.2010, 2008/19/0379, wo der VwGH ausdrücklich einen Vergleich zwischen den beiden Normen § 66 Abs 2 AVG und § 41 Abs 3 ASylG 2005 zieht).

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