VfGH G106/2022 ua, V140/2022

VfGHG106/2022 ua, V140/202227.6.2023

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung näher bezeichneter Teile von Bestimmungen des UStG 1998 und des MineralölsteuerG 2022 sowie der gesamten LuftfahrtbegünstigungsV betreffend Steuerbefreiungen für die Personenbeförderung mit Luftfahrzeugen mangels Legitimation, Betroffenheit sowie Darlegung der Bedenken

Normen

B-VG Art139 Abs1 Z3, Art140 Abs1 Z1 litc
UStG 1994 §1, §2, §3a, §6 Abs1 Z3 litd, §9, §10 Abs3 Z9
MineralölsteuerG 2022 §1, §4 Abs1 Z1, §4 Abs2 Z5, §5 Abs3a, §12 Abs1 Z1, §12 Abs2, §12 Abs4, §15 Abs3, §52 Abs2 Z4 litd, §54 Abs3
LuftfahrtbegünstigungsV
VfGG §7 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2023:G106.2022

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antrag

1. Gestützt auf Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG sowie – der Sache nach – auf Art139 Abs1 Z3 B‑VG begehrt die Antragstellerin, der Verfassungsgerichtshof möge die Wortfolge "und Luftfahrzeugen" in §6 Abs1 Z3 litd und die Wortfolge "soweit nicht §6 Abs1 Z3 anzuwenden ist" in §10 Abs3 Z9 des Umsatzsteuergesetzes 1994 sowie §4 Abs1 Z1, §4 Abs2 Z5, §5 Abs3a, §12 Abs1 Z1, die Wortfolge "oder eines Unternehmens im Sinne des §4 Abs1 Z1" in §12 Abs2, die Wortfolge "bzw die Beschreibung der gewerbsmäßigen Luftfahrt‑Dienstleistung im Sinne des §4 Abs1 Z1" in §12 Abs4, §15 Abs3, §52 Abs2 Z4 litd und §54 Abs3 des Mineralölsteuergesetzes 2022 als verfassungswidrig und die Luftfahrtbegünstigungsverordnung als gesetzwidrig aufheben.

2. Mit nachträglicher Eingabe begehrt die Antragstellerin, der Verfassungsgerichtshof möge (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

"nunmehr aussprechen, dass die Bestimmungen des §6 Abs1 [Z] 3 lit[d] UStG 1994, insbesondere mit dem Wortlaut 'und Luftfahrzeugen', BGBl 1994/363 in der Fassung bis einschließlich BGBl I 2022/10, sowie in §10 Abs3 [Z] 9 UStG 1994 der Wortlaut 'soweit nicht §6 Abs1 [Z] 3 anzuwenden ist', BGBl 1994/663 in der Fassung bis einschließlich BGBl I 2022/10 – sohin jeweils vor Inkrafttreten BGBl I 2022/108 – verfassungswidrig waren".

II. Rechtslage

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Besteuerung der Umsätze (Umsatzsteuergesetz 1994 – UStG 1994), BGBl 663/1994, idF BGBl I 104/2019 lauten (die angefochtenen Bestimmungen bzw Wortfolgen sind hervorgehoben):

"Steuerbare Umsätze

 

§1. (1) Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze:

1. Die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Steuerbarkeit wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Umsatz auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung bewirkt wird oder kraft gesetzlicher Vorschrift als bewirkt gilt;

2. – 3. […].

 

(2) Inland ist das Bundesgebiet. Ausland ist das Gebiet, das hienach nicht Inland ist. Wird ein Umsatz im Inland ausgeführt, so kommt es für die Besteuerung nicht darauf an, ob der Unternehmer österreichischer Staatsbürger ist, seinen Wohnsitz oder seinen Sitz im Inland hat, im Inland eine Betriebsstätte unterhält, die Rechnung ausstellt oder die Zahlung empfängt.

 

(3) […]

 

[…]

 

Sonstige Leistung

 

§3a. (1) Sonstige Leistungen sind Leistungen, die nicht in einer Lieferung bestehen. Eine sonstige Leistung kann auch in einem Unterlassen oder im Dulden einer Handlung oder eines Zustandes bestehen.

 

(1a) – (9) […]

 

(10) Eine Personenbeförderungsleistung wird dort ausgeführt, wo die Beförderung bewirkt wird. Erstreckt sich eine Beförderungsleistung sowohl auf das Inland als auch auf das Ausland, so fällt der inländische Teil der Leistung unter dieses Bundesgesetz. Als inländischer Teil der Leistung gilt auch die Beförderung auf den von inländischen Eisenbahnverwaltungen betriebenen, auf ausländischem Gebiet gelegenen Anschlussstrecken, sowie die Beförderung auf ausländischen Durchgangsstrecken, soweit eine durchgehende Abfertigung nach Inlandstarifen erfolgt. Gleiches gilt für eine Güterbeförderungsleistung, wenn der Leistungsempfänger ein Nichtunternehmer im Sinne des Abs5 Z3 ist.

 

(11) – (16) […]

 

[…]

 

Steuerbefreiungen

 

§6. (1) Von den unter §1 Abs1 Z1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei:

1. […]

2. die Umsätze für die Seeschiffahrt und für die Luftfahrt (§9);

3. a) – c) […]

d) die Beförderungen von Personen mit Schiffen und Luftfahrzeugen im grenzüberschreitenden Beförderungsverkehr, ausgenommen die Personenbeförderung auf dem Bodensee.

[…]

4. – 28. [...]

 

(2) – (6) […]

 

[…]

 

Umsätze für die Seeschiffahrt und für die Luftfahrt

 

§9. (1) […]

 

(2) Umsätze für die Luftfahrt (§6 Abs1 Z2) sind:

1. die Lieferungen, Umbauten, Instandsetzungen, Wartungen, Vercharterungen und Vermietungen von Luftfahrzeugen, die zur Verwendung durch Unternehmer bestimmt sind, die im entgeltlichen Luftverkehr überwiegend grenzüberschreitende Beförderungen oder Beförderungen auf ausschließlich im Ausland gelegenen Strecken durchführen;

2. die Lieferungen, Instandsetzungen, Wartungen und Vermietungen von Gegenständen, die zur Ausrüstung der in Z1 bezeichneten Luftfahrzeuge bestimmt sind;

3. die Lieferungen von Gegenständen, die zur Versorgung der in Z1 bezeichneten Luftfahrzeuge bestimmt sind;

4. andere als die in den Z1 und 2 bezeichneten sonstigen Leistungen, die für den unmittelbaren Bedarf der in Z1 bezeichneten Luftfahrzeuge, einschließlich ihrer Ausrüstungsgegenstände und ihrer Ladungen, bestimmt sind.

 

(3) Die in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Voraussetzungen müssen vom Unternehmer buchmäßig nachgewiesen sein.

 

Steuersätze

 

§10. (1) Die Steuer beträgt für jeden steuerpflichtigen Umsatz 20% der Bemessungsgrundlage (§§4 und 5).

 

(2) Die Steuer ermäßigt sich auf 10% für

1. – 5. […]

6. die Beförderung von Personen mit Verkehrsmitteln aller Art, soweit nicht §6 Abs1 Z3 oder §10 Abs3 Z9 anzuwenden ist. Das Gleiche gilt sinngemäß für die Einräumung oder Übertragung des Rechtes auf Inanspruchnahme von Leistungen, die in einer Personenbeförderung bestehen;

7. – 9. […].

 

(3) Ist der Steuersatz nach Abs2 nicht anzuwenden, ermäßigt sich die Steuer auf 13% für

1. – 8. […]

9. die Beförderung von Personen mit Luftverkehrsfahrzeugen, soweit nicht §6 Abs1 Z3 anzuwenden ist. Das Gleiche gilt sinngemäß für die Einräumung oder Übertragung des Rechtes auf Inanspruchnahme von Leistungen, die in einer Personenbeförderung bestehen;

10. – 12. […].

 

(4) […]"

2. §6 UStG 1994 in der – am 1. Jänner 2023 in Kraft getretenen – Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 2022 (AbgÄG 2022), BGBl I 108/2022, lautet:

"Steuerbefreiungen

 

§6. (1) Von den unter §1 Abs1 Z1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei:

1. […]

2. die Umsätze für die Seeschiffahrt und für die Luftfahrt (§9);

3. a) – c) […]

d) die Beförderungen von Personen mit Eisenbahnen, Schiffen und Luftfahrzeugen im grenzüberschreitenden Beförderungsverkehr, ausgenommen die Personenbeförderung auf dem Bodensee.

[…]

4. – 28. […]

 

(2) – (6) […]"

3. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über eine Verbrauchsteuer auf Mineralöl, Kraftstoffe und Heizstoffe (Mineralölsteuergesetz 2022 – MinStG 2022), BGBl 630/1994, idF BGBl I 227/2021 lauten (die angefochtenen Bestimmungen bzw Wortfolgen sind hervorgehoben):

"Steuergebiet, Steuergegenstand, zuständige Behörde

 

§1. (1) Mineralöl, Kraftstoffe und Heizstoffe, die im Steuergebiet hergestellt oder in das Steuergebiet eingebracht werden, unterliegen einer Verbrauchsteuer (Mineralölsteuer).

 

(2) Steuergebiet im Sinne dieses Bundesgesetzes ist das Bundesgebiet, ausgenommen das Gebiet der Ortsgemeinden Jungholz (Tirol) und Mittelberg (Vorarlberg).

 

(3) Für die Erhebung der Mineralölsteuer ist das Zollamt Österreich zuständig.

 

[…]

 

Steuerbefreiungen

 

§4. (1) Von der Mineralölsteuer sind befreit:

1. Mineralöl, das als Luftfahrtbetriebsstoff an Luftfahrtunternehmen aus Steuerlagern oder Zolllagern abgegeben wird und unmittelbar der entgeltlichen Erbringung von Luftfahrt-Dienstleistungen dient; als Luftfahrt-Dienstleistungen gelten die gewerbsmäßige Beförderung von Personen oder Sachen und sonstige gewerbsmäßige Dienstleistungen, die mittels eines Luftfahrzeuges unmittelbar an den Kunden des Luftfahrtunternehmens erbracht werden;

2. – 12. […].

 

(2) Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, durch Verordnung

1. – 4. […]

5. die steuerfreie Verwendung von Luftfahrtbetriebsstoffen nach Abs1 Z1 sowie die Vergütung der Mineralölsteuer nach §5 Abs3a zu regeln und die dazu notwendigen Verfahrensvorschriften zu erlassen.

 

(3) Gewerbsmäßigkeit im Sinne des Abs1 Z1 und 2 liegt vor, wenn die mit Luft- oder Wasserfahrzeugen gegen Entgelt ausgeübte Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird und der Unternehmer auf eigenes Risiko und eigene Verantwortung handelt.

 

Steuererstattung oder Steuervergütung im Steuergebiet

 

§5. (1) […]

 

(2) Erstattungs- oder vergütungsberechtigt ist

1. in den Fällen des Abs1 Z1 und Z4 der Inhaber des Steuerlagers,

2. im übrigen derjenige, für dessen Rechnung die Mineralöle, Kraftstoffe oder Heizstoffe verwendet wurden.

 

(3) Wurde für Mineralöle, Kraftstoffe oder Heizstoffe, die nach §4 Abs1 Z2 bis 8 steuerfrei sind, die Mineralölsteuer entrichtet, so ist sie, außer in den Fällen des §4 Abs1 Z5 und 7, auf Antrag des Steuerschuldners zu erstatten.

 

(3a) Wurde für Mineralöle, die nach §4 Abs1 Z1 steuerfrei sind, die Mineralölsteuer entrichtet, so ist sie auf Antrag des Verwenders zu vergüten.

 

(4) – (7) […]

 

[…]

 

Freischein, Ausstellung

 

§12. (1) Wer Mineralöl

1. der im §4 Abs1 Z1 bezeichneten Art oder

2. der im §4 Abs1 Z9 bezeichneten Art zu einem im §4 Abs1 Z9 angeführten Zweck außerhalb eines Steuerlagers

steuerfrei verwenden will, bedarf einer Bewilligung (Freischein).

 

(2) Freischeine sind auf Antrag des Inhabers des Betriebes, in dem das Mineralöl verwendet werden soll (Verwendungsbetrieb) oder eines Unternehmens im Sinne des §4 Abs1 Z1 auszustellen, wenn kein Ausschließungsgrund (Abs3) vorliegt.

 

(3) Freischeine dürfen nicht ausgestellt werden, wenn die bestimmungsgemäße Verwendung des Mineralöls durch Überwachungsmaßnahmen des Zollamtes nicht gesichert werden kann oder nur durch umfangreiche oder zeitraubende Maßnahmen gesichert werden könnte.

 

(4) Der Antrag auf Ausstellung des Freischeins ist schriftlich beim Zollamt Österreich einzubringen. Er muss alle Angaben über die für die Ausstellung des Freischeins erforderlichen Voraussetzungen enthalten; beizufügen sind die Unterlagen für den Nachweis oder die Glaubhaftmachung der Angaben, eine Beschreibung des Verwendungsbetriebes und eine Beschreibung der Lagerung, der Verwendung und des Verbrauches von Mineralöl im Betrieb bzw die Beschreibung der gewerbsmäßigen Luftfahrt-Dienstleistung im Sinne des §4 Abs1 Z1. Das Zollamt Österreich hat das Ergebnis der Überprüfung der eingereichten Beschreibungen in einer mit dem Betriebsinhaber aufzunehmenden Niederschrift (Befundprotokoll) festzuhalten. Auf diese Beschreibungen kann in späteren Eingaben des Antragstellers Bezug genommen werden, soweit Änderungen der darin angegebenen Verhältnisse nicht eingetreten sind. Im Falle der Ausstellung eines globalen oder eines Einzelfreischeins kann das Zollamt Österreich aus verwaltungsökonomischen Überlegungen auf die Aufnahme eines Befundprotokolls verzichten, wenn durch diesen Verzicht die amtliche Aufsicht nicht erschwert wird.

 

[…]

 

Freischein, Verpflichtungen

 

§15. (1) Der Lieferant darf Mineralöl nur dann unversteuert abgeben, wenn im Zeitpunkt der Abgabe ein gültiger Freischein des Empfängers vorliegt.

 

(2) Der Lieferant hat in seinen Aufzeichnungen die Art und die Menge des Mineralöls, den Tag der Abgabe, den Namen (Firma) und die Anschrift des Inhabers des Freischeins und die genaue Bezeichnung des Freischeins aufzunehmen.

 

(3) In den Fällen des §4 Abs1 Z1 ist das Mineralöl unmittelbar als Luftfahrtbetriebsstoff in Luftfahrzeuge abzugeben und zu verwenden.

 

(4) In den Fällen des §4 Abs1 Z9 hat der Inhaber des Freischeins das Mineralöl unverzüglich in seinen Betrieb aufzunehmen. Es darf nur zu dem im Freischein genannten Zweck verwendet werden.

 

(5) Wird auf Grund eines Freischeins bezogenes Mineralöl zu einem im Freischein nicht angegebenen Zweck verwendet, liegt eine bestimmungswidrige Verwendung vor. Dies gilt nicht für Mineralöl, das in einem Verwendungsbetrieb bei Untersuchungen verbraucht wird, die mit einem begünstigten Verwendungszweck zusammenhängen.

 

[…]

 

[…] Aufzeichnungspflichten

 

§52. (1) Der Inhaber eines Herstellungsbetriebes hat Aufzeichnungen zu führen, aus denen hervorgehen muß,

1. welches Mineralöl

a) im Betrieb hergestellt wurde;

b) in den Betrieb aufgenommen wurde;

c) im Betrieb verbraucht oder verwendet wurde; soweit das verbrauchte oder verwendete Mineralöl von der Mineralölsteuer befreit ist, besteht die Aufzeichnungspflicht nur, wenn das Zollamt Österreich aus steuerlichen Gründen eine Aufzeichnung angeordnet hat;

d) aus dem Betrieb weggebracht wurde;

2. welche anderen Stoffe im Betrieb zur Herstellung von Mineralöl verwendet wurden.

 

(2) Aus den Aufzeichnungen müssen zu ersehen sein:

1. für das im Betrieb hergestellte Mineralöl die Art und die Menge sowie der Tag der Herstellung;

2. für das in den Betrieb aufgenommene Mineralöl die Art und die Menge sowie der Tag der Aufnahme; zusätzlich müssen entweder aus den Aufzeichnungen oder den Belegen der Name oder die Firma und die Anschrift des Lieferanten zu entnehmen sein und,

a) wenn das Mineralöl aus einem Steuerlager bezogen wurde, die Bezeichnung und die Anschrift des Steuerlagers oder,

b) wenn das Mineralöl in das Steuergebiet eingeführt wurde, der Tag der Überführung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr, die Bezeichnung der Zollstelle, bei der die Überführung stattfand, sowie der Name oder die Firma und die Anschrift des Anmelders;

3. für das im Betrieb verbrauchte oder verwendete Mineralöl die Art und die Menge sowie der Tag der Entnahme;

4. für das aus dem Betrieb weggebrachte Mineralöl die Art und die Menge sowie der Tag der Wegbringung; zusätzlich müssen entweder aus den Aufzeichnungen oder den Belegen der Name oder die Firma und die Anschrift des Abnehmers zu entnehmen sein und,

a) wenn das Mineralöl im Steuergebiet in ein Steuerlager oder einen Verwendungsbetrieb aufgenommen werden soll, die Bezeichnung und die Anschrift dieses Betriebes oder,

b) wenn das Mineralöl in einen anderen Mitgliedstaat unter Steueraussetzung verbracht werden soll, der Name oder die Firma und die Anschrift des Abnehmers im Mitgliedstaat, oder

c) wenn das Mineralöl aus dem Steuergebiet ausgeführt wurde, der Tag des Ausgangs aus dem Zollgebiet, oder

d) wenn das Mineralöl in den Fällen des §4 Abs1 Z1 aus dem Betrieb weggebracht wurde, die Art und die Menge pro Betankung, die Registrierung des Luftfahrzeuges und die Nummer des Betankungsscheines;

5. für die im Betrieb verwendeten anderen Stoffe die Art und die Menge sowie der Tag der Verwendung.

 

(3) […]

 

[…]

 

§54. (1) – (2) […]

 

(3) Der Inhaber eines Luftfahrtunternehmens nach §4 Abs1 Z1 hat Aufzeichnungen zu führen, aus denen die Art und Menge des unversteuert bezogenen Mineralöls und die gewerbsmäßig erbrachten Luftfahrt-Dienstleistungen hervorgehen."

4. Die – zur Gänze angefochtene – Verordnung des Bundesministers für Finanzen zur näheren Regelung der steuerbegünstigten Verwendung von Luftfahrtbetriebsstoffen (Luftfahrtbegünstigungsverordnung), BGBl II 185/2017, idF BGBl II 579/2020 lautet:

"Aufgrund des §4 Abs2 Z5 des Mineralölsteuergesetzes 1995 (MinStG), BGBl Nr 630/1994, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 117/2016 wird verordnet:

 

Definitionen

 

§1. In dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

1. 'Fluglinienverkehr' die dem öffentlichen Verkehr dienende, regelmäßige flugplanmäßige Beförderung nach §4 Abs1 Z1 des Mineralölsteuergesetzes 1995 (MinStG) auf bestimmten Strecken;

2. 'Bedarfsflugverkehr' jede andere gewerbsmäßige Luftfahrt-Dienstleistung nach §4 Abs1 Z1 MinStG;

3. 'Flugplan' das an die Öffentlichkeit gerichtete Angebot eines Luftfahrtunternehmens, während einer bestimmten, mehrere Monate umfassenden Periode zu bestimmten, im Voraus feststehenden Abflugzeiten Personen oder Sachen gewerbsmäßig zu befördern oder ein gleichwertiges Angebot;

4. 'Luftfahrtunternehmen' Luftverkehrsunternehmen im Sinne des Luftfahrtgesetzes sowie sonstige Unternehmen, die über eine Berechtigung zur entgeltlichen Erbringung von Luftfahrt-Dienstleistungen verfügen;

5. 'Freischein Luftfahrt' (§2 Abs2) die Bewilligung zur steuerfreien Verwendung von Luftfahrtbetriebsstoffen nach §12 Abs1 Z1 MinStG für nach §4 Abs1 Z1 MinStG begünstigte Luftfahrtunternehmen. Je nach Bewilligungsumfang ist dieser nach §2 Abs2 dieser Verordnung als globaler, eingeschränkter oder Einzelfreischein auszustellen. Im Falle von §2 Abs2 Z1 (globaler Freischein) und Z3 (Einzelfreischein) ist der Freischein als solcher auch Betankungsschein. Im Falle von §2 Abs2 Z2 (eingeschränkter Freischein) ist für nach §4 Abs1 Z1 MinStG begünstigte Luftfahrzeuge jeweils ein gesonderter Betankungsschein auszustellen (§2 Abs3);

6. 'Betankungsschein' (§2 Abs3) die Bewilligung zur steuerfreien Verwendung von Luftfahrtbetriebsstoffen nach §12 Abs1 Z1 MinStG für nach §4 Abs1 Z1 MinStG begünstigte Luftfahrzeuge.

 

Bewilligungsarten

 

§2. (1) Die unversteuerte Abgabe von Luftfahrtbetriebsstoffen setzt einen Freischein Luftfahrt für das nach §4 Abs1 Z1 MinStG begünstigte Luftfahrtunternehmen samt gültigem Betankungsschein für das Luftfahrzeug voraus, in das die Luftfahrtbetriebsstoffe nach §15 Abs3 MinStG abgegeben werden und von dem sie verwendet werden.

 

(2)

1. Globaler Freischein: Mit einem globalen Freischein wird einem Luftfahrtunternehmen mit Fluglinienverkehr die steuerfreie Verwendung von Luftfahrtbetriebsstoffen bewilligt. Dieser Freischein umfasst alle Luftfahrzeuge, die im Fluglinienverkehr vom Freischeininhaber eingesetzt werden. Der Einsatz im Fluglinienverkehr muss grundsätzlich auf sämtliche von ihm eingesetzten Luftfahrzeuge zutreffen.

2. Eingeschränkter Freischein: Mit einem eingeschränkten Freischein wird einem Luftfahrtunternehmen die steuerfreie Verwendung von Luftfahrtbetriebsstoffen im Bedarfsflugverkehr bewilligt. Die Bewilligung umfasst nur jene Luftfahrzeuge, deren ausschließliche Nutzung in der gewerbsmäßigen Luftfahrt nachgewiesen oder glaubhaft gemacht werden kann. Das Zollamt Österreich kann in berücksichtigungswürdigen Einzelfällen Ausnahmen von der ausschließlichen gewerbsmäßigen Nutzung gewähren, wenn durch die Ausnahme Steuerbelange nicht beeinträchtigt werden, insbesondere die bestimmungsgemäße Verwendung der Luftfahrtbetriebsstoffe sichergestellt werden kann.

3. Einzelfreischein: Mit einem Einzelfreischein wird einem Luftfahrtunternehmen die steuerfreie Verwendung von Luftfahrtbetriebsstoffen für ein einzelnes Luftfahrzeug im Bedarfsflugverkehr einmalig bewilligt.

 

(3) Mit einem Betankungsschein wird dem Inhaber eines Freischeines Luftfahrt nach Abs2 der unversteuerte Bezug von Luftfahrtbetriebsstoffen für das betreffende Luftfahrzeug sowie deren steuerfreie Verwendung bewilligt. Gilt ein Freischein Luftfahrt nach Abs2 Z1 (globaler Freischein) und Z3 (Einzelfreischein) als solcher auch als Betankungsschein, ist dies auf dem Freischein ersichtlich zu machen. Im Falle von Abs2 Z2 (eingeschränkter Freischein) ist auf Grundlage des Freischeins Luftfahrt für jedes einzelne Luftfahrzeug der unversteuerte Bezug und die steuerfreie Verwendung durch einen gesonderten Betankungsschein zu bewilligen. Solche gesondert ausgestellten Betankungsscheine sind zu befristen (Höchstdauer drei Jahre). Auf Antrag des Freischeininhabers ist eine Verlängerung um jeweils bis zu drei Jahre möglich. §14 MinStG ist auf derartige Verlängerungen sinngemäß anzuwenden.

 

(4) Im Freischein Luftfahrt sind insbesondere anzugeben:

1. die Art des Freischeins (Abs2 Z1, Z2 oder Z3);

2. der Name (die Firma) und die Anschrift des zum unversteuerten Bezug und zur steuerfreien Verwendung berechtigten Luftfahrtunternehmens;

3. gegebenenfalls der Zweck, zu dem die Luftfahrtbetriebsstoffe steuerfrei verwendet werden dürfen;

4. gegebenenfalls der Zeitraum, innerhalb dessen Luftfahrtbetriebsstoffe unversteuert bezogen und steuerfrei verwendet werden dürfen;

5. für Einzelfreischeine nach Abs2 Z3 Angaben zum Luftfahrzeug (Registrierung des Luftfahrzeuges, Herstellerbezeichnung, Seriennummer) sowie eine Beschreibung der begünstigten Luftfahrt-Dienstleistung.

 

(5) Im gesonderten Betankungsschein sind insbesondere anzugeben:

1. Verweis auf den Freischein Luftfahrt;

2. der Name (die Firma) und die Anschrift des zum unversteuerten Bezug und zur steuerfreien Verwendung berechtigten Luftfahrtunternehmens;

3. Angaben zum Luftfahrzeug (Registrierung des Luftfahrzeuges, Herstellerbezeichnung, Seriennummer);

4. gegebenenfalls eine Beschreibung der begünstigten Luftfahrt-Dienstleistung;

5. der Zeitraum, innerhalb dessen Luftfahrtbetriebsstoffe unversteuert bezogen und steuerfrei verwendet werden dürfen.

 

Bewilligungserteilung

 

§3. (1) Der Antragsteller hat die Voraussetzungen für die Ausstellung des Freischeines Luftfahrt einschließlich Betankungsschein darzulegen und nachzuweisen oder zumindest glaubhaft zu machen. Jedenfalls ist die gewerbsmäßige Luftfahrt‑Dienstleistung zu beschreiben und anzugeben, welche Art Freischein Luftfahrt beantragt wird.

 

(2) Zur Erlangung eines globalen Freischeins ist insbesondere

 das Bestehen eines Luftfahrtunternehmens durch Vorlage einer Betriebsgenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr 1008/2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft, ABl. Nr L 293 vom 31.10.2008, S. 3, oder einer Bewilligung nach §12 Bundesgesetz über den zwischenstaatlichen Luftverkehr sowie

 die flugplanmäßige Beförderung durch Vorlage eines bewilligten Flugplanes oder entsprechender Unterlagen über ein gleichwertiges Angebot

nachzuweisen.

 

(3) Zur Erlangung eines eingeschränkten Freischeins sind insbesondere die Umstände dar- und offenzulegen, die die gewerbsmäßige Luftfahrt belegen (z. B. Geschäftsmodelle). Weiters sind die begünstigt eingesetzten Luftfahrzeuge und die Dauer ihres geplanten begünstigten Einsatzes anzugeben sowie ihre ausschließliche Nutzung in der gewerbsmäßigen Luftfahrt nachzuweisen oder glaubhaft zu machen.

 

(4) Zur Erlangung eines Einzelfreischeins sind beispielsweise der Beförderungsauftrag oder Frachtdokumente vorzulegen.

 

(5) Zur Erlangung eines gesonderten Betankungsscheines (§2 Abs3) ist der Freischein Luftfahrt, zu dem der Betankungsschein ausgestellt werden soll, anzugeben und die ausschließliche Nutzung des betreffenden Luftfahrzeugs in der gewerbsmäßigen Luftfahrt nachzuweisen oder glaubhaft zu machen. Weiters ist die Dauer anzugeben, für die der Betankungsschein ausgestellt werden soll. Die Befristung endet jedenfalls zum Zeitpunkt des Ablaufs des betreffenden Freischeins Luftfahrt.

 

(6) Sind amtliche Vordrucke oder Muster vorgesehen, so sind diese zu verwenden.

 

Unversteuerte Abgabe von Luftfahrtbetriebsstoffen

 

§4. (1) Im Zuge einer unversteuerten Abgabe von Luftfahrtbetriebsstoffen ist dem Steuer- oder Zolllagerinhaber das Vorhandensein eines gültigen Betankungsscheines nachzuweisen.

 

(2) In den Fällen des §2 Abs2 Z3 ist der Betankungsschein dem Steuer- oder Zolllagerinhaber vorzulegen und von diesem einzuziehen, aufzubewahren und dem Zollamt Österreich auf Verlangen vorzulegen.

 

(3) In besonders berücksichtigungswürdigen Einzelfällen, in denen

1. eine unmittelbare Abgabe des Luftfahrtbetriebsstoffs in das Luftfahrzeug nicht in Betracht kommt, weil das Luftfahrzeug für Flüge in Not- und Krisenfällen, insbesondere zu Rettungsflügen in Gebiete eingesetzt wird, die so weit von einem Steuer- oder Zolllager entfernt sind, dass es im Falle einer unmittelbaren Abgabe der Luftfahrtbetriebsstoffe aus dem Steuer- oder Zolllager zu unverhältnismäßigen Verzögerungen des Rettungseinsatzes käme, und

2. der unversteuert abgegebene Luftfahrtbetriebsstoff nur als Luftfahrtbetriebsstoff einsetzbar ist, und

3. die bestimmungsgemäße Verwendung insbesondere anhand von Aufzeichnungen lückenlos dargelegt und Missbrauch ausgeschlossen werden kann,

kann das Zollamt Österreich auf Antrag des Verwenders im Zuge der Ausstellung des Betankungsscheines mit einem entsprechenden Vermerk von dem Erfordernis der unmittelbaren Abgabe der Luftfahrtbetriebsstoffe in das Luftfahrzeug aus einem Steuer- oder Zolllager absehen. Im Antrag hat der Verwender darzulegen, von welchen Standorten aus das Luftfahrzeug betankt werden soll.

 

Vergütung

 

§5. (1) Zur Geltendmachung einer Vergütung nach §5 Abs3a MinStG hat der Verwender der Luftfahrtbetriebsstoffe das Vorliegen der in §4 Abs1 Z1 MinStG genannten Voraussetzungen sowie die bereits erfolgte Entrichtung der Mineralölsteuer für die Luftfahrtbetriebsstoffe nachzuweisen oder zumindest glaubhaft zu machen.

 

(2) In besonders berücksichtigungswürdigen Einzelfällen, in denen eine unmittelbare Abgabe des Luftfahrtbetriebsstoffs in das Luftfahrzeug aus tatsächlichen und wirtschaftlichen Gründen nicht in Betracht kommt, die bestimmungsgemäße Verwendung aber insbesondere anhand von Aufzeichnungen lückenlos dargelegt und Missbrauch ausgeschlossen werden kann, kann das Zollamt Österreich auf Antrag des Verwenders von dem Erfordernis der unmittelbaren Abgabe der Luftfahrtbetriebsstoffe in das Luftfahrzeug aus einem Steuer- oder Zolllager absehen.

 

Inkrafttreten

 

§6. (1) Diese Verordnung tritt mit 1. Oktober 2017 in Kraft und ist auf Mineralöle anzuwenden, die nach dem 30. September 2017 als Luftfahrtbetriebsstoffe nach §4 Abs1 Z1 MinStG abgegeben werden. Werden Freischeine Luftfahrt und gesonderte Betankungsscheine vor diesem Zeitpunkt ausgestellt, ist in diesen darauf hinzuweisen, dass diese erst ab 1. Oktober 2017 wirksam werden.

 

(2) §2 Abs2 Z2, §4 Abs2 und 3 und §5 Abs2, jeweils in der Fassung der Verordnung BGBl II Nr 579/2020, treten mit 1. Jänner 2021 in Kraft."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Die Antragstellerin bringt vor, regelmäßig nach Amsterdam zu reisen, um ihren dort lebenden Bruder zu besuchen. Aus Gründen des Klimaschutzes reise sie meist mit der Bahn. Wegen ihres durchschnittlichen Einkommens müsse sie gelegentlich aber auch die Leistungen von Luftfahrtunternehmen in Anspruch nehmen, die auf Grund der – behaupteterweise verfassungswidrigen – steuerlichen Begünstigung von Luftfahrtunternehmen gemäß §6 Abs1 Z3 litd UStG 1994 und §4 Abs1 Z1 MinStG 2022 preislich viel günstiger, aber wesentlich klimaschädlicher seien.

1.1. Zur Zulässigkeit des Antrages bringt die Antragstellerin zusammengefasst vor:

1.1.1. Obwohl sich §6 Abs1 Z3 litd UStG 1994 unmittelbar nur an Unternehmer richte, sei die Antragstellerin als Nichtunternehmerin dennoch unmittelbar in ihrer Rechtssphäre betroffen, weil das UStG 1994 seinem System nach gerade darauf abziele, dass die Umsatzsteuer letztlich vom Verbraucher und nicht vom Unternehmer zu tragen sei. Auf Grund des Belastungskonzepts sei die Umsatzsteuer als Verbrauchsteuer anzusehen; der Unternehmer sei nur aus technischen Gründen Steuerschuldner. Umsatzsteuerliche Regelungen würden mehr als rein faktische Reflexwirkungen gegenüber Verbrauchern entfalten, weil letztlich der tatsächliche Normadressat der Umsatzsteuer der Nichtunternehmer sei.

Der Verfassungsgerichtshof habe in seinem Beschluss vom 30. September 2020, G144-145/2020 ua, ausgeführt, dass es von vielen Faktoren abhänge, "inwieweit die den Steuerschuldner treffende Abgabenlast am Markt auf Verbraucher ökonomisch abwälzbar ist und auch tatsächlich vom Steuerschuldner abgewälzt wird". Insoweit sei festzuhalten, dass die Umsatzsteuer ausweislich der dem Antrag beigelegten Bahntickets tatsächlich auf die Antragstellerin überwälzt worden sei, welche somit de facto Adressatin der Umsatzsteuer sei. Auch das dem Antrag beigelegte Flugticket zeige, dass die Antragstellerin vom System her die Umsatzsteuer zu tragen hätte, wobei ihr hier allerdings eine Umsatzsteuer in der Höhe von € 0,– in Rechnung gestellt worden sei.

§4 Abs1 Z1 MinStG 2022 sei nicht unmittelbar an die Antragstellerin gerichtet, betreffe diese aber ebenfalls unmittelbar in ihrer Rechtssphäre. §22 MinStG 2022 normiere zwar, dass die Steuerschuld für die Mineralölsteuer den Inhaber des Steuerlagers treffe, doch sei auch die Mineralölsteuer eine Verbrauchsteuer, die letztlich von den Konsumenten zu tragen sei.

1.1.2. Der Verfassungsgerichtshof habe wiederholt eine unmittelbare Betroffenheit gleich der eines Normadressaten angenommen, wenn das Gesetz dem Inhalt und dem Zweck nach die durch ein Grundrecht geschützte Rechtssphäre von Antragstellern betroffen habe (vgl VfSlg 13.038/1992; 19.892/2014).

Die Antragstellerin werde durch §6 Abs1 Z3 litd UStG 1994 und §4 Abs1 Z1 MinStG 2022 in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art7 B‑VG und Art2 StGG, auf Gleichheit vor dem Gesetz gemäß Art20 GRC, auf Leben gemäß Art2 EMRK und Art2 GRC und auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art8 EMRK und Art7 GRC (vgl zu den insoweit ins Treffen geführten Bedenken Pkt. III.1.2.) und damit unmittelbar in ihrer verfassungs- und unionsrechtlich geschützten Rechtssphäre verletzt.

1.1.3. Der Grundrechtseingriff werde durch das Gesetz selbst bewirkt, ohne dass es eines Bescheides oder Gerichtsurteiles bedürfe. §6 Abs1 Z3 litd UStG 1994 und §4 Abs1 Z1 MinStG 2022 seien der Antragstellerin als Verbraucherin gegenüber unmittelbar wirksam. Die Umsatzsteuer werde Verbrauchern vom Unternehmer gemäß §11 UStG 1994 in Rechnung gestellt und somit auf diese abgewälzt. Vom Verbraucher seien für Flugtickets selbst bei gleichen Nettopreisen in jedem Fall weniger als für Bahntickets zu zahlen. Für die von ihr gebuchte Flugreise nach Amsterdam seien der Antragstellerin € 0,– als Umsatzsteuer ausgewiesen worden. Als Flugreisende profitiere die Antragstellerin im Rahmen der günstigen Flugpreise auch unmittelbar von der steuerlichen Begünstigung von Kerosin, ohne dass es hiefür eines Bescheides oder Gerichtsurteiles bedürfe.

1.1.4. Der Antragstellerin stehe kein zumutbarer anderer Weg zur Verfügung, um ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die angefochtenen Bestimmungen an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Sie habe beim Kauf der Bahntickets zwingend auch die Umsatzsteuer an das Bahnunternehmen bezahlen müssen, weil sie sonst kein Ticket kaufen und die Leistungen der Bahn nicht straffrei in Anspruch nehmen hätte können. Es sei ihr unmöglich gewesen, insoweit einen Bescheid des Finanzamtes zu erlangen. Die Steuerbefreiung nach §4 Abs1 Z1 MinStG 2022 habe sich ebenso unmittelbar auf den Kaufpreis ihres Flugtickets ausgewirkt, ohne dass sie insoweit die Möglichkeit gehabt hätte, einen Bescheid zu erwirken.

1.2. Ihre Bedenken legt die Antragstellerin zusammengefasst wie folgt dar:

Die umsatz- bzw verbrauchsteuerliche Bevorzugung des personenbezogenen Luftverkehrs durch §6 Abs1 Z3 litd UStG 1994 und §4 Abs1 Z1 MinStG 2022 gegenüber dem – aus Sicht der Verbraucher bei kurzen bis mittellangen Strecken gleichwertigen, aber deutlich emissionsärmeren – Bahnverkehr sei unsachlich, weil trotz des raschen Voranschreitens der Klimakrise klimaschädigendes Verhalten gefördert und klimafreundliches Verhalten bestraft werde. Es liege daher ein Verstoß gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art7 B‑VG und Art2 StGG vor. Schon jetzt seien die Ziele des Übereinkommens von Paris, BGBl III 197/2016, ohne radikale Trendumkehr nicht einzuhalten. In Österreich sei der Verkehr jener Sektor, dessen Treibhausgasemissionen von den Vorgaben des Klimaschutzgesetzes am stärksten abwichen. Ohne radikale Änderung der Klimapolitik sei mit dem Verlust von Ökosystemen, mit häufigeren Extremwetterereignissen und mit immer stärker ausgeprägten Hitzeperioden zu rechnen.

Die Antragstellerin sei durch das mit einer Multiple‑Sklerose‑Erkrankung zusammenhängende Uhthoff‑Phänomen von den Folgen der Klimakrise konkret in ihrer Gesundheit und körperlichen Integrität betroffen. Für die Antragstellerin bedeute dies, dass sie bereits bei einem mittleren Anstieg der Außentemperaturen stark in ihrer Gehfähigkeit eingeschränkt sei; bei Temperaturen um 30 Grad Celsius sei sie auf einen Rollstuhl angewiesen. Die steuerliche Begünstigung von Luftfahrtunternehmen verletzte die Antragstellerin in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten nach Art2 EMRK und Art2 GRC sowie nach Art8 EMRK und Art7 GRC, weil den Staat aus diesen Grundrechten abzuleitende Schutzpflichten träfen. Die überaus bedrohlichen Folgen der Klimakrise für das Leben und die Gesundheit der Menschen in Österreich und für den Wirtschaftsstandort stünden wissenschaftlich außer Zweifel. Die nötigen Schutzmaßnahmen müssten nun ergriffen werden, weil später gesetzte Maßnahmen nicht mehr wirksam wären. Dem Staat stehe zwar in der Frage, welche Schutzmaßnahmen wann zu ergreifen sind, ein gewisser Spielraum zu. Sich den Schutzpflichten aktiv zu widersetzen, sei jedoch unzulässig. Die Untätigkeit anderer Staaten entbinde Österreich nicht von seinen Schutzpflichten.

Berührt seien darüber hinaus auch Art6 und 13 EMRK sowie Art37 und 47 GRC. Die angefochtenen Bestimmungen verstießen zudem gegen §3 des Bundesverfassungsgesetzes über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung, BGBl I 111/2013, idF BGBl I 82/2019 und gegen Art3 Abs3 EUV, Art11 AEUV, Art114 Abs3 bis 5 AEUV und Art191 bis 193 AEUV, die bei der Auslegung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte zu berücksichtigen seien.

Die Umsatzsteuerbefreiung der Beförderung von Personen mit Luftfahrzeugen gemäß §6 Abs1 Z3 litd UStG 1994 und die Steuerbefreiung für Mineralöl gemäß §4 Abs1 Z1 MinStG 2022 seien daher aufzuheben. Die übrigen angefochtenen Bestimmungen des UStG 1994 und des MinStG 2022 sowie die Luftfahrtbegünstigungsverordnung stünden mit den aufzuhebenden Vorschriften in einem untrennbaren Zusammenhang.

2. Der Bundesminister für Finanzen hat die Akten betreffend das Zustandekommen der Luftfahrtbegünstigungsverordnung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der dem Antrag wie folgt entgegengetreten wird (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"Die Antragstellerin begründet den Antrag auf Aufhebung der Luftfahrtbegünstigungsverordnung mit Gesetzwidrigkeit [infolge] Wegfalls der verfassungswidrigen Gesetzesgrundlage. […] Das Vorbringen ist aus Sicht des Bundesministers für Finanzen jedoch nicht geeignet, eine aktuelle Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen der Antragstellerin darzulegen. Die Luftfahrtbegünstigungsverordnung regelt das Verfahren der Gewährung von Mineralölsteuerbegünstigungen an bestimmte Luftfahrtunternehmen. Die Antragstellerin ist nicht Normadressatin dieser Regelung. Selbst wenn man ihren Ausführungen folgte und – entgegen der Einschätzung des Bundesministeriums für Finanzen – eine Mineralölsteuerbegünstigung für die Binnenluftfahrt zur Personenbeförderung als verfassungswidrig erachtete, fände diese Verordnung auf internationale Flüge und auch auf Frachtflüge und die Erbringung sonstiger gewerblicher Dienstleistungen im Sinne des §4 Abs1 Z1 MinStG unverändert Anwendung.

 

Aus Sicht des Bundesministeriums für Finanzen ist zudem die Grundlage der Luftfahrtbegünstigungsverordnung nicht verfassungswidrig, denn einerseits hält es den Individualantrag nach Art140 Abs1 B‑VG für unzulässig. Andererseits teilt das Bundesministerium für Finanzen die von der Antragstellerin gesehene Gleichwertigkeit von Bahnverkehr und innerkontinentalem bzw innerösterreichischem Flugverkehr nicht und sieht die unterschiedliche steuerliche Behandlung zudem sachlich gerechtfertigt. Der behauptete Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art2 StGG und Art7 B‑VG sowie Art20 GRC liegt somit nach Ansicht des Bundesministeriums für Finanzen nicht vor.

 

Laut Treibhausgasbilanz 2018 des Umweltbundesamts weist der Sektor Verkehr im Jahr 2018 (in Vor-Corona- Zeiten) THG‑Emissionen im Ausmaß von ca 23,9 Mio. Tonnen CO2‑Äquivalent auf, die CO2‑Emissionen aus dem ausschließlich innerstaatlichen Flugverkehr betrugen im Jahr 2018 ca 46.000 Tonnen (https://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/aktuelles/veranstaltungen/2020/THG-Bilanz_2018_Hintergrundinformation.pdf ) und nur einen Bruchteil an den gesamten Treibhausgas-Emissionen Österreichs (rund 0,1 % bzw 0,04 Mio. Tonnen CO2‑Äquivalent im Jahr 2017; siehe auch Klimaschutzbericht 2019 des Umweltbundesamtes (S 108 bzw S 37; https://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/publikationen/REP0702.pdf ; abgefragt am 22. April 2020). Die Auffassung der Antragstellerin, dass im MinStG vorgesehene Steuerbefreiungen zugunsten des Flugverkehrs im Widerspruch zu den sich aus Art2 EMRK (bzw Art2 GRC) und Art8 EMRK (bzw Art7 GRC) ergebenden Schutzpflichten stünden, ist für das Bundesministerium für Finanzen nicht nachvollziehbar, der Antrag sohin auch unbegründet.

 

Zudem ist auf die Änderung der Rechtslage im Bereich der Elektrizitätsabgabe durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 18/2020 hinzuweisen, wonach Bahnstrom im Steuergebiet von einer weitreichenden Steuerbefreiung profitiert, andernfalls nur einer stark ermäßigten Elektrizitätsabgabe unterliegt[…] [–] Umstände, auf die die Antragstellerin allerdings nicht eingeht (S 63 des Antrags).

 

Auch sind bereits mit der Einführung einer Flugabgabe Einnahmen erzielt worden, wodurch den umweltpolitischen Bedenken der Antragstellerin im Ergebnis zumindest teilweise bereits Rechnung getragen wurde. Im Übrigen wurde entsprechend dem Regierungsprogramm 2020 – 2024 die Flugabgabe novelliert (Art8 KonStG 2020, BGBl I Nr 96/2020). Gerade in dem von der Antragstellerin hervorgehobenen Bereich der Kurzstreckenflüge wurde eine deutlich höhere steuerliche Belastung im Vergleich zu der früheren Regelung festgelegt (Erhöhung von 3,50 Euro auf 30 Euro je Passagier, wenn die Entfernung zwischen dem inländischen Flughafen, von dem aus der Abflug erfolgt, und dem Zielflugplatz weniger als 350 km beträgt bzw auf 12 Euro in sonstigen Fällen). Im Unterschied zur Mineralölsteuer, die aufgrund der Energiebesteuerungsrichtlinie sowie internationaler Abkommen zumindest im internationalen Luftverkehr nicht erhoben werden darf, hat die Flugabgabe den Vorteil, sowohl im internationalen wie auch im bloß inländischen Flugverkehr anzufallen.

 

Zu Art8 des Konjunkturstärkungsgesetzes 2020, BGBl I Nr 96/2020, führen die Erläuterung[en] (RV 287 27. GP ) aus:

 

'Zu Artikel 8 (Änderung des Flugabgabegesetzes):

 

Die Bundesregierung schnürte im Zuge des Regierungsübereinkommens 2020-2024 und in Verfolgung einer ökosozialen Steuerreform im Kampf gegen die Klimakrise ein Gesamtpaket an Klimamaßnahmen, wobei auch auf die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Österreich Wert gelegt werden soll. Diesen Zielen soll mit steuerlich-ökologischen Maßnahmen entsprochen werden. Ein Festsetzen der Flugabgabe von 30 Euro pro Flugticket bei Kurzstreckenflügen, bei denen die Entfernung zwischen dem inländischen Abflughafen und dem Zielflugplatz weniger als 350 km beträgt, und 12 Euro für sonstige Flüge führt zu einer deutlichen Erhöhung der Flugabgabe für die Kurz- und Mittelstrecke sowie einer Senkung bei der Langstrecke.

 

Zu Z1 (§5 Abs1 und 2):

 

Durch die beabsichtigte Tarifänderung sollen primär das Ziel einer forcierten Inanspruchnahme von ökologisch günstigeren Alternativen zum Flugverkehr, insbesondere auf der 'Kürzeststrecke' verfolgt und entsprechende Lenkungseffekte herbeigeführt werden. Die Maßnahme soll weiters administrative Vereinfachungen für den österreichischen Luftverkehr mit sich bringen und der Sicherstellung der internationalen Drehkreuzfunktion des Flughafens Wien dienen. Sie soll in einer Gesamtbetrachtung ein ausgewogenes Maß zwischen wirtschaftlichen und ökologischen Zielen in den Vordergrund stellen … .'

 

Angemerkt sei zudem, dass zahlreiche der Bestimmungen, auf die sich die Antragstellerin stützt, um im Lichte der Klimakrise das Bestehen grundrechtlicher Schutzpflichten zu untermauern, nicht einschlägig sind. So ist das im Antrag genannte Übereinkommen von Paris, BGBl III Nr 197/2016, (vgl zB Seite 49 und 67 f. des Antrages) ein völkerrechtlicher Vertrag, der unter Erfüllungsvorbehalt (Art50 Abs2 B‑VG) genehmigt worden ist, sodass er zunächst nur eine völkerrechtliche Verpflichtung der Republik Österreich erzeugt und innerstaatlich nicht unmittelbar anwendbar ist (vgl auch VfSlg 20.185/2017). Auch sind die von der Antragstellerin für relevant angesehenen umweltbezogenen Staatsziele (vgl […] Seite 21 des Antrages), die sich insbesondere aus dem B‑VG Nachhaltigkeit ergeben, nicht ergiebig, zumal sich daraus keine subjektiven Rechte ableiten lassen (vgl dazu […] Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht12, [Rz] 90). Das gleiche gilt für den von der Antragstellerin relevierten Grundsatz des Umweltschutzes, der in Art37 GRC verankert ist. Art37 GRC adressiert dem Wortlaut nach 'die Politiken der Union' und damit die Einrichtungen und Organe der EU, nicht jedoch die nationalen Gesetzgeber. Dies verdeutlicht, dass die Bestimmung nicht [dem] nationalen Gesetzgeber entgegengehalten werden kann. Zudem ist Art37 GRC lediglich ein Grundsatz, der dem Einzelnen kein subjektives Recht einräumt (vgl Madner in Holoubek/Lienbacher [Hrsg.], GRC‑Kommentar, Art37, [Rz] 14; vgl […] auch VfSlg 20.185/2017, worin es ua heißt: 'Art37 GRC ist […] – abgesehen davon, dass seine Bedeutung als Grundsatz in Verfahren vor einem mitgliedstaatlichen Gericht begrenzt ist […] – kein über das BVG Nachhaltigkeit hinausgehender Inhalt beizumessen.')

 

[…]

 

Zusammenfassend ist der Bundesminister für Finanzen der Auffassung, dass die geforderten Prozessvoraussetzungen […] nicht vorliegen, der Antrag nicht ausreichend begründet ist bzw der angeführte Grund nicht zutrifft und der Antrag somit unzulässig, in eventu unbegründet ist."

3. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der der Zulässigkeit des Antrages wie folgt entgegengetreten wird (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"1. Zur rechtlichen Betroffenheit

 

[…]

 

Bei den angefochtenen Bestimmungen handelt es sich um Regelungen, die steuerliche Begünstigungen ua für Luftfahrtunternehmen vorsehen, bzw um Regelungen, die mit der Gewährung dieser Begünstigungen in Zusammenhang stehen. Normadressaten der betreffenden Regelungen sind folglich nur diese Unternehmer. Der Umstand, dass die Umsatzsteuer sowie die Mineralölsteuer üblicherweise als Verbrauchsteuern bezeichnet werden – und damit einhergehend nach Auffassung der Antragstellerin letztlich von Verbrauchern getragen werden […] – ändert daran nichts; nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes handelt es sich dabei bloß um eine wirtschaftliche Auswirkung und nicht um einen Eingriff in die Rechts[s]phäre der Antragstellerin (vgl VfSlg 8292/1978, zur (damaligen) erhöhten (30 %‑igen) Umsatzsteuer auf Lieferungen von Pkw). Der Verfassungsgerichtshof hat dieses Ergebnis etwa in VfSlg 12.275/1990 und jüngst in seinem Erkenntnis G144/2020 ua ausdrücklich bestätigt. […]

 

Der Umstand, dass im vorliegenden Verfahren die Antragstellerin auch Flugreisen unternimmt, vermag alleine eine Antragslegitimation nicht zu begründen. Aus den Erwägungen des Verfassungsgerichtshofes in G144/2020 ua, einen Eingriff 'schon deshalb' zu verneinen[,] 'da die Antragsteller nach ihren Angaben für grenzüberschreitende Personenbeförderungsdienstleistungen nicht die Leistungen von Luftfahrtunternehmen in Anspruch nehmen (wollen), sondern jene von Eisenbahnunternehmen', kann nicht abgeleitet werden, dass mit den angefochtenen Bestimmungen in die Rechtssphäre von Flugreisenden eingegriffen würde. Vielmehr bleibt es auch in diesen Fällen bei einer lediglich wirtschaftlichen Auswirkung durch eine allfällige Auswirkung der Steuer bzw -befreiung auf den vertraglich vereinbarten Preis der jeweiligen Leistung.

 

Selbst im Fall einer etwaigen Weitergabe der Begünstigungen wirkt sich die Weitergabe der Begünstigung auf die Antragstellerin als Fluggast nicht nachteilig aus, wie die Antragstellerin auf Seite 41 ausführt: 'Als Flugreisende profitiert die Antragstellerin auch unmittelbar von der steuerlichen Begünstigung des Treibstoffes Kerosin im Rahmen der günstigen Flugpreise'. Es liegt also insoweit keine Beschwer vor […]: Dies gilt umso mehr, als die Antragstellerin kein Fluggast einer Inlandsstrecke (diese Strecken unterliegen der Umsatzsteuer), sondern nach ihrem Vorbringen ein 'grenzüberschreitender' Fluggast ist. […]

 

2. Zum Prüfungsumfang

 

[…]

 

Die Ermächtigung für die Umsatzsteuerbefreiung in §6 Abs1 Z3 litd UStG 1994 ist […] auf eine konkrete Bestimmung in der Beitrittsakte zurückzuführen. Insoweit stellt sich die Frage, ob eine normative Einheit […] zwischen [der] Befreiung im UStG 1994 und der Ermächtigung in der Beitrittsakte besteht. Bejaht man [eine] solche normative Einheit, wären auch die relevanten Bestimmungen der Beitrittsakte – unter Heranziehung des Art140a B‑VG, da es sich dabei um einen Staatsvertrag handelt – mitanzufechten […]. Da dies im Antrag nicht geschehen ist, könnte er sich auch deshalb als unzulässig erweisen.

 

3. Darlegung der Bedenken

 

Die Bedenken der Antragstellerin richten sich gegen die steuerrechtliche Bevorzugung des personenbezogenen (grenzüberschreitenden) Flugverkehrs gegenüber dem Bahnverkehr (zB Seite 49 des Antrages). §4 Abs1 Z1 MinStG 2022 regelt die Mineralölsteuerbefreiung für sogenannte 'Luftfahrt-Dienstleistungen'. Darunter sind nach dem zweiten Halbsatz neben der hier verfahrensgegenständlichen Personenbeförderung mit Luftfahrzeugen auch die gewerbsmäßige Beförderung von '[…] Sachen und sonstige gewerbsmäßige Dienstleistungen, die mittels eines [Luftfahrzeuges] unmittelbar an den Kunden des Luftfahrtunternehmens erbracht werden'[,] zu verstehen. Insbesondere gegen eine steuerbegünstigte Beförderung von Sachen erheben die Antragssteller jedoch keine Bedenken im Einzelnen iSd §62 VfGG[,] noch behaupten sie[,] konkret dadurch im Gleichheitsrecht verletzt zu sein. Der Antrag erweist sich nach Auffassung der Bundesregierung insoweit auch als zu weit gefasst: Zur Beseitigung der behaupteten Verfassungswidrigkeit wäre es sohin ausreichend, die Wortfolge 'Personen oder' im zweiten Halbsatz des §4 Abs1 Z1 MinStG 2022 aufzuheben.

 

4. Zum Antragsbegehren

 

Es fällt auf, dass die zentrale Mineralölsteuerbefreiungsbestimmung für Luftfahrtbetriebsstoffe, §4 Abs1 Z1 MinStG 2022, im förmlichen Aufhebungsbegehren [in] Abschnitt 8 des Antrages nicht zur Aufhebung beantragt wird (in die gegenteilige Richtung deutet aber das Rubrum und die inhaltliche Argumentation). Falls der Verfassungsgerichtshof nicht nur von einem unbeachtlichen Schreibversehen ausgeht, stellt die Bundesregierung zur Erwägung, das Antragsbegehren bezüglich des MinStG 2022 mangels hinlänglicher Deutlichkeit als unzulässig anzusehen.

 

5. Zusammenfassung

 

Zusammenfassend ist die Bundesregierung der Auffassung, dass der Antrag […] die Prozessvoraussetzungen nicht erfüllt."

IV. Zur Zulässigkeit des Antrages

1. Gemäß Art139 Abs1 Z3 und Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen und die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit bzw Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn das Gesetz bzw die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg 8009/1977 und 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass das Gesetz bzw die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie – im Falle seiner Verfassungswidrigkeit bzw ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 Z3 und Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl zB VfSlg 10.353/1985, 15.306/1998, 16.890/2003).

2. Zur Zulässigkeit des Antrages betreffend die Wortfolge "und Luftfahrzeugen" in §6 Abs1 Z3 litd UStG 1994:

2.1. Wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat, entfaltet eine im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichtshofes bereits außer Kraft getretene Norm für die Rechtssphäre des Antragstellers regelmäßig nicht mehr die eine Antragstellung rechtfertigende unmittelbare Wirkung. Das Ziel eines Verfahrens nach Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG, die rechtswidrige Norm ohne Verzug mit genereller Wirkung aus dem Rechtsbestand zu entfernen, ist mit dem Außerkrafttreten fortgefallen (zB VfSlg 9868/1983, 11.365/1987, 12.182/1989, 12.413/1990, 12.999/1992, 14.033/1995, 15.116/1998 und 16.145/2001).

2.2. Wie die Antragstellerin in ihrer nachträglichen Eingabe (s Pkt. I.2.) zutreffend ausführt, wurde §6 Abs1 Z3 litd UStG 1994 in der (im ursprünglichen Antrag genannten) Fassung BGBl I 104/2019 bzw in der (in der nachträglichen Eingabe genannten) – gleichlautenden – "Fassung bis einschließlich BGBl I [10/2022]" mit dem Abgabenänderungsgesetz 2022 (AbgÄG 2022), BGBl I 108/2022, dergestalt geändert, dass nach der Wortfolge "Beförderungen von Personen mit" das Wort samt Satzzeichen "Eisenbahnen," eingefügt wurde. §6 Abs1 Z3 litd idF BGBl I 108/2022 ist mit 1. Jänner 2023 in Kraft getreten und auf Umsätze und sonstige Sachverhalte anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2022 ausgeführt werden bzw sich ereignen (§28 Abs58 Z2 UStG 1994 idF BGBl I 108/2022). Somit ist seit dem 1. Jänner 2023 die grenzüberschreitende Personenbeförderung nicht nur mit Luftfahrzeugen (oder Schiffen), sondern auch mit Eisenbahnen, echt von der Umsatzsteuer befreit.

Vor dem Hintergrund des Antragsvorbringens, wonach die Steuerbefreiung der grenzüberschreitenden Personenbeförderung mit Luftfahrzeugen bei gleichzeitig bestehender Steuerpflicht der deutlich emissionsärmeren Personenbeförderung mit Eisenbahnen unsachlich sei, weil trotz des raschen Voranschreitens der Klimakrise die Inanspruchnahme des klimaschädlicheren Verkehrsmittels gefördert und die Inanspruchnahme des klimafreundlicheren Verkehrsmittels pönalisiert werde, steht die angefochtene Wortfolge "und Luftfahrzeugen" in §6 Abs1 Z3 litd UStG 1994, welche durch das AbgÄG 2022 im Wortlaut nicht verändert wurde, in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem durch das AbgÄG 2022 neu in diese Bestimmung eingeführten Wort samt Satzzeichen "Eisenbahnen,". Damit ist aber davon auszugehen, dass §6 Abs1 Z3 litd UStG 1994 mit dem Inkrafttreten des AbgÄG 2022 am 1. Jänner 2023 als insgesamt neu erlassen anzusehen ist (vgl etwa VfSlg 18.284/2007; vgl auch VfSlg 15.203/1998 mwN).

2.3. Da §6 Abs1 Z3 litd UStG 1994 in der Fassung BGBl I 104/2019 bzw in der gleichlautenden "Fassung bis einschließlich BGBl I [10/2022]" damit nicht mehr in Kraft steht, fehlt der Antragstellerin insoweit die – nicht bloß im Zeitpunkt der Einbringung des Individualantrages, sondern auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes hierüber – erforderliche Betroffenheit durch diese Bestimmung und damit die Legitimation zu deren Anfechtung (s VfSlg 13.057/1992, 13.794/1994 und 14.313/1995). Mangels Legitimation der Antragstellerin ist dem Verfassungsgerichtshof auch der mit nachträglicher Eingabe begehrte Ausspruch, dass §6 Abs1 Z3 litd UStG 1994 "in der Fassung bis einschließlich BGBl I [10/2022]" verfassungswidrig war, verwehrt (vgl – auch im Hinblick auf Art140 Abs4 B‑VG – VfSlg 10.819/1986).

2.4. Voraussetzung der Antragslegitimation ist darüber hinaus nicht bloß, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz – im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, sondern vielmehr, dass das Gesetz in die Rechtssphäre der betreffenden Person nachteilig eingreift und diese – im Fall der Verfassungswidrigkeit – verletzt. Auch diese Voraussetzung liegt in Bezug auf §6 Abs1 Z3 litd UStG 1994 (in der außer Kraft getretenen Fassung BGBl I 104/2019 bzw "bis einschließlich BGBl I [10/2022]") nicht vor:

Die Verpflichtung zur Entrichtung der Umsatzsteuer trifft den Unternehmer, der steuerbare Umsätze ausführt (§2 UStG 1994). Die Auswirkung der Umsatzsteuer auf das im abzuschließenden Rechtsgeschäft vereinbarte Entgelt ist nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes allein wirtschaftlicher und nicht rechtlicher Natur (vgl bereits VfSlg 8292/1978). Dies gilt selbst dann, wenn das Gesetz dem Unternehmer ein Wahlrecht einräumt, eine steuerbefreite Leistung steuerpflichtig zu behandeln (vgl VfGH 12.6.2020, G263/2019). Umsatzsteuerrechtliche Vorschriften sind in Anbetracht der diesen Regelungen zugrunde liegenden Belastungskonzeption grundsätzlich nicht geeignet, den Verbraucher in seiner Rechtssphäre zu verletzen. Dies gilt auch für den Fall der Antragstellerin (vgl dazu auch Pkt. IV.4.).

3. Zur Zulässigkeit des Antrages betreffend §4 Abs1 Z1 MinStG 2022:

3.1. Die Antragstellerin behauptet, durch §4 Abs1 Z1 MinStG 2022 unmittelbar in ihrer Rechtssphäre betroffen zu sein, weil nach dieser gesetzlichen Bestimmung die Steuerschuld für die Mineralölsteuer zwar den Inhaber des Steuerlagers treffe, sie als Verbraucherin aber die tatsächliche Normadressatin sei. Sie werde durch §4 Abs1 Z1 MinStG 2022 in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten und damit unmittelbar in ihrer verfassungs- und unionsrechtlich geschützten Rechtssphäre verletzt (s insoweit bereits oben Pkt. III.1.1).

3.2. Wie der Verfassungsgerichtshof schon im Beschluss vom 30. September 2020, G144-145/2020 ua, ausgesprochen hat, ist dieses Vorbringen vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Zulässigkeit von Individualanträgen nicht geeignet darzulegen, dass die Antragstellerin Normadressatin ist bzw durch die angefochtenen Normen unmittelbar in ihren Rechten verletzt wird:

Im gegebenen Zusammenhang ist zu beachten, dass – was die Antragstellerin auch erkennt – die Verpflichtung zur Entrichtung der Mineralölsteuer den Inhaber des Steuerlagers gemäß §22 MinStG 2022 trifft. Dabei hängt es von vielen Faktoren ab, inwieweit eine aus dem Entfall einer Steuerbefreiung den Steuerschuldner treffende Abgabenlast am Markt auf die Verbraucher ökonomisch abwälzbar ist und auch tatsächlich vom Steuerschuldner abgewälzt wird. Hieraus ergibt sich, dass Verbraucher durch verbrauchsteuerliche Bestimmungen, die eine Steuerpflicht oder Steuerbefreiung vorsehen, ungeachtet der Belastungskonzeption der Abgaben als Verbrauchsteuern, selbst dann nicht in ihren Rechten verletzt wären, wenn die Abgabenlast allenfalls auf die Verbraucher überwälzt würde (vgl auch insoweit VfSlg 8292/1978).

4. Soweit sich der Antrag gegen die Wortfolge "und Luftfahrzeugen" in §6 Abs1 Z3 litd UStG 1994 und gegen §4 Abs1 Z1 MinStG 2022 richtet, ist er daher – mangels Legitimation – als unzulässig zurückzuweisen. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin vermag daran auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Verfassungsgerichtshof auch nicht unmittelbar von einer Regelung betroffene Personen als Normadressaten angesehen hat, wenn durch die Regelung ihrem Inhalt und Zweck nach nicht nur deren tatsächliche Situation berührt wird, sondern auch in deren – insbesondere durch verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte geprägte – Rechtssphäre eingegriffen wird (vgl VfSlg 19.349/2011, 19.892/2014). §6 Abs1 Z3 litd UStG 1994 und §4 Abs1 Z1 MinStG 2022 sind nämlich ihrem Inhalt und Zweck nach nicht von einer solchen Wirkung auf die Antragstellerin als Verbraucherin, dass diese als Normadressatin anzusehen wäre.

5. Bei diesem Ergebnis ist auch der "wegen des Wegfalls der verfassungswidrigen Gesetzesgrundlage" erhobene Antrag auf Aufhebung der Luftfahrtbegünstigungsverordnung mangels Darlegung von Bedenken zurückzuweisen (vgl insoweit schon VfGH 30.9.2020, G144-145/2020 ua, Pkt. IV.4.).

V. Ergebnis

1. Der Antrag ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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