VfGH G190/2019

VfGHG190/201928.11.2019

Unzulässigkeit eines Gerichtsantrags auf Aufhebung einer Bestimmung des SchulunterrichtsG betreffend die Abmeldung eines Schülers beim Fernbleiben vom Unterricht wegen zu eng gefassten Aufhebungsantrags mangels Anfechtung aller im Zusammenhang stehenden Bestimmungen

Normen

B-VG Art140 Abs1 Z1 lita
SchulunterrichtsG §45 Abs5
VfGG §7 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2019:G190.2019

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG gestützten Antrag begehrt das Bundesverwaltungsgericht, in §45 Abs5 erster Satz SchUG die Wortfolge "oder 30 Unterrichtsstunden", in eventu in §45 Abs5 erster Satz SchUG die Wortfolge "oder fünf nicht zusammenhängende Schultage oder 30 Unterrichtsstunden im Unterrichtsjahr" als verfassungswidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Ordnung von Unterricht und Erziehung in den im Schulorganisationsgesetz geregelten Schulen (Schulunterrichtsgesetz ‑ SchUG), BGBl 472/1986 (WV), idF BGBl I 86/2019 lauten samt Überschriften – auszugsweise – wie folgt (die angefochtenen Wortfolgen in §45 Abs5 SchUG – idF BGBl I 35/2018 – sind hervorgehoben):

"Beendigung des Schulbesuches

 

§33. (1) Ein Schüler hört auf, Schüler einer Schule zu sein, wenn er die lehrplanmäßig letzte Schulstufe abgeschlossen hat. Wenn ein Schüler zur Wiederholung der lehrplanmäßig letzten Schulstufe berechtigt ist (§27) und von diesem Recht Gebrauch macht, bleibt er bis zum Abschluß der Wiederholung weiterhin Schüler.

 

(2) Ein Schüler hört schon vor dem im Abs1 genannten Zeitpunkt auf, Schüler einer Schule zu sein

 

a) – b) […]

 

c) mit dem ungenützten Ablauf der einwöchigen Frist seit der Zustellung einer schriftlichen Aufforderung zur Rechtfertigung gemäß §45 Abs5;

 

d) – g) […]

 

[…]

 

Pflichten der Schüler

 

§43. (1) Die Schüler sind verpflichtet, durch ihre Mitarbeit und ihre Einordnung in die Gemeinschaft der Klasse und der Schule an der Erfüllung der Aufgabe der österreichischen Schule (§2 des Schulorganisationsgesetzes) mitzuwirken und die Unterrichtsarbeit (§17) zu fördern. Sie haben den Unterricht (und den Betreuungsteil an ganztägigen Schulformen, zu dem sie angemeldet sind) regelmäßig und pünktlich zu besuchen, die erforderlichen Unterrichtsmittel mitzubringen und die Schulordnung bzw die Hausordnung einzuhalten.

 

(2) Der Schüler ist über Auftrag des Schulleiters, eines Abteilungsvorstandes, eines Fachvorstandes oder eines Lehrers verpflichtet, vorsätzlich durch ihn herbeigeführte Beschädigungen oder Beschmutzungen der Schulliegenschaft und schulischer Einrichtungen zu beseitigen, sofern dies zumutbar ist.

 

[…]

 

Fernbleiben von der Schule

 

§45. (1) Das Fernbleiben vom Unterricht ist nur zulässig:

 

a) bei gerechtfertigter Verhinderung (Abs2 und 3),

 

b) bei Erlaubnis zum Fernbleiben (Abs4),

 

c) bei Befreiung von der Teilnahme an einzelnen Unterrichtsgegenständen (§11 Abs6).

 

(2) Eine gerechtfertigte Verhinderung ist insbesondere: Krankheit des Schülers; mit der Gefahr der Übertragung verbundene Krankheit von Hausangehörigen des Schülers; Krankheit der Eltern oder anderer Angehöriger, wenn sie vorübergehend der Hilfe des Schülers unbedingt bedürfen; außergewöhnliche Ereignisse im Leben des Schülers oder in der Familie des Schülers; Ungangbarkeit des Schulweges oder schlechte Witterung, wenn die Gesundheit des Schülers dadurch gefährdet ist; Dauer der Beschäftigungsverbote im Sinne der Bestimmungen über den Mutterschutz.

 

(3) Der Schüler hat den Klassenvorstand oder den Schulleiter von jeder Verhinderung ohne Aufschub mündlich oder schriftlich unter Angabe des Grundes zu benachrichtigen. Auf Verlangen des Klassenvorstandes oder des Schulleiters hat die Benachrichtigung jedenfalls schriftlich zu erfolgen. Bei einer länger als eine Woche dauernden Erkrankung oder Erholungsbedürftigkeit oder bei häufigerem krankheitsbedingtem kürzerem Fernbleiben kann der Klassenvorstand oder der Schulleiter die Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses verlangen, sofern Zweifel darüber bestehen, ob eine Krankheit oder Erholungsbedürftigkeit gegeben war.

 

(4) Auf Ansuchen des Schülers kann für einzelne Stunden bis zu einem Tag der Klassenvorstand, darüber hinaus der Schulleiter (der Abteilungsvorstand) die Erlaubnis zum Fernbleiben aus wichtigen Gründen erteilen. Wichtige Gründe können jedenfalls Tätigkeiten im Rahmen der Schülervertretung sowie die zeitweise Teilnahme am Unterricht in einem anderen als dem besuchten Semester gemäß §26c sein.

 

(5) Wenn ein Schüler einer mittleren oder höheren Schule länger als eine Woche oder fünf nicht zusammenhängende Schultage oder 30 Unterrichtsstunden im Unterrichtsjahr dem Unterricht fernbleibt, ohne das Fernbleiben zu rechtfertigen (Abs3) und auch auf schriftliche Aufforderung hin eine Mitteilung binnen einer Woche nicht eintrifft, so gilt der Schüler als vom Schulbesuch abgemeldet (§33 Abs2 litc). Die Wiederaufnahme des Schülers ist nur mit Bewilligung des Schulleiters zulässig, die nur dann zu erteilen ist, wenn das Fernbleiben nachträglich gerechtfertigt wird und die Unterlassung der Mitteilung an die Schule aus rücksichtswürdigen Gründen unterblieben ist.

 

(6) Für die der Schulpflicht unterliegenden Schüler sind anstelle der vorhergehenden Absätze §9, §22 Abs3 und §23 des Schulpflichtgesetzes 1985 anzuwenden.

 

(7) Das Fernbleiben vom Betreuungsteil an ganztägigen Schulformen ist nur zulässig:

a) bei gerechtfertigter Verhinderung (Abs2 und 3),

b) bei Erlaubnis zum Fernbleiben, die aus vertretbaren Gründen vom Schulleiter oder Leiter des Betreuungsteiles zu erteilen ist, und

c) auf Verlangen der Erziehungsberechtigten, wenn es sich um Randstunden handelt, die Freizeiteinheiten sind.

 

[…]

 

Ausschluß eines Schülers

 

§49. (1) Wenn ein Schüler seine Pflichten (§43) in schwer wiegender Weise verletzt und die Anwendung von Erziehungsmitteln gemäß §47 oder von Maßnahmen gemäß der Hausordnung erfolglos bleibt oder wenn das Verhalten eines Schülers eine dauernde Gefährdung von Mitschülern oder anderer an der Schule tätigen Personen hinsichtlich ihrer Sittlichkeit, körperlichen Sicherheit oder ihres Eigentums darstellt, ist der Schüler von der Schule auszuschließen. An allgemein bildenden Pflichtschulen ist ein Ausschluss nur zulässig, wenn das Verhalten des Schülers eine dauernde Gefährdung von Mitschülern oder anderer an der Schule tätigen Personen hinsichtlich ihrer Sittlichkeit, körperlichen Sicherheit oder ihres Eigentums darstellt und die Erfüllung der Schulpflicht gesichert ist.

 

(2) Bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs1 hat die Schulkonferenz (bei Schulen, die in Fachabteilungen gegliedert sind, die Abteilungskonferenz) einen Antrag auf Ausschluß des Schülers an die zuständige Schulbehörde zu stellen. Dem Schüler ist vor der Beschlußfassung über die Antragstellung Gelegenheit zur Rechtfertigung zu geben. Überdies ist den Erziehungsberechtigten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Schulkonferenz hat bei ihrer Beratung die für und gegen den Ausschluß sprechenden Gründe zu berücksichtigen und ihren Antrag zu begründen. Eine Zweitschrift des Antrages ist dem Schüler zuzustellen.

 

(3) Die zuständige Schulbehörde hat bei Gefahr im Verzug auszusprechen, daß der Schüler vom weiteren Schulbesuch suspendiert wird. Die Suspendierung darf mit höchstens vier Wochen bemessen werden; sie ist unverzüglich aufzuheben, sobald sich im Zuge des Verfahrens ergibt, daß die Voraussetzungen nach Abs1 nicht oder nicht mehr gegeben sind. Der Schüler ist berechtigt, sich während der Suspendierung über den durchgenommenen Lehrstoff regelmäßig zu informieren. Am Ende eines Unterrichtsjahres ist dem Schüler Gelegenheit zur Ablegung einer Feststellungsprüfung gemäß §20 Abs2 zu geben, soweit eine Beurteilung wegen der Dauer der Suspendierung sonst nicht möglich wäre.

 

(4) Die zuständige Schulbehörde hat nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens die Beendigung des Ausschlußverfahrens festzustellen, wenn die Voraussetzungen im Sinne des Abs1 für einen Ausschluß nicht vorliegen. Sie kann zugleich dem Schüler eine Rüge erteilen oder eine Maßnahme nach §47 Abs2 anordnen, wenn sein Verhalten zwar einen Ausschluß nicht begründet, er aber sonst gegen seine Pflichten verstoßen hat. Andernfalls hat die zuständige Schulbehörde den Ausschluß des Schülers mit Bescheid auszusprechen.

 

(5) – (9) Sollten für Schüler allgemeinbildender Pflichtschulen Maßnahmen nach Abs1 nicht zielführend sein, so tritt an die Stelle des Ausschlusses eine Maßnahme nach Abs3 (Suspendierung) und die Einleitung eines Verfahrens gemäß §8 des Schulpflichtgesetzes 1985.

 

[…]

 

Verfahren

 

§70. (1) Soweit zur Durchführung von Verfahren andere Organe als die Schulbehörden des Bundes berufen sind, finden die allgemeinen Verfahrensbestimmungen des AVG keine Anwendung und sind in den nachstehend angeführten Angelegenheiten die Absätze 2 bis 4 anzuwenden:

 

a) – i) […]

 

j) Fernbleiben von der Schule (§45),

 

k) […]

 

(2) Der Erlassung einer Entscheidung hat die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes, soweit er nicht von vornherein klar gegeben ist, durch Beweise voranzugehen. Als Beweismittel kommt alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist. Dem Schüler (Aufnahmsbewerber, Prüfungskandidaten) ist, sofern der Sachverhalt nicht von vornherein klar gegeben ist oder seinem Standpunkt nicht vollinhaltlich Rechnung getragen werden soll, Gelegenheit zu geben, zu den Sachverhaltsfeststellungen Stellung zu nehmen.

 

(2a) Das verfahrensleitende Organ hat von den Verfahrensbestimmungen nach Maßgabe der technischen Gegebenheiten abzuweichen, wenn dies für Körper- oder Sinnesbehinderte, die am Verfahren beteiligt sind, erforderlich ist.

 

(3) Entscheidungen können sowohl mündlich als auch schriftlich erlassen werden. Sofern einem Ansuchen nicht vollinhaltlich stattgegeben wird, kann innerhalb einer Woche eine schriftliche Ausfertigung der Entscheidung verlangt werden.

 

(4) Die schriftliche Ausfertigung einer Entscheidung hat zu enthalten:

 

a) Bezeichnung und Standort der Schule, Bezeichnung des entscheidenden Organes;

 

b) den Inhalt der Entscheidung unter Anführung der angewendeten Gesetzesstellen;

 

c) die Begründung, wenn dem Standpunkt des Schülers (Aufnahmsbewerbers, Prüfungskandidaten) nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird;

 

d) Datum der Entscheidung;

 

e) die Unterschrift des entscheidenden Organes, bei Kollegialorganen des Vorsitzenden;

 

f) die Belehrung über die Widerspruchsmöglichkeit, wenn dem Ansuchen nicht vollinhaltlich stattgegeben wird.

 

Provisorialverfahren (Widerspruch)

 

§71. (1) Gegen Entscheidungen in den Angelegenheiten des §70 Abs1 ist Widerspruch an die zuständige Schulbehörde zulässig. Der Widerspruch ist schriftlich (in jeder technisch möglichen Form, nicht jedoch mit E‑Mail) innerhalb von fünf Tagen bei der Schule, im Falle der Externistenprüfungen bei der Prüfungskommission, einzubringen.

 

(2) – (9) […]"

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Beim Bundesverwaltungsgericht ist eine Beschwerde einer Schülerin gegen den Bescheid der Bildungsdirektion Oberösterreich vom 12. Juli 2019 anhängig, mit dem der Widerspruch der Beschwerdeführerin vom 27. Juni 2019 "gegen das Schreiben der Schulleitung […] vom 18.6.2019" als unzulässig zurückgewiesen wurde. In der Begründung des Bescheides wird im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Widerspruch nur in den in §70 Abs1 SchUG in Verbindung mit §71 Abs1 leg.cit. genannten Fällen zulässig sei. Da es der Beschwerdeführerin innerhalb der gesetzten Frist nicht gelungen sei, die Fehlstunden zu rechtfertigen, habe sie gemäß §45 Abs5 SchUG in Verbindung mit §33 Abs1 [gemeint wohl: Abs2] litc leg.cit. ex lege aufgehört, Schülerin der Schule zu sein. Dagegen bestehe keine Widerspruchsmöglichkeit.

2. Das Bundesverwaltungsgericht legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wie folgt dar:

"1.3. Verfassungsrechtliche Bedenken

 

Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erfassung des Bescheides Willkür geübt hat.

 

Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber (s etwa VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl zB. VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts sind diese Schranken im vorliegenden Fall überschritten.

 

Darüber hinaus hegt das Bundesverwaltungsgericht auch Bedenken hinsichtlich des in Art18 Abs1 B‑VG verankerten Rechtsstaatsprinzips. Dieses gebietet, dass Gesetze einen Inhalt haben müssen, durch den das Verhalten der Behörde oder des Gerichts vorherbestimmt ist. Angesichts der unterschiedlichen Lebensgebiete, Sachverhalte und Rechtsfolgen, die Gegenstand und Inhalt gesetzlicher Regelung sein können, ist dabei ganz allgemein davon auszugehen, dass Art18 B‑VG einen dem jeweiligen Regelungsgegenstand adäquaten Determinierungsgrad verlangt (zB VfSlg 19.700/2012 mwN). Ob eine Norm dem rechtsstaatlichen Determinierungsgebot entspricht, richtet sich nicht nur nach ihrem Wortlaut, sondern auch nach ihrer Entstehungsgeschichte, dem Gegenstand und dem Zweck der Regelung (vgl VfSlg 8209/1977, 9883/1983, 12.947/1991). Bei der Ermittlung des Inhaltes einer gesetzlichen Regelung sind daher alle der Auslegung zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszuschöpfen. Erst wenn nach Heranziehung sämtlicher Interpretationsmethoden nicht beurteilt werden kann, wozu das Gesetz ermächtigt, verletzt die Regelung die in Art18 B‑VG enthaltenen rechtsstaatlichen Erfordernisse (VfSlg 16.137/2001 mwN, 20.130/2016).

 

Im Sinne des Art18 Abs1 B‑VG bedarf es der Vorherbestimmung konkreter Rechtswirkungen (siehe VfSlg 19.934/2014; vgl auch VfSlg 15.059/1997, 19.509/2011, sowie jüngst VfSlg 20.235/2018).

 

§45 Abs5 SchUG idF BGBl I Nr 35/2018 erscheint in Zusammenhalt mit §49 Abs1 SchUG unsachlich, da für ein und denselben Tatbestand (Verletzung von Schülerpflichten durch nicht gerechtfertigtes Fernbleiben vom Unterricht), je nachdem, wie die Schule weiter vorgeht, eine unterschiedliche Rechtsfolge im Ergebnis bewirkt wird. Denn der Gesetzgeber des §45 Abs5 SchUG und des §49 Abs1 SchUG sieht nicht zwingend vor, ob in einem Fall wie dem Anlassfall, dass ein Schüler mehr als 30 Unterrichtsstunden im Unterrichtsjahr dem Unterricht ohne Rechtfertigung fernbleibt, das Verfahren gemäß §49 Abs1 SchUG einzuleiten ist oder ob die Schule auf Grund von §45 Abs5 SchUG von der ex lege Abmeldung des Schülers auszugehen hat. Die jeweilige Vorgehensweise der Schule bewirkt letztlich unterschiedliche Rechtsfolgen mit unsachlich unterschiedlich ausgeprägtem Rechtschutz, wobei aus den Bestimmungen des SchUG nicht erkennbar ist, nach welchen Kriterien eine Anwendung von §49 Abs1 leg. cit. bzw von §45 Abs5 geboten scheint. Darüber hinaus steht §45 Abs5 SchUG, der de facto ex lege eine Verletzung von Schülerpflichtet [sic!] ahndet, in keiner sachlichen Relation zu den sonstigen Schulausschlussgründen, die gemäß §49 SchUG einem ordentlichen Verfahren unterliegen.

 

Ein Verstoß des Schülers gegen die ihm in §45 Abs3 SchUG auferlegte Benachrichtigungspflicht kann in Extremfällen als schwerwiegende Verletzung von Schülerpflichten qualifiziert werden und solcherart ‑ vorausgesetzt, die Anwendung von Erziehungsmitteln ist erfolglos geblieben – zum Ausschluss des Schülers führen (siehe VwGH vom 24.11.1986, 86/10/0133). Dazu ist das gemäß §49 SchUG vorgesehene Verfahren vorgesehen, welches ein förmliches Anhörungsrecht des Schülers vorsieht und unter Einbeziehung der Schulpartner nur auf Antrag der Schulkonferenz von der Behörde zu führen ist.

 

Dagegen erfolgt die Abmeldung §45 Abs5 SchUG idF BGBl I Nr 35/2018 ex lege eine Woche nach fruchtlosem Ablauf der Aufforderung zur Rechtfertigung ohne, dass es weiterer Verfahrensschritte bedarf. Dies wiegt umso schwerer, als oft schon zum Zeitpunkt der Aufforderung bereits feststeht, dass das Fernbleiben nicht gerechtfertigt war, bzw da sich die 5 Tage bzw 30 Unterrichtsstunden über das gesamte Schuljahr verteilen können, eine Rechtfertigung in Folge Zeitablauf (etwa die Einholung eines ärztlichen Attestes nach mehreren Monaten) nicht mehr möglich ist.

 

In ihrem ursprünglichen Wortlaut diente die Bestimmung des §45 Abs5 SchUG, idF BGBl Nr 472/1986, dazu, Schüler, die länger als eine Woche dem Unterricht ohne Rechtfertigung fernbleiben, wenn zusätzlich auf Aufforderung nach einer weiteren Woche keine Mitteilung eintrifft, ex lege aus dem Schülerstand auszuscheiden. Dies scheint aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts auch nicht bedenklich, zumal nach der mehr als zweiwöchigen Abwesenheit ohne Nachricht gemäß §45 Abs5 letzter Satz SchUG, die Wiederaufnahme ermöglicht wird, wenn das Fernbleiben gerechtfertigt wird und rücksichtswürdige Gründe für das Unterbleiben der Mitteilung vorliegen.

 

Mit BGBl I Nr 35/2018 wurde der Tatbestand der ex lege Beendigung des Schulbesuches auch auf jene Fälle ausgeweitet, in denen ein Schüler innerhalb eines Unterrichtsjahres 5 nicht zusammenhängende Schultage oder 30 Unterrichtsstunden dem Unterricht fernbleibt.

 

Den parlamentarischen Materialien (siehe AA-18 26. GP  78) ist dazu zu entnehmen, dass die 'Regelungen betreffend das Fernbleiben von der Schule auch für Schülerinnen und Schüler, die die Schulpflicht bereits beendet haben, nachgeschärft werden. Künftig soll an diese Schülerinnen und Schüler von mittleren und höheren Schulen ab dem sechsten Schultag - oder ab der 31. Unterrichtsstunde, dem bzw der eine Schülerin oder ein Schüler in einem Unterrichtsjahr ferngeblieben ist, eine schriftliche Aufforderung ergehen, das Fernbleiben zu rechtfertigen. Dafür bleibt eine Woche Zeit ab Zustellung der schriftlichen Mitteilung. Sollte es keinen Rechtfertigungsgrund für das Fernbleiben geben oder diese Rechtfertigung nicht rechtzeitig erfolgen, gilt die betroffene Schülerin oder der betroffene Schüler wie bisher als vom Schulbesuch abgemeldet. Um eine Rechtfertigung zu überprüfen, kann auch ein ärztliches Attest verlangt werden (§45 Abs3).'

 

Aus dem Gesetzeswortlaut ist erkennbar, dass eine bloße Mitteilung über das Fernbleiben nicht ausreichend ist, um dieses zu rechtfertigen, sondern, dass ein gerechtfertigtes Fernbleiben zu belegen ist. Dazu kann gemäß §45 Abs3 SchUG auch die Beibringung eines ärztlichen Attestes verlangt werden.

 

Unklar aus dem Gesetzeswortlaut bleibt, ob für den Eintritt der ex lege Abmeldung sämtliche 5 Tage bzw 30 Unterrichtsstunden zu rechtfertigen sind, oder ob die Rechtsfolge nur dann Eintritt, wenn nach der Rechtfertigung noch 5 Tage bzw 30 Unterrichtsstunden als ungerechtfertigt übrigbleiben. Neben einer ausreichenden Determinierung fehlt überhaupt eine Bestimmung, mit der der Schule die Möglichkeit eingeräumt wird, eine Entscheidung zu erlassen. Zwar ist das Fernbleiben von der Schule (§45 SchUG) in §70 Abs1 litj aufgezählt, jedoch tritt die im §45 Abs5 iVm §33 Abs1 litc SchUG vorgesehene Rechtsfolge (anders als zB. in Abs4 leg.cit.) ex lege ein, ohne dass eine diesbezügliche Entscheidung vorgesehen wäre. Dabei ist zu beachten, dass für Verfahren der Schule gemäß §70 Abs1 SchUG die Bestimmungen des AVG keine Anwendung finden und nur in §71 iVm §70 SchUG aufgezählte Entscheidungen einem Widerspruch zugänglich sind.

 

Aus diesen Gründen erscheint nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes die beantragte Aufhebung der angefochtenen Bestimmung durch den Verfassungsgerichtshof geboten."

 

3. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie zum einen ua beantragt, der Verfassungsgerichtshof möge den Antrag zurückweisen, in eventu aussprechen, dass die angefochtenen Wortfolgen nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden, und im Übrigen den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegentritt:

"II. Zum Anlassverfahren und zur Zulässigkeit:

 

1. […]

 

2. Die Bundesregierung verweist auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach dieser nicht berechtigt ist, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag auf Aufhebung einer generellen Norm nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl zB VfSlg 19.824/2013 und 19.833/2013). Dies ist hier der Fall, und zwar aus folgenden Gründen:

 

Der Rahmen für die Prüfbefugnis eines Verwaltungsgerichtes ist die 'Sache' des bekämpften Bescheides (VwGH 09.09.2015, Ra 2015/04/0012; 26.03.2015, Ra 2014/07/0077). Wie das Bundesverwaltungsgericht selbst festhält, hatte es die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des eingebrachten Widerspruchs gemäß §§71 Abs1 iVm 70 Abs1 SchUG zu überprüfen. 'Sache' des Beschwerdeverfahrens ist somit die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (VwGH 28.02.2019, Ra 2018/22/0237; 30.01.2019, Ro 2018/10/0045). Dementsprechend ist vom Bundesverwaltungsgericht ausschließlich die Rechtsfrage zu beantworten, ob die belangte Behörde die Behandlung des Widerspruchs zurecht abgelehnt hat oder ob sie eine Sachentscheidung zu treffen gehabt hätte.

 

Der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts stellt aber nicht darauf ab, sondern nimmt stattdessen eine Prüfung der inhaltlichen Rechtmäßigkeit der Beendigung des Schulbesuches der Beschwerdeführerin vor. Die Gesetzesstellen, deren Verfassungsmäßigkeit das Bundesverwaltungsgericht in Zweifel zieht, haben materiell-rechtlichen Inhalt und bilden daher keine Grundlage für die Beurteilung, ob die Zurückweisung des Widerspruchs durch die belangte Behörde zurecht oder zu Unrecht erfolgt ist. Eine allfällige Aufhebung der angefochtenen Wortfolgen hätte dementsprechend auch keine Auswirkungen auf diese Beurteilung, sie müsste auch dann zum selben Ergebnis führen wie vor der Aufhebung.

 

§45 Abs5 erster Satz SchUG ist daher keine Voraussetzung für die vom Bundesverwaltungsgericht zu treffende Entscheidung (und könnte dies auch denkunmöglich sein).

 

[…]

 

1. Zu den Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitssatz:

 

1.1. Das Bundesverwaltungsgericht hegt das Bedenken, dass §45 Abs5 SchUG in Zusammenhalt mit §49 Abs1 SchUG unsachlich erscheint, 'da für ein und denselben Tatbestand (Verletzung von Schülerpflichten durch nicht gerechtfertigtes Fernbleiben vom Unterricht), je nachdem, wie die Schule weiter vorgeht, eine unterschiedliche Rechtsfolge im Ergebnis bewirkt wird.' Es hänge ausschließlich von der Vorgehensweise der Schule ab, ob sie ein Verfahren gemäß §49 Abs1 einleitet oder von der ex lege Abmeldung des Schülers auszugehen habe.

 

In diesem Zusammenhang ist zunächst anzumerken, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner älteren Judikatur davon ausging, dass eine schwerwiegende Pflichtverletzung im Sinne des §49 Abs1 SchUG auch dann vorliegt, wenn ein Schüler in einem erheblichen Ausmaß ungerechtfertigt vom Unterricht fernbleibt. In seinem Erkenntnis vom 19. Oktober 1987, Zl 87/10/0135, wurden Abwesenheiten im Ausmaß von rund 40 % der abgehaltenen Unterrichtsstunden als erheblich angesehen.

 

Durch die Novelle BGBl I Nr 35/2018 wurde das System der Sanktionierung ungerechtfertigter Abwesenheiten vom Unterricht grundlegend geändert. Abwesenheiten, die ein gewisses erhebliches Ausmaß überschreiten und daher nach alter Rechtslage mittels eines Schulausschlussverfahrens gemäß §49 Abs1 SchUG zu ahnden gewesen wären, wurden in den Anwendungsbereich des §45 Abs5 erster Satz SchUG aufgenommen. Sie sind somit immer mit der Rechtsfolge der ex lege Abmeldung von der Schule belastet. Für eine Anwendbarkeit von §49 Abs1 SchUG bleibt daher infolge der Ausweitung von §45 Abs5 erster Satz SchUG kein Platz mehr.

 

1.2. Soweit das Bundesverwaltungsgericht vorbringt, §45 Abs5 SchUG stehe in keiner sachlichen Relation zu den sonstigen Schulausschlussgründen, sei zunächst auf die zentrale Aufgabe der Schule gemäß §2 SchOG hingewiesen, 'an der Entwicklung der Anlagen der Jugend nach den sittlichen, religiösen und sozialen Werten sowie nach den Werten des Wahren, Guten und Schönen durch einen ihrer Entwicklungsstufe und ihrem Bildungsweg entsprechenden Unterricht mitzuwirken. Sie hat die Jugend mit dem für das Leben und den künftigen Beruf erforderlichen Wissen und Können auszustatten und zum selbsttätigen Bildungserwerb zu erziehen. Die jungen Menschen sollen zu gesunden und gesundheitsbewussten, arbeitstüchtigen, pflichttreuen und verantwortungsbewussten Gliedern der Gesellschaft und Bürgern der demokratischen und bundesstaatlichen Republik Österreich herangebildet werden. Sie sollen zu selbständigem Urteil, sozialem Verständnis und sportlich aktiver Lebensweise geführt, dem politischen und weltanschaulichen Denken anderer aufgeschlossen sein sowie befähigt werden, am Wirtschafts- und Kulturleben Österreichs, Europas und der Welt Anteil zu nehmen und in Freiheits- und Friedensliebe an den gemeinsamen Aufgaben der Menschheit mitzuwirken.'

 

Um diese Aufgabe erfüllen zu können, ist jedoch die regelmäßige Teilnahme der Schüler am Unterricht notwendig. Durch die ungerechtfertigte Abwesenheit vom Unterricht über ein gewisses Maß hinaus lässt der Schüler oder lassen seine Erziehungsberechtigten ihren Unwillen erkennen, die Voraussetzung der Anwesenheit im Unterricht zu erfüllen. Im Unterschied dazu nimmt ein Schüler, der ein im Sinne des §49 SchUG nachhaltig störendes, seine Mitschüler gefährdendes Verhalten an den Tag legt, am Unterricht teil. Es ist der Schule daher möglich und sie ist dazu verpflichtet, sämtliche ihr zur Verfügung stehenden angemessenen Erziehungsmaßnahmen zu ergreifen, um den geregelten Unterricht widerherzustellen. Erst wenn sämtliche dieser Maßnahmen scheitern, ist ein Ausschluss des Schülers vom Unterricht möglich.

 

Selbst wenn das Nichterscheinen eines Schülers insgesamt als weniger disruptiv für den gesamten Unterricht erscheinen mag als ein störender Schüler, erfüllt der störende Schüler zumindest die Grundvoraussetzung der Anwesenheit im Unterricht. Dementsprechend sind die unterschiedlichen Sanktionen verhältnismäßig.

 

1.3. Soweit das Bundesverwaltungsgericht vorbringt, dass ein Verstoß des Schülers gegen die Benachrichtigungspflicht gemäß §45 Abs3 SchUG als schwerwiegende Verletzung von Schülerpflichten qualifiziert werden kann, ist zunächst zu entgegnen, dass es sich bei der Benachrichtigungspflicht gemäß §45 Abs3 SchUG um eine Maßnahme mit anderen Rechtsfolgen handelt als die Aufforderung gemäß §45 Abs5 erster Satz SchUG.

 

Überdies erging das vom Bundesverwaltungsgericht zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 24.11.1986, Zl 86/10/0133, ebenso wie das unter Punkt III.1.1. zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs, mehr als 30 Jahre vor der Novelle BGBl I Nr 35/2018 und bezieht sich daher ausschließlich auf die damalige Rechtslage, nicht auf das aktuelle System der Sanktionierung von Pflichtverletzungen durch Schüler. Insofern wäre in Frage zu stellen, was für ein Verhalten denkbar wäre, das die Benachrichtigungspflicht gemäß §45 Abs3 SchUG auf so schwerwiegend[e] Art verletzt, dass ein Verfahren gemäß §49 Abs1 SchUG einzuleiten wäre, das aber nicht den Tatbestand des §45 Abs5 erster Satz SchUG erfüllt.

 

2. Zu den Bedenken im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip

 

2.1. Das Bundesverwaltungsgericht ist auch der Ansicht, dass nicht erkennbar sei, wie bei ungerechtfertigtem Fernbleiben vom Unterricht vorzugehen sei, und daher die Folgen des Handelns für einen Normadressaten nicht vorhersehbar seien.

 

Das Bundesverwaltungsgericht selbst hegt keine Bedenken gegen §45 Abs5 SchUG in der bis zur Novellierung durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 35/2018 geltenden Fassung, bei welcher nach einwöchiger Abwesenheit ohne Benachrichtigung und ergebnislosem Verstreichen einer weiteren Woche ab Aufforderung zur Rechtfertigung der Schüler als abgemeldet gilt.

 

Seine Bedenken gegen die Fassung, die diese Bestimmung durch die Novelle BGBl I Nr 35/2018 erhalten hat, stützt das Bundesverwaltungsgericht darauf, dass aus dem Gesetz nicht klar hervorgehe, ob für zur Vermeidung der ex‑lege‑Abmeldung sämtliche fünf Tage bzw 30 Unterrichtsstunden zu rechtfertigen seien oder ob die Rechtsfolge nur dann eintrete, wenn nach der Rechtfertigung noch fünf Tage bzw 30 Unterrichtsstunden als ungerechtfertigt übrigbleiben würden.

 

Die Regelung des §45 Abs5 iVm §33 Abs2 litc SchUG zur Beendigung des Schulbesuches knüpft aber nicht an das Fernbleiben vom Unterricht an sich, sondern an die Verweigerung der Mitwirkung an. Das Unterlassen einer Mitteilung über das Fernbleiben nach entsprechender Aufforderung wird von Gesetzes wegen als konkludente Willensäußerung interpretiert, den Schulbesuch nicht weiterführen zu wollen. Eine Abmeldung ex lege erfolgt nach §45 Abs5 iVm §33 Abs2 litc SchUG mit 'dem ungenützten Ablauf der einwöchigen Frist seit der Zustellung einer schriftlichen Aufforderung zur Rechtfertigung', nicht etwa mit dem Fernbleiben an sich. Der Mechanismus findet seit der Stammfassung der §§45 Abs5 und 33 Abs2 litc SchUG Anwendung und wird vom Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich nicht in Zweifel gezogen.

 

Die vom Bundesverwaltungsgericht als unklar betrachtete Frage lässt sich nach den Regeln der Interpretation sehr wohl lösen. Bereits der Wortlaut des §45 Abs5 sagt, dass bei fünf nicht zusammenhängenden Tagen oder 30 Unterrichtsstunden und der Unterlassung einer Rechtfertigung des Fernbleibens trotz Aufforderung von einer Abmeldung auszugehen ist. Es hat daher eine Aufforderung zur Rechtfertigung durch die Behörde zu erfolgen. Wenn die einwöchige Frist zur Rechtfertigung erfolglos verstreicht, ist der Tatbestand des §45 Abs5 SchUG durch die Unterlassung erfüllt. Für den Normadressaten ist klar und leicht erkennbar, dass eine Handlung, nämlich die Bekanntgabe einer Rechtfertigung für das unentschuldigte Fernbleiben, erforderlich ist.

 

Aufgrund der Stellung der Bestimmung des §45 Abs5 SchUG als speziellere Norm gegenüber der Regelung des §49 SchUG als allgemeinere Norm, allenfalls der Stellung des §45 Abs5, erster Satz 2. und 3. Fall als später ergangene Norm, ergibt sich, dass eindeutig erkennbar ist, wie Schule und Behörde vorzugehen haben. Da die Regelung des §45 Abs5 SchUG seit jeher die speziellere Norm darstellt, ist im Falle des unentschuldigten Fernbleibens vom Unterricht nach dieser Regelung vorzugehen und der Schüler schriftlich aufzufordern, das Fernbleiben schriftlich zu rechtfertigen.

 

2.2. Der praktische Ablauf im Schulleben stellt sich somit beispielhaft wie folgt dar:

 

Ein Schüler bleibt dem Unterricht fern, es erfolgt keine Verständigung des Klassenvorstands. Der Schüler kommt wieder in die Schule und wird vom Klassenvorstand gemäß §45 Abs3 SchUG aufgefordert, einen Rechtfertigungsgrund für das Fernbleiben darzulegen. Der Schüler gibt keinen bzw keinen berücksichtigungswürdigen Grund für seine Abwesenheit an. Die Schule setzt Erziehungsmaßnahmen, wie insbesondere die Versetzung in eine Parallelklasse. Nach wiederholtem unentschuldigtem Fernbleiben von mehr als 30 Unterrichtsstunden erhält der Schüler durch die Schule eine schriftliche Aufforderung gemäß §45 Abs5 erster Satz SchUG, das Fernbleiben zu rechtfertigten. Nachdem der Schüler eine Woche ohne Reaktion verstreichen lässt, gilt er gemäß §§45 Abs5 iVm 33 Abs3 SchUG ex lege als vom Unterricht abgemeldet. Wenn er die Rechtfertigungsfrist aus berücksichtigungswürdigen Gründen versäumt hat und – zulässige – Gründe für seine Abwesenheiten vom Unterricht nennen kann, kann er gemäß §45 Abs5 SchUG um Wiederaufnahme in die Schule ansuchen.

 

[…]"

4. Die Partei des Verfahrens vor dem antragstellenden Gericht hat als beteiligte Partei eine Äußerung erstattet, in der sie sich im Wesentlichen den Bedenken des antragstellenden Gerichtes anschließt.

IV. Zur Zulässigkeit

1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B‑VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

1.1. Die Bundesregierung zieht in ihrer Äußerung die Präjudizialität des Antrages des Bundesverwaltungsgerichtes in Zweifel. Begründend führt sie zusammengefasst aus, dass die Gesetzesstellen, deren Verfassungsmäßigkeit das Bundesverwaltungsgericht in Zweifel ziehe, materiell-rechtlichen Inhalt hätten und daher keine Grundlage für die Beurteilung bilden würden, ob die Zurückweisung des Widerspruchs durch die belangte Behörde zu Recht oder zu Unrecht erfolgt sei. Eine allfällige Aufhebung der angefochtenen Wortfolgen hätte auch keine Auswirkungen auf diese Beurteilung, sie müsste auch dann zum selben Ergebnis führen wie vor der Aufhebung.

1.2. Mit diesem Vorbringen ist die Bundesregierung nicht im Recht. Es ist nicht denkunmöglich, dass das Bundesverwaltungsgericht bei der Überprüfung der Zurückweisung des Widerspruchs §45 Abs5 SchUG anzuwenden hat. Gemäß §71 Abs1 SchUG ist ein Widerspruch gegen Entscheidungen in den Angelegenheiten des §70 Abs1 leg.cit. zulässig. Zu diesen Angelegenheiten zählen nach litj leg.cit. auch Entscheidungen im Zusammenhang mit dem "Fernbleiben von der Schule (§45)". Im Übrigen ist es für die Zulässigkeit eines Gesetzesprüfungsverfahrens ohne Bedeutung, ob sich die vom Bundesverwaltungsgericht vermutete Verfassungswidrigkeit auf seine Entscheidung auswirken würde (vgl hiezu etwa VfSlg 9755/1983).

2. Ein von Amts wegen oder auf Antrag eines Gerichtes eingeleitetes Gesetzesprüfungsverfahren dient der Herstellung einer verfassungsrechtlich einwandfreien Rechtsgrundlage für das Anlassverfahren (vgl VfSlg 11.506/1987, 13.701/1994).

Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

Aus dieser Grundposition folgt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011). Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).

Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Gesetzesstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011; VfGH 19.6.2015, G211/2014; 7.10.2015, G444/2015; 10.10.2016, G662/2015), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Gesetzesvorschrift dieser ein völlig veränderter, dem Gesetzgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015; VfGH 15.10.2016, G339/2015).

Unter dem Aspekt einer nicht trennbaren Einheit in Prüfung zu ziehender Vorschriften ergibt sich ferner, dass ein Prozesshindernis auch dann vorliegt, wenn es auf Grund der Bindung an den gestellten Antrag zu einer in der Weise isolierten Aufhebung einer Bestimmung käme, dass Schwierigkeiten bezüglich der Anwendbarkeit der im Rechtsbestand verbleibenden Vorschriften entstünden, und zwar in der Weise, dass der Wegfall der angefochtenen (Teile einer) Bestimmung den verbleibenden Rest unverständlich oder auch unanwendbar werden ließe. Letzteres liegt dann vor, wenn nicht mehr mit Bestimmtheit beurteilt werden könnte, ob ein der verbliebenen Vorschrift zu unterstellender Fall vorliegt (VfSlg 16.869/2003 mwN).

Dagegen macht eine zu weite Fassung des Antrages diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Soweit alle vom Antrag erfassten Bestimmungen präjudiziell sind oder der Antrag mit solchen untrennbar zusammenhängende Bestimmungen erfasst, führt dies – ist der Antrag in der Sache begründet – im Fall der Aufhebung nur eines Teiles der angefochtenen Bestimmungen im Übrigen zu seiner teilweisen Abweisung (vgl VfSlg 19.746/2013, 19.905/2014). Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die im Verfahren vor dem antragstellenden Gericht nicht präjudiziell sind, führt dies – wenn die angefochtenen Bestimmungen insoweit trennbar sind – im Hinblick auf diese Bestimmungen zur partiellen Zurückweisung des Antrages (siehe VfSlg 18.486/2008, 18.298/2007; soweit diese Voraussetzungen vorliegen, führen zu weit gefasste Anträge also nicht mehr – vgl noch VfSlg 14.342/1995, 15.664/1999, 15.928/2000, 16.304/2001, 16.532/2002, 18.235/2007 – zur Zurückweisung des gesamten Antrages).

2.1. Das Bundesverwaltungsgericht begründet den behaupteten Verstoß gegen Art7 B‑VG im Wesentlichen damit, dass §45 Abs5 (erster Satz) SchUG in Zusammenhalt mit §49 Abs1 SchUG unsachlich erscheine, weil ein und dasselbe Verhalten des Schülers (nicht gerechtfertigtes Fernbleiben vom Unterricht) – je nachdem, wie die Schule vorgehe – unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich ziehe. Der Gesetzgeber lege nicht fest, ob in einem Fall wie dem vorliegenden, wonach ein Schüler mehr als 30 Unterrichtsstunden im Unterrichtsjahr dem Unterricht ohne Rechtfertigung fernbleibe, das Verfahren gemäß §49 Abs1 SchUG einzuleiten sei oder ob die Schule auf Grund von §45 Abs5 SchUG von der ex lege Abmeldung des Schülers auszugehen habe. Die jeweilige Vorgehensweise der Schule bewirke unterschiedliche Rechtsfolgen. Dies führe letztlich in unsachlicher Weise auch zu unterschiedlich ausgestaltetem Rechtsschutz.

Die (nur rudimentär ausgeführten und nicht zusammenhängenden) Bedenken eines Verstoßes gegen Art18 B‑VG werden vom Bundesverwaltungsgericht in ähnlicher Weise vorgebracht. Im Sinne des Art18 B‑VG bedürfe es der Vorherbestimmung konkreter Rechtswirkungen einer Regelung. Zudem sei nach dem Gesetzeswortlaut unklar, in welcher Weise die Fehlstunden des Schülers zu rechtfertigen seien, um eine ex lege Abmeldung von der Schule zu verhindern.

Die Bedenken des Bundesverwaltungsgerichtes richten sich somit der Sache nach gegen den gesamten Regelungsgehalt des §45 Abs5 erster Satz SchUG, insbesondere auch gegen die Rechtsfolge eines nicht gerechtfertigten Fernbleibens vom Unterricht.

2.2. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedoch in seinem Hauptantrag alleine die Wortfolge "oder 30 Unterrichtsstunden" im ersten Satz des §45 Abs5 SchUG angefochten. Damit wird nicht der gesamte Tatbestand erfasst, der die ex lege Abmeldung des Schülers von der Schule nach sich zieht. Diese Rechtsfolge wird nicht bereits durch ein faktisches Fernbleiben vom Unterricht ausgelöst, sondern erst wenn der Schüler zusätzlich – zu seinen Abwesenheiten – sein Fernbleiben nicht zu rechtfertigen vermag und auch auf schriftliche Aufforderung hin eine Mitteilung binnen einer Woche nicht eintrifft. Angesichts der vorgebrachten Bedenken besteht ein untrennbarer Regelungszusammenhang zwischen den angefochtenen Wortfolgen und anderen Bestimmungen des SchUG. So hätte das Bundesverwaltungsgericht zB auch den Rest des ersten Satzes des §45 Abs5 SchUG anzufechten gehabt, um den Verfassungsgerichtshof im Falle des Zutreffens der Bedenken in die Lage zu versetzen, darüber zu befinden, auf welche Weise die Verfassungswidrigkeit beseitigt werden kann.

2.3. Aus diesen Gründen ist auch der auf die Aufhebung der Wortfolge "oder fünf nicht zusammenhängende Schultage oder 30 Unterrichtsstunden im Unterrichtsjahr" in §45 Abs5 SchUG gerichtete Eventualantrag unzulässig.

2.4. Sowohl der Haupt- als auch der Eventualantrag des Bundesverwaltungsgerichtes erweisen sich damit als zu eng gefasst.

V. Ergebnis

1. Der Antrag ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte