VfGH G395/2016

VfGHG395/201613.12.2016

Unzulässigkeit eines aus Anlass einer Revision (und nicht aus Anlass eines gegen die Entscheidung eines ordentlichen Gerichts erster Instanz erhobenen Rechtsmittels) gestellten Parteiantrags

Normen

B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
VfGG §62a Abs1
B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
VfGG §62a Abs1

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestützten Antrag begehrt die antragstellende Partei, der Verfassungsgerichtshof möge in §10 Abs1 Tiroler Rettungsdienstgesetz die Wortfolge "…, hat die Kosten für die Aufwendungen des Rettungseinsatzes derjenige zu tragen, zu dessen Gunsten der Rettungseinsatz erfolgt ist", als verfassungswidrig aufheben.

II. Rechtslage

§10 Abs1 Tiroler Rettungsdienstgesetz 2009, LGBl 69/2009 idF LGBl 130/2013, lautet wie folgt (die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):

"§10 Kostentragung

(1) Wenn nicht besondere gesetzliche Bestimmungen oder Vereinbarungen über den Ersatz der Kosten einer Leistung des öffentlichen Rettungsdienstes bestehen, hat die Kosten für die Aufwendungen des Rettungseinsatzes derjenige zu tragen, zu dessen Gunsten der Rettungseinsatz erfolgt ist.

(2) Wer mutwillig Leistungen des öffentlichen Rettungsdienstes veranlasst, hat dem Land Tirol die dadurch entstehenden Aufwendungen zu ersetzen. Über den Ersatz dieser Aufwendungen entscheiden im Streitfall die ordentlichen Gerichte."

III. Antragsvorbringen

1. Die antragstellende Partei stellt aus Anlass einer Revision gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 30. September 2016, Z 3 R 261/16b, beim Verfassungsgerichtshof den vorliegenden Antrag.

2. Die antragstellende Partei erstattet zusammengefasst folgendes Vorbringen:

2.1. Die beteiligte Partei "Christophorus Flugrettungsverein" habe mit einer am 3. März 2015 beim Bezirksgericht Lienz eingebrachten Klage von der antragstellenden Partei zunächst die Bezahlung von € 267.923,84 s.A., nach Klagsausdehnung letztlich € 296.546,96 s.A., für die Durchführung von Interhospitaltransporten begehrt. Die beteiligte Partei habe ihr Klagebegehren zusammengefasst damit begründet, dass sich aus dem zwischen den Patienten und der antragstellenden Partei geschlossenen Behandlungsvertrag, für die antragstellende Partei die Verpflichtung ergebe, im Falle des Erreichens der Grenzen medizinischer Leistungsfähigkeit einer Krankenanstalt Patienten in eine andere Krankenanstalt, die eine adäquate medizinische Versorgung gewährleisten könne, weiterzutransportieren. Im Zuge des Verfahrens vor dem Bezirksgericht Lienz sei die Leitstelle der Tirol GmbH und das Land Tirol dem Verfahren als Nebenintervenient auf Seiten der klagenden Partei "Christophorus Flugrettungsverein" beigetreten.

2.2. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Lienz vom 28. Juni 2016, Z 2 C 85/15 p, wurde das Klagebegehren der beteiligten Partei "Christophorus Flugrettungsverein" zur Gänze abgewiesen. Gegen diese Entscheidung erhob die beteiligte Partei Berufung an das Landesgericht Innsbruck.

2.3. Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 30. September 2016, Z 3 R 261/16b, gab dieses der Berufung Folge und änderte das angefochtene Urteil in ein zur Gänze klagsstattgebendes Urteil ab. Die nunmehrige antragstellende Partei wurde verurteilt, den Betrag von € 296.546,96 s.A. und Prozesskosten zu bezahlen.

3. Gegen dieses Urteil erhob die antragstellende Partei Revision an den Obersten Gerichtshof und stellte gleichzeitig den vorliegenden Antrag auf Normenkontrolle:

3.1. Die antragstellende Partei bringt vor, sie sei als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in zweiter Instanz entschiedenen Rechtssache (Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 30. September 2016, Z 3 R 261/16b wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetze in ihren Rechten verletzt.

3.2. Zur Zulässigkeit dieses Antrages bringt die antragstellende Partei bringt vor, "[d]ie Beschwer […] und damit Antragslegitimation ist erst durch die Entscheidung des Landesgerichtes" gegeben. Eine Prozesspartei, die noch nicht durch die erstinstanzliche Entscheidung, sondern erst durch eine Rechtsmittelentscheidung in ihren Rechten verletzt (beschwert) werde, habe ab dem Zeitpunkt ihrer Beschwer, also ab dem Zeitpunkt, in dem eine Rechtsmittelentscheidung auf Grund einer bedenklichen Norm zu ihren Lasten gehe, die Möglichkeit zur Stellung eines Parteiantrages. Die Wortfolge "aus Anlass" in Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG stehe dem im Lichte der Gesetzesmaterialien nicht entgegen.

3.3. Hinsichtlich §10 Abs1 Tiroler Rettungsdienstegesetz 2009 hegt die antragstellende Partei Bedenken in Bezug auf die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, Unversehrtheit des Eigentums, auf Freiheit der Erwerbsausübung sowie im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot iSd Art18 B‑VG.

IV. Zulässigkeit

1. Der vorliegende Antrag ist unzulässig.

2. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels.

3. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 2. Juli 2016, G95/2016, u.a. Wortfolgen in §62a Abs1 erster Satz VfGG als verfassungswidrig aufgehoben. Nach Aufhebung von Teilen des §62a VfGG durch dieses Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof auf Grund von Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG zu prüfen, ob der Antrag "aus Anlass" eines gegen eine Entscheidung eines ordentlichen Gerichts erster Instanz erhobenen Rechtsmittels gestellt wurde.

3.1. Mit der Revision, aus deren Anlass der Antrag nach Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG erhoben wurde, wendet sich die antragstellende Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 30. September 2016, Z 3 R 261/16b, als Rechtsmittelgericht.

3.2. Der Antrag ist unzulässig, weil er aus Anlass eines Rechtsmittels gegen die Entscheidung eines Gerichtes zweiter Instanz erhoben wurde. Bei dem vorliegenden, aus Anlass einer Revision gegen das oben genannte Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 30. September 2016, gestellten Parteiantrag handelt es sich nicht um eine Antragstellung "aus Anlass einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache" iSd Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG (s. zur Beschränkung der Anfechtung auf in erster Instanz entschiedene Rechtssachen auch §62a Abs1 erster Satz VfGG; dazu bereits VfGH 26.9.2016, G288/2016; vgl. auch VfGH 2.7.2016, G95/2016).

3.3. Der antragstellenden Partei mangelt es daher an der Legitimation zur Antragstellung gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG.

3.4. Der Antrag ist daher schon aus diesem Grund unzulässig.

V. Ergebnis

1. Der Antrag wird als unzulässig zurückgewiesen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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