VfGH A7/2016

VfGHA7/201615.10.2016

Zurückweisung einer neuerlichen (Staatshaftungs-)Klage auf Schadenersatz mangels Zuständigkeit des VfGH; kein Verstoß gegen Unionsrecht durch Absehen von einer mündlichen Verhandlung im vorangegangenen verfassungsgerichtlichen Verfahren

Normen

B-VG Art137 / sonstige Klagen
EU-Grundrechte-Charta Art47 Abs2
B-VG Art137 / sonstige Klagen
EU-Grundrechte-Charta Art47 Abs2

 

Spruch:

Die Klage wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Vorangegangenes verfassungsgerichtliches Verfahren und Klage

1. Mit Schriftsatz vom 7. September 2015 brachte der Kläger beim Verfassungsgerichtshof einen auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG bzw. auf Art139 Abs1 Z4 B‑VG gestützten Antrag auf Aufhebung näher bezeichneter Bestimmungen der Geschäftsordnung der Gerichte I. und II. Instanz, BGBl 264/1951, des Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetzes, BGBl 305/1961, des OGH-Gesetzes, BGBl 328/1968, sowie der Geschäftsverteilungen des Landesgerichtes Steyr und des Oberlandesgerichtes Linz für den Zeitraum vom 1. Jänner 2015 bis 31. Dezember 2015 und der Geschäftsverteilung des Obersten Gerichtshofes ab 1. Jänner 2015 ein.

2. Unter einem brachte der Kläger eine auf Art137 B‑VG gestützte Klage gegen den Bund ein, mit der er die Erlassung des folgenden Urteils begehrte:

"1. Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger einen Betrag von € 2,332.304,06 samt 4% Zinsen seit 05.02.2015 zu bezahlen.

2. Es wird mit Wirkung zwischen dem Kläger und der beklagten Partei festge-stellt, dass die beklagte Partei dem Kläger für den Ersatz sämtlicher Schäden und Nachteile haftet, welche dem Kläger aus der Tatsache erwachsen, dass von der beklagten Partei zuzurechnenden Gerichtsbehörden (Organen) die Entscheidung über den vom Kläger am 03.01.2012 zu 2 Nc 1/12y des Landesgerichtes Leoben gestellten Ablehnungsantrag durch die im Verfahren 2 Nc 1/12y des Landesge-richtes Leoben geschäftsverteilungsgemäß berufenen RichterInnen, und dadurch auch die Entscheidung durch ein unparteiisches, auf Gesetz beruhendes Gericht im Verfahren 6 Cg 97/10a des Landesgerichtes Leoben, in unvertretbar rechtswidriger Weise verhindert wurde.

3. Es wird mit Wirkung zwischen dem Kläger und der beklagten Partei festge-stellt, dass die beklagte Partei dem Kläger für den Ersatz sämtlicher Schäden und Nachteile haftet, welche dem Kläger aus der Tatsache erwachsen, dass er von einer der beklagten Partei zuzurechnenden Gerichtsbehörde, nämlich dem Obersten Gerichtshof der Republik Österreich, mit dessen Beschluss vom 19.08.2015, 3 Nc 16/15f, in unvertretbarer Weise daran gehindert wurde, wirk-same weitere Ablehnungsanträge beim Obersten Gerichtshof zu stellen, wodurch insbesondere auch die Entscheidung durch ein unparteiisches, auf Gesetz beru-hendes Gericht in den Verfahren 6 Cg 97/10a des Landesgerichtes Leoben sowie 4 Cg 11/15y des Landesgerichtes Steyr in unvertretbar rechtswidriger Weise verhindert wurde.

4. Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die Prozesskosten gemäß §19a RAO zu Handen des Klagsvertreters zu ersetzen."

3. Anspruchsbegründend verwies der Kläger im Wesentlichen auf eine – seiner Auffassung nach – als Amtsmissbrauch und Urkundenunterdrückung zu qualifizierende strafbare Handlung im zu 2 Nc 1/12y protokollierten Verfahren des Landesgerichtes Leoben und auf den Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 19. August 2015, 3 Nc 16/15f.

4. Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 26. Februar 2016, G426, 427/2015-8, V115-118/2015-8, A12/2015-8, die Behandlung des auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG bzw. auf Art139 Abs1 Z4 B‑VG gestützten Antrages ab und wies die auf Art137 B‑VG gestützte Klage zurück.

5. Mit Schriftsatz vom 31. Mai 2016 brachte der Kläger beim Verfassungsgerichtshof eine weitere auf Art137 B‑VG gestützte Klage gegen den Bund ein, die ein Urteilsbegehren enthält, das mit dem Urteilsbegehren der am 7. September 2015 beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten Klage ident ist.

Der Kläger stützt sich in seiner nunmehrigen Klage sowohl auf den Titel der Staatshaftung als auch auf jenen der Amtshaftung. Haftungsbegründend verweist der Kläger im Wesentlichen auf den erwähnten Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 26. Februar 2016 und bringt diesbezüglich vor, der Verfassungsgerichthof habe es entgegen Art47 Abs2 GRC unterlassen, in jenem Verfahren eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Darin liege ein offenkundiger Verstoß gegen das Unionsrecht.

II. Zur Zulässigkeit

Nach Art137 B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche an den Bund, die Länder, die Gemeinden und Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

1. Der Kläger macht einen Schadenersatzanspruch gegen den Bund geltend, wobei das von ihm beantragte Urteilsbegehren – wie erwähnt – völlig ident mit jenem Urteilsbegehren ist, das der Kläger bereits in seiner mit Schriftsatz vom 7. September 2015 erhobenen Klage beantragt hat.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist über Schadenersatzansprüche grundsätzlich – sei es nach den Bestimmungen des ABGB oder nach jenen des Amtshaftungsgesetzes – im ordentlichen Rechtsweg zu erkennen (zB VfSlg 16.107/2001, 19.593/2011). Dass gemäß §2 Abs3 Amtshaftungsgesetz aus einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes, des Obersten Gerichthofes und des Verwaltungsgerichtshofes kein Ersatzanspruch abgeleitet werden kann, vermag die – lediglich suppletorische – Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes nach Art137 B‑VG nicht zu begründen (vgl. VfSlg 19.429/2011).

Im Übrigen fehlt in der vorliegenden Klage (neuerlich) jedweder Ansatzpunkt dafür, dass der Oberste Gerichtshof mit seinem Beschluss vom 19. August 2015 einen (offenkundigen) Verstoß gegen Unionsrecht begangen habe. Dies stellt jedoch eine der Voraussetzungen für das Bestehen eines Staatshaftungsanspruches dar (vgl. VfSlg 19.361/2011, 19.428/2011; VfGH 19.11.2015, A8/2015).

2. Der Kläger behauptet einen die Staatshaftung auslösenden offenkundigen Verstoß gegen das Unionsrecht auch damit, dass es der Verfassungsgerichtshof unterlassen habe, im Verfahren G426, 427/2015, V115-118/2015, A12/2015, eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Dadurch sei gegen Art47 Abs2 GRC verstoßen worden.

Der Verfassungsgerichtshof kann nicht erkennen, dass die der gegenständlichen Klage zu Grunde liegenden Verfahren vor den ordentlichen Gerichten und dem Verfassungsgerichtshof einen Sachverhalt beträfen, in dem die Gerichte in Durchführung des Unionsrechts handelten. Die Beantwortung dieser Frage kann jedoch dahinstehen (vgl. VfSlg 19.916/2014), weil der vom Kläger im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof zu G426, 427/2015, V115-118/2015, A12/2015, behauptete Verstoß gegen unionsrechtliche Bestimmungen nicht vorliegen kann:

Im Anwendungsbereich von Art6 EMRK hat Art47 Abs2 GRC die gleiche Tragweite und Bedeutung wie Art6 EMRK. Jenseits dessen gelten die Garantien des Art6 EMRK für den Anwendungsbereich des Art47 GRC entsprechend (vgl. VfSlg 19.632/2012). Vor diesem Hintergrund gewährleistet Art47 Abs2 GRC ein Art6 Abs1 EMRK vergleichbares Recht auf eine mündliche Verhandlung (VfSlg 19.916/2014).

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte kann eine mündliche Verhandlung unter bestimmten Umständen unterbleiben. Solche Umstände liegen etwa bei Entscheidungen über Ansprüche vor, die ausschließlich rechtliche oder in hohem Maße technische Fragen aufwerfen. Hier kann das Gericht unter Berücksichtigung der Anforderungen an Verfahrensökonomie und Effektivität von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Stellungnahmen der Parteien angemessen entschieden werden kann (EGMR 18.7.2013, Fall Schädler-Eberle, Appl. 56.422/09, Z97 ff., EGMR 12.11.2002, Fall Döry, Appl. 28.394/95 Z37 ff.).

Die Beurteilung der Frage, ob die vom Kläger in dem beim Verfassungsgerichtshof zu G426, 427/2015, V115-118/2015, A12/2015, protokollierten Verfahren angefochtenen Bestimmungen gesetz- oder verfassungswidrig waren, ist eine derartige, rein rechtliche Frage, die auf Grundlage der Akten und der Stellungnahmen der Parteien angemessen entschieden werden konnte. Aus diesem Grund stand Art47 Abs2 GRC dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen.

3. Der Verfassungsgerichtshof ist aus den oben angeführten Gründen für die geltend gemachten Ansprüche gemäß Art137 B‑VG somit nicht zuständig.

4. Die Klage ist daher zurückzuweisen. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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