Wiederaufnahme des Haftungsverfahrens bei Einwendungen gegen den bescheidmäßig festgestellten Abgabenanspruch
Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2010/16/0272 eingebracht. Mit Erk. v. 24.2.2011 als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vom 27. April 2010 gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom 7. April 2010 betreffend Wiederaufnahme des Haftungsverfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid vom 7. März 2008 wurde der Berufungswerber (Bw.) gemäß § 9 Abs. 1 BAO i.V.m. § 80 BAO als Geschäftsführer der B-GmbH für Abgaben in der Höhe von € 111.507,71, insbesondere Umsatzsteuer 04/2003 in Höhe von € 96.376,61, zur Haftung herangezogen, da diese durch die schuldhafte Verletzung der ihm als Vertreter der Gesellschaft auferlegten Pflichten nicht hätten eingebracht werden können.
In der dagegen am 20. März 2008 rechtzeitig eingebrachten Berufung wandte der Bw. ein, dass er bereits am 30. Juli 2003 die Geschäftsführung zurückgelegt hätte, was auch am 5. August 2003 vom Firmenbuch bestätigt und am 20. August 2003 eingetragen worden wäre. Er wäre als Geschäftsführer nur für die Überwachung der Buchführung verantwortlich gewesen. Die finanzielle Leitung hätte Herr H.C. übergehabt, der auch sämtliche Überweisungen durchgeführt hätte.
Zum Zeitpunkt seines Austrittes wären ca. € 800.000,00 an Forderungen nur ca. € 500.000,00 an Verbindlichkeiten gegenüber gestanden. In mehreren Gerichtsverhandlungen und Verhören durch die Niederösterreichische Kriminalpolizei wären diese Punkte immer wieder protokolliert und bestätigt worden, weshalb auch die Krankenkasse die Exekution gegen ihn eingestellt hätte. Sollte es stimmen, dass der Masseverwalter die Forderungen nicht eingeklagt hätte und diese deshalb als uneinbringlich hätten ausgebucht werden müssen, obwohl eine Rechtsschutzdeckung zugesagt worden wäre, so wäre auch die Umsatzsteuer zu stornieren.
Überdies hätte der Bw. durch den Betrug eines Bankdirektors, der dafür auch eingesperrt worden wäre, sein ganzes Vermögen verloren, weshalb er noch immer für Schulden in der Höhe von ca. € 450.000,00 zahle und seine zu erwartende Pension verpfändet wäre.
Mit weiterem Schriftsatz vom 30. März 2008 brachte der Bw. ergänzend vor, dass er bis zu seinem Austritt als Geschäftsführer Ende Juni 2003 alle Erklärungen immer pünktlich und ordnungsgemäß durchgeführt hätte. Die laut den Abgabenerklärungen gemeldeten Rückstände wären auf Grund von Rechnungen an den damaligen Hauptauftraggeber der Gesellschaft, der S. , welche noch nicht gemäß § 19 UStG übergegangen wären, entstanden. Zum Zeitpunkt seines Auscheidens hätte der Meldungsstand an das Finanzamt auf Grund der offenen Forderungen der Schuldnerin auch seine Korrektheit gehabt.
Danach wäre am 12. Februar 2004 ein Notgeschäftsführer bestellt worden. Bis dahin wäre die Gesellschaft ohne handelsrechtlichen Geschäftsführer gewesen. Zwischenzeitlich wären auch die Forderungen gegen die S. präzisiert worden, sodass sich der damalige Rechtsschutzversicherer bereit erklärt hätte, eine Gesamtforderung von € 459.538,47 in Deckung zu nehmen und sowohl Anwalts- als auch Verfahrens- und Gerichtskosten für das angestrengte Verfahren gegen die S. zu übernehmen. Bis zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung am 24. Mai 2004 wären mehrere Gespräche seitens des eingesetzten Notgeschäftsführers mit dem Rechtsschutzversicherer und der beauftragten Rechtsanwaltskanzlei geführt worden. Die Voraussetzungen einer Klagsführung wären gegeben gewesen, daran wäre auch Herr L., welcher wirtschaftlich und technisch für die Abläufe an den S. -Projekten verantwortlich gewesen wäre, maßgeblich beteiligt gewesen.
Der wirtschaftliche Status der Gesellschaft wäre zum Zeitpunkt seines Ausscheidens mit Forderungen von insgesamt ca. € 800.000,00 gegenüber Verbindlichkeiten von knapp € 600.000,00 deutlich positiv gewesen. Daran hätte sich auch bis zur Konkurseröffnung im Wesentlichen nichts geändert. Der bestellte Masseverwalter hätte es verabsäumt, entweder die bis ins Detail aufbereiteten Forderungen gegenüber der S. zur Betreibung zu bringen oder aber alle relevanten Rechnungen an die S. zu stornieren und gutzuschreiben, falls diese zu Unrecht bestanden haben sollten. Daraus hätte sich sogar noch ein Guthaben beim Finanzamt ergeben. Eine Haftung könne daher allenfalls den Masseverwalter treffen.
Darüber hinaus wären zu den genannten Rechnungen nicht einmal Teilbeträge kassiert worden, weshalb auch keine Steuerhinterziehung oder Abgabenverkürzung stattfinden hätte können.
Die Gebietskrankenkasse hätte im Juni 2004 ebenfalls versucht, mit einem Haftungsbescheid an Gelder heranzukommen. Dies wäre aber auf Grund der Gesetzeslage und der vorherrschenden Situation nicht möglich gewesen. Außerdem wären sämtliche Dienstgeber- und Dienstnehmerbeiträge sowie Löhne vom Insolvenzgeldausfallsfonds bezahlt worden, also auch anteilige Lohnsteuern. Der Bescheid der Gebietskrankenkasse wäre vollinhaltlich wieder aufgehoben worden.
Schließlich brachte der Bw. vor, dass allfällige Haftungen gegen seine Person als ehemaligem Organ der Gesellschaft verjährt wären.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 16. Juli 2008 wurde der Berufung teilweise stattgegeben und die Haftungsschuld auf € 102.722,12 eingeschränkt.
Begründend wurde nach Zitierung der bezughabenden Gesetzesbestimmungen und Judikatur ausgeführt, dass der Bw. im Zeitraum vom 30. Jänner 2001 bis 20. August 2003 im Firmenbuch eingetragener handelsrechtlicher Geschäftsführer der B-GmbH gewesen wäre. Die Haftung erstrecke sich auf alle Abgaben, deren Fälligkeit in die Zeit der Vertretertätigkeit falle.
Zu den abgabenrechtlichen Verpflichtungen eines Geschäftsführers würden die Abgabenentrichtung aus den von ihm verwalteten Mitteln, die Führung gesetzmäßiger Aufzeichnungen, die zeitgerechte Einreichung von Abgabenerklärungen und die Offenlegungs- und Wahrheitspflicht gehören. Für die Jahre 2002 und 2003 wären keine Erklärungen eingereicht und daher nach § 184 BAO die Besteuerungsgrundlagen im Schätzungswege ermittelt worden.
Zum Einwand der bereits eingetretenen Verjährung brachte das Finanzamt vor, dass gemäß § 238 Abs. 1 BAO das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden wäre, verjähre. Gemäß Abs. 2 leg.cit. werde die Verjährung fälliger Abgaben durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Haftungsbescheides unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in dem die Unterbrechung eingetreten wäre, beginne die Verjährungsfrist neu zu laufen.
Neben den im Gesetz selbst beispielsweise aufgezählten Maßnahmen wären Unterbrechungshandlungen auch Meldeanfragen und andere allgemeine elektronische Abfragen bei anderen Rechtsträgern, soferne sie im Akt eindeutig dokumentiert wären, und Amtshilfeersuchen, Sicherstellungsaufträge, Vollstreckungsbescheide sowie Zahlungsaufforderungen. Im gegenständlichen Fall wäre unter Anderem im Jahr 2007 ein Amtshilfeersuchen zur Erhebung der wirtschaftlichen Lage und eine Firmenbuchabfrage 2007 vorgenommen worden.
Weiters führte das Finanzamt aus, dass Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgaben in einem Haftungsverfahren dann nicht mit Erfolg erhoben werden könnten, wenn gegenüber dem Primärschuldner ein Bescheid ergangen wäre.
Für das Verschulden nach § 9 BAO wäre nicht maßgeblich, ob der Geschäftsführer seine Funktion tatsächlich ausgeübt hätte, sondern lediglich ob er als Geschäftsführer bestellt gewesen und ihm daher die Ausübung dieser Funktion oblegen wäre. Ein für die Haftung nach § 9 iVm § 80 BAO relevantes Verschulden liege auch dann vor, wenn sich ein Geschäftsführer einer GmbH schon bei der Übernehme seiner Funktion mit einer Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden erklärt bzw. eine solche Beschränkung in Kauf genommen hätte, die die künftige Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Pflichten unmöglich mache.
Fristgerecht beantragte der Bw. mit Schreiben vom 12. August 2008 die Vorlage der Berufung zur Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und brachte ergänzend vor, dass ihn kein Verschulden daran treffe, die ihm in seiner Zeit als handelsrechtlicher Geschäftsführer der B-GmbH zugekommenen Verpflichtung nicht nachgekommen zu sein. Er hätte alles veranlasst, um die Forderungen gemäß den Rechnungen der Gesellschaft abzusichern und einbringlich zu machen, die zum Teil die offene Umsatzsteuerlast verursacht hätten. Die Forderungen gegenüber der S. wären aus nichtigen Gründen zur Begleichung verweigert worden. Andere Forderungen wären, wie sich später durch Urgenzen und Zahlungsaufforderungen des Masseverwalters herausgestellt hätte, uneinbringlich geworden.
Jedoch hätte der Masseverwalter es verabsäumt, diese Forderungen im Klagswege einbringlich zu machen oder bei den angeblich zu Unrecht bestandenen die Rechnungen zu stornieren, was die Zahllast beim Finanzamt in ein Guthaben gekehrt hätte. Desweiteren halte der Bw. fest, allein schon deswegen Sorge für eine weitere Betreibung der offenen Forderungen, und somit einer zumindest quotenmäßigen Begleichung aller Verbindlichkeiten getragen zu haben, da er nach seinem Ausscheiden als Geschäftsführer die Buchhaltung weiter (unentgeltlich) unterstützt und bis zur Bestellung des Notgeschäftsführers mit diesem gemeinsam alle erforderlichen Unterlagen vorbereitet hätte. An der fehlenden weiteren Betreibung der Außenstände treffe den Bw. keine Schuld, vielmehr wäre diese Pflicht des späteren Masseverwalters gewesen, der durch seine Tätigkeit die Grundlage dazu erhalten hätte.
Weiters brachte der Bw. vor, dass nicht das Fehlen von Erklärungen und Unterlagen den Schätzungen der Jahre 2002 und 2003 zu Grunde liege, sondern wären diese erst im Zuge des Insolvenzverfahrens mangels Vorlage durch den Masseverwalter erfolgt. Es treffe ihn auch kein Verschulden an der Ungleichbehandlung der Gläubiger, da diese mangels Zahlung hauptsächlich der S. um deren Forderungen umgefallen wären.
Abschließend halte der Bw. fest, dass bis dato kein vollstreckbarer Titel der Forderungen aus diesem Verfahren vorliege. Allfällige in der Berufungsvorentscheidung angeführte Maßnahmen würden nicht die Einhebung gegen seine Person betreffen.
Mit Schreiben vom 28. Mai 2009 ersuchte der Unabhängige Finanzsenat den Bw. um Erstellung eines Liquiditätsnachweises zur Bescheinigung der Gläubigergleichbehandlung.
In Beantwortung des Vorhaltes teilte der Bw. mit Schreiben vom 15. Juli 2009 mit, dass ihm nur mehr spärlich Unterlagen zur Verfügung stünden, weil diese vom Notgeschäftsführer dem Masseverwalter übergeben worden wären. Jedoch könne er aus der Gläubigerliste vom April 2003 nachvollziehen, dass keine Begünstigung von Gläubigern erfolgt wäre, da im Monat seines Ausscheidens im August 2003 Verbindlichkeiten von € 547.377,00 vorgelegen und unmittelbar vor Konkurseröffnung im April 2004 Gläubigerforderungen von € 605.674,00 zu verzeichnen gewesen wären, die sich auch im Gläubigerverzeichnis zum Konkurs mit € 550.464,00 niedergeschlagen hätten.
Die meisten Forderungen der Gläubiger hätten im Frühjahr 2003 bestanden, zu dem Zeitpunkt, als letzte Arbeiten eingestellt worden wären. Ein weiterer Nachweis dafür, dass keine Begünstigungen vorliegen würden, wäre in den Vorschreibungen der WGKK und NÖGKK zu finden. Die WGKK hätte ebenfalls gegen ihn ihre Forderungen betrieben, aber der Berufung stattgegeben und sämtliche Bescheide aufgehoben.
In Ermangelung der Unterlagen wäre es dem Bw. nur in Chronologie möglich zu beweisen, dass kein Gläubiger in irgendeiner Form seit Beginn der Zahlungseinstellung der Auftraggeber begünstigt worden wäre, weshalb die in der Liste angeführten Gläubiger als Zeugen für diese Vorgänge namhaft gemacht würden.
Darüber hinaus wären im Zeitraum vor April 2003 mit vielen Gläubigern Zahlungsvereinbarungen abgeschlossen worden, da noch die Möglichkeit bestanden hätte, mit den Auftraggebern eine Gesamtlösung zur Fortführung der Baustellen zu finden. Der damit beauftragte J.R. werde ebenfalls als Zeuge namhaft gemacht.
Abschließend brachte der Bw. vor, dass Juli/August 2003 eine Finanzprüfung stattgefunden hätte, bei der Saldenlisten usw. kopiert worden wären, die im Akt aufliegen müssten. Bei dieser Prüfung wäre auch die Umsatzsteuervoranmeldung 04/2003 geprüft worden, aus welcher der Betrag von € 96.605,27 - der Hauptrückstand der haftungsgegenständlichen Forderungen - stamme. Daraus wäre die Rechnung von der S. mit € 457.137,19 und darin enthaltener Umsatzsteuer von € 96.895,27 nicht bezahlt worden.
Mit Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom 11. August 2009, RV/2618-W/08, wurde der Berufung teilweise Folge gegeben und der Haftungsbetrag wie in der Berufungsvorentscheidung auf € 102.722,12 eingeschränkt. Im Übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Dazu wurde ausgeführt, dass dem Einwand des Bw., dass die haftungsgegenständlichen Abgaben gemäß § 238 BAO verjährt wären, die Aktenlage entgegenzuhalten wäre, wonach ab 15. November 2002 (dem ältesten Fälligkeitstag) laufend Unterbrechungshandlungen, die die fünfjährige Einhebungsverjährungsfrist jeweils neu in Gang gesetzt hätten, gesetzt worden wären.
Darüber hinaus wäre auch auf Grund des vom 24. Mai 2004 bis 19. April 2006 anhängigen Konkursverfahrens die Verjährung unterbrochen gewesen.
Dem Einwand des Bw., dass allfällige Maßnahmen nicht seine Person betreffen würden, wurde zum Einen die dagegensprechende Aktenlage entgegengehalten und zum Anderen auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach der VwGH den Standpunkt einer personenbezogenen Wirkung von Unterbrechungshandlungen für den Bereich der Einhebungsverjährung nicht mehr aufrecht halte und sich nunmehr zur Auffassung der anspruchsbezogenen Wirkung von Unterbrechungshandlungen derart bekenne, dass Amtshandlungen nach § 238 Abs. 2 BAO die Verjährung des in § 238 Abs. 1 BAO genannten Rechtes gegenüber jedem unterbrechen würden, der als Zahlungspflichtiger in Betracht komme, ohne dass es rechtlich von Bedeutung wäre, gegen wen sich solche Amtshandlungen gerichtet hätten. Der Text dieser Vorschrift nehme nicht Bezug auf eine Person, sondern handle allein vom Anspruch. "Jede" zur Durchsetzung "des Anspruches" unternommene, nach außen "erkennbare" Amtshandlung werde als verjährungsunterbrechend normiert, ohne dass diesem Gesetzestext ein Anhaltspunkt für die Anordnung entnommen werden könne, eine bestimmte, von einer solchen Amtshandlung "betroffene" Person in das die Verjährungsunterbrechung bewirkende Geschehen einzubinden (VwGH 18.10.1995, 91/13/0037).
Daraus erhelle, dass eine Verjährung der Einhebung nach § 238 Abs. 1 BAO zufolge der regelmäßigen Unterbrechungshandlungen gemäß § 238 Abs. 2 BAO nicht eingetreten wäre.
Die Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO wäre eine Ausfallshaftung (VwGH 24.2.1997, 96/17/0066). Voraussetzung wäre die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (VwGH 3.7.1996, 96/13/0025). Uneinbringlichkeit liege vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos gewesen oder voraussichtlich erfolglos wären (VwGH 26.5.2004, 99/14/0218).
Im gegenständlichen Fall stehe die Uneinbringlichkeit fest, da mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 19. April 2006 der über das Vermögen der B-GmbH am 24. Mai 2004 eröffnete Konkurs nach Verteilung lediglich an die Massegläubiger aufgehoben worden wäre.
Unbestritten wäre, dass der Bw. im Zeitraum vom 30. August 2001 bis 31. Juli 2003 handelsrechtlicher Geschäftsführer der B-GmbH und als solcher zur Vertretung der Gesellschaft nach außen im Sinne des § 80 Abs. 1 BAO berechtigt und verpflichtet gewesen wäre, weshalb ihm in diesem Zeitraum die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft oblegen wäre. Insbesondere wäre im Rahmen dieser Verpflichtung für die rechtzeitige und vollständige Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen.
Daraus erhelle, dass der Bw. für Abgaben, die erst nach dem 31. Juli 2003 fällig geworden wären, nicht zur Haftung herangezogen werden könne. Insoweit bestehe die Haftung nicht zu Recht.
Aus dem Einwand des Bw., dass er nur für die Überwachung der Buchführung verantwortlich gewesen wäre, jedoch Herr H.C. die finanzielle Leitung übergehabt und auch sämtliche Überweisungen durchgeführt hätte, lasse sich nichts gewinnen, da ein für die Haftung eines Geschäftsführers relevantes Verschulden auch dann vorliege, wenn sich der Geschäftsführer vor der Übernahme seiner Funktion mit einer Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden erkläre bzw. eine solche Beschränkung in Kauf nehme, die die künftige Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung, insbesondere den Abgabenbehörden gegenüber, unmöglich mache. Das Einverständnis, nur formell als Geschäftsführer zu fungieren, somit auf die tatsächliche Geschäftsführung keinen Einfluss zu nehmen, stelle eine derartige Beschränkung der Befugnisse eines Geschäftsführers dar (VwGH 22.1.2004, 2003/14/0097).
Dem Einwand des Bw., dass der Masseverwalter es im Konkursverfahren trotz Zusage der Rechtsschutzversicherung unterlassen hätte, die Forderung gegen die S. im Klagswege hereinzubringen, weshalb diese nunmehr endgültig uneinbringlich und damit die Umsatzsteuer 04/2003 zu berichtigen wäre, müsse entgegengehalten werden, dass Einwendungen gegen den Abgabenanspruch nicht mit Erfolg im Haftungsverfahren vorgebracht werden könnten, sondern ausschließlich im Berufungsverfahren gemäß § 248 BAO betreffend Bescheide über den Abgabenanspruch, zumal nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch die nach § 9 BAO erforderliche Verschuldensprüfung von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen hätte.
Da die Umsatzsteuervorauszahlung 04/2003 mit Bescheid vom 2. Juli 2003 festgesetzt worden wäre, könne das Vorbringen dem Bw. im Haftungsverfahren nicht zum Erfolg verhelfen, sondern wäre in einem Verfahren nach § 248 BAO auszutragen gewesen.
Bringe der Haftungspflichtige sowohl gegen den Haftungsbescheid als auch gegen den maßgeblichen Bescheid über den Abgabenanspruch Berufungen ein, so wäre zunächst über die Berufung gegen den Haftungsbescheid zu entscheiden (VwGH 20.1.2005, 2002/14/0091), da von dieser Erledigung die Rechtsmittelbefugnis gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch abhänge.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wäre es Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert hätten, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen. Er hätte also darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen hätte können, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hätte, andernfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden dürfe.
Werde eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel hätte, so verletze der Vertreter dadurch keine abgabenrechtliche Pflicht.
Der Geschäftsführer hafte für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden wären, hierzu nicht ausreichen würden; es sei denn, er weise nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hätte als andere Verbindlichkeiten.
Im gegenständlichen Fall bringe der Bw. jedoch keine triftigen Gründe, aus denen ihm die Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Pflichten unmöglich gewesen wäre, vor. Insbesondere wäre nicht behauptet worden, dass dem Bw. keine Mittel zur Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben zur Verfügung gestanden wären.
Am Bw., dem als Geschäftsführer der Primärschuldnerin ausreichend Einblick in die Gebarung zugestanden wäre, wäre es gelegen gewesen, das Ausmaß der quantitativen Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten der Abgaben zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, da nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen hätte, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel.
Weise der Haftungspflichtige nach, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, dann hafte er nur für die Differenz zwischen diesem und dem tatsächlich bezahlten Betrag. Trete der Vertreter diesen Nachweis nicht an, dann könne ihm die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden.
Den im Rahmen der besonderen Behauptungs- und Konkretisierungspflicht zur Feststellung des für die aliquote Erfüllung der Abgabenschuld zur Verfügung stehenden Teiles vom Gesamtbetrag der liquiden Mittel geforderten Liquiditätsstatus - in Form einer Gegenüberstellung von liquiden Mitteln und Verbindlichkeiten zum jeweiligen Fälligkeitstag der haftungsgegenständlichen Abgaben, wobei es auf die Abgabenverbindlichkeiten einerseits und die Summe der übrigen Verbindlichkeiten andererseits ankomme - hätte der Bw. jedoch nicht aufgestellt.
Aus dem Einwand, dass eine Gläubigerbegünstigung nicht stattgefunden hätte, lasse sich für den Bw. nichts gewinnen, da er der Aufforderung des Unabhängigen Finanzsenates auf Konkretisierung dieses Vorbringens nicht nachgekommen wäre und lediglich auf die beantragte Einvernahme der damals bestehenden Gläubiger sowie des mit Vergleichsverhandlungen und Zahlungsvereinbarungen beauftragten Mitarbeiters verwiesen hätte. Da sich aber aus § 1298 ABGB für § 9 BAO eine erhöhte Mitwirkungspflicht in Form von Behauptungs- und Beweislasten der Partei ergebe, wäre nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes der Unabhängige Finanzsenat nicht zur Aufnahme von bloßen Erkundungsbeweisen, wonach ein Beweismittel nicht den Nachweis der Wahrheit von konkreten Tatsachenbehauptungen erbringe, sondern der beweisführenden Partei überhaupt erst die Möglichkeit bieten solle, die Tatsache kennenzulernen und bestimmte Tatsachenbehauptungen aufzustellen, verpflichtet.
Im Hinblick auf die unterlassene Behauptung und Konkretisierung des Ausmaßes der Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten zur Verfügung gestandenen Mittel zur Erfüllung der vollen Abgabenverbindlichkeiten komme eine Beschränkung der Haftung des Bw. bloß auf einen Teil der von der Haftung betroffenen Abgabenschulden nicht in Betracht.
Für aushaftende Abfuhrabgaben wie die Lohnsteuer würden aber ohnedies Ausnahmen vom Gleichheitsgrundsatz gelten, da nach § 78 Abs. 3 EStG der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes ausreichen würden, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten hätte.
Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bw. hätte die Abgabenbehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, auch davon ausgehen können, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben gewesen wäre.
Die vom Bw. geltend gemachten Einwände, dass er sein ganzes Vermögen verloren hätte, für Schulden in der Höhe von € 450.000,00 zahle und seine Pension verpfändet wäre, stünden in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung. Soweit der Bw. damit zum Ausdruck bringen wolle, dass die belangte Behörde nach der Aktenlage von der Uneinbringlichkeit der geltend gemachten Verbindlichkeiten bei ihm ausgehen hätte müssen, weshalb die Heranziehung zur Haftung in Ausübung des Ermessens nicht zweckmäßig sei, wäre er darauf hinzuweisen, dass die allfällige derzeitige Uneinbringlichkeit nicht ausschließe, dass künftig neu hervor gekommenes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen könnten.
Mit Schreiben vom 1. März 2010 beantragte der Bw. unter Vorlage neuer Beweismittel die Wiederaufnahme des Haftungsverfahrens und brachte vor, dass es ihm am 4. Februar 2010 endlich gelungen wäre, von der S. Schriftstücke zu erhalten, die ihm im Zeitpunkt seiner Geschäftsführertätigkeit nie übergeben worden wären, nämlich eine E-Mail mit Daten der Sachbearbeiterin bei der S. und Senderin der Unterlagen, ein Schreiben vom 22. April 2003 über die Retournierung der nicht anerkannten und ungebuchten Schlussrechnung (Grundlage für Umsatzsteuer 04/2003) sowie ein Schreiben vom 21. Juli 2003 mit Daten für eine neue Schlussrechnung, die allerdings eine Forderung der S. und somit eine Vorsteuer von € 26.555,13 ergeben hätte.
Mit Bescheid vom 7. April 2010 wies das Finanzamt den Antrag auf Wiederaufnahme des Haftungsverfahrens ab und führte nach Zitierung des § 303 BAO aus, dass die im Antrag vorgebrachten Argumente keine neuen Tatsachen in Hinsicht auf die Haftungsinanspruchnahme wären. Die Einwendungen bezüglich der Umsatzsteuerfestsetzung 04/2003 könnten einem Antrag auf Wiederaufnahme nicht zum Erfolg verhelfen, sondern wären allenfalls in einem Verfahren gemäß § 248 BAO im Zuge der Berufung gegen den Haftungsbescheid auszutragen gewesen.
Dagegen brachte der Bw. am 27. April 2010 fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung ein und führte aus, dass er nachweislich erst am 4. Februar 2010 die für den "Einspruch" erforderlichen Unterlagen von der S. erhalten hätte, aus denen hervorgehe, dass die von ihm verlangte Umsatzsteuer durch Stornierung der Rechnung nicht zum Tragen gekommen wäre. Er hätte vorher keine Kenntnis von dieser Stornierung gehabt und erst jetzt die zuständige Referentin bei der S. ausfindig gemacht.
Aus den Dokumenten gehe hervor, dass diese Umsatzsteuer nie in einer Umsatzsteuervoranmeldung als Vorsteuer in Anspruch genommen worden wäre und daher auch keine Steuerschuld beim ursprünglichen Rechnungsleger entstanden sein könne.
Da der Bw. zum Zeitpunkt der Ausstellung des Haftungsbescheides keinerlei Zugang zu irgendwelchen Dokumenten gehabt hätte, da jeder Versuch gescheitert wäre, da er keinerlei Rechte bzw. Funktionen gehabt hätte, kein Ansprechpartner mehr vorhanden bzw. die Gesellschaft nicht mehr existent gewesen wäre, weshalb er keine Möglichkeit für eine Berichtigung der Buchungen gehabt hätte, hätte er auch erst nach Erhalt der Dokumente am 4. Februar 2010 diese vorlegen und die Wiederaufnahme des Verfahrens zur Löschung des Haftungsbescheides vornehmen können.
Über die Berufung wurde erwogen:
Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist gemäß § 303 Abs. 1 BAO stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und
a) der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, oder
c) der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Der Antrag auf Wiederaufnahme gemäß Abs. 1 ist gemäß Abs. 2 binnen einer Frist von drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, bei der Abgabenbehörde einzubringen, die im abgeschlossenen Verfahren den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.
Zunächst war festzustellen, dass im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO im gegenständlichen Fall zufolge der vorgelegten Schreiben Beweismittel im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO neu hervorgekommen waren, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden des Bw. nicht geltend gemacht werden konnten, da er angab, dass er auf Grund der mangelnden Funktion und damit Zugangsmöglichkeiten keine Kenntnis von der Stornierung der Rechnung gehabt hätte.
Auch die Dreimonatsfrist des § 303 Abs. 2 BAO wurde eingehalten, da er nach seinem glaubhaften Vorbringen diese Beweismittel erst am 4. Februar 2010 erhalten hatte und die Wiederaufnahme des Haftungsverfahrens bereits mit Schreiben vom 1. März 2010 beantragte.
Allerdings scheitert eine Bewilligung der beantragten Wiederaufnahme daran, dass die Kenntnis dieser Umstände der zu berichtigenden Umsatzsteuer 04/2003 keinen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte (wie in § 303 Abs. 1 BAO gefordert), da in der (nachträglichen) Berichtigung von Umsatzsteuer (§ 16 Abs. 3 UStG), für die der Geschäftsführer einer GmbH zur Haftung herangezogen worden war, kein Wiederaufnahmsgrund betreffend das Haftungsverfahren zu erblicken ist. Vielmehr handelt es sich dabei um eine Minderung des Abgabenanspruches, der durch Abgabenbescheid festzustellen ist und sich nach (zusammengefasster) Verbuchung und Verrechnung unmittelbar auf die Höhe des Haftungsbetrages auswirkt (VwGH 9.4.1986, 84/13/0102).
Insoweit war daher der im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht des Finanzamtes, dass die Einwendungen bezüglich der Umsatzsteuerfestsetzung 04/2003 einem Antrag auf Wiederaufnahme nicht zum Erfolg verhelfen könnten, sondern allenfalls in einem Verfahren gemäß § 248 BAO im Zuge der Berufung gegen den Haftungsbescheid auszutragen gewesen wären, zu folgen, da die haftungs- und berufungsgegenständliche Umsatzsteuer 04/2003 mit Bescheid vom 12. März 2004 festgesetzt wurde und sich daher einer Überprüfung im Haftungsverfahren auf Grund der bestehenden Vorfragenbindung entzieht.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am 6. Oktober 2010
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise: | VwGH 18.10.1995, 91/13/0037 |