Wohnrechtseinräumung an die Ehegattin des Übergebers im Zuge der Übergabe an den Sohn
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Berufungswerberin, vertreten durch Dr. Paul Pernthaller, Notar, 8750 Judenburg, Herrengasse 19, vom 2. Juni 2006 gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Umgebung vom 16. Mai 2006 betreffend Schenkungssteuer entschieden:
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Mit Übergabs- und Erbverzichtsvertrag vom 20. Dezember 2005 übergab KH seinen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb der EZ x an seinen Sohn, JH.
Vertragspunkt 3.1.1 betreffend der vom Übernehmer zu erbringenden Gegenleistung hat auszugsweise folgenden Inhalt: "Als Gegenleistung für die vorstehende Übergabe verpflichtet sich der Übernehmer gegenüber dem Übergeber diesem und seiner Ehegattin, Frau J.H. am Vertragsbesitz auf deren beider Lebensdauer zu leisten und zu verabfolgen die nachstehenden Wohn- und Versorgungsrechte: die alleinige und ausschließliche Benützung seines bisherigen Schlafzimmers im ersten Stock des Hauses, die freie Mitbenützung der Küche, des Wohnzimmers wie auch aller übrigen Wohn- und Wirtschaftsräumlichkeiten im Haus, die Beistellung einer Verpflegung sowie die stets, insbesondere im Fall Alter, Krankheit und Gebrechlichkeit liebevolle Pflege"
Mit Bescheid vom 16. Mai 2006 wurde der Ehegattin des Übergebers, der Berufungswerberin, für die Einräumung des Wohnungsrechtes Schenkungssteuer in Höhe von € 2.048,28 vorgeschrieben. Bemessungsgrundlage bildete der für die Begünstigte ermittelte Barwert im Betrag von € 60.707,91.
In der dagegen eingebrachten Berufung wurde darauf verwiesen, dass es sich bei den eingeräumten Wohn- und Versorgungsrechten um Zuwendungen zum Zweck des angemessenen Unterhalts iSd § 15 Abs. 1 Z 9 ErbStG handeln würde. Die den Übergeber treffende Unterhaltsverpflichtung sei auf den Liegenschaftsübernehmer, den gemeinsamen Sohn, übergegangen.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 12. Juni 2006 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Durch das Einräumen des Wohnungsgebrauchsrechtes an einem dem Ehepartner gehörigen Gebäude sei eine Bereicherung bei der Berufungswerberin eingetreten. Der Erfüllung des steuerlichen Tatbestandes stehe nicht entgegen, dass es sich um die eheliche Wohnung der beiden in aufrechter Ehe lebenden Vertragspartner handle. Die aus dem Familienrecht fließende Berechtigung zur Benützung der Ehewohnung könne nicht dem dinglichen Recht des Wohnungsgebrauches gleichgesetzt werden. Unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Dezember 2001, 2001/16/0592 könne die Befreiung gemäß § 15 Abs. 1 Z 9 ErbStG nicht gewährt werden.
Dagegen wurde rechtzeitig der Vorlageantrag mit dem Hinweis, dass die Berufungswerberin über keinerlei eigenes Einkommen verfüge, gestellt.
Über die Berufung wurde erwogen:
Eingangs wird festgestellt, dass die am 7. März 2007 zu G 54/06 erfolgte Aufhebung des § 1 Abs. 1 Z 1 ErbStG durch den Verfassungsgerichtshof erst mit Ablauf des 31. Juli 2008 in Kraft trat, sodass die verfassungswidrige Bestimmung auf die zuvor verwirklichten Tatbestände- mit Ausnahme der Anlassfälle und jener Rechtssachen, auf die der Verfassungsgerichtshof die Anlassfallwirkung gemäß Art 140 Abs. 4 zweiter Satz B-VG ausgedehnt hat- weiterhin anzuwenden ist. Auf Grund des Legalitätsprinzips ist der UFS als Verwaltungsbehörde sowohl an die als verfassungswidrig aufgehobene Bestimmung als auch an die übrigen Bestimmungen des Erbschaftssteuergesetzes gebunden.
Die wichtigsten gesetzlichen Bestimmungen in der im entscheidungsmaßgeblichen Zeitraum gültigen Fassung lauten:
Gem. § 1 Abs. 1 Z 2 ErbStG unterliegen Schenkungen unter Lebenden der Schenkungssteuer. Nach § 3 Abs. 1 Z 1 ErbStG gilt als Schenkung im Sinne des Gesetzes jede Schenkung im Sinne des bürgerlichen Rechts - somit ein Vertrag, wodurch jemandem eine Sache unentgeltlich überlassen wird - sowie nach Z 2 dieser Bestimmung jede andere freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird.
Gegenstand einer Schenkung oder freigebigen Zuwendung kann jede im Verkehr stehende Sache sein, sofern sie von wirtschaftlichem Wert ist (VwGH 14.5.1980, 361/79), sohin auch die Zuwendung vermögenswerter Rechte wie etwa eines Wohnrechtes/ Wohnungsgebrauchsrechtes.
Der Schenkungssteuer unterliegen damit auch Vermögenszuwendungen ohne Schenkungsvertrag - d.h. ohne ausdrückliche Erklärung der Schenkungsabsicht bzw. Einigung des Gebers und des Bedachten über die Unentgeltlichkeit - durch die jemand, ohne eine Gegenleistung zu erbringen, auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Voraussetzung ist in objektiver Hinsicht neben der Zuwendung unter Lebenden das Vorhandensein einer bereicherten und einer durch die Zuwendung beschwerten Person, wobei sich der Bedachte der Bereicherung nicht bewusst sein muss. In subjektiver Hinsicht ist es erforderlich, dass der Zuwendende den (einseitigen) Willen hat, den Bedachten auf seine Kosten zu bereichern, d. h. diesem unentgeltlich etwas zukommen zu lassen. Die Annahme eines Bereicherungswillens ist bei Zuwendungen an einen (kraft Gesetzes erbberechtigten) Angehörigen im Besonderen gerechtfertigt, weil gerade Familienbande Gestaltungen nahe legen, zu denen gegenüber Fremden üblicherweise kein Anlass besteht (vgl. VwGH 12.7.1990, 89/16/0088,0089; siehe zu vor: Dr. Fellner, Kommentar Gebühren und Verkehrsteuern, Band III Erbschafts- und Schenkungssteuer , Rz. 7 f. und 11 zu § 3).
Ein der Schenkungssteuer unterliegender Vorgang kann auch in einem Vertrag zugunsten Dritter (§ 881 ABGB) liegen, wenn der Dritte die zu seinen Gunsten bedungene Leistung ohne entsprechende Gegenleistung erlangt. Bei den im § 881 Abs. 3 ABGB geregelten Übergabsverträgen, welche einen Anwendungsfall eines echten Vertrages zugunsten Dritter darstellen, handelt es sich um Verträge eigener Art mit erb- und familienrechtlichen Elementen, wodurch die Übergabe in Absicht einer verfrühten Erbfolge und lebzeitigen Vermögensabhandlung einer bäuerlichen Wirtschaft, eines Unternehmens oder von Vermögen an einen Angehörigen als Übernehmer erfolgt (vgl. VwGH 21.4.1983, 82/16/0172; vom 19.5.1983, 82/16/0110). Bei einer solchen Gutsübergabe treten neben die Leistungen an den Übergeber vielfach Leistungen an Dritte, beispielsweise Abfindungen an weichende potentielle Erben.
Zuwendungen in Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung können aber grundsätzlich den Tatbestand nach § 3 Abs. 1 Z 2 ErbStG nicht erfüllen. Ist nämlich der Zuwendende zu Recht oder zu Unrecht der Meinung, in Erfüllung einer bestehenden rechtlichen (bzw. gesetzlichen) Verpflichtung zu leisten, so handelt er nicht freiwillig und es fehlt ihm sohin der erforderliche Bereicherungswille (vgl. VwGH vom 8.6.1972, 289/71). Zuwendungen, die in Erfüllung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht erbracht werden, sind daher nicht freigebig im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 2 ErbStG.
Im Gegenstandsfalle liegt zunächst unzweifelhaft ein Vertrag zugunsten Dritter vor, wenn sich der Übergeber in Zusammenhang mit der Übergabe seines Liegenschaftsvermögens an den Sohn von diesem u.a. nicht nur die Einräumung eines lebenslangen Wohnrechtes für sich sondern auch für seine Ehegattin ( Berufungswerberin) versprechen hat lassen. Es handelt sich dabei um eine dem Übergeber zugesagte und an eine dritte Person zu erbringende Leistung, auf welche die Mutter des Übernehmers insoferne keinen Anspruch hat, als sie hiefür keinerlei Gegenleistung erbringen muss.
Strittig ist nunmehr die Frage, ob in subjektiver Hinsicht ein Bereicherungswille seitens des Übergebers bzw. eine Freigebigkeit deswegen nicht gegeben sei, weil die Einräumung des Wohnrechtes in Erfüllung der gesetzlichen Unterhaltspflicht des Ehegatten nach den Bestimmungen des ABGB erfolgte und der Unterhalt insbesondere auch den Anspruch auf Wohnung umfasst.
Gem. § 90 Abs. 1 ABGB sind die Ehegatten einander zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft, besonders zum gemeinsamen Wohnen, verpflichtet. Nach § 94 ABGB haben die Ehegatten nach ihren Kräften und gemäß der Gestaltung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse gemeinsam beizutragen. Der Ehegatte, der den gemeinsamen Haushalt führt, hat einen Anspruch auf Unterhalt. Dieser ist bei gemeinsamem Haushalt grundsätzlich naturaliter zu leisten. Der Unterhalt umfasst Nahrung, Kleidung, Wohnung und die übrigen Bedürfnisse.
§ 97 ABGB lautet: "Ist ein Ehegatte über die Wohnung, die der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des anderen Ehegatten dient, verfügungsberechtigt, so hat dieser einen Anspruch darauf, dass der verfügungsberechtigte Ehegatte alles unterlasse und vorkehre, damit der auf die Wohnung angewiesene Ehegatte diese nicht verliere ...". Diesfalls steht dem auf die Wohnung angewiesenen Ehegatten nach § 97 während aufrechter Ehe ein obligatorisch klagbarer Unterlassungsanspruch zu (siehe Dittrich-Tades, ABGB-Kommentar18 zu § 97).
In Koziol-Welser, Grundriss des bürgerlichen Rechts10, Band II, wird dazu auf S. 208 ausgeführt: "Zum Unterhalt gehört auch das Wohnen. Für diesen wichtigen Teilbereich gibt es allerdings die Sondervorschrift des § 97: Dient eine Wohnung, über die ein Ehegatte verfügungsberechtigt ist, der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des anderen Ehegatten, so hat dieser einen Anspruch darauf, dass der Verfügungsberechtigte alles unterlässt und vorkehrt, damit der auf die Wohnung angewiesene Gatte sie nicht verliert. Dieser Anspruch kann zwar - da er mit dem Tod des Verfügungsberechtigten erlischt - nicht gegenüber dessen Erben geltend gemacht werden, er setzt sich aber im Wohnrecht des § 758 ABGB fort ". Nach dieser Bestimmung steht dem Ehegatten (bei aufrechter Ehe) das gesetzliche Vorausvermächtnis - ähnlich einem Pflichtteil - zu, welches die zum ehelichen Haushalt gehörenden beweglichen Sachen und das Recht, in der Ehewohnung weiterhin zu wohnen, umfasst.
Im Berufungsfalle hat nunmehr der Übergeber sein Liegenschaftsvermögen, welches auch die Ehewohnung umfasst, dem Sohn übertragen, wodurch er in der Folge sein Verfügungsrecht an der Ehewohnung verliert und dadurch das Recht der Ehegattin auf die Wohnung als Teil ihres Unterhaltsanspruches nicht mehr gesichert wäre. Wenn er sich daher als (weitere) Gegenleistung für die Übergabe vom Übernehmer auch die Einräumung eines lebenslangen und grundbücherlich sicherzustellenden Wohnrecht- und Versorgungsrechtes an die Ehegattin zusichern lässt, so handelt es sich hiebei nicht um eine freigebige Zuwendung, sondern vielmehr nur um eine in Entsprechung der ihm als Verfügungsberechtigtem auferlegten Unterhaltspflicht gegenüber seiner Ehegattin im Sinne des § 97 ABGB iVm § 94 ABGB getroffene Vorkehrung, damit die auf diese Ehewohnung angewiesene Ehegattin ihr Recht auf die Wohnung nicht verliert. Andernfalls, d. h. ohne die getroffene Vorkehrung bzw. Vereinbarung eines dinglichen Wohnungsrechtes zu ihren Gunsten, hätte der Ehegattin hinsichtlich der beabsichtigten Übergabe an den Sohn im Hinblick auf die mitübergebene Ehewohnung gem. § 97 ABGB ein klagbarer Unterlassungsanspruch gegen dem Übergeber zugestanden.
Nachdem sohin gegenständlich die strittige Zuwendung in Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung, nämlich in Erfüllung der gesetzlichen Unterhaltspflicht, erfolgte bzw. dadurch bedingt war, der Bw u. a. keinen Grund für die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruches iSd § 97 ABGB zu geben, kann aber von einer Freigebigkeit der Zuwendung keine Rede sein und ist der Tatbestand nach § 3 Abs. 1 Z 2 ErbStG nicht verwirklicht worden.
Das vom Finanzamt zitierte VwGH-Erkenntnis vom 20.12.2001, 2001/16/0592, ist auf den Gegenstandsfall nicht anwendbar, da diesem ein anders gelagerter Sachverhalt zugrunde liegt. Laut Verwaltungsgerichtshof wurde nämlich mit der dortigen, zwischen den Ehegatten abgeschlossenen Vereinbarung, der Gattin von ihrem Ehemann die Dienstbarkeit des lebenslänglichen Wohnungsgebrauches an dem ihm gehörigen Gebäude unentgeltlich eingeräumt. Dadurch sei die Gattin bereichert und das Vermögen des Ehemannes durch die Belastung der Liegenschaft mit einer Dienstbarkeit geschmälert worden, weshalb in diesem Beschwerdefall Schenkungssteuerpflicht gegeben sei. Im Gegenstandsfalle kann dagegen von der Einräumung an einem dem Übergeber "gehörigen Gebäude" aufgrund der Übergabe keine Rede sein und auch nicht davon, dass "sein Vermögen" durch die Einräumung der Dienstbarkeit an die Bw geschmälert worden wäre.
In Anbetracht obiger Sach- und Rechtslage war daher der Berufung Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.
Graz, am 30. Juli 2009
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 1 Abs. 1 Z 1 ErbStG 1955, Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, BGBl. Nr. 141/1955 |