Zurückweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme der Einkommensteuer nach Zurückweisung einer Beschwerde mangels Bescheidqualität des Grundlagenbescheides durch den VwGH sowie eines Antrages auf Erlassung eines Bescheides gem. § 295 BAO.
Anmerkungen:
Serienberufung
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen des NN, in Gemeinde, vertreten durch Die Wirtschaftsberater Steuerberater GmbH, 4020 Linz, Pillweinstraße 39, vom 8. April 2009 und 15. Mai 2009 gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 1/23 vom 6. März 2009 und 17. April 2009 betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs 1 lit. b Bundesabgabenordnung (BAO) hinsichtlich Einkommensteuer 1989 und Zurückweisung eines Antrages auf Bescheidänderung gemäß § 295 BAO betreffend Einkommensteuer 1989 entschieden
Die Berufungen werden als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtenen Bescheide bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Mit Schreiben vom 11. August 2008, im Finanzamt (FA) eingelangt am 12. August 2008, beantragte Herr NN (Berufungswerber, Bw.) die Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 BAO betreffend den gem. § 295 BAO abgeänderten Einkommensteuerbescheid 1989 vom 2. Mai 1997.
Begründend führt er aus, dass mit Bescheid vom 7. Mai 2008 festgestellt worden sei, dass der dem Einkommensteuerbescheid 1989 zugrunde liegende Bescheid über die einheitliche und gesonderter Gewinnfeststellung gem. § 188 BAO vom 10. Februar 1997 mangels gültigem Bescheidadressaten ein Nichtbescheid sei, welcher keine Rechtswirkungen entfalte.
Der auf Grundlage des Nichtbescheides erlassene - gemäß § 295 BAO abgeänderte -Einkommensteuerbescheid 1989 vom 2. Mai 1997, welcher den ursprünglichen Einkommensteuerbescheid ersetzt habe, entbehre daher der gesetzlichen Grundlage. Dieser Mangel könne nach der Judikatur auch nicht durch einen nachträglich erlassenen Grundlagenbescheid geheilt werden und es sei im Wege der beantragten Wiederaufnahme der Rechtszustand vor Erlassung des Bescheides vom 2. Mai 1997 herzustellen. Es sei der Einkommensteuerbescheid 1989 in seiner ursprünglichen Fassung vom 27. August 1991 zu erlassen.
Die Qualifizierung des Grundlagenbescheides als Nichtbescheid stelle eine, als tauglichen Wiederaufnahmegrund hinsichtlich des Einkommensteuerbescheides 1989 anzusehende, neu hervorgekommene Tatsache iSd § 303 Abs. 1 lit b BAO dar. Die Unkenntnis der bescheiderlassenden Behörde betreffend den fehlenden Bescheidcharakter könne diesen Umstand im Verhältnis zum Rechtsunterworfenen nur zu einer "neu hervorgekommenen" Tatsache machen, wobei den Bw. an der Nichtgeltendmachung kein grobes Verschulden treffe. Diese Rechtsansicht des Bw. werde durch das Bundesministerium für Finanzen (BMfF) in einem Schreiben vom 28. Oktober 2005 geteilt.
Die Wiederaufnahme des Verfahrens würde zu einem im Spruch abgeänderten Einkommensteuerbescheid 1989 führen.
Das FA wies den Wiederaufnahmeantrag mit Bescheid vom 6. März 2009 zurück und führte begründend aus, dass die Eingabe nicht fristgerecht eingebracht worden sei.
Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens sei binnen einer Frist von drei Monaten ab Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes einzubringen. Nach Eintritt der Verjährung sei eine Wiederaufnahme ausgeschlossen, sofern nicht innerhalb von fünf Jahren ab Eintritt der Rechtskraft des verfahrensabschließenden Bescheides eingebrachter Antrag gem. § 303 Abs. 1 BAO zugrunde liege.
Die Antragsfrist habe im vorliegenden Fall gem. § 304 lit. b BAO fünf Jahre nach Eintritt der Rechtskraft (somit fünf Jahr nach Zustellung und Rechtskraft des Einkommensteuerbescheides vom 2. Mai 1997), spätestens im Monat Juni 2002 geendet.
Aus der Zurückweisung der Berufung gegen einen Nichtbescheid könne keine mittelbare Abhängigkeit iSd § 209a Abs. 2 BAO von in einem Feststellungsbescheid enthaltenen, für andere Abgabenbescheide bedeutsamen Feststellungen gem. § 185 ff BAO abgeleitet werden.
Außerdem habe dem Bw. bekannt sein müssen, dass es sich bei dem 1997 durchgeführten Feststellungsverfahren - seinem eigenen Vorbringen nach - um einen Nichtbescheid gehandelt hatte, sodass von grobem Verschulden an der verspäteten Geltendmachung des Wiederaufnahmegrundes auszugehen sei.
Weiters sei auch die Dreimonatsfrist gem. § 303 Abs. 2 BAO abgelaufen, da dabei auf die Kenntniserlangung der Nichtbescheides aus dem Jahr 1997 abzustellen sei.
In der Berufung vom 8. April 2009 bestritt der Berufungswerber den Eintritt der Verjährung hinsichtlich der Einkommensteuer für 1989.
Am 27. September 1990 sei eine einheitliche und gesonderte Feststellungserklärung A* GmbH und atypisch Stille Gesellschafter abgegeben worden, über die am 24. Mai 1991 erklärungsgemäß abgesprochen worden sei.
Nach Durchführung einer Wiederaufnahme des Verfahrens sei dieser Bescheid durch den - oben erwähnten - Feststellungsbescheid vom 10. Februar 1997 ersetzt worden, zu dem nun mit Bescheid vom 7. Mai 2008 (Anm. des Finanzamtes Wien 6/7/15) festgestellt worden sei, dass er nichtig gewesen sei. Grund für die nichtigen Bescheide seien Fehler in der Adressierung gewesen. Insbesondere seien in dem einheitlichen und gesonderten Feststellungsbescheid bereits verstorbenen Personen angeführt worden.
Diesbezüglich sei zu beachten, dass auch im (Erst)Bescheid vom 24. Mai 1991 bereits verstorbene Personen angeführt worden seien. Somit sei auch dieser Bescheid als Nichtbescheid zu qualifizieren, womit über die Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte bislang nicht bescheidmäßig abgesprochen worden sei. Es sei daher die am 27. September 1990 abgegebene Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte noch immer unerledigt und daher sei wegen mittelbarer Abhängigkeit der Einkommensteuer von diesem Grundlagenbescheid gem. § 209a Abs. 2 BAO Verjährung für 1989 noch nicht eingetreten.
Überdies müsse die Behörde aufgrund der Zurückweisungsbescheide gem. § 295 BAO neue abgeleitete Bescheide erlassen, da sie den abgeleiteten Bescheid rechtswidrig aufgrund eines Nichtbescheides neu erlassen habe. Zwingendes Ergebnis des Rechtsmittelverfahrens wäre somit die Neuerlassung abgeleiteter Einkommensteuerbescheide für 1989. Daher sei auch wegen mittelbarer Abhängigkeit des Verfahrens von Erledigung einer Berufung in Anwendung des § 209a BAO keine Verjährung eingetreten.
Lange Verfahrensdauern dürften nicht zu Lasten der Steuerpflichtigen gehen, vor allem dann nicht, wenn diese die Finanzverwaltung auf Fehler (Erlassung von Nichtbescheiden) im Rahmen des Berufungsverfahrens sogar aufmerksam gemacht hätten.
Weiters wurde in der Berufung neuerlich die Erlassung eines abgeleiteten Bescheides gem. § 295 BAO beantragt.
Mit Bescheid vom 17. April 2009 wurde auch dieser Antrag vom 8.April 2009 als unzulässig zurückgewiesen, weil ein auf § 295 BAO gestützter Bescheid von amtswegen zu ergehen hätte und diesbezüglich kein Antragsrecht der Partei bestünde.
In der gegen den Zurückweisungsbescheid vom 17. April 2009 rechtzeitig eingebrachten Berufung vom 15. Mai 2009 brachte der Bw. vor, dass hinsichtlich Einkommensteuer 1989 gemäß § 295 BAO vorzugehen wäre. Es könne nicht sein, dass ein von einem Nichtbescheid abgeleiteter Einkommensteuerbescheid zwar rechtswidrig ergangen sei, dieser dann aber nicht gem. § 295 BAO wieder aufhoben werde.
Diese Auslegung würde dem Zweck der Bestimmung zuwiderlaufen und sei daher in verfassungskonformer Auslegung § 295 BAO auf den gegenständlichen Fall anzuwenden.
Fakt sei, dass der Einkommensteuerbescheid 1989 aufgrund eines Nichtbescheides geändert worden sei, dass dieser Vorgang rechtswidrig gewesen sei und die Rechtswidrigkeit nach der Judikatur des VwGH ( VwGH 24.11.1980, 93/14/0203) nicht durch einen etwaigen gleichlautenden zukünftigen Feststellungsbescheid saniert werden könne.
Beide Berufungen wurden - ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung - an den Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorgelegt.
Über die Berufung wurde erwogen:
Aus den Berufungen des Bw. und dem Akteninhalt ergibt sich folgender unstrittiger Sachverhalt:
Mit Einkommensteuerbescheid vom 27. August 1991 wurden dem Bw. Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus einer atypisch stillen Beteiligung an A* GmbH und atypisch stille Gesellschafter (nunmehriger Rechtsnachfolger B-AG) zugerechnet. Der im Rahmen dieses Bescheides erfasste Betrag ergab sich aus der erklärungsgemäßen Verarbeitung der Erklärung der einheitlichen und gesonderten Einkünfte der Mitunternehmerschaft gem. § 188 BAO vom 27. September 1990.
Entsprechend dem glaubwürdigen Vorbringen des Bw. mangelte es bereits dieser ursprünglich antragsgemäß erlassenen Erledigung an Bescheidqualität, weil auch in diesem Grundlagenbescheid bereits verstorbene Personen als Bescheidadressaten genannt waren.
Es ist daher festzustellen, dass dem Vorbringen des Bw. folgend bis dato kein gültiger Grundlagenbescheid betreffend B-AG als Rechtsnachfolgerin A* GmbH und atypisch stille Gesellschafter ergangen ist.
Aufgrund einer Betriebsprüfung (Bp) betreffend die Jahre 1989 - 1991 bei der B-AG als Rechtsnachfolger A* GmbH und atypisch stille Gesellschafter erließ das zuständige FA am 10. Februar 1997 eine geänderten Grundlagenbescheid für 1989, welcher mittels Berufung vom 17. April 1997 bekämpft wurde.
Von diesem Grundlagenbescheid abgeleitet erließ das für die Einkommensteuererhebung des Bw. zuständige FA am 2. Mai 1997 einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 1989, welcher unstrittig noch im Jahr 1997 ein Monat nach Zustellung in formelle Rechtskraft erwuchs.
In der gegen die den Grundlagenbescheid betreffenden abweisende Berufungsentscheidung vom 28. Oktober 2002 zu Zl 2002/13/0225 eingebrachten und mit Bescheid vom 27. Februar 2008 als unzulässig zurückgewiesenen VwGH - Beschwerde vom 12. Dezember 2002, stellt der Bw. (Beschwerdeführer Nr. 776) durch seinen ausgewiesenen Vertreter dar, dass der Feststellungsbescheid 1989 (Grundlagenbescheid) vom 10. Februar 1997 falsch adressiert gewesen sei.
Wörtlich wird ausgeführt: "Wie oben nachgewiesen, sind die Feststellungsbescheide [...], die infolge der Betriebsprüfung [...] erlassen wurden, nicht rechtswirksam ergangen, da die Voraussetzungen [...] hinsichtlich der korrekten Benennung des Bescheidadressaten nicht erfüllt sind."
Aufgrund des Zurückweisungsbescheides des VwGH vom 27. Februar 2008, 2002/13/0225 betreffend die Beschwerde gegen die Berufungsentscheidung vom 28. Oktober 2002, wies das für die Erlassung des Grundlagenbescheides zuständige FA 6/7/15 die den Grundlagenbescheid bekämpfende Berufung vom 17. April 1997 mit Bescheid vom 7. Mai 2008 als unzulässig zurück, weil dem bekämpften Schriftstück mangels gültigem Bescheidadressaten kein Bescheidcharakter zukomme.
Aus der oben zitierten Formulierung der VwGH - Beschwerde vom 12. Dezember 2002 ist eindeutig erkennbar, dass das FA mit der Zurückweisung der Berufung gegen den Grundlagenbescheid vom 7. Mai 2008 lediglich einen Mangel bestätigte, der dem Bw. bzw. seinem Vertreter schon spätestens am 12. Dezember 2002 bekannt und bewusst war.
Ein Wiederaufnahmeantrag hinsichtlich Einkommensteuer 1989 wurde vom Bw. vor dem streitgegenständlichen Antrag vom 11. August 2008 nicht gestellt.
1. Antrag auf Wiederaufnahme
Eine Wiederaufnahme des Verfahrens auf Antrag hinsichtlich Einkommensteuer 1989 ist nur zulässig, wenn betreffend dieses Verfahrens nicht bereits Verjährung eingetreten ist. eingetreten ist.
Nach § 209 Abs. 3 BAO idgF verjährt das Recht auf Festsetzung einer Abgabe spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches (§ 4 BAO). Der Abgabenanspruch der veranlagten Einkommensteuer entsteht nach § 4 Abs. 2 lit. a Z 2 BAO insbesondere mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird, soweit nicht der Abgabenanspruch nach § 4 Abs. 2 lit. a Z 1 BAO schon früher entstanden ist, oder wenn die Abgabepflicht im Lauf eines Veranlagungszeitraumes erlischt, mit dem Zeitpunkt des Erlöschens der Abgabepflicht.
Bei der veranlagten Einkommensteuer für 1989 trat mit Ablauf des Jahres 1999 die absolute Festsetzungsverjährung ein. Am Eintritt der absoluten Verjährung ändert auch der Umstand nichts, dass die absolute Verjährungsfrist erst mit dem Steuerreformgesetz 2005, BGBl. I 2004/57 ab 1. Jänner 2005 von fünfzehn auf zehn Jahre verkürzt wurde, trat doch die absolute Verjährung der Einkommensteuer 1989 selbst nach Maßgabe einer fünfzehnjährigen absoluten Verjährungsfrist jedenfalls mit Ablauf des Jahres 2004 - und damit jedenfalls vor Antragstellung auf Wiederaufnahme - ein.
Dem Vorbringen des Berufungswerbers, dass nach Maßgabe des § 209a Abs. 2 BAO die Verjährung nicht eingetreten sei, ist entgegenzuhalten:
§ 209 a Abs. 1 und 2 BAO lauten:
"(1) Einer Abgabenfestsetzung, die in einer Berufungsentscheidung zu erfolgen hat, steht der Eintritt der Verjährung nicht entgegen.
(2) Hängt eine Abgabenfestsetzung unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung oder eines in Abgabenvorschriften vorgesehenen Antrages (§ 85) ab, so steht der Abgabenfestsetzung der Eintritt der Verjährung nicht entgegen , wenn die Berufung oder der Antrag vor diesem Zeitpunkt, wenn ein Antrag auf Aufhebung gemäß § 299 Abs. 1 vor Ablauf der Jahresfrist des § 302 Abs. 1 oder wenn ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens rechtzeitig im Sinn des § 304 eingebracht wurde ."
Schon aus dem Wortlaut dieser Bestimmungen ergibt sich, dass diese den Eintritt der Verjährung nicht verhindern, sondern unter den dort genannten Voraussetzungen eine Abgabenfestsetzung trotz des Eintrittes der Verjährung zulassen. Damit kann die Rechtsansicht des Berufungswerbers, dass Verjährung noch nicht eingetreten sei, nicht geteilt werden.
Für den strittigen Wiederaufnahmeantrag kommt nur § 209a Abs. 2 BAO zur Anwendung, wenn dieser trotz eingetretener Verjährung rechtzeitig iSd § 304 eingebracht wurde. Der Umstand, dass allenfalls die Abgabenfestsetzung noch auf Grund anderer noch nicht erledigter Anträge trotz Eintritt der Verjährung zulässig sein könnte, bedeutet noch nicht, dass die Abgabenfestsetzung auf Grund des gegenständlichen Wiederaufnahmeantrages zulässig sein muss. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist lediglich die Frage der Zulässigkeit der Wiederaufnahmeantrages vom 23. Juli 2008.
Die in einer Einzelerledigung des Bundesministeriums für Finanzen vom 28. Oktober 2005 vertretene Rechtsansicht, wonach die Wiederaufnahme auch dann zu bewilligen sei, wenn die Bemessungsverjährung der Erlassung eines neuerlichen Änderungsbescheides entgegensteht, ist gem. § 6 Abs. 1 UFSG für den Unabhängigen Finanzsenat nicht bindend und hat aus diesem Grunde die Beurteilung der gegenständlichen Rechtsfragen ausschließlich anhand der gesetzlichen Bestimmungen zu erfolgen.
Für die Bewilligung einer beantragten Wiederaufnahme sieht § 304 BAO Ausnahmen von der grundsätzlich maßgebenden Befristung durch die Verjährung vor.
Die Siebenjahresfrist des § 304 lit. a BAO ist unterbrechbar (bzw. ab 2005 verlängerbar) und hemmbar. Die absolute Verjährungsfrist (§ 209 Abs. 3 BAO) begrenzt auch die Frist des § 304 lit. a BAO (Ritz, BAO³, § 304 Tz. 5 unter Hinweis auf Ellinger ua., BAO³, § 209 Anm. 20 und § 304 Anm. 2).
Für den gegenständlichen Wiederaufnahmeantrag vom 11. August 2008 ist ausschlaggebend, dass dieser nicht vor Eintritt der absoluten Verjährung, welche mit 31. Dezember 1999 (jedenfalls aber mit 31. Dezember 2004) eingetreten ist, eingebracht wurde. Aus diesem Grund ist die Wiederaufnahme des Verfahrens auf Grund des Antrages vom 11. August 2008 nach § 304 lit. a BAO nicht zulässig.
Bei der Fünfjahresfrist des § 304 lit. b BAO ist unter Rechtskraft die formelle Rechtskraft zu verstehen (Ritz, ÖStZ 1995, 120; Ellinger ua, BAO³, § 304 Anm. 5). Diese Frist ist vor allem bedeutsam, wenn die Frist des § 304 lit. a BAO im Zeitpunkt der Stellung des Wiederaufnahmeantrages bereits abgelaufen ist (somit insbesondere für nach Ablauf der sog. absoluten Verjährungsfrist des § 209 Abs. 3 BAO gestellte Wiederaufnahmeanträge).
Im gegenständlichen Fall wurde nicht bestritten, dass die formelle Rechtskraft des Einkommensteuerbescheides für 1989 vom 24. April 1997 bereits im Jahr 1997 eingetreten ist. Daraus ergibt sich, dass der nunmehr am 23. Juli 2008 eingebrachte Wiederaufnahmeantrag nicht innerhalb der Fünfjahresfrist des § 304 lit. b BAO eingebracht wurde.
Damit ist dem Finanzamt zuzustimmen, wenn aus diesem Grund der gegenständliche Wiederaufnahmeantrag zurückgewiesen wurde.
Wäre der Wiederaufnahmeantrag iSd § 209a iVm § 304 BAO als rechtzeitig anzusehen, ist anhand der Kriterien des § 303 Abs. 1 BAO die rechtmäßig zu prüfen.
Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO - worauf sich der strittige Antrag in seiner Begründung ausdrücklich und ausschließlich stützt - ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Der Antrag auf Wiederaufnahme ist gemäß Abs. 2 leg. cit. binnen einer Frist von drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmegrund
Kenntnis erlangt hat, bei der Abgabenbehörde einzubringen, die im abgeschlossenen
Verfahren den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.
Die oben zitierte Dreimonatsfrist beginnt mit Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes und nicht erst mit dessen Beweisbarkeit zu laufen und ist nicht verlängerbar (Ritz, BAO3, § 303 Tz 27f unter Verweis auf VwGH 3.10.1984, 83/13/0067). Der Berufungswerber hat sich dabei auch die Kenntnis seines Vertreters zurechnen zu lassen. Er hat gegenüber der Abgabenbehörde nämlich nicht nur seine eigenen Handlungen und Unterlassungen, sondern auch die derjenigen Personen zu vertreten, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient (VwGH 12.8.1994, 91/14/0018).
Ein verspätetet geltend gemachter Wiederaufnahmegrund ist zurückzuweisen (VwGH 22.2.1994, 91/14/0069).
Im Wiederaufnahmeantrag beruft sich der Berufungswerber ausdrücklich darauf, die Qualifizierung des Grundlagenbescheides sei eine neu hervorgekommene Tatsache. Dazu hat das Höchstgericht in ständiger Rechtssprechung (vgl. etwa VwGH 26.4.1994, 91/14/0129) ausgesprochen, dass Tatsachen im Sinn des § 303 Abs. 1 lit. b BAO ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände seien, also Elemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis geführt hätten, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften. Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung solcher Sachverhaltselemente - gleichgültig, ob diese späteren rechtlichen Erkenntnisse durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder der Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden - sind danach keine neuen Tatsachen.
Nur neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel - das sind solche, die schon vor Erlassung des das wieder aufzunehmende Verfahren abschließenden Bescheides bestanden haben, aber erst nach diesem Zeitpunkt bekannt wurden (nova reperta) - kommen als tauglicher Wiederaufnahmegrund im Sinne des Neuerungstatbestandes in Betracht. Erst nach Erlassung des das wieder aufzunehmende Verfahren abschließenden Bescheides entstandene Tatsachen oder Beweismittel (nova producta) sind daher keine tauglichen Wiederaufnahmegründe.
Die Entscheidung eines Gerichtes oder einer Verwaltungsbehörde in einer bestimmten Rechtssache stellt weder eine neue Tatsache (VwGH 17.9.1990, 90/15/0118 mwN), noch ein (neu hervorgekommenes) Beweismittel im Sinn des § 303 Abs. 1 lit. b BAO dar, sondern basiert vielmehr selbst auf Tatsachen bzw. Beweismitteln (VwGH 21.2.1985, 83/16/0027).
Damit kann zusammenfassend festgestellt werden, dass im Rahmen des Neuerungstatbestandes nicht - wie vom Berufungswerber ins Treffen geführt - die Entscheidung über die Zurückweisung der Berufung vom 7. Mai 2008 sondern ausschließlich die Tatsachen und Beweismittel zu beurteilen sind, die zu dieser Entscheidung geführt haben (UFS 21.5.2008, RV/1339-L/07). Die Entscheidung selbst kann schon deshalb nicht herangezogen werden, da es sich bei ihr um ein nach Erlassung des letztgültigen Einkommensteuerbescheides neu entstandenes Faktum (novum productum) handelt.
Die Tatsache sowie die Gründe der Falschadressierung des Feststellungsbescheides vom 10. Februar 1997 wurden vom Berufungswerber jedenfalls im Rahmen seiner VwGH -Beschwerde vom 12. Dezember 2002 vorgebracht. Diese Tatsache und die entsprechenden Beweismittel waren dem Berufungswerber daher spätestens an diesem Tag bekannt und bewusst.
Der strittige Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 1989, datiert mit 11. August 2008, wurde damit mehr als fünf Jahre nach der nachweislichen Kenntniserlangung der dafür behaupteten Gründe gestellt, womit dieses Anbringen aus Sicht des Neuerungstatbestandes jedenfalls als verspätet zu beurteilen ist.
Der Wiederaufnahmeantrag war daher vom Finanzamt zurückzuweisen.
2. Antrag auf Erlassung eines gemäß § 295 BAO abgeleiteten Bescheides
Die auf § 295 BAO gestützte Erlassung eines Bescheides ist eine amtswegige Maßnahme. § 295 Abs. 1 BAO normiert ausdrücklich "von Amts wegen"; § 295 Abs. 2 BAO macht Abs. 1 "sinngemäß" anwendbar und § 295 Abs 3 BAO baut auf Abs. 1 auf (arg: "auch ansonsten").
Ein Antrag auf eine amtswegige Maßnahme ist nicht zulässig, weshalb er zurückzuweisen ist (vgl UFS 12.9.2008, RV/2574-W/08). Die denkbare Ausnahme, dass ein Antrag auf eine amtswegige Maßnahme gestellt würde und die Behörde tatsächlich die Maßnahme von Amts wegen vornähme, sodass der Antrag in der amtswegigen Maßnahme auch seine Erledigung fände (vgl Stoll, BAO, 2999f), liegt hier nicht vor, denn das Finanzamt hat eben nicht den vom (neuen) Einkommensteuerbescheid 1989 erlassen.
§ 295 BAO sieht - anders etwa als §§ 201 und 299 BAO - kein Antragsrecht neben der Vorgangsweise von Amts wegen vor. Ein solches Antragsrecht wäre auch überflüssig, weil § 295 BAO keinen Ermessensspielraum lässt und es folglich durch § 311 Abs. 2 BAO ohnehin ein Rechtsmittel gibt, das den Abgabepflichtigen vor Untätigkeit des Finanzamtes, wenn dieses von Amts wegen tätig zu werden hätte, schützt (vgl auch Ellinger ua, BAO³, § 295 Anm 12, § 311 Anm 18). Deshalb stellt die Unzulässigkeit eines Antrages auf Erlassung eines abgeleiteten Bescheides gemäß § 295 BAO auch kein denkunmögliches Interpretationsergebnis dar.
Im übrigen setzt die Maßnahme des § 295 BAO die rechtliche Existenz eines Grundlagenbescheides voraus. Dieser muss nachträglich (somit nach Zustellung des abgeleiteten Bescheides) erlassen oder abgeändert worden sein (Ritz, BAO³, § 295 Tz. 3). Da ein solcher rechtsgültiger Grundlagenbescheid - wie der Bw. selbst ausführt - bis zum hier zu beurteilenden Antrag nicht ergangen ist, kommt eine Berichtigung des Einkommensteuerbescheides des Bw. auch aus diesem Grund nicht in Betracht.
Die Zurückweisung des Antrages vom 8. April 2009 auf Bescheidänderung gemäß § 295 BAO durch das Finanzamt erfolgte daher zu Recht. Die dagegen gerichtete Berufung war daher abzuweisen.
Wien, am 21. Juli 2009
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise: |