UFS RV/4118-W/08

UFSRV/4118-W/0813.2.2009

Anträge auf Wiederaufnahme des ESt-Verfahrens 1989 und auf Erlassung eines abgeleiteten ESt-Bescheides für 1989 gemäß § 295 BAO

 

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen des BwAlsErbeNachRechtsvorgängerin,

entschieden:

Die Berufungen werden als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw) ist laut Einantwortungsurkunde aus dem Jahr 2002 der Alleinerbe seiner Mutter C und damit deren Gesamtrechtsnachfolger und somit deren Rechtsnachfolger in den Angelegenheiten ihrer Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 1989.

Am 11. August 2008 langte beim Finanzamt X ein mit 8. August 2008 datierter Schriftsatz ein (FA-Akt Bl 1ff), der inhaltlich dem später zu erwähnenden, am 24. November 2008 beim Finanzamt X eingereichten Schriftsatz (Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens) entspricht mit den wesentlichen Unterschieden, dass der am 11. August 2008 eingelangte Schriftsatz laut Briefkopf die "Verlassenschaft nach C " als Antragstellerin auswies und nicht unterschrieben war.

Das Finanzamt X erließ an den Bw als Erbe nach C einen mit 29. August 2008 datierten Bescheid, mit dem der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom 8. August 2008 zurückgewiesen wurde, weil er nicht fristgerecht eingebracht worden sei (FA-Akt Bl 10).

Gegen diesen Bescheid erhob der Bw mit - zunächst nicht unterschriebenem - Schriftsatz vom 8. September 2008 (FA-Akt Bl 12f) Berufung. Wegen des Mangels der fehlenden Unterschrift auf der Berufung vom 8. September 2008 trug das Finanzamt X mit Bescheid vom 7. November 2008 dem Bw auf, diesen Mangel gemäß § 85 Abs 2 BAO bis 9. Dezember 2008 zu beheben, ansonsten die Berufung als zurückgenommen gelte (FA-Akt Bl 19). Diesem Mängelbehebungsauftrag entsprach der Bw, indem er den mit 8. September 2008 datierten Schriftsatz am 13. November 2008 unterschrieb.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 13. November 2008 hob das Finanzamt X den angefochtenen Zurückweisungsbescheid vom 29. August 2008 ersatzlos auf, weil die Verlassenschaft nach C infolge Einantwortung im Jahre 2002 zum Zeitpunkt der Antragstellung rechtlich nicht mehr existierte und mit dem angefochtenen Bescheid über ein nicht existentes Anbringen des Bw abgesprochen worden war (FA-Akt Bl 20f).

Laut Eingangsstempel wurde am 24. November 2008 ein mit 8. August 2008 datierter Schriftsatz (FA-Akt Bl 23ff), der vom Bw unterschrieben war und im Briefkopf den Bw als Erbe nach C als Antragsteller ausweist, beim Finanzamt X eingereicht, worin der Bw "innerhalb offener Frist den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 BAO" betreffend "gem. § 295 BAO abgeänderter Einkommensteuerbescheid 1989 ausgestellt am 04.12.1998" stellte.

Unter der Zwischenüberschrift "Wiederaufnahmegrund" brachte der Bw vor (Fettdruck im Original): "Mit Bescheid vom 07.05.2008 - eingelangt am 14.05.2008 - wurde festgestellt, dass der dem oben genannten Einkommensteuerbescheid 1989 zugrunde liegende Bescheid gem. § 188 BAO vom 10.02.1997 mangels gültigem Bescheidadressaten der Bescheidcharakter fehlt und dieser somit keine normative Kraft entfalten konnte. Es handelt sich um einen Nichtbescheid (VwGH 29.09.1997, 93/170042). Die Qualifizierung des Grundlagenbescheides als Nichtbescheid stellt eine neu hervorgekommene Tatsache im Sinn des § 303 Abs. 1 lit. b BAO dar und ist als tauglicher Wiederaufnahmegrund zu qualifizieren. Wenn selbst der bescheiderlassenden Behörde die Tatsache nicht bekannt war, dass der Grundlagenbescheid nicht über Bescheidcharakter verfügte, so kann diese Tatsache im Verhältnis zum Rechtsunterworfenen nur als "neu hervorgekommen" gelten. Den Wiederaufnahmswerber trifft kein grobes Verschulden an der Nichtgeltendmachung dieses Umstandes."

Diese Rechtsansicht werde durch eine Erledigung des Bundesministeriums für Finanzen vom 28. Oktober 2005 geteilt. Die Wiederaufnahme des Verfahrens würde zu einem im Spruch abgeänderten Einkommensteuerbescheid 1989 führen.

Auf der zweiten Seite desAntragsschreibens brachte der Bw unter den Zwischenüberschriften "Begründung" und "I. Sachverhalt" vor, dass mit Grundlagenbescheid für das Jahr 1989, datiert mit 28. März 1991, die anteiligen Einkünfte aus Gewerbebetrieb ihm zugewiesen worden seien. Im Jahr 1993 habe eine den Zeitraum 1989 - 1991 betreffende Betriebsprüfung, die bis 18. Juni 1996 gedauert habe, begonnen; der BP-Bericht sei mit 20. September 1996 datiert. Das Finanzamt habe am 10. Februar 1997 - eingelangt am 19. März 1997 - einen Bescheid gem. § 188 BAO an die "GesellschaftA" sowie an die "GesellschaftB" erlassen, wobei hinsichtlich des Jahres 1989 eine abweichende Feststellung gegenüber dem Grundlagenbescheid vom 28. März 1991 getroffen worden sei. Gegen den Bescheid vom 10. Februar 1997 sei zeitgerecht Berufung erhoben worden. Mit Berufungsentscheidung vom 28. Oktober 2002 sei der Grundlagenbescheid vom 10. Februar 1997 bestätigt und die Berufung als unbegründet abgewiesen worden. Gegen diese Erledigung sei am 12. Dezember 2002 eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht worden, welcher mit Beschluss vom 27. Februar 2008 - eingelangt am 13. März 2008 - die Beschwerde zurückgewiesen habe. Mit Bescheid vom 7. Mai 2008 habe die Finanzverwaltung zur Steuernummer St.Nr.A sowie zu Steuernummer St.Nr.B einen Zurückweisungsbescheid zur Berufung vom 17. April 1997 erlassen. "Der nunmehr vorliegende Zurückweisungsbescheid des Finanzamtes für den 6/7/15 Bezirk erklärt den Grundlagenbescheid 1989 vom 10.02.1997 - mangels gültigem Bescheidadressaten - zu einem Nichtbescheid und weist die Berufung als unzulässig zurück. Abgeleiteter Bescheid / Einkommensteuerbescheid 1989 Aufgrund vorhin erwähnter Nichtbescheide - erlassen durch das Finanzamt für den 6/7/15 Bezirk - wurde mein ursprünglicher Einkommensteuerbescheid 1989 gem. § 295 BAO durch den vorliegenden Einkommensteuerbescheid 1989 vom 10.02.1997 ersetzt."

Nach Ansicht der Berufungsbehörde zielt - auch unter Bedachtnahme auf den Wortlaut von § 303 BAO ("... Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ...") - der im November 2008 vom Bw in seiner Eigenschaft als Rechtsnachfolger seiner Mutter eingebrachte Antrag auf die Wiederaufnahme des seine Mutter betreffenden Einkommensteuerverfahrens für das Jahr 1989 ab, welches unstrittig durch einen Bescheid rechtskräftig abgeschlossen worden ist. Ob dies laut Antrag durch einen Bescheid vom 10. Februar 1997 oder laut Ausdruck des Finanzamtes aus der Steuerdatenbank durch einen Bescheid vom 2. Dezember 1998 geschehen ist, ist aufgrund der ausreichend langen Überschreitung der Fünf-Jahres-Frist gemäß § 304 lit b zwar für den Spruch der vorliegenden Entscheidung unerheblich; die Angaben von Finanzamt und Bw können aber anhand der tabellenartigen Übersichten in der Berufungsschrift vom 2. Dezember 2008 mit der Angabe "04.12.1998" in Einklang gebracht werden: Abschluss des Einkommensteuerverfahrens 1989 mit einem mit 2. Dezember 1998 datierten und am 4. Dezember 1998 zugestellten Bescheid. Hingegen wird der 10. Februar 1997 ansonsten vom Bw als Datierung des nach der Betriebsprüfung erlassenen Einkünftefeststellungsbescheides vorgebracht.

Das Finanzamt X wies den Wiederaufnahmeantrag mit Bescheid vom 26. November 2008 zurück und führte begründend aus, dass die Eingabe nicht fristgerecht eingebracht worden sei. Das Recht auf Festsetzung einer Abgabe ende spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches. Nach Eintritt der Verjährung sei gemäß § 304 lit. b BAO eine Wiederaufnahme des Verfhrens ausgeschlossen, sofern ihr nicht ein vor dem Ablauf einer Frist von fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides eingebrachter Antrag gemäß § 303 Abs 1 BAO zugrunde liege. Die Rechtskraft des Einkommensteuerbescheides 1989 sei mit 11. Jänner 1999 eingetreten. Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 1989 sei daher als verspätet eingebracht zurückzuweisen.

Mit Schreiben vom 2. Dezember 2008 (FA-Akt Bl 30ff), beim Finanzamt X eingebracht am 4. Dezember 2008, erhob der Bw gegen den Zurückweisungsbescheid vom 26. November 2008 Berufung, wobei als Überschrift/Betreff angeführt war: "Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid vom 26. November 2008 Antrag auf Erlassung eines abgeleiteten Bescheides gemäß § 295 BAO"

Begründend brachte der Bw vor, dass er (gemeint wohl: seine Mutter) sich im Jahr 1989 an der "gesellschaftA" und an der "gesellschaftB" beteiligt habe.

Hinsichtlich der Einkünfte 1989 der "gesellschaftA" sei am 4. September 1990 eine einheitliche und gesonderte Feststellungserklärung abgegeben worden. Mit Bescheid vom 28. März 1991 sei die "Mitunternehmerschaft" erklärungsgemäß veranlagt worden. Im Jahr 1997 sei das Verfahren hinsichtlich der Einkünfte 1989 wieder aufgenommen worden und es sei am 10. Februar 1997 ein neuer einheitlich und gesonderter Feststellungsbescheid erlassen worden. (Weiter wie im Wiederaufnahmeantrag)

Gegen die Verjährung brachte der Bw vor, dass die einheitliche und gesonderte Feststellungserklärung nie bescheidmäßig erledigt worden sei. Auch im (Erst)Bescheid vom 28. März 1991 seien bereits verstorbene Personen angeführt worden. Beispielsweise werde verwiesen auf (namentlich genannte Personen), die am 6. Mai 1990 bzw 23. Mai 1990 bzw 5. August 1990 bzw 24. November 1990 verstorben seien. Somit sei auch der Bescheid vom 28. März 1991 als Nichtbescheid zu qualifizieren. Gemäß § 209a Abs 2 BAO hänge die Einkommensteuerveranlagung des Bw mittelbar von der Erledigung der abgegebenen einheitlich und gesonderten Einkünftefeststellung ab.

Weiters hänge die Einkommensteuerveranlagung 1989 von einem Rechtsmittelverfahren ab. Selbst, wenn man den Bescheid vom 28. März 1991 nicht als nichtig ansähe, könne hinsichtlich des Einkommensteuerbescheides 1989 keine Verjährung eingetreten sein. Denn dann müsste die Behörde aufgrund der Zurückweisungsbescheide gemäß § 295 BAO einen neuen abgeleiteten Bescheid erlassen, da sie den abgeleiteten Bescheid rechtswidrig aufgrund eines Nichtbescheides neu erlassen habe. Zwingendes Ergebnis des Rechtsmittelverfahrens gegen die nichtigen Bescheide wäre somit die Neuerlassung abgeleiteter Einkommensteuerbescheide für 1989. Daher sei auch wegen indirekter (mittelbarer) Abhängigkeit des Verfahrens von der Erledigung einer Berufung in Anwendung des § 209a BAO keine Verjährung eingetreten. Jede andere Auslegung der §§ 295 und 209a BAO wäre denkunmöglich, denn es dürfe nicht aufgrund von Fehlern der Finanzverwaltung (Erlassung von Nichtbescheiden) und des langen Rechtsmittelverfahrens Verjährung zu Lasten des Steuerpflichtigen eintreten. Abschließend zur Thematik der zuerst vorgebrachten Mitunternehmerschaft führte der Bw aus: "Aus diesem Grund beantrage ich auch ausdrücklich, einen abgeleiteten Bescheid zu erlassen, der den Rechtszustand wiederherstellt, der vor Erlassung des rechtswidrigen abgeleiteten (weil von einem nichtigen Bescheid abgeleitet) Bescheides bestanden hat."

Hinsichtlich der Einkünfte 1989 der "gesellschaftB" sei am 27. September 1990 eine einheitliche und gesonderte Feststellungserklärung abgegeben worden. Mit Bescheid vom 24. Mai 1991 sei die "Mitunternehmerschaft" erklärungsgemäß veranlagt worden. Im Jahr 1997 sei das Verfahren hinsichtlich der Einkünfte 1989 wieder aufgenommen worden und es sei am 10. Februar 1997 ein neuer einheitlich und gesonderter Feststellungsbescheid erlassen worden. (Weiter wie im Wiederaufnahmeantrag)

Gegen die Verjährung brachte der Bw vor, dass die einheitliche und gesonderte Feststellungserklärung nie bescheidmäßig erledigt worden sei. Auch im (Erst)Bescheid vom 24. Mai 1991 seien bereits verstorbene Personen angeführt worden. Beispielsweise werde verwiesen auf (namentlich genannte Personen), die am 26. Jänner 1990 bzw 16. März 1990 bzw 23. Dezember 1990 bzw 30. März 1991 verstorben seien. Somit sei auch der Bescheid vom 24. Mai 1991 als Nichtbescheid zu qualifizieren. Gemäß § 209a Abs 2 BAO hänge die Einkommensteuerveranlagung des Bw mittelbar von der Erledigung der abgegebenen einheitlich und gesonderten Einkünftefeststellung ab.

Weiters hänge die Einkommensteuerveranlagung 1989 von einem Rechtsmittelverfahren ab. Selbst, wenn man den Bescheid vom 24. Mai 1991 nicht als nichtig ansähe, könne hinsichtlich des Einkommensteuerbescheides 1989 keine Verjährung eingetreten sein. Denn dann müsste die Behörde aufgrund der Zurückweisungsbescheide gemäß § 295 BAO einen neuen abgeleiteten Bescheide erlassen, da sie den abgeleiteten Bescheid rechtswidrig aufgrund eines Nichtbescheides neu erlassen habe. Zwingendes Ergebnis des Rechtsmittelverfahrens gegen die nichtigen Bescheide wäre somit die Neuerlassung abgeleiteter Einkommensteuerbescheide für 1989. Daher sei auch wegen indirekter (mittelbarer) Abhängigkeit des Verfahrens von der Erledigung einer Berufung in Anwendung des § 209a BAO keine Verjährung eingetreten. Jede andere Auslegung der §§ 295 und 209a BAO wäre denkunmöglich, denn es dürfe nicht aufgrund von Fehlern der Finanzverwaltung (Erlassung von Nichtbescheiden) und des langen Rechtsmittelverfahrens Verjährung zu Lasten des Steuerpflichtigen eintreten. Abschließend führte der Bw nochmals die bereits zitierte Beantragung der Erlassung eines abgeleiteten Bescheides aus.

Das Finanzamt X wies den Antrag auf Erlassung eines abgeleiteten Bescheides gemäß § 295 BAO hinsichtlich Einkommensteuer 1989 mit Bescheid vom 19. Dezember 2008 zurück (FA-Akt Bl 34f) und führte begründend aus, dass § 295 Abs 1 BAO kein Antragsrecht für den Abgabepflichtigen vorsehe, sondern sei diese Maßnahme ausdrücklich als eine "von Amts wegen" vorzunehmende normiert. Der am 4. Dezember 2008 eingebrachte Antrag vom 2. Dezember 2008 sei daher unter Verweis auf UFS 12.9.2008, RV/2574-W/08 als unzulässig zurückzuweisen. Weiters stünde einer amtswegigen Maßnahme gemäß § 295 BAO die eingetretene absolute Verjährung der Einkommensteuer 1989 entgegen. Auch aus § 209a BAO könne nichts für die Sache des Bw gewonnen werden. Denn die Festsetzung der Einkommensteuer 1989 habe nicht von der Erledigung der Berufung gegen den Feststellungsbescheid abgehängt. Denn bei diesem habe es sich um einen rechtlich nicht existenten Bescheid (Nichtbescheid) gehandelt; die Berufungserledigung sei daher nur als Formalentscheidung (Zurückweisung) erfolgt, die somit aber keinen Inhalt iSd § 188 Abs 1 oder Abs 3 BAO gehabt hätte.

Mit Schreiben vom 14. Jänner 2009 (Postaufgabe 19. Jänner 2009, beim Finanzamt X eingelangt am 20. Jänner 2009; FA-Akt Bl 37f) erhob der Bw Berufung gegen den am 8. Jänner 2009 zugestellten Zurückweisungsbescheid vom 19. Dezember 2009. Auch die nachträgliche bescheidmäßige Erledigung, dass der Grundlagenbescheid, der zur Abänderung des Einkommensteuerbescheides geführt habe, in Wahrheit ein Nichtbescheid gewesen sei, sei einer Aufhebung des Grundlagenbescheides gleichzusetzen. Es könne nicht sein, dass "der von einem Nichtbescheid abgeleitete Einkommensteuerbescheid zwar rechtswidrig ergangen ist, dieser aber dann nicht gemäß § 295 wieder aufzuheben ist (vgl. VwGH 24.11.1980, Zl 93/14/0203)." Diese Auslegung würde dem Zweck des § 295 BAO zuwiderlaufen. Denn hätte der Bw (Anmerkung: eigentlich: seine Gesamtrechtsvorgängerin) damals gegen den abgeleiteten Einkommensteuerbescheid berufen, wäre die Berufung gemäß § 252 BAO abgewiesen worden. Auch aus dem Blickwinkel des Rechtsschutzes könne in verfassungskonformer Interpretation § 295 BAO nur derart ausgelegt werden, dass er auch im gegenständlichen Fall anzuwenden sei. Hinsichtlich Verjährung und Anwendbarkeit des § 209a BAO werde betont, dass auf Ebene des Einkünftefeststellungsverfahrens nicht alleine die Berufung gegen den Nichtbescheid erhoben worden sei, sondern auch die Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung aus dem Jahr 1990 noch unerledigt sei und als Antrag im Sinne des § 85 BAO die Verjährung hemme. Deshalb sei der Verweis auf UFS 12.9.2008, RV/2574-W/08 nicht schlüssig, weil dort offenbar zumindest eine bescheidmäßige Einkünftefeststellung vorliege. Die rechtswidrige Änderung des Einkommensteuerbescheides 1989 aufgrund eines Nichtbescheides könne auch durch einen etwaigen zukünftigen gleichlautenden einheitlichen und gesonderten Feststellungsbescheid nicht saniert werden (Anmerkung der Berufungsbehörde: Der Verweis auf VwGH 24.11.1980, 93/14/0203 kann sich wohl nur auf das Erkenntnis des VwGH vom 24.11.1998 zur Zahl 93/14/0203 beziehen.) Festzuhalten sei noch, dass das zu diesem Thema ergangene VwGH-Erkenntnis 2006/13/0115 vom 19.12.2007 im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei, da noch immer kein rechtsgültiger Feststellungsbescheid für das Jahr 1989 vorliege. Auch sei zu betonen, dass neben den Einkünften auch die Aspekte Verjährung und Aussetzungszinsen zu beachten seien, sodass eine bloße Gleichschaltung der abgeleiteten Bescheide mit den Grundlagenbescheiden zu kurz greife. Es sei ganz einfach nicht akzeptabel, dass rechtswidrige Bescheide für einen Steuerpflichtigen negative materielle Auswirkungen hätten. Damit seien die Voraussetzungen des § 295 BAO gegeben. Die gebotene amtswegige Änderung des gegenständlichen Einkommensteuerbescheides scheine nur deswegen nicht zu erfolgen, weil sich dies zu Gunsten des Bw auswirken würde.

Über die Berufungen wurde erwogen:

Die Berufungen enthalten jeweils eine Begründung iSd § 250 Abs 1 lit d BAO. Bei Berufungen gegen Bescheide, die - wie hier - Anbringen zurückweisen, sind die inhaltlichen Anforderungen gemäß § 250 Abs 1 lit b und c BAO inhaltsleer, weil hier die Anfechtung nur die Aufhebung des angefochtenen Bescheides bezwecken kann (Ritz, BAO3, § 250 Tz 10), so dass die Berufungen dem § 250 Abs 1 BAO entsprechen.

A) Zur Richtigkeit des Bescheides, der zurückweisend über den Antrag auf Wiederaufnahme abgesprochen hat:

Gemäß § 304 der Bundesabgabenordnung (BAO) ist nach Eintritt der Verjährung eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausgeschlossen, sofern ihr nicht ein

a) innerhalb des Zeitraumes, bis zu dessen Ablauf die Wiederaufnahme von Amts wegen unter der Annahme einer Verjährungsfrist (§§ 207 bis 209 Abs 2) von sieben Jahren zulässig wäre, oder

b) vor dem Ablauf einer Frist von fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides

eingebrachter Antrag gemäß § 303 Abs 1 BAO zugrunde liegt.

1) Eintritt der Verjährung

Um die Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens und damit des auf diese Maßnahme gerichteten Antrages beurteilen zu können, ist zuerst zu prüfen, ob die Verjährung hinsichtlich der Einkommensteuer für 1989 bereits eingetreten ist.

Nach § 209 Abs 3 BAO verjährt das Recht auf Festsetzung einer Abgabe spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches (§ 4 BAO). Der Abgabenanspruch der veranlagten Einkommensteuer entsteht nach § 4 Abs 2 lit a Z 2 BAO insbesondere mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird, soweit nicht der Abgabenanspruch nach § 4 Abs 2 lit a Z 1 BAO schon früher entstanden ist, oder wenn die Abgabepflicht im Lauf eines Veranlagungszeitraumes erlischt, mit dem Zeitpunkt des Erlöschens der Abgabepflicht.

Bei der veranlagten Einkommensteuer für das Jahr 1989 ist mit Ablauf des Jahres 1999 diese absolute Verjährung eingetreten. Am Eintritt der absoluten Verjährung ändert auch der Umstand nichts, dass die absolute Verjährungsfrist erst mit dem Steuerreformgesetz 2005, BGBl I 2004/57 ab 1. Jänner 2005 von fünfzehn auf zehn Jahre verkürzt wurde, trat doch die absolute Verjährung der Einkommensteuer 1989 selbst nach Maßgabe einer fünfzehnjährigen absoluten Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres 2004 ein.

Dem Vorbringen des Bw, dass nach Maßgabe des § 209a Abs 2 BAO die Verjährung nicht eingetreten sei, ist Folgendes zu entgegnen:

§ 209a Abs 1 und 2 BAO lauten:

"(1) Einer Abgabenfestsetzung, die in einer Berufungsentscheidung zu erfolgen hat, steht der Eintritt der Verjährung nicht entgegen.

(2) Hängt eine Abgabenfestsetzung unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung oder eines in Abgabenvorschriften vorgesehenen Antrages (§ 85) ab, so steht der Abgabenfestsetzung der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Berufung oder der Antrag vor diesem Zeitpunkt, wenn ein Antrag auf Aufhebung gemäß § 299 Abs. 1 vor Ablauf der Jahresfrist des § 302 Abs. 1 oder wenn ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens rechtzeitig im Sinn des § 304 eingebracht wurde."

Schon aus dem Wortlaut dieser Bestimmungen ergibt sich, dass diese den Eintritt der Verjährung nicht verhindern, sondern unter den dort genannten Voraussetzungen eine Abgabenfestsetzung trotz des Eintrittes der Verjährung zulassen. Damit kann dem Bw nicht in der Annahme gefolgt werden, dass die Verjährung noch nicht eingetreten sei.

Für den gegenständlichen Wiederaufnahmsantrag kommt die Bestimmung des § 209a Abs 2 BAO nicht zur Anwendung, da dieser nicht vor Eintritt der Verjährung eingebracht wurde. Der Umstand, dass allenfalls die Abgabenfestsetzung noch auf Grund anderer noch nicht erledigter Anträge trotz Eintritt der Verjährung zulässig sein könnte, bedeutet noch nicht, dass die Abgabenfestsetzung auf Grund des gegenständlichen Wiederaufnahmsantrages zulässig ist.

2) Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 304 lit a BAO:

Für die Bewilligung der Wiederaufnahme (= Wiederaufnahme auf Antrag) sieht § 304 BAO Ausnahmen von der grundsätzlich maßgebenden Befristung durch die Verjährung vor.

Die Siebenjahresfrist des § 304 lit a BAO ist unterbrechbar (bzw. ab 2005: verlängerbar) und hemmbar. Die absolute Verjährungsfrist (§ 209 Abs 3 BAO) begrenzt auch die Frist des § 304 lit a BAO (vgl Ritz, BAO³, § 304 Tz 5 unter Hinweis auf Ellinger ua, BAO³, § 209 Anm 20 und § 304 Anm 2).

Für den gegenständlichen Wiederaufnahmsantrag ist ausschlaggebend, dass dieser nicht vor Eintritt der absoluten Verjährung, welche mit 31. Dezember 1999 eingetreten ist, eingebracht wurde. Aus diesem Grund ist die Wiederaufnahme des Verfahrens auf Grund des gegenständlichen Antrages nach § 304 lit a BAO nicht zulässig.

3) Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 304 lit b BAO:

Bei der Fünfjahresfrist des § 304 lit b BAO ist unter Rechtskraft die formelle Rechtskraft zu verstehen (Ritz, ÖStZ 1995, 120; Ellinger ua, BAO³, § 304 Anm. 5). Diese Frist ist vor allem bedeutsam, wenn die Frist des § 304 lit a BAO im Zeitpunkt der Stellung des Wiederaufnahmsantrages bereits abgelaufen ist (somit insbesondere für nach Ablauf der sogenannten absoluten Verjährungsfrist des § 209 Abs 3 BAO gestellte Wiederaufnahmsanträge).

Im gegenständlichen Fall ist die formelle Rechtskraft des an die Gesamtrechtsvorgängerin des Bw im Dezember 1998 ergangenen Einkommensteuerbescheides für 1989 bereits im Jänner 1999 eingetreten. Daraus ergibt sich, dass der nunmehr am 24. November 2008 eingebrachte Wiederaufnahmsantrag nicht innerhalb der Fünfjahresfrist des § 304 lit b BAO eingebracht wurde. Damit ist dem Finanzamt X zuzustimmen, wenn aus diesem Grund der gegenständliche Wiederaufnahmsantrag zurückgewiesen wurde.

4) Weiteres:

Der Eintritt von Verjährung (und das Ablaufen von Fristen) durch gesetzliche Bestimmungen ist nichts Außergewöhnliches und soll den sogenannten Rechtsfrieden schaffen. Ein Auslegungsergebnis von gesetzlichen Bestimmungen, das den Eintritt der Verjährung bzw das Ablaufen einer Frist ergibt, ist daher nicht denkunmöglich.

Da eine Wiederaufnahme somit gemäß § 304 BAO "ausgeschlossen" ist, kann auf die Tauglichkeit des vorgebrachten Wiederaufnahmsgrundes nicht eingegangen werden, und die Berufung ist abzuweisen.

Die einzige Rechtsansicht, die in der Erledigung des Bundesministeriums für Finanzen vom 28. Oktober 2005, die der Bw dem Wiederaufnahmeantrag in Ablichtung beilegte, in Bezug auf Bemessungsverjährung geäußert wird, befindet sich auf der zweiten Seite und lautet (FA-Akt Bl 26 verso): "Die Wiederaufnahme ist übrigens auch dann zu bewilligen, wenn die Bemessungsverjährung der Erlassung eines (dem zwischenzeitig erlassenen Grundlagenbescheid berücksichtigenden) neuerlichen Änderungsbescheides entgegensteht." Daraus ist für den Fall des Bw gar nichts zu gewinnen, denn damit soll sicher nicht ausgedrückt werden und es wird auch nicht ausgedrückt, dass eine Wiederaufnahme ohne Beachtung ihrer Befristung durch § 304 BAO (stets) dann zu bewilligen wäre, wenn im Moment der Bewilligung der Wiederaufnahme bereits Verjährung eingetreten wäre. Eine Mitteilung von Rechtsansichten des BMF ist keine Entscheidung im Einzelfall und kann eine solche wegen der unzähligen möglichen Einzelfallkonstellationen nicht vorwegnehmen. Auch wenn die Mitteilungen von Rechtsansichten des BMF umgangssprachlich als "Einzelerledigungen" bezeichnet werden, ist einer solchen, in einer Mitteilung bestehenden Erledigung keine Vorwegnahme der Entscheidung im Einzelfall durch die für diesen Einzelfall zuständigen Behörden zuzusinnen.

B) Zur Richtigkeit des Bescheides, der zurückweisend über den Antrag auf Erlassung eines abgeleiteten Bescheides gemäß § 295 BAO hinsichtlich Einkommensteuer 1989 abgesprochen hat:

Die auf § 295 BAO gestützte Erlassung eines Bescheides ist eine amtswegige Maßnahme: § 295 Abs 1 BAO normiert ausdrücklich "von Amts wegen"; § 295 Abs 2 BAO macht Abs 1 "sinngemäß" anwendbar und § 295 Abs 3 BAO baut auf Abs 1f auf (arg: "auch ansonsten").

Ein Antrag auf eine amtswegige Maßnahme ist nicht zulässig, weshalb er zurückzuweisen ist (vgl UFS 12.9.2008, RV/2574-W/08). Die denkbare Ausnahme, dass ein Antrag auf eine amtswegige Maßnahme gestellt würde und die Behörde tatsächlich die Maßnahme von Amts wegen vornähme, sodass der Antrag in der amtswegigen Maßnahme auch seine Erledigung fände (vgl Stoll, BAO, 2999f), liegt hier nicht vor, denn das Finanzamt hat eben nicht den vom Bw gewünschten geänderten (neuen) Einkommensteuerbescheid 1989 erlassen.

§ 295 BAO sieht - anders etwa als §§ 201 und 299 BAO - kein Antragsrecht neben der Vorgangsweise von Amts wegen vor. Ein solches Antragsrecht wäre auch überflüssig, weil § 295 BAO keinen Ermessensspielraum lässt und es folglich durch § 311 Abs 2 BAO ohnehin ein Rechtsmittel gibt, das den Abgabepflichtigen vor Untätigkeit des Finanzamtes, wenn dieses von Amts wegen tätig zu werden hätte, schützt. (Vgl auch Ellinger ua, BAO3, § 295 Anm 12, § 311 Anm 18). Deshalb stellt die Unzulässigkeit eines Antrages auf Erlassung eines abgeleiteten Bescheides gemäß § 295 BAO auch kein denkunmögliches Interpretationsergebnis dar.

Die Zurückweisung des Antrages vom Dezember 2008 durch das Finanzamt X ist daher zu bestätigen und die dagegen gerichtete Berufung abzuweisen. Wegen der Unzulässigkeit des Antrages auf Erlassung eines abgeleiteten Bescheides gemäß § 295 BAO sind auf die theoretischen Themen der behaupteten Zulässigkeit der Abgabenfestsetzung mit einem allfälligen, auf § 295 BAO gestützt erlassenen Einkommensteuerbescheid 1989 nach Ablauf der Verjährungsfrist, und der behaupteten Günstigkeit eines solchen für den Bw hier nicht mehr einzugehen

Ergeht auch an Finanzamt X zu St.Nr. Y - AV02

Wien, am 13. Februar 2009

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 52 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 304 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 295 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 114 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Einzelerledigung

Stichworte