UFS RV/0395-L/07

UFSRV/0395-L/074.2.2008

Haftung gemäß § 12 BAO bei Abschluss eines Zwangsausgleiches im Insolvenzverfahren der Primärschuldnerin.

 

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des M, vertreten durch Gabl Kogler Papesch Leitner Rechtsanwälte OEG, 4020 Linz, Museumstraße 31a, vom 7. März 2007 gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz vom 13. Februar 2007, StNr. 000/0000, mit dem der Berufungswerber gemäß § 12 BAO zur Haftung für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der MM KEG (nunmehr MM KG) im Ausmaß von 43.660,97 € in Anspruch genommen wurden, entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Mit Gesellschaftsvertrag vom 25.5.1999 wurde das primärschuldnerische Unternehmen gegründet, deren unbeschränkt haftender Gesellschafter der Berufungswerber ist.

Über das Vermögen der Gesellschaft wurde mit Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 15.12.2006 das Konkursverfahren eröffnet.

Mit Haftungsbescheid vom 13.2.2007 nahm das Finanzamt den Berufungswerber gemäß § 12 BAO für folgende aushaftende Gesellschaftsschulden in Höhe von 43.660,97 € in Anspruch:

Abgabenart

Zeitraum

Betrag

Umsatzsteuer

11/06

37.769,24

Lohnsteuer

2004

2.145,00

Dienstgeberbeitrag (DB)

2004

740,02

Zuschlag zum DB

2004

62,49

Lohnsteuer

2005

2.145,00

Dienstgeberbeitrag (DB)

2005

740,02

Zuschlag zum DB

2005

59,20

Summe

 

43.660,97

In der Begründung wurde die Bestimmung des § 12 BAO zitiert, sowie auf die Gesellschaftereigenschaft des Berufungswerbers und das anhängige Konkursverfahren der Gesellschaft verwiesen. Die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Firma seien daher, soweit sie nicht durch die im Insolvenzverfahren zu erwartende Quote entrichtet würden, bei der Gesellschaft uneinbringlich. Die Geltendmachung der Haftung sei eine zweckmäßige Sicherungsmaßnahme, um den Abgabenausfall zu verhindern.

In der mit Schriftsatz vom 7.3.2007 eingebrachten Berufung gegen den Haftungsbescheid "gem. § 9 iVm § 80 ff BAO" wurde zunächst umfangreiches, angesichts der tatsächlich auf die Bestimmung des § 12 BAO gestützten Haftung im gegenständlichen Fall ins Leere gehende allgemeines Vorbringen zur Geschäftsführerhaftung erstattet. Zur Umsatzsteuer 11/2006 wurde darauf hingewiesen, dass darin anlässlich der Konkurseröffnung rückverrechnete Vorsteuer in Höhe von 27.951,17 € enthalten sei. Durch die Rückrechnung entstehe der Finanzverwaltung kein Nachteil, weil die Rechnungsaussteller entsprechend bezahlte Mehrwertsteuern rückfordern würden. Die Umsatzsteuer würde auch durch nachträglich nicht einbringliche Forderungen geringer werden, was zu einer Kürzung der Umsatzsteuerzahllast führe. Die haftungsgegenständlichen Lohnabgaben wären auf ein Schätzung durch das Finanzamt zurückzuführen, welches davon ausgegangen wäre, dass mehrere Dienstnehmer angestellt, jedoch nicht angemeldet gewesen sein sollen. Dies sei nicht der Fall, sondern offensichtlich habe ohne Zustimmung des Berufungswerbers ein angemeldeter Dienstnehmer eine weitere Person auf die Baustelle mitgenommen, die jedoch dem Unternehmen nicht zuzuordnen sei. Das diesbezügliche Finanzstrafverfahren sei nicht rechtskräftig abgeschlossen, die Zuschätzung könne nicht dem Berufungswerber angelastet werden. Da der gegenständliche Konkurs noch nicht abgeschlossen wäre, sei auch noch nicht von einer objektiven Uneinbringlichkeit auszugehen.

Mit Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 25.5.2007 wurde das Konkursverfahren nach Bestätigung eines am 20.4.2007 angenommenen Zwangsausgleiches aufgehoben. Demnach erhalten die Konkursgläubiger eine 30 %ige Quote, wovon 20 % innerhalb von vier Wochen ab Annahme des Zwangsausgleichsvorschlages, und die restlichen 10 % binnen 22 Monaten ab Annahme, beides nicht vor Rechtskraft der am 3.5.2007 erfolgten Bestätigung des Zwangsausgleiches zu bezahlen sind. Die erste Teilquote von 20 % wurde bereits entrichtet.

Die Gesellschaft wurde fortgesetzt, und die Firma gemäß den Bestimmungen des UGB angepasst (Änderung KEG in KG).

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 12 BAO haften die Gesellschafter von als solche abgabepflichtigen und nach bürgerlichem Recht voll oder teilweise rechtsfähigen Personenvereinigungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit persönlich für die Abgabenschulden der Personenvereinigung. Der Umfang ihrer Haftung richtet sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes.

Gemäß § 161 Abs. 1 UGB ist eine Kommanditgesellschaft eine unter eigener Firma geführte Gesellschaft, bei der die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern bei einem Teil der Gesellschafter auf einen bestimmten Betrag (Haftsumme) beschränkt ist (Kommanditisten), beim anderen Teil dagegen unbeschränkt ist (Komplementäre). Soweit der zweite Abschnitt des zweiten Buches des UGB nichts anderes bestimmt, finden auf die Kommanditgesellschaft die für die offene Gesellschaft geltenden Vorschriften Anwendung (§ 161 Abs. 2 UGB).

Demnach haften die Komplementäre für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner unbeschränkt. Eine entgegenstehende Vereinbarung ist Dritten gegenüber unwirksam (§ 128 UGB).

Gemäß § 906 Abs. 14 UGB traten unter anderem die §§ 105 bis 180 UGB mit 1.1.2007 in Kraft. Soweit nichts anderes bestimmt ist, sind auf Sachverhalte, die sich vor diesem Zeitpunkt ereignet haben, die bisher geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

Gemäß § 4 Abs. 1 EGG waren auf eingetragene Erwerbsgesellschaften die Vorschriften des Handelsgesetzbuches und der Vierten Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch über die offene Handelsgesellschaft und die Kommanditgesellschaft sowie - unter Bedachtnahme auf die §§ 2 und 6 - die für diese Gesellschaften geltenden Vorschriften über die Firma anzuwenden. Gemäß § 128 iVm § 161 HGB hafteten die Komplementäre einer KG für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich. Eine entgegenstehende Vereinbarung war Dritten gegenüber unwirksam. Dies galt gemäß § 4 Abs. 1 EGG auch für die persönlich haftenden Gesellschafter einer KEG.

An der persönlichen, unbeschränkten und unmittelbaren Haftung des Berufungswerbers für die Abgabenschulden der Primärschuldnerin ist durch das Inkrafttreten des UGB und die damit verbundene Änderung der vormaligen KEG in die nunmehrige KG somit keine Änderung eingetreten. Der Berufungswerber kam als persönlich haftender Gesellschafter daher grundsätzlich als Haftungspflichtiger im Sinne des § 12 BAO in Betracht.

Das zur Frage einer Geschäftsführerhaftung im Sinne des § 9 BAO erstattete Vorbringen ging ins Leere, da das Finanzamt die Haftungsinanspruchnahme ausdrücklich auf die Bestimmung des § 12 BAO gestützt hat.

Soweit die Richtigkeit der Abgabenvorschreibung bestritten wurde, genügt ein Hinweis darauf, dass im Berufungsverfahren gegen den Haftungsbescheid nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung (deren Höhe) nicht mit Erfolg erhoben werden können, solange Bescheide über den Abgabenanspruch dem Rechtsbestand angehören (Ritz, BAO³, § 248 Tz 14 mit Judikaturnachweisen).

Es trifft auch nicht zu, dass der Finanzverwaltung durch die Vorsteuerrückrechnung im gegenständlichen Fall kein Schaden entstünde. Während der Leistungserbringer (Rechnungsaussteller) bei einem 30 %igen Zwangsausgleich des Leistungsempfängers (Primärschuldnerin) 70 % der in Rechnung gestellten Umsatzsteuer berichtigen und zurückfordern kann, erhält das Finanzamt von den korrespondierenden 70 % an rückverrechneter Vorsteuer nur die im Insolvenzverfahren erzielte Quote von 30 %.

Die Haftungsinanspruchnahme erweist sich im vorliegenden Fall jedoch aus folgendem Grund als unzulässig. Im Insolvenzverfahren der Gesellschaft wurde ein Zwangsausgleich abgeschlossen. Durch diesen rechtskräftig bestätigten Ausgleich wird die Gesellschaft von der Verbindlichkeit befreit, ihren Gläubigern den Ausfall, den sie erleiden, nachträglich zu ersetzen (§ 156 Abs. 1 KO). Ist der Schuldner eine eingetragene Personengesellschaft oder eine Verlassenschaft, so kann der Ausgleich gemäß § 164 Abs. 1 KO nur mit Zustimmung sämtlicher persönlich haftenden Gesellschafter oder sämtlicher Erben geschlossen werden. Die Rechtswirkungen des Ausgleiches kommen, soweit im Ausgleich nichts anderes bestimmt ist, einem jeden solchen Gesellschafter oder Erben gegenüber den Gesellschaftsgläubigern oder Erbschaftsgläubigern zustatten (§ 164 Abs. 2 KO). Durch diese Bestimmung wird die Haftung des persönlich haftenden Gesellschafters der KEG (bzw. nunmehr KG) abweichend von den sonstigen Mitschuldnern der Gesellschaftsschuld durch Erfüllung des Zwangsausgleichs der Gesellschaft überhaupt aufgehoben. Die Rechtswirkungen des Gesellschaftsausgleichs kommen, wenn darin nicht anderes bestimmt ist, einem jeden Gesellschafter gegenüber den Gesellschaftsgläubigern zustatten. Wird die Forderung des Gesellschaftsgläubigers durch rechtzeitige Erfüllung der Ausgleichsverbindlichkeit getilgt, bleibt dem Gesellschaftsgläubiger keine Möglichkeit, auf § 128 HGB (nunmehr § 128 UGB) zurückzugreifen und für seinen Forderungsausfall den Gesellschafter heranzuziehen. Die Gesellschafter, die bis zur Rechtskraft der Ausgleichs- oder Zwangsausgleichsbestätigung nach § 128 HGB (§ 128 UGB) unbeschränkt hafteten, können sich somit auf die Rechtswirkungen des Ausgleichs (Zwangsausgleichs) im Gesellschaftsverfahren berufen, sodass sie für die Gesellschaftsschulden, soweit sie Ausgleichsschulden sind, inhalts-, betrags- und fälligkeitsmäßig nur nach Maßgabe des Gesellschaftsausgleichs haften. Durch die rechtskräftige Bestätigung des Ausgleichs bzw. Zwangsausgleichs wird die Haftung der Gesellschafter prozentuell auf die Quote herabgedrückt und kann nur durch den Eintritt des Wiederauflebens gegen die Gesellschaft wieder erhöht werden. Ein Verzug in der Erfüllung des Gesellschaftsausgleichs betrifft daher sowohl die Gesellschaft als auch ihre Gesellschafter (OGH 26.2.2003, 3Ob167/02h).

Der Oberste Gerichtshof hat diese Rechtsansicht in mehreren Folgeentscheidungen bestätigt (vgl. OGH 28.8.2003, 8Ob96/03f; OGH 18.9.2003, 8Ob97/03b; und OGH 17.3.2005, 8Ob8/05t). Im letztgenannten Fall lag eine neben die Gesellschafterhaftung tretende und darüber hinausgehende zivilrechtliche Haftungsvereinbarung (Leasingvertrag) zwischen Gesellschafter der OEG und Gläubiger vor, aufgrund derer sich der Gesellschafter letztlich nicht auf die Bestimmung des § 164 Abs. 2 KO berufen konnte. Mit einer solchen zusätzlichen Haftungsvereinbarung kann die Haftung nach § 12 BAO aber nicht gleichgesetzt werden, da es mit dieser dem Abgabengläubiger nur ermöglicht wird, die Haftung eines Gesellschafters nach den handelsrechtlichen Bestimmungen geltend zu machen. Durch § 12 BAO werden gleichsam die handelsrechtlichen Möglichkeiten der Inanspruchnahme persönlich haftender Gesellschafter in das Abgabenrecht übertragen, sodass dem Abgabengläubiger die nach handelsrechtlichen Maßstäben zu beurteilenden Gläubigerrechte ebenso wie dem Zivilgläubiger offen stehen. Diese Gläubigerrechte sind aber wegen Abgabenforderungen abgabenverfahrensrechtlich, also im Administrativverfahren geltend zu machen, in Bezug auf die Heranziehung der Gesellschafter für die Abgabenschulden der Gesellschaft mit Haftungsbescheid gemäß § 224 BAO (Stoll, BAO, 147).

Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen erstinstanzlichen Haftungsbescheides vom 13.2.2007 lag noch kein rechtskräftig bestätigter Zwangsausgleich vor, welcher der Geltendmachung der Gesellschafterhaftung gemäß § 12 BAO entgegen gestanden wäre. Gemäß § 254 BAO wird durch die Einbringung einer Berufung die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheides nicht gehemmt, insbesondere die Einhebung und zwangsweise Einbringung einer Abgabe nicht aufgehalten. Bescheide entfalten ihre volle Wirksamkeit daher bereits mit ihrer Rechtskraft im materiellen Sinn, somit in der Regel mit Zustellung (Ritz, BAO³, § 254 Tz. 2). Selbst wenn der Haftungsbescheid aber auch in formelle Rechtskraft erwachsen, und nicht mit Berufung angefochten worden wäre, somit im Zeitpunkt des Abschlusses des Zwangsausgleiches ein formell und materiell rechtskräftiger Haftungsbescheid vorgelegen wäre, käme die Bestimmung des § 164 Abs. 2 KO zur Anwendung. Gemäß § 12 AbgEO können gegen den Anspruch im Zuge des finanzbehördlichen Vollstreckungsverfahrens insofern Einwendungen erhoben werden, als diese auf den Anspruch aufhebenden oder hemmenden Tatsachen beruhen, die erst nach Entstehung des diesem Verfahren zugrunde liegenden Exekutionstitels eingetreten sind. Die Rechtswirkungen des Zwangsausgleiches kommen auch gemäß § 12 BAO bereits rechtskräftig zur Haftung herangezogenen persönlich haftenden Gesellschaftern zugute (Liebeg, AbgEO, § 12 Tz 12). In einem solchen Fall wäre die Vollstreckung unter gleichzeitiger Aufhebung aller bis dahin vollzogenen Vollstreckungsakte auf Antrag oder von Amts wegen einzustellen (§ 16 Abs. 1 AbgEO).

In diesem Zusammenhang sei noch angemerkt, dass es im Übrigen nicht sachgerecht wäre, unterschiedliche Rechtswirkungen bzw. Rechtsfolgen eines Haftungsbescheides mehr oder weniger von zeitlichen und sonstigen Zufällen abhängig zu machen (wird der Haftungsbescheid vor oder nach Abschluss des Zwangsausgleiches erlassen; wird gegen den Haftungsbescheid Berufung erhoben; wann tritt die Rechtskraft des Haftungsbescheides ein). Aus gutem Grund hat daher der Verwaltungsgerichtshof die kurzzeitig vertretene Ansicht, der Zwangsausgleich stünde einer Haftung gemäß § 9 BAO entgegen, mit Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 22.9.1999, 96/15/0049, wieder aufgegeben, weil es "auch sachlich nicht zu rechtfertigen wäre, dass es zur Haftungsfreistellung auf den grundsätzlich nicht vorhersehbaren Zeitpunkt der (letztinstanzlichen) Erlassung des Haftungsbescheides ankommen sollte".

Im vorliegenden Fall wurde gegen den Haftungsbescheid Berufung erhoben. Im Rahmen der Berufungsentscheidung hat die Berufungsbehörde von der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihrer Entscheidung auszugehen. Veränderungen des Sachverhaltes sind daher zu berücksichtigen (Ritz, BAO³, § 289 Tz 59 mit Judikaturnachweisen). Im Rahmen der gegenständlichen Entscheidung ist daher auf den zwischenzeitig im Insolvenzverfahren der Primärschuldnerin abgeschlossenen Zwangsausgleich Bedacht zu nehmen. Nach der oben dargestellten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes haften die Gesellschafter inhalts-, betrags- und fälligkeitsmäßig dadurch nur mehr nach Maßgabe des Gesellschaftsausgleichs in Höhe der Zwangsausgleichsquote. Hinsichtlich dieser Quote käme daher grundsätzlich auch nach Abschluss eines Zwangsausgleiches eine Haftungsinanspruchnahme gemäß § 12 BAO in Betracht.

Die Gesellschafterhaftung zählt zu den persönlichen Haftungen im Sinne des § 7 BAO, deren Geltendmachung im Ermessen der Abgabenbehörde liegt. Gemäß § 20 BAO müssen sich Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben, in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. § 12 BAO normiert zwar keine Ausfallshaftung, die Nachrangigkeit der Haftung ist aber auch hier zu berücksichtigen (Ritz, BAO³, § 12 Tz 5). Bei der Ermessensübung ist vor allem der Zweck der Haftungsbestimmung zu berücksichtigen. Haftungen sind Besicherungsinstitute. Daraus ergibt sich eine gewisse Nachrangigkeit der Haftung im Verhältnis zur Inanspruchnahme des Hauptschuldners. Der Haftende darf daher in der Regel nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die Einbringung der Abgabe beim Hauptschuldner gefährdet oder wesentlich erschwert wäre oder wenn die Inanspruchnahme des Hauptschuldners aus rechtlichen Gründen nicht möglich oder nicht zulässig wäre (Ritz, BAO³, § 7 Tz 6). Dass die Einbringung der Zwangsausgleichsquote bei der Primärschuldnerin gefährdet oder wesentlich erschwert wäre, ist den vorliegenden Akten nicht zu entnehmen. Die erste Teilquote von 20 % wurde bereits entrichtet. Wird in weiterer Folge der Zwangsausgleich durch Bezahlung auch der restlichen Teilquote von 10 % zur Gänze erfüllt, tritt vollständige Restschuldbefreiung sowohl für die Gesellschaft als auch für den Berufungswerber ein. Würde demgegenüber der Berufungswerber hinsichtlich der derzeit offenen restlichen Teilquote von 10 % zur Haftung herangezogen, könnte diese vom Berufungswerber (zwangsweise) eingebracht werden. Im Ergebnis würde damit der Berufungswerber aber vor der Primärschuldnerin für diese Teilquote in Anspruch genommen. Dies erscheint unbillig im Sinne des § 20 BAO und würde das Prinzip der Nachrangigkeit der Haftung außer Acht lassen. Überdies ist zu bedenken, dass nach der zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes die Gesellschafter inhalts-, betrags- und fälligkeitsmäßig nur nach Maßgabe des Gesellschaftsausgleichs haften. Die weitere Teilquote, hinsichtlich derer zum gegenwärtigen Zeitpunkt allenfalls eine Haftungsinanspruchnahme in Betracht käme, ist aber noch nicht fällig. Nach Lehre und Rechtsprechung gehen insolvenzrechtliche Fälligkeiten den abgabenrechtlichen Fälligkeiten vor (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2225 mit Judikaturnachweisen). Gehört eine Abgabenschuld zu jenen Verbindlichkeiten, von denen der Schuldner durch den rechtskräftig bestätigten Ausgleich gemäß § 53 Abs. 1 AO befreit wird, so treten die Vorschriften der Bundesabgabenordnung in den Hintergrund. Für die Einhebung einer vom Ausgleichsverfahren betroffenen Abgabenschuld sind daher vorrangig die Vorschriften der Ausgleichsordnung anzuwenden (VwGH 19.12.1990, 87/13/0070). Gleiches gilt für einen Zwangsausgleich. Es spricht daher auch der Umstand, dass die ausständige Teilquote noch nicht fällig ist, gegen eine Heranziehung des Berufungswerbers zur Haftung. Zweckmäßig erscheint es in derartigen Fällen mit der Geltendmachung einer allfälligen Gesellschafterhaftung zuzuwarten bis entweder der Zwangsausgleich zur Gänze erfüllt ist, oder mangels Erfüllung gänzliches oder aliquotes Wiederaufleben der Forderungen im Sinne des § 156 Abs. 5 KO eingetreten ist. Wurde die Zwangsausgleichsquote in voller Höhe entrichtet, erübrigt sich eine Haftungsinanspruchnahme des Gesellschafters. Wurde hingegen die Quote nicht oder nicht zur Gänze entrichtet, ist die Geltendmachung der Gesellschafterhaftung nicht auf die Quote beschränkt, sondern kann im Umfang der wiederaufgelebten Forderungen geltend gemacht werden (vgl. neuerlich OGH 26.2.2003, 3Ob167/02h). Sollte im vorliegenden Fall die restliche Zwangsausgleichsquote von 10 % (wider Erwarten) nicht von der Primärschuldnerin entrichtet werden, könnte der Berufungswerber für den wiederaufgelebten Teil der Abgabenforderungen zur Haftung herangezogen werden. Res iudicata stünde einer solchen neuerlichen Haftungsinanspruchnahme nicht entgegen, da eine wesentliche Änderung im entscheidungsrelevanten Sachverhalt vorläge. Schließlich wies der Unabhängige Finanzsenat in seiner Entscheidung vom 15.9.2003, RV/0386-W/03, noch darauf hin, dass im Falle eines Zwangsausgleiches zwar eine Haftungsinanspruchnahme gemäß § 12 BAO nicht mehr zulässig ist, jedoch eine Inanspruchnahme des Vertreters (hier: im Sinne des § 81 BAO) gemäß § 9 BAO weiterhin uneingeschränkt möglich wäre.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am 4. Februar 2008

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 12 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 224 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 156 KO, Konkursordnung, RGBl. Nr. 337/1914
§ 164 KO, Konkursordnung, RGBl. Nr. 337/1914
§ 128 UGB, Unternehmensgesetzbuch, dRGBl. S 219/1897
§ 164 UGB, Unternehmensgesetzbuch, dRGBl. S 219/1897
§ 12 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949

Schlagworte:

Gesellschafterhaftung, Zwangsausgleich, Restschuldbefreiung, Wiederaufleben

Verweise:

OGH, 3Ob167/02h
OGH, 8Ob96/03f
OGH, 8Ob97/03b
OGH, 8Ob8/05t
VwGH, 96/15/0049
VwGH, 87/13/0070
UFS, RV/0179-L/05

Stichworte